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Jährlich 42 Tage arbeitslos – wie Bildungspolitik das Lehrpersonal scheitern lässt

Zeitgleich zum Beginn der Ferien werden in fast allen Bundesländern von der Agentur der Arbeit die Zahlen der sich arbeitslos gemeldeten Lehrer:innen veröffentlicht.
Soweit ist die Prozedur bereits aus den vielen Jahren zuvor bekannt, Lehrer:innen bekommen befristete Verträge bis zum Schuljahresende [1].

Jedoch ist etwas anders als in den Jahren zuvor. Durch den Ukrainekrieg müssen mindestens 300.000 geflüchtete Kinder in den Ländern beschult werden. [2]
Dazu kommt noch der sog. „Pillenknick“, was bedeutet, dass viele Lehrer:innen überhaupt nicht mehr an die Schule zurückkehren, da sie den Geburtsjahrgängen 1956-1958 angehören [3]. Der Widerspruch zwischen Bedarf auf der einen Seite und Befristung auf der anderen Seite wird aber noch um einen weiteren Faktor gestärkt: Länder legen Programme zur Gewinnung von Lehrer:innen auf! [4]

Ja, der Lesende fragt sich dann tatsächlich, warum man sich selbst ins besagte Knie schießt?
Die Piraten der AG Bildung und; eigentlich alle, die Bildung als elementar empfinden; fordern ein Ende der Arbeitslosigkeit für Lehrpersonal im Sommer.
Aktuell sind über 7360 Lehrende arbeitslos gemeldet [5], doch die Dunkelziffer ist weitaus größer, da viele Lehrende anscheinend sich den bürokratischen Aufwand der Beantragung sparen. In Baden-Württemberg sind z.B. von 4400 im Sommer entlassenen Lehrenden [6] grade mal 1600 gemeldet [7]. Aber viel schlimmer ist das widersprüchliche Signal, welches gesendet wird. Ein feuchter Händedruck zur Entlassung, während das Plakat zur Gewinnung von Lehrer:innen am Schwarzen Brett hängt.
Die Bildungsminister:innen sollten sich also nicht wundern, wenn nach den Ferien nicht alle zurückkommen. In Zeiten des Fachkräftemangels sollte mit Personal, egal in welcher Branche, sensibel umgegangen werden.

„Das Lehramtsstudium ist von vornherein schon gegenüber einer wirtschaftlichen Ausbildung im Nachteil. Dies wird durch die saisonale On-Off-Situation auch noch verschlimmert. Ebenso stärkt es die Gerüchteküche bzw. das falsche Bild vom ‚faulenzenden‘ Lehrpersonal im Sommer. Dies wurde jahrelang verschlafen und muss unbedingt behoben werden, um den Beruf zu schützen und nicht in einen Lehxit zu geraten,“

sagt Jonas Wessel, Koordinator der AG Bildung.

Quellen:
[1] https://piraten-sachsen.de/?p=20062130 | https://www.zeit.de/gesellschaft/schule/2018-03/lehrermangel-schulen-deutschland-quereinsteiger-pensionaere?action=report&page=15
[2] https://www.oldenburger-onlinezeitung.de/nachrichten/ueber-300-000-ukrainische-kinder-und-jugendliche-in-deutschland-87301.html
[3] https://www.mdr.de/geschichte/geschichte-pille100.html
[4] https://www.bildung.sachsen.de/blog/index.php/2022/04/07/nachwuchs-gesucht-kultusministerium-startet-neue-lehrergewinnungskampagne/
[5] https://www.rnd.de/politik/7630-lehrer-im-juni-ohne-job-arbeitslos-in-den-sommerferien-M5SWIPWV5RBBLLV33M6WR5MC4Q.html
[6] https://www.wz.de/nrw/lehrermangel-fast-4400-stellen-offen_aid-73104417
[7] https://twitter.com/Katapultmagazin/status/1544942047722934272