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Wenn die Pflegekraft nach Hause fährt – Osteuropäische Pflegekräfte in deutschen Haushalten

Die Versorgungslücke an Pflegekräften in der privaten, häuslichen Umgebung betrifft auch ausländische Frauen. Sie arbeiten für wenig Geld, oft schwarz und unter hoher Belastung.

Laut Destatis wurden 76 Prozent aller Pflegebedürftigen 2017 zu Hause versorgt – das waren 2,59 Millionen Menschen. Sie wurden allein durch Angehörige und Pflegepersonen oder Fachkräfte gepflegt. Von den Pflegekassen werden je nach Pflegegrad folgende finanzielle Beträge ausbezahlt: Stand 2018

Pflegegrad 1 Beratungsanspruch halbjährig
Pflegegrad 2 316,00 €
Pflegegrad 3 545,00 €
Pflegegrad 4 728,00 €
Pflegegrad 5 901,00 €

Die Angehörigen holen sich oft Betreuungskräfte aus Osteuropa zu Hilfe, welche ganz legal über z.B. die Deutsche Pflegevermittlung angeboten werden.

Dazu werden auch Vermittlungen von osteuropäischen Firmen genutzt, um so eine preiswerte Variante zur Rundum-Betreuung für die zu Pflegenden zu erhalten.

Diese stammen (Stand 2019) zu
46,2% aus Polen
11.1 % aus der Slowakei
10,2 % aus Rumänien
6,2 % aus Bulgarien
6,2 % aus Ungarn
4,6 % aus Tschechien
3,9 % aus Kroatien

Mindestens 500.000 Pflegebedürftige in Deutschland werden von Care-Migrantinnen oder auch ungelernten Pflegekräften aus dem Ausland betreut.
Die Pflegekosten für zu Pflegende pro Care-Migrant betragen 1796,00 Euro.

Hierfür dient das Geld aus der Pflegekasse, die Differenz zum Gehalt der Care-Migrantin trägt der zu Pflegende bzw. seine Angehörigen aus eigener Tasche.

Dazu kommen noch Fahrtkosten der Pflegekraft und Vermittlungsgebühren.
Das Monatsgehalt der Pflegekraft bleibt gleich, unabhängig von der Pflegestufe der zu betreuenden Person. Er bleibt auch bei zunehmendem Hilfebedarf gleich.

Leider bleiben Arbeitnehmerrechte für osteuropäische Betreuungskräfte in deutschen Privathaushalten viel zu oft unbeachtet. Da werden zum Beispiel Pflegekräfte vermittelt, die eine 6-Wochen-Ausbildung in der Pflege abgeschlossen haben und im Haushalt des Pflegebedürftigen leben. Meistens für 3 Monate. Anschließend kommt eine Ersatzpflegekraft für die nächsten 3 Monate und ein erneuter Wechsel findet statt. In Zeiten von Corona waren es gut und gerne 6 Monate vom Anfang der Pandemie.
Care-Migrantinnen werden durch die Carearbeit für die Pflegekassen als billige Ersatzarbeitskräfte ausgenutzt.

Die Beschäftigung vieler dieser Frauen ist hinsichtlich ihres Aufenthaltsstatus seit der EU-Osterweiterung legal, hinsichtlich ihrer Arbeitssituation aber häufig illegal, weil das deutsche Recht nicht erlaubt, dass Menschen 24 Stunden am Stück, 7 Tage in der Woche arbeiten bzw. Bereitschaft haben.
Und trotzdem wird so gehandelt.

Häufig arbeiten Frauen, die bereits in Frührente sind, von der sie aber nicht leben können, in der Pflege. Teilweise arbeiten sie komplett irregulär und haben z.T. ein Entsendeunternehmen oder werden über eine Agentur vermittelt. In diesem Bereich haben die Frauen jedoch meistens keinen Arbeitsvertrag, sondern einen Werkvertrag ohne Regelungen zu Arbeitszeiten, bezahltem Urlaub oder Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
Die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen empfinden sich als Kunden einer Dienstleistung, sind aber eigentlich Vorgesetzte, weil z.B. die Weisungsbefugnis bei ihnen liegt. Damit gehen nach deutschem Recht auch Verantwortlichkeiten einher, die aber nicht oder kaum wahrgenommen werden. So sind die Migrantinnen z.B. nur schlecht oder gar nicht sozialversichert.

Der deutsche Gewerkschaftsbund hat dazu die Institution „Faire Mobilität“ ins Leben gerufen. Dort sind auch Beratungsstellen angesiedelt.
Es ist allerdings unklar, wie groß der Anteil der Betroffenen ist, der durch diese Beratungsangebote momentan erreicht wird und ob diese möglichen Bedürfnisse adäquat abgedeckt werden.
Mobile Beschäftigte sind aufgrund der Kurzfristigkeit des Aufenthalts im Besonderen von Ausbeutung betroffen. Um ihre Rechte einfordern zu können, benötigen sie aufsuchende, fachkundige, herkunftssprachliche Beratung. Die bestehenden Beratungsstrukturen reichen für das aktuelle und zu erwartende Fallaufkommen nicht aus.
Eine Ausweitung des Angebots ist daher geboten. Als Maßgabe sollte in jedem Bundesland mindestens eine Beratungsstelle mit wenigstens zwei Mitarbeitern eingerichtet werden. In Flächenländern sollten mehrere Beratungsstellen eingerichtet werden.

Die AG Gesundheit und Pflege plädiert dafür, dass pro 100.000 Einwohner ein Begegnungszentrum mit integrierter Beratungsstelle aufgebaut wird, um z.B. bei Beratungen zu Anträgen und Verträgen, den Care-Migranten Unterstützung zukommen zu lassen und Sprachkompetenzen weiterentwickelt werden können. Auch könnten Pflegefachkräfte dort beratend zur Seite stehen. Zudem sollte eine Freizeitgestaltung der Care-Migranten möglich sein, interkulturelle Abende und Nachmittage.
Des Weiteren sollte dieses Zentrum zur Pausenregelung für Caremigranten beitragen, sodass sie sich eine Auszeit nehmen können und den Haushalt/Arbeitsstelle auch zeitweise verlassen können, um sich auszuruhen und Kraft zu schöpfen.
Um die lokalen Beratungsstellen inhaltlich zu begleiten, zu unterstützen und Synergien im Gesamtnetzwerk zu erzeugen, sollten in übergeordneten Strukturen Sprachkompetenzen und inhaltliche Kompetenzen vorgehalten werden, die, wenn notwendig, für alle Beratungsstellen abrufbar sind. Desweiteren sollte eine koordinierende Struktur das gemeinsame Profil der Beratungsstellen weiterentwickeln, die Qualität der Beratung sichern, Aus- und Fortbildungen der Berater koordinieren und Informationsmaterialen zentral erstellen.

Themenbeauftragte Sandra Leurs:

„Die „Geiz ist geil“-Mentalität ist in Deutschland zur Hochkultur gewachsen. Das sollte aber in gewissen Berufsfeldern nicht zum Tragen kommen. Für mich bedeutet es, dass wir als Gesellschaft Menschen versklaven, sowohl in der Fleischindustrie, im Agrarsektor und auch in der Pflege, ja auch da.
Dass die Situation der osteuropäischen Hilfskräfte prekär ist, liegt eher an der Haltung unserer gesamten Gesellschaft, die für Arbeiten, die sie selbst nicht ausführen will, sei es in der Fleischindustrie, der Landwirtschaft oder der Pflege „Gast“-arbeiter anwirbt.

Die Gesellschaft beschäftigt Menschen aus armen Ländern und das Gewissen wird damit beruhigt. Und es wird ja auch genau so von der Regierung vorgelebt, wenn man sieht, dass Herr Spahn nach Mexiko fliegt, um dort junge Frauen aus ihren sozialen Netzwerken herauszulösen, damit sie hier für uns arbeiten.
Wir brauchen daher solche Begegnungszentren mit integrierter Beratungsstelle, um die Care-Migranten/innen besser vor Ausbeutung zu schützen.
Wir wären alle gut bedient, wenn wir diese Arbeit besser bezahlen, die Menschen, die diesen Job machen gut versorgen und betreuen. Sie sollten sich sicher aufgehoben fühlen und fair bezahlt werden.“

Gut ist, dass ein Mindestlohn für Care-Migranten erstritten wurde:
Neues Urteil vom LAG Berlin-Brandenburg.
Die Revision ist zugelassen, weshalb der Fall vor dem Bundesarbeitsgericht landen könnte.