Autor: Borys

  • Ein Digitalministerium für Deutschland?

    Heute haben sich unsere Jugendorganisation, die Jungen Piraten e.V., und ich der Forderung nach einem Digitalministerium angeschlossen.

    Die JuPis treten als Unterstützerorganisation auf:

    Ich selber bin mit folgendem Statement:

    „Digitalisierung greift in alle Themengebiete wie Infrastruktur, Ressourcen, Arbeitswelt, Bildung, Medien, Recht etc. umfassend ein. Damit wir Deutschland zukunftsgerecht gestalten können brauchen wir ein Ministerium, das allumfassend die Auswirkungen der Digitalisierung betrachtet, daraus Konzepte ableitet, in der Umsetzung begleitet und Deutschland endlich wieder eine vorwärtsgewandte Strategie gibt.“

    unter der Rubrik „Stimmen aus der Politik“ auf der Website vertreten.

  • Internationale Sicherheitskonferenz der Piratenpartei

    Internationale Sicherheitskonferenz der Piratenpartei

    Vertreter der Piratenparteien aus ganz Europa als Experten zu den jeweiligen Themen treffen sich in München am 17. und 18. Februar 2018 zur Piraten-Sicherheitskonferenz (Pirate Security Conference). Aktuelle Entwicklungen in der Welt – beispielsweise im Iran und in Kurdistan – als auch besonders die Frage der Resilienz, also der Widerstandsfähigkeit von Infrastruktur und Gesellschaft gegen neuartige Angriffe in den verschiedensten Bereichen, werden beleuchtet.

    Die Konferenz dient auch zur weltweiten Identifizierung neuer technischer Trends. Parlamentarier und Aktivisten aus Tschechien und Island, ebenso wie Fachreferenten werden für ein hohes fachliches Niveau sorgen. Besonders freuen wir uns auf Birgitta Jónsdóttir, Wikileaks-Aktivistin und Gründerin der Piratenpartei Island, Frank Umbach, Professor am King’s College London und Spezialist für Rohstoffsicherheitsfragen, sowie weitere Experten für das Hauptthema der Konferenz „Resilienz“, die dieses aus verschiedenen Perspektiven heraus betrachten werden.

    Die Anmeldung zur Teilnahme erfolgt über die Website der PSC.
    Schirmherr der Konferenz ist Pirate Parties International, Genf. Konferenzsprache ist Englisch.

  • Safer Internet Day: Melde- und Beseitigungspflicht für IT-Sicherheitslücken einführen!

    Safer Internet Day: Melde- und Beseitigungspflicht für IT-Sicherheitslücken einführen!

    Immer mehr Aspekte des täglichen Lebens sind von vernetzten Systemen abhängig. Eine Vielzahl von Geräten, die mit dem Internet verbunden sind, umgibt uns – teilweise ohne, dass uns dies direkt bewusst ist. Mit der steigenden Zahl der vernetzten Geräte wächst aber auch die Menge der Angriffsmöglichkeiten. In den letzten Jahren haben Vorfälle wie der teilweise Ausfall des Telekom-Netzes durch das Mirai-Botnet und der Wannacry-Trojaner gezeigt, welchen Umfang Angriffe annehmen können. Dabei sind die Folgen noch relativ glimpflich gewesen, da nicht gezielt Schaden angerichtet werden sollte.

    Viele Geräte kommen mit Sicherheitslücken auf den Markt. Die Anwender wissen oft nicht einmal, dass ihr Gerät übernommen wurde und ohne ihr Wissen Dinge tut. Softwareupdates um Sicherheitslücken zu schließen, werden oft nach kurzer Produktlebensdauer nicht mehr zur Verfügung gestellt. Der Kunde wird dann mit dem Problem alleine gelassen und die Allgemeinheit der Gefahr ausgesetzt, dass immer mehr Geräte gekapert werden.

    Zum diesjährigen Tag des sicheren Internets (Safer Internet Day) schlägt Patrick Breyer, Themenbeauftragter der Piratenpartei für Datenschutz, daher vor, das Übel unsicherer Informationstechnik an der Wurzel anzugehen:

    „Vom Schaden anderer zu profitieren, ist unanständig. Das muss auch für die IT-Industrie und den Staat gelten. Die Hersteller und Importeure von Informationstechnik müssen gesetzlich zur unentgeltlichen Beseitigung bekannter Sicherheitslücken binnen kürzester Frist verpflichtet werden – und zwar mindestens zehn Jahre lang ab dem Erstverkauf. Ist dies nicht möglich, so sind Hersteller zum kostenlosen Umtausch oder nach Wahl des Kunden zur Rücknahme inklusive Erstattung aller Kosten zu verpflichten. Mit Produkthaftungsgesetzen aus den 80er Jahren wird sich die Digitale Revolution nicht bestreiten lassen.
    Darüber hinaus müssen staatliche Stellen verpflichtet werden, bekannt gewordene Sicherheitslücken unverzüglich den Herstellern zu melden, statt sie womöglich – z. B. für „Staatstrojaner“ – selbst zu Spionagezwecken auszubeuten.“

    Zum Weiterlesen:

    Internet of …

  • Klimaziele 2020 locker erreichen: Eine Anleitung

    Klimaziele 2020 locker erreichen: Eine Anleitung

    „Schicksalstag für die SPD“ – so oder ähnlich titelten die Gazetten, als sie über die Entscheidung des SPD-Sonderparteitags über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD schrieben.

    Ja, die Entscheidung wird die weitere Entwicklung der SPD beeinflussen. Interessanter für unser Land ist jedoch, was nach einem ‚Ja‘ der SPD zur #GroKo zu erwarten ist und was den Menschen in unserem Land versprochen wird. In dieser Artikelserie gehen wir diesen Fragen auf den Grund.

    Die schlechte Nachricht zuerst: Der Ausbau der erneuerbaren Technologien zur Stromerzeugung bringt, so wie er im Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) festgeschrieben ist, keine zusätzlichen CO2-Einsparungen. Er kompensiert lediglich den wegfallenden CO2-freien Atomstrom. Die gute Nachricht: Es ist überhaupt kein Problem, das Klimaschutzziel 2020 zu erreichen – wenn wir es denn als Gesellschaft und Politik wirklich wollen!

    Es war das Ziel aller Bundesregierungen seit dem Jahr 2002, dass Deutschland seine Treibhausgas-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40% gegenüber dem Jahr 1990 reduziert. Diese liegen heute bei ca. 900 Millionen Tonnen. Den größten Anteil an den Emissionen hat die Energiewirtschaft mit etwa 320 Millionen Tonnen, gefolgt vom Straßenverkehr mit 160 und jeweils 130 Millionen Tonnen durch Heizungsanlagen und das verarbeitende Gewerbe. Um das Klimaziel 2020 noch zu erreichen, muss Deutschland bis dahin die jährlichen Treibhausgas-Emissionen um 150 Millionen Tonnen senken. Wie können wir das als Gesellschaft schaffen?

    Die ersten 100 Millionen Tonnen Treibhausgase sparen wir dadurch ein, indem wir die fossilen Kraftwerke in anderer Reihenfolge für die Stromerzeugung einsetzen; an erster Stelle die Gaskraftwerke, die die geringsten Mengen CO2 ausstoßen. Reicht diese Leistung für die aktuelle Stromerzeugung nicht aus, werden Steinkohlekraftwerke zugeschaltet und erst danach Braunkohlekraftwerke. Diese Reihenfolge hätte im Jahr 2016 ca. 100 Millionen Tonnen CO2 eingespart. So ließe sich übrigens vorgehen, ohne die Stromrechnung für private Haushalte zu erhöhen. Da Erdgas als fossiler Brennstoff teurer als Stein- und Braunkohle ist, hätte sich der Preis für die Stromerzeugung um etwas weniger als 1 Cent pro Kilowattstunde erhöht. Privathaushalte zahlen 2,05 Cent pro Kilowattstunde als Stromsteuer, deren Erlöse weitestgehend in die Rentenkasse eingezahlt werden. Senken wir die Stromsteuer um 1 Cent, erhöht sich die Stromrechnung für Privathaushalte nicht. Braunkohlekraftwerke müssten bei dieser Einsatzfolge der fossilen Kraftwerke nur noch selten zur Stromerzeugung eingesetzt werden.

    Was bedeutet das für die Arbeitsplätze in der Energiewirtschaft? Für den Fall, dass „die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht“ und künftige Kurzzeitstromspeicher leer sind, muss der Strom mit Kraftwerken und deren Generatoren hergestellt werden. Gaskraftwerke sind hierbei die Technik der Wahl. Sie sind in wenigen Stunden betriebsbereit und können im Zusammenspiel mit den heutigen präzisen Wetterprognosen problemlos zugeschaltet werden. Allerdings stellen sie im aktuellen deutschen Kraftwerkspark nur etwa ein Viertel der im Rahmen der Energiewende benötigten Generatorleistung zur Verfügung. Wir müssen also anfangen, die anderen Kraftwerke umzubauen bzw. zu alte (Kohle-)Kraftwerke durch neue Gaskraftwerke zu ersetzen. Eine erste Schätzung für die Um- und Neubaukosten: etwa 30 Milliarden €. Auch diese Kosten lassen sich durch die restlichen Einnahmen aus der Stromsteuer über zehn Jahre finanzieren: Die Einnahmen aus der Stromsteuer betrugen im Jahr 2016 6,6 Milliarden €. Senken wir die Steuer um einen Cent, bleiben ca. 3,3 Milliarden € im Jahr, sprich 33 Milliarden in zehn Jahren übrig.

    Der Einsatz von Gaskraftwerken und der Umbau des Kraftwerksparks erhält alte Arbeitsplätze und schafft neue bei den Energieversorgern. Nach Daten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gab es im Jahr 2016 im Braunkohle-Bergbau und der Braunkohle-Veredelung knapp 13.000 Beschäftigte, in der Gasförderung und -versorgung mehr als 35.000. Was im Bereich der Braunkohle-Stromerzeugung wegfällt, wächst durch die erhöhte Gasstromerzeugung hinzu. Zudem sind die Braunkohlereviere durch die bereits vorhandenen Stromleitungen prädestiniert für den dringend erforderlichen und Arbeitsplätze schaffenden massiven Ausbau der erneuerbaren Energien.

    Für das Nicht-Benutzen von vier Braunkohlekraftwerken wandern bis zum Jahr 2020 aus den Bürgertaschen 1,6 Milliarden Euro in die Taschen von Energiekonzernen. Auch in den Jahren 2018 und 2019 werden für den Einsatz deutscher Steinkohle in Kraftwerken und Hochöfen sowie für Stilllegungen bei Bergbauunternehmen bis zu einer Milliarde Euro („Kohlepfennig“) gezahlt. Ab dem Jahr 2019 müssen zusätzlich 1,7 Milliarden Euro pro Jahr aus dem Bundeshaushalt aufgebracht werden, um Bergbauunternehmen in der Wahrnehmung weiterhin bestehender Verpflichtungen, die nicht von der Ruhrkohle-AG-Stiftung getragen werden, zu unterstützen. In diesem Kontext betrachtet sollten die geforderten jährlichen 240 Millionen Euro für den notwendigen Strukturwandel in der Lausitz problemlos realisierbar sein.

    Und die Einsparung der noch fehlenden 50 Millionen Tonnen?
    Die Auswahl an Möglichkeiten ist groß: Legt man für den Exportüberschuss des deutschen Stromes in Höhe von 55 Milliarden Kilowattstunden im Jahr 2016 die CO2-Emission des deutschen Strommixes zu Grunde, wurden allein hierfür 29 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Wird der Export deutlich verringert, werden damit viele Millionen Tonnen Treibhausgase eingespart. Darüber hinaus bietet der Wegfall der Ausbaubegrenzung von erneuerbaren Energien im EEG, welche die Energiewende unverantwortlich ausbremst, erhebliches Einsparungspotential. Auch wir Bürger können sofort aktiv werden, um die Treibhausgasemissionen zu verringern: Reduzieren wir unseren Fleischkonsum einhergehend mit der Verkleinerung des Viehbestandes in Deutschland um ein Fünftel – was auch unserer Gesundheit zu gute käme: 20 Millionen Tonnen. Kaufen wir langlebige oder gebrauchte Güter und beschränken die Konsumausgaben (Kleidungsstücke, technische Artikel) insgesamt auf 150 € pro Monat, sparen wir nach dem CO2-Rechner des Umweltbundesamtes drei Tonnen Treibhausgas pro Kopf gegenüber dem Durchschnittskonsumenten ein. Tun dies ab jetzt fünf Millionen weitere Bundesbürger, ergäbe sich eine Einsparung von 15 Millionen Tonnen. Fahren wir mit dem PKW etwas ruhiger und machen die eine oder andere Fahrt weniger oder mit dem Nachbarn gemeinsam, sparen wir nicht nur Spritgeld, sondern auch CO2-Emissionen ein: mindestens 10 Millionen Tonnen. Auch mit dem Austausch alter Heizungspumpen und der Erneuerung oder Optimierung alter Heizungsanlagen können wir als Bürger nicht nur Geld, sondern auch Treibhausgasemissionen reduzieren. Und es gäbe noch mehr Möglichkeiten!

  • Der #GroKo fehlt es an Mut und neuen Ideen!

    Der #GroKo fehlt es an Mut und neuen Ideen!

    „Schicksalstag für die SPD“ – so oder ähnlich titelten die Gazetten, als sie über die Entscheidung des SPD-Sonderparteitags über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD schrieben.

    Ja, die Entscheidung wird die weitere Entwicklung der SPD beeinflussen. Interessanter für unser Land ist jedoch, was nach einem ‚Ja‘ der SPD zur #GroKo zu erwarten ist und was den Menschen in unserem Land versprochen wird. In dieser Artikelserie gehen wir diesen Fragen auf den Grund.

    Das vorliegende Sondierungspapier zeigt schon vor dem endgültigen Koalitionsvertrag, worauf sich Deutschland in der nächsten Legislatur einstellen kann.

    Vieles in dem Papier stand in ähnlicher Form auch in den Koalitionsvereinbarungen der letzten großen Koalition, z.B. Verbesserungen in der Digitalisierung, schnelleres flächendeckendes Internet, Investitionen in Pflegepersonal und Polizei. Warum wurden diese Lösungen nicht schon in den vergangenen vier Jahren umgesetzt? Und: wer garantiert Deutschland, dass es in den nächsten vier Jahren anders wird?

    Genau wie im vergangenen Koalitionsvertrag wird im jetzigen Sondierungspapier offen vereinbart, die eigene Meinung und das eigene Gewissen nicht anzuwenden und auf keinen Fall Anträgen der Opposition zu einer Mehrheit zu verhelfen, sondern Fraktions- und Koalitionsanweisungen verpflichtend zu befolgen. Das ist nicht meine Vorstellung von Demokratie und Grundgesetz.

    Bis 2025 soll also das Rentenniveau stabilisiert werden. Dieses Versprechen ist leicht zu geben, weil erst ab 2025 die geburtenstarken Jahrgänge ins Rentenalter kommen. Für die jetzt jungen Menschen bleibt es bei düsteren Renten-Zukunftsaussichten.
    Oder die neue Grundrente: diese bedeutet nichts anderes als dass Menschen, die mindestens 35 Jahre eingezahlt haben, einen Anspruch auf eine Rente haben sollen, die 10% über der Grundsicherung (also Hartz IV) liegt. Die korrekte Bezeichnung aus dem Sondierungspapier dazu müsste allerdings „Lebensarbeitszeit-Rente“ lauten, denn eine echte Grundrente wäre nicht an Bedingungen und eine entwürdigende Bedürftigkeitsprüfung wie bei Hartz IV geknüpft, sondern stünde allen Menschen zu.
    Offenbar wird endlich zugegeben, dass in naher Zukunft sehr viele Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben, ein Rente auf Grundsicherungsniveau fallen.

    Ähnlich das Ergebnis beim Thema Bürgerversicherung: hier wäre die SPD wirklich ihrem „S“ wieder nähergekommen. Was wurde erreicht? Erneute Parität in der Zahlung zur Krankenversicherung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Eigentlich etwas Selbstverständliches, das die SPD zu Lasten der Arbeitnehmer erst abgeschafft hatte.

    Das Portal „Pflegedatenbank“ weist über 11.000 Altenheime für Deutschland aus. 8.000 versprochene neue Plätze sind der sprichwörtliche „Tropfen auf den heißen Stein“ – und die häusliche Alten- und Krankenpflege ist dabei noch gar nicht eingerechnet!
    Aus eigener Erfahrung kenne ich die Probleme, mit denen Pflegepersonal und Pflegebedürftige zu kämpfen haben. Hier müssen dringend grundlegende Änderungen geschaffen werden, um beiden Seiten eine menschenwürdige Zukunft zu garantieren.

    Mit der Digitalisierung haben wri uns schon an anderer Stelle befaßt. Hat es wirklich Sinn, den Ausbau von schnellem Internet weiterhin einem freien Wettbewerb zu überlassen und dafür diesen Unternehmen viel Geld zu geben? Oder wäre es nicht besser, das Recht auf Internet als Grundrecht einzubringen und somit die Planung und Durchsetzung zur Pflicht des Staates zu machen? Sonst wird es sicher wie schon so oft in der Vergangenheit auch in vier Jahren wieder heißen: „Wir wollen für Deutschland ein flächendeckendes schnelles Internet“, ohne dass der große Durchbruch gelingt. Andere Länder sind da schon wesentlich weiter.

    Was erneut komplett fehlt, sind die großen Ideen und Vorstellungen von Deutschlands Zukunft. Es ist keine Richtung erkennbar, wie Deutschland mit den großen Herausforderungen des digitalen Zeitalters und den damit verbundenen Chancen, aber auch Risiken umgehen soll. Ein „weiter so wie bisher“ ist keine Lösung! Hier verlässt unsere Politiker der Mut, andere Vorstellungen von einer Gesellschaft im Zeitalter des digitalen Wandels auch nur anzudenken. Wann wenn nicht jetzt sollen diese Weichen gestellt werden?

    Warum wird gerade die Piratenpartei von den Medien oft als „Chaostruppe“ und „nicht wählbar“ bezeichnet und warum glaubt das der Wähler? Ist es nicht viel chaotischer, wenn Vorhaben, die sich eine Regierung in den Koalitionsvertrag schreibt, in vier Jahren nicht einmal ansatzweise angegangen werden? Wenn in einem Koalitionsvertrag offen dazu aufgerufen wird, gegen das eigene Gewissen und die Überzeugung zu stimmen und dazu noch das Grundgesetz zu sabotieren? Ist es nicht chaotisch und unmenschlich, sich durch eine Alternative und eine CSU, die auf Biegen und Brechen ihre absolute Mehrheit bei der kommenden Landtagswahl behalten will, Menschenwürde und Menschenleben mit Grenzzahlen zu beziffern? Ist es nicht ein vollkommenes Chaos, wenn die großen Probleme unserer Zukunft wie angebliche Vollbeschäftigung im Zeitalter der Digitalisierung, Kinder- und Altersarmut, Rente, Pflege, Wohnungsnot oder Datenschutz und Persönlichkeitsrechte in dem oben genannten Papier und den letzten vier Jahren nur eine Randnotiz waren?

    Ich hoffe, dass irgendwann der „gesunde Menschenverstand“ wieder über nicht eingehaltene Wahlversprechen und Machterhalt siegen wird. Genau deshalb und weil mir die Zukunft meiner Kinder und deren Kinder wichtig ist, übernehme ich Verantwortung bei den Piraten.

  • 25 Jahre Tafeln – (K)Ein Grund zum Feiern?

    25 Jahre Tafeln – (K)Ein Grund zum Feiern?

    Am 1. Februar 2018 erscheint eine Sonderbriefmarke aus Anlass des 25. Jahrestages der Gründung der Tafeln in Deutschland. Im Regelfall werden Briefmarken nach wie vor ausgegeben, um „auf herausragende historische oder aktuelle Ereignisse, Geburtstage verstorbener Persönlichkeiten, Wunder der Natur, Besonderes aus den Regionen oder allgemein Wissenswertes“ hinzuweisen. Was aber sagt es aus, wenn ein Jubiläum gefeiert wird, das eigentlich nur darauf hinweist, dass immer mehr Menschen auf privaten Einsatz angewiesen und noch mehr von privaten Spenden abhängig sind, also ihr Einkommen ihr Auskommen nicht mehr sichert?

    Der Staat ist also seit über 25 Jahren nicht in der Lage, sich ausreichend um seine Bürger zu kümmern und kommt somit seiner Fürsorgepflicht nicht nach. In dieser Beziehung hat er vollends versagt und offensichtlich keinerlei Absicht, an dieser Situation etwas zu ändern. Vielmehr scheint es, als ruhe man sich auf dem Engagement und der Hilfsbereitschaft der Zivilgesellschaft und der zahlreichen Freiwilligen bei den Tafeln aus, die sich dort in guter Absicht und mit viel Engagement für Bedürftige stark machen. Denn wie kurz vor Heiligabend des vergangenen Jahres bekannt wurde, versorgen die über 900 Tafeln in Deutschland mittlerweile rund 1,5 Mio. Menschen mit stark vergünstigten oder gar kostenfreien Lebensmitteln.

    Insbesondere unter den Rentenbeziehern ist die Tendenz steigend, sie machen derzeit ein Viertel der Empfänger aus. Menschen, die nach einem langen Leben, oftmals mit der Erziehung von Kindern oder in prekären Arbeitsverhältnissen, selbst mit dem nicht auskommen, was sie an Leistungen zur Grundsicherung erhalten. Diese Entwicklung wird sich noch verstärken. Von den Vollzeitbeschäftigten liegen rund 40% unterhalb des Einkommens von € 15,- pro Stunde, das schon 2012 als gerade noch ausreichend gesehen wurde, um überhaupt Rente in Höhe der Grundsicherung zu erhalten. Dazu kommt das Heer der Minijobber und weiterer prekär Beschäftigter, die nur in den seltensten Fällen ein für eine Rente oberhalb der Grundsicherung ausreichendes Einkommen haben.

    Hier versagt der Staat auf ganzer Linie. Statt wirklich dafür zu sorgen, dass alle Menschen, die ihr Leben lang – bezahlt oder gemeinnützig – gearbeitet haben, ein Auskommen finden, wird mit Mütterrente einerseits und Herabsetzung des Rentenniveaus andererseits versucht, die klammen Kassen der Rentenversicherung auszugleichen. Dabei ist es gar nicht so schwierig, ein Rentensystem zu etablieren, das von allen finanziert für alle da ist. Mit einer Einbeziehung aller Einkommensarten – nicht nur der Lohneinkommen – in die Rentenversicherung, der Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenzen und der Einführung von Höchstrenten wäre ein Mindestrentenniveau finanzierbar, das seinen Namen verdient. Es böte denen, die mehr als die Höchstrente haben wollen, die Möglichkeit, privat dafür vorzusorgen, statt gerade diejenigen dazu zu drängen, Riester-Verträge abzuschließen, die ohnehin kaum Mittel für die private Vorsorge haben. Die Riester-Rente jedoch verringert im Alter nur die Differenz zwischen regulärer Rente und Grundsicherung, bringt aber keinen Mehrwert. Ähnlich wie in unserem Vorschlag wird es in der Schweiz gehandhabt und hat sich dort zum Exportschlager entwickelt. Somit ist dort das Äquivalenzprinzip durchbrochen, das dem deutschen Rentensystem zugrunde liegt. Zeitgemäß ist dieses aber ohnehin nicht mehr.

    Hier ist es an der Zeit, die Zukunft ins Auge zu fassen und das auf breiter Front. Denn das ewige Herumdoktern an der Rente sorgt nicht für Vertrauen in das System, das absehbar sowieso nicht mehr als Drei-Säulen-Modell funktionieren wird. Auch die Versuche, die betriebliche Altersvorsorge (Säule Nummer 2) zu stärken, sind in Zeiten ständiger Jobwechsel zum Scheitern verurteilt. Wer ist denn heute noch von Beginn bis Ende seines Berufslebens bei ein und demselben Arbeitgeber? Und selbst falls doch: nicht jeder davon bietet Elemente der betrieblichen Altersvorsorge.

    Das Problem der Altersarmut und das daraus folgende Angewiesensein auf Tafeln betrifft allerdings einen wachsenden, aber noch kleinen Teil der Tafel-Nutzer. Den über 1,1 Millionen Nicht-Rentnern – also Alleinerziehenden, Kindern, Jugendlichen, Hartz-IV-Empfängern, Spätaussiedlern und Migranten – hilft auch eine vollkommene Umgestaltung der Rentenzusammensetzung nicht weiter. Diese wären jedoch die ersten, die bei der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens einen echten Mehrwert hätten.

    Die Vergesellschaftung von Armut also hat die Tafeln groß gemacht – so wichtig, dass sie im auf Briefmarken gebannten kollektiven Gedächtnis auf eine Stufe mit Karl Marx oder der Deutschen Brotkultur gestellt werden. Eigentlich passend. Aber dennoch ein schlechtes Zeichen für Politik und Gesellschaft an sich.

  • GroKo: halbherzige Familienpolitik

    „Schicksalstag für die SPD“ – so oder ähnlich titelten die Gazetten, als sie über die Entscheidung des SPD-Sonderparteitags über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD schrieben.

    Ja, die Entscheidung wird die weitere Entwicklung der SPD beeinflussen. Interessanter für unser Land ist jedoch, was nach einem ‚Ja‘ der SPD zur #GroKo zu erwarten ist und was den Menschen in unserem Land versprochen wird. In dieser Artikelserie gehen wir diesen Fragen auf den Grund.

    Wie sehen die Sondierungsergebnisse aus familienpolitischer Sicht aus?

    Kinderrechte
    Wir begrüßen die Stärkung der Rechte von Kindern. Im Sondierungsergebnis bekennen die Sondierungsparteien: „Wir werden die Kinderrechte im Grundgesetz ausdrücklich verankern.“

    Die Piratenpartei fordert das seit Jahren.

    „Aktuell stehen die Menschenrechte des Kindes (UN-Menschenrechtskonvention über die Rechte des Kindes; kurz: UN-Kinderrechtskonvention) in Deutschland auf einer Ebene mit allen anderen Gesetzen. Das hat zur Folge, dass im Konfliktfall nicht die UN-Kinderrechtskonvention, sondern das Gesetz Anwendung findet (Bsp.: Asylrecht, Gemeinderecht). Um die Rechte von Kindern und Jugendlichen aufzuwerten, fordern wir die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern. Kinderrechte sind Menschenrechte und müssen als solche geachtet werden.“

    +1 für das Sondierungsergebnis

    Kindergeld
    „Das Kindergeld als bewährte und wirksame familienpolitische Leistung werden wir in dieser Legislaturperiode pro Kind um 25 Euro pro Monat erhöhen – in zwei Teilschritten. Gleichzeitig steigt der steuerliche Kinderfreibetrag entsprechend.“

    Gut, aber zu wenig und auch irgendwie Vogel-Strauß-Politik.

    Das Kindergeld zu erhöhen und es gemeinsam mit dem Kinderzuschlag als eine Art Kindergrundeinkommen zu werten, ist hilfreich für viele, aber leider nicht für die bedürftigsten Gemeinschaften. Kindern und Familien im Hartz-IV-Bezug wird das Kindergeld angerechnet. Im schlechtesten Fall haben diese Kinder und Familien vom Kindergeld genau nichts.

    Ein nicht anrechnungspflichtiges Kindergrundeinkommen ist hier die bessere und gerechtere Form der Familienförderung und langjährige Forderung der Piratenpartei.

    „Wir PIRATEN setzen uns für eine ernsthafte politische Auseinandersetzung mit den Konzepten des Bedingungslosen Grundeinkommens ein. Wir fordern besondere finanzielle Unterstützung für Lebens- bzw. Versorgungsgemeinschaften, in denen Kinder aufwachsen oder betreuungsbedürftige Menschen gepflegt und versorgt werden.
    Familienpolitisch halten wir die Realisierung eines Kindergrundeinkommens für kurzfristig umsetzbar. Schon heute zahlt der Staat bereits etwa 400 Euro je Kind an direkten, monatlichen Transferleistungen für Familien. Durch die einkommensabhängige Verteilung werden diese Zahlungen jedoch unterschiedlich verteilt. Das lehnen wir ab, da es unserem Verständnis von Chancengleichheit widerspricht. Jedes Kind hat einen Anspruch auf finanzielle Unterstützung durch den Staat.“

    Die Beantragung der Leistungen soll entbürokratisiert werden. Das ist im Prinzip richtig, aber es bleiben nach wie vor Leistungen, die beantragt werden müssen und für die die Antragsteller, ähnlich wie bei Hartz IV, tief in ihre Privatsphäre gehende Fragen beantworten müssen. Hier gängelt der Staat seine Bürger und macht sie zu auskunftspflichtigen Bedürftigen, statt Kinder bedingungslos besser zu unterstützen.

    +/- 0 für das Sondierungsergebnis

    Kinderbetreuung
    Die Sondierungsergebnisse fordern „bestmögliche Betreuung“ für unsere Kinder, koppeln das aber auch wieder unterschwellig an eine Bedingung: eine berufliche Tätigkeit der Eltern.
    Es ist wichtig und erstrebenswert, die Kinderbetreuungseinrichtungen qualitativ und quantitativ zu verbessern und zu flexibilisieren. Solange diese Angebote vornehmlich für berufstätige Eltern vorgehalten werden und nicht für alle Familien, ist der Weg zu einer Bereitstellung von Betreuungsmöglichkeiten zum Wohle der Familien noch weit. Es darf nicht hauptsächlich um die Not der berufstätigen Eltern gehen. Es muss um die bestmögliche Betreuung der Kinder gehen. Kinderbetreuung außerhalb der Famile ermöglicht soziale Kontakte und Austausch zwischen den Kindern verschiedener sozialer Schichten – zu einem Zeitpunkt, wenn diese noch keine Rolle spielen. Dies auf den Zeitpunkt der Schulpflicht zu verschieben, sorgt für Benachteiligung, die die Gesellschaft teuer zu stehen kommt.

    +0,5 für das Sondierungsergebnis

    Gleichberechtigung
    Im Sondierungspapier wird „mehr Gleichberechtigung von Frauen und Männern“ im Wesentlichen mit Entlohnungs-Gleichstellung zu erreichen versucht. So richtig „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ ist: die Gleichberechtigung darauf zu reduzieren, ist ärmlich, lassen sich daran aber die Prämissen einer künftigen GroKo erahnen – eine in erster Linie durch Einkommen bewertete und wertgeschätzte Gesellschaft. Von Parteien, die die vermeintlich qualifizierenden Adjektive „christlich“ oder „sozial“ im Namen tragen, darf man mehr gesellschaftlichen Entwicklungsdrang erwarten.

    -1 für das Sondierungsergebnis

    Sozialversicherung
    Die Wiederherstellung der Parität bei den Beiträgen zur Gesetzlichen Krankenversicherung ist nur die Korrektur des eigenen früheren Fehlers der sondierenden Parteien.
    Das Rentenniveau vorübergehend einzufrieren ist ebenso nur die Reparatur alter Fehler. Nachdem über Jahre hinweg das Rentenniveau gesenkt wurde, soll diese falsche Praxis nun zwar endlich gestoppt, aber keinesfalls korrigiert werden.
    Die Lebensleistungsrente, die die Sondierer beifallheischend Grundrente nennen, ist der Erkenntnis geschuldet, dass unsere Gesellschaft in großen Teilen zu einer Gesellschaft der Armen wird. Statt dem allgemeinfinanziert zu begegnen, wollen die Sondierer der Gemeinschaft der Rentenversicherungszahler diese Last alleine aufbürden.
    Statt an vielen verschiedenen Stellen zu flickschustern und dennoch weder jungen noch alten Menschen Sicherheit zu vermitteln, müssen Wege heraus aus dieser Art der Alterssicherung genommen werden. Wir müssen den Gedanken einer solidarischen Gesellschaft endlich zu Ende denken und alle Bürger gleichermaßen in die Sozialsysteme einbeziehen. Beispielsweise wäre ein Grundeinkommen statt der Vielzahl von Subventionen und Antragsleistungen solidarisch und entzöge die Menschen der staatlichen Bevormundung und Überwachung.

    +/- 0 für das Sondierungsergebnis

    Fazit
    Unabhängig von den jeweiligen Überzeugungen der Parteien ist das Ergebnis dürftig und deutet auf vier weitere Jahre des gesellschaftlichen Stillstands und auf ein Einfrieren des Status Quo hin. Das ist zu wenig. Wie es besser geht, wie Zukunft aussehen kann, zeigen wir in unserem Programm.

  • GroKo: Grundgesetz als Verhandlungsmasse?

    „Schicksalstag für die SPD“ – so oder ähnlich titelten die Gazetten, als sie über die Entscheidung des SPD-Sonderparteitags über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD schrieben.

    Ja, die Entscheidung wird die weitere Entwicklung der SPD beeinflussen. Interessanter für unser Land ist jedoch, was nach einem ‚Ja‘ der SPD zur #GroKo zu erwarten ist und was den Menschen in unserem Land versprochen wird. In dieser Artikelserie gehen wir diesen Fragen auf den Grund.

    Die Sondierungen sind beendet und haben in vielen Bereichen ein Ergebnis gebracht, welches weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben ist. Dabei bezieht sich das nicht nur auf unsere Piraten-Sichtweise. Selbst in der SPD herrscht ob dieses Ergebnisses eine spürbare Zerrissenheit, die die ganze Partei nachhaltig beschädigen oder gar spalten könnte.

    Zu vielen Themen gab es nun bereits entsprechende Statements, Blogs und Analysen. Auch wir haben uns mit den beispielsweise mit den Digital-Themen auseinandergesetzt und eigentlich in diesen Sondierungsergebnissen entweder nur Enttäuschendes vorgefunden oder wichtige Themen sogar gar nicht finden können, da diese nicht behandelt wurden. Diese Tatsache allein ist schon schlimm genug. Doch neben all diesen thematischen Unzulänglichkeiten haben die Sondierer einen Passus in das Ergebnis hineindefiniert, der einem nur noch die Haare zu Berge stehen lassen kann.

    Das Grundgesetz wurde am 23. Mai 1949 in einer feierlichen Sitzung des Parlamentarischen Rates durch den Präsidenten und die Vizepräsidenten ausgefertigt und verkündet. Was vielen vielleicht unbekannt ist, ist die Tatsache, dass der Bayerische Landtag damals das Grundgesetz ablehnte. So verwundert es auch nicht, dass die CSU als Teil der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU auch heute nicht zu dazu stehen kann oder will.

    Im Grundgesetz selbst finden wir neben vielen wichtigen Punkten auch den Artikel 38. In Absatz (1) wird unter anderem festgeschrieben:

    Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.

    Die Abgeordneten sollen also ausschließlich ihrem Gewissen unterworfen sein. Dieser unserer Ansicht nach vorbildliche Ansatz wird leider seit Jahren durch „Vorgaben“ der Bundesregierung, der jeweiligen Parteispitzen oder der Fraktionsspitzen unterlaufen.
    Begriffe wie „Fraktionszwang“ begegnen uns nur allzu häufig und beweisen, dass Artikel 38 des Grundgesetzes für viele Politiker nur Makulatur ist.

    Natürlich wird es immer wieder Situationen geben, in denen die Geschlossenheit der Regierung zu einem bestimmten Thema angezeigt ist. Dies wird dann meist unter den Begriff „Fraktionsdisziplin“ subsummiert bzw. verstanden. Doch diese Geschlossenheit oder Disziplin sollte durch gute und ausgewogene Gesetzesvorlagen erreicht werden, und nicht durch den Druck und Zwang. Doch offenbar hat sich dieses Verhalten in den Fraktionen so eingebrannt, dass man meinen könnte, es wäre der Status quo.

    Und so mutet es ziemlich merkwürdig an, wenn es bei bestimmten Themen dann heißt: „Bei diesem Thema dürfen die Abgeordneten unserer Fraktion nach Ihrem Gewissen abstimmen.“ Man feiert sich also selbst dafür, dass man die Intention des Grundgesetzes fortwährend mit Füßen tritt und dann gelegentlich eine Ausnahme zulässt. Was für eine irre und verquere Vorstellung von Demokratie!

    Manifestiert wird diese Ansicht nunmehr auch in den Sondierungsergebnissen. Auf Seite 28 finden wir folgenden Auszug:

    Arbeitsweise
    Wir wollen das Vertrauen in die Demokratie und in unsere staatlichen Institutionen stärken. Im Fall einer Koalitionsbildung werden wir durch unsere Arbeitsweise in der Regierung und zwischen den Fraktionen deutlich machen, dass wir uns als Bündnis der Demokratie für die Menschen in unserem Land verstehen. Der Deutsche Bundestag muss der zentrale Ort der gesellschaftlichen und politischen Debatte in Deutschland sein. Wir stärken die Entscheidungsfindung in Bundestag und Bundesrat. […] Die Tagesordnung der Kabinettsitzungen soll den Fraktionen vorab mitgeteilt werden. Im Bundestag und in allen von ihm beschickten Gremien stimmen die Koalitionsfraktionen einheitlich ab. Das gilt auch für Fragen, die nicht Gegenstand der vereinbarten Politik sind. Wechselnde Mehrheiten sind ausgeschlossen.

    Eine gleichlautende Formulierung befand sich bereits im Koalitionsvertrag der letzten Bundesregierung(Seite 128). In vollem Bewusstsein, dass die „Mütter und Väter des Grundgesetzes“ die Unabhängigkeit der Abgeordneten mit §38 festschrieben, wird hier erneut die Grundlage dafür gelegt, dass unabhängig von Inhalten massiver Zwang auf die Abgeordneten der betroffenen Parteien ausgeübt werden kann.

    Dies entspricht weder unserem Verständnis von Demokratie, noch stärkt es das Vertrauen in Demokratie und staatliche Institutionen. Vielmehr wird genau das Gegenteil erreicht. Die sehr oft angesprochene „Politik-Verdrossenheit“ ist nichts anderes als „Politiker-Verdrossenheit“. Wenn man solche Passagen lesen muss, kann man dies durchaus auch verstehen. Abgeordnete sollten Vertreter ihrer Wähler sein, nicht willige Abnicksklaven einer Fraktion.

    Aus unserer Sicht geht es definitiv auch ohne Fraktionszwang. Darauf zu verzichten würde vielleicht auch dazu führen, dass Gesetzesvorlagen wirklich so ausgearbeitet werden, dass sie dem Wohle des Volkes dienen und auch ohne Zwang zu einem breiten Konsens im Bundestag führen.

    Abgeordnete, die frei entscheiden können, müssen diese Entscheidung vor ihren Wählern persönlich vertreten. Dies führt dazu, dass mehr zum Wohle der Bürger entschieden wird und der jeweilige Abgeordnete wieder das ist, wofür er gewählt wurde: ein Vertreter der Menschen, durch deren Stimme er ins Amt kam.

    Darüber hinaus würde dies auch dafür sorgen, dass unsere gewählten Volksvertreter etwas mehr Demut vor diesem so wichtigen Amt empfinden und sich eben nicht bequemerweise hinter dem Fraktionszwang verstecken können oder müssen. Zusätzlich würde dadurch auch die Freiheit des Mandats gewürdigt.

    Dies würde auch den Wählern wieder das Gefühl geben, dass die Abgeordneten die berechtigten Interessen ihrer Wähler wirklich ernst nehmen und vertreten. Notfalls eben auch damit, dass man gegen eine Vorlage der eigenen Fraktion sein darf.

    Da wir davon ausgehen, dass dies den Parteien egal sein wird, gibt es aus unserer Sicht nur zwei Wege:
    a) Parteien wählen, bei denen der Fraktionszwang von vornherein ausgeschlossen wird und Abgeordnete wirklich nur ihrem Gewissen und dem Wähler verpflichtet sind.
    Oder noch besser:
    b) Die Einführung von bundesweiten Volksentscheiden zu allen wichtigen Themen und Gesetzesvorlagen, damit die Stimme des Volkes wieder wichtiger ist als jede Fraktionsdisziplin.