#Topthema Gastbeitrag Umwelt

Gastbeitrag von Karin Jacobs und Michael Passlack

Die dunkle Seite des Lichts

Lichtverschmutzung – der neueste Aufreger von diffusen „Umweltspinnern“, oder eine reale Gefahr?

Tatsächlich ist die Problematik schon viele Jahre bekannt. Astronomen der IAU (Internationale Astronomische Union), bestimmten 1979 einen Grenzwert, der bei astronomischen Beobachtungen nicht überschritten werden sollte. Eine neue Studie wirft die Frage auf, ob dieser Wert noch irgendwo auf der Welt einzuhalten ist und ein ungetrübter Nachthimmel jemals wieder möglich sein wird. [1]

In diesem Beitrag wollen wir beleuchten, wie die Lichtverschmutzung das Insektensterben befeuert und auch der Gesundheit von Menschen ernsthaft schaden kann. [1] [4]

Das Insektensterben und die Nahrungskette

Die Dauerbeleuchtung ist mit ein Auslöser des Artensterbens unter den Insekten. Durch das permanente helle Licht werden sie angezogen („Staubsaugereffekt“) und umkreisen es bis zur totalen Erschöpfung. Danach sind die meisten Insekten nicht mehr in der Lage, Futter zu suchen und fallen Fressfeinden zum Opfer. [8]

Mit den ,Paten der Nacht‘ [15] hat sich eine ehrenamtliche Initiative gegründet, die Aufklärung betreibt, welchen Schaden wir durch unnötige Beleuchtung anrichten. Dabei geht es den Paten nicht um die Etablierung einer Verbotsmentalität. So sollen Leuchten im Außenbereich ausschließlich nach unten abstrahlen. Auch die Art der Leuchtmittel ist entscheidend: LEDs mit einer Lichttemperatur bis 3.000 Kelvin haben die geringste Anlockwirkung auf Insekten. „In der Gesetzgebung spielt das Thema Lichtverschmutzung kaum eine Rolle“, sagt Philipp. Als erstes Bundesland hat Bayern zwar im August 2019 erste gesetzliche Regeln erlassen, diese gelten aber nur für öffentliche Gebäude. [8] Dies veranlasste die Bundesministerin für Umwelt, Svenja Schulze, im Gesetzentwurf zum Insektenschutz das Verbot aufzunehmen, in Naturschutzgebieten und Nationalparks die Installation bestimmter Lampen zu verbieten. Außerdem sollen private Insektenvernichtungslampen für den Außenbereich verboten werden. [9]

Auch die natürliche Selektion gerät durcheinander, wenn Vogelmännchen aufgrund künstlichen Lichts früher anfangen zu singen, um dadurch für Weibchen attraktiver zu werden. Amphibien werden durch Licht im Straßenverkehr bei ihrer Wanderung geblendet und erleiden im Extremfall eine Starre. Bis sich das Amphibienauge den Helligkeitssprüngen angepasst hat, können Minuten oder gar Stunden vergehen, besonders beim Wechsel vom Hellen ins Dunkle. Das kostet Energie, Zeit und Reproduktionschancen werden geringer, und das Risiko des Straßentods wird erhöht. Doch vor allem sind es die Insekten, die am Hitzeschild der Straßenbeleuchtung sterben, wodurch die Bestäubungsleistung von Wildpflanzen durch Nachtfalter oder Käfer deutlich verringert wird. [10]

Da der Mensch am Ende der Nahrungskette steht, sind Insekten für das Bestäuben von Pflanzen und damit für unsere Ernährung lebenswichtig. Daher liegt es in unserem ureigensten Interesse, ihr Überleben zu sichern.

Gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen

Das Licht heller Straßenlaternen, vorbeifahrender Autos und blinkender Werbetafeln raubt uns den Schlaf. Als Lichtverschmutzung wird der übermäßige Einsatz von Lampen bezeichnet, welche die Umwelt auch nachts grell erleuchten. In Ballungsgebieten wie auch in vielen ländlichen Gegenden besteht kaum noch die Möglichkeit, in einen Nachthimmel mit voller Sternenpracht zu blicken. Doch nicht nur die Astronomen beklagen bereits seit Jahren, dass kaum mehr Oasen der Dunkelheit existieren.

Lichtverschmutzung wirkt sich auch auf die Gesundheit des Menschen negativ aus, vornehmlich wegen der Beeinträchtigung des Tag-Nacht-Zyklus und der nächtlichen Regenerationsphasen. Wissenschaftler maßen den Melatoninspiegel von Menschen, die in der Wildnis übernachteten. Das Hormon Melatonin ist für die Steuerung des Tag-Nacht-Rhythmus verantwortlich, dem sogenannten zirkadianen Rhythmus. Schon ein Wochenende abseits städtischer Dauerbeleuchtung erhöhte den Melatoninspiegel signifikant.

Es gebe wissenschaftliche Beweise, dass Menschen, die weißem LED-Licht ausgesetzt sind, ein erhöhtes Risiko für Krankheiten wie Diabetes und sogar Krebs hätten. Außenbeleuchtung sollte daher eine Farbtemperatur von 3.000 Kelvin haben, wohingegen die derzeit beliebten weißen LED-Laternen zwischen 4.000 und 5.000 Kelvin aufweisen. [3]

Dieses „kalte“ Licht existiert jedoch nicht nur im Außenbereich: Smartphones, Tablets, Laptops und LED-Bildschirme im Allgemeinen sind (oft auch aus beruflichen Gründen) nicht zu vermeiden. Akkumuliert führt das zu immer mehr ernsthaften Beschwerden beim Menschen. [3] [6]

Der Fluch des billigen LED-Lichts und die Sicherheit

Ein Killerargument bei der Beleuchtung ist die Sicherheit, also das subjektive Gefühl, dass mehr Licht mehr Sicherheit bedeute. Um der Angst der Bevölkerung vor Einbrüchen oder Gewaltdelikten zu begegnen, pflanzen die Gemeinden alle paar Meter Straßenlaternen in die Landschaft. Objektiv bringt diese Dauerbeleuchtung gar nichts: Es gibt keine Untersuchung, welche die Rechnung, wonach mehr Licht auch zu mehr Sicherheit führt, bestätigen könnte. Im Gegenteil: Im englischen Bristol stieg die Zahl der Einbrüche keineswegs, nachdem die Straßenbeleuchtung reduziert wurde. In einigen Stadtteilen sank die Kriminalität sogar. Ähnliche Resultate erbrachten Studien aus Australien.

Darüber hinaus können Bewegungsmelder diese Problemstellung in vielen Fällen sehr einfach und kostengünstig beheben.

Das Wettrüsten bei der Helligkeit führt dazu, dass man vor lauter Licht noch weniger erkennt als bei Dunkelheit: „Licht ist eine hochemotionale Sache, und es herrscht die Meinung vor, dass viel Licht nötig ist, um gut zu sehen“, sagt Christopher Kyba, Wissenschaftler am Deutschen GeoForschungsZentrum Postsdam. Dabei kommt es nicht auf die Menge an Licht an, um das Gefühl von Sicherheit zu geben, sondern auf das richtige Licht. Forscher sind überzeugt: Wird das Licht klüger und zielgerichteter eingesetzt, werden Menschen und Tiere weniger gestört, kann Energie gespart werden und wieder öfter ein echter Nachthimmel bestaunt werden. [3]

Earth Night 2021

Am 7. September 2021 um 22 Uhr (Ortszeit) ist es wieder soweit: die nächste Earth Night findet statt. Menschen in der ganzen Welt werden die Nacht über das Licht reduzieren.

Die Earth Night ist ein Ereignis, bei der wir versuchen, für wenigstens eine Nacht im Jahr das menschengemachte Kunstlicht so weit wie möglich zu reduzieren. Sie findet immer zum September-Neumond statt. Anders als bei der Earth Hour im März (bei der das Licht für nur eine Stunde abgeschaltet wird, um symbolisch auf den Klimaschutz aufmerksam zu machen), wird bei der Earth Night im September eine ganze Nacht (ab 22 Uhr) das Licht reduziert. Die Aktion will auf die exzessive Nutzung von nächtlichem Kunstlicht und seinen Folgen für Mensch, Umwelt und Natur aufmerksam machen. Sinnlos Leuchtendes sowie fehlgelenktes Licht ist pure Energieverschwendung und schadet auch dem Klima. [7]

International Dark Sky Week

Vom 05.-12. April dieses Jahres fand die ‚International Dark Sky Week‘ statt. Die IDA (International Dark Sky Association) schreibt dazu: „Lichtverschmutzung mag harmlos wirken, doch sie hat weitreichende Konsequenzen, die schädlich für Lebewesen sind. Effektive Außenbeleuchtung reduziert Lichtverschmutzung und führt zu besserer Lebensqualität für alle.“ [5]

Ein extraterrestrischer Ausblick in die Zukunft

Die Lichtverschmutzung geht nicht nur von irdischen Quellen aus. Wie ein Forscherteam um Miroslav Kocifaj von der slowakischen Akademie der Wissenschaften zeigen konnte, tragen Tausende Satelliten in der Erdumlaufbahn mittlerweile erheblich zum Verlust der Dunkelheit bei. Im Fachblatt Monthly Notices of the Royal Astronomical Society schätzen die Astronomen, dass künstliche Objekte rund um die Erde den Nachthimmel um etwa zehn Prozent aufgehellt haben – so stark, dass man nirgends mehr von einem ungetrübten Blick ins All sprechen könne. [1]

Weltraumschrott

Inzwischen begnügt sich der Mensch nicht mehr nur mit der Verschmutzung unseres Planeten. Auch der erdnahe Orbit ist zu einer Müllhalde ungeheuren Ausmaßes verkommen.

Seit 1957, als der erste Satellit „Sputnik“ startete, hat es hunderte nachgewiesene Explosionen und Kollisionen im Weltraum gegeben. Übrig geblieben sind davon mehr als 20.000 Objekte, die mindestens zehn Zentimeter groß sind. Rund eine Million Teile sind größer als ein Zentimeter. Und wahrscheinlich schwirren mehr als 150 Millionen ganz kleiner Schrottteile herum, die größer als ein Millimeter sind. [11] [12]

Satelliten

Mehr als 3.300 Satelliten (plus einer unbekannten Menge militärischer Späher) umkreisten Anfang Januar die Erde. Nur relativ große Objekte sind mit bloßem Auge sichtbar – allerdings nicht, weil sie selbst Licht ausstrahlen, sondern weil sie Licht der Sonne zur Erde reflektieren. In Umlaufbahnen von einigen Hundert bis hin zu 35.000 Kilometern Höhe werden viele dieser Objekte auch auf der Nachtseite des Planeten von der Sonne angestrahlt und leiten einen Teil des Lichts weiter zur Erdoberfläche. [1]

„Starlink“ von SpaceX

Die Situation dürfte sich mit dem Aufkommen sogenannter Mega-Konstellationen von Satelliten weiter verschärfen. SpaceX möchte weltweit Internet anbieten, mithilfe einer großen Anzahl von Satelliten im erdnahen Orbit. Dafür wollen sie bis zu 42.000 dieser rund 260 kg schweren Mini-Sender und Empfänger auf feste Umlaufbahnen bringen. [12]

Update vom 28. April: SpaceX darf nun fast 3.000 weitere Satelliten in einer Höhe von etwa 570 Kilometern betreiben, für die ursprünglich mehr als 1.100 Kilometer vorgesehen waren. Ohne Placet der amerikanischen FCC (Federal Communications Commission, deutsch „Bundeskommunikationskommission“) hätte SpaceX den raschen Ausbau seines Satellitennetzwerks unterbrechen müssen. [14]

„Der Nachthimmel, wie wir ihn vom Planeten Erde sehen, der gehört allen, nicht einer Institution oder einem Land“, sagt die Astronomin Megan Donahue. [13]

Wir PIRATEN sprechen uns dafür aus, Regelungen auf ihre Verträglichkeit mit Biorhythmen zu prüfen – dies forderten wir schon beim Thema Zeitumstellung [2], wobei die unnatürliche Lichtverschmutzung mittlerweile weit gefährlicher ist.

Quellen:

[1] https://www.sueddeutsche.de/wissen/satelliten-lichtverschmutzung-nachthimmel-helligkeit-teleskop-1.5251441
[2] https://redesign.piratenpartei.de/2017/10/28/piraten-ihrer-zeit-voraus-zeitumstellung-abschaffen-2/
[3] https://www.profil.at/wissenschaft/lichtverschmutzung-nacht-beleuchtung-7984382
[4] https://www.arte.tv/de/videos/084750-010-A/re-die-dunkle-seite-des-lichts/
[5] https://www.sternenpark-schwaebische-alb.de/neues-2021/international-dark-sky-week-2021.html
[6] https://www.br.de/wissen/lichtverschmutzung-lichtsmog-licht-nacht-himmel-milchstrasse-tier-led-hell-102.html
[7] https://www.litg.de/Aktuelles/Licht-Veranstaltungen/Earth-Night-zur-Eindaemmung-der-Lichtverschmutzung.html
[8] https://www.nationalgeographic.de/umwelt/2020/04/licht-aus-sternenhimmel-so-wirkt-lichtverschmutzung-auf-organismen?s=09
[9] https://www.bmu.de/pressemitteilung/schulze-insekten-schuetzt-jetzt-ein-gesetz/
[10] https://berlin.nabu.de/stadt-und-natur/stadtentwicklung/25753.html
[11] https://www.br.de/wissen/weltraumschrott-satelliten-bruchstuecke-100.html
[12] https://www.youtube.com/watch?v=rMGqjHP3DwE
[13] https://www.deutschlandfunkkultur.de/satelliten-ohne-ende-spacex-ordnet-den-nachthimmel-neu.976.de.html?dram:article_id=482740
[14] https://www.heise.de/news/Sieg-fuer-SpaceX-FCC-erlaubt-niedrigeren-Orbit-fuer-Starlink-Satelliten-6030182.html
[15] https://www.paten-der-nacht.de/