Autor: Borys

  • Freiheit statt Überwachungswahn: EuGH kippt nationale Gesetze zur verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung

    »Gesetze zur verdachts- und wahllosen Vorratsspeicherung der Kommunikations- und Bewegungsdaten der gesamten Bevölkerung sind mit dem heutigen Urteil vom Tisch.«, jubelt Patrick Breyer, Themenbeauftragter der Piratenpartei für Datenschutz und Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Vorratsdatenspeicherung, über das heutige Urteil des Europäischen Gerichtshofs [1] [2].

    »Auch das deutsche Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen europäische Grundrechte. Mit diesem Urteil erteilt Europa der NSA-Methode einer wahllosen Massenerfassung des Privatlebens unschuldiger Bürger eine klare Absage. Gespeichert werden darf nur unter bestimmten ‚Umständen und Voraussetzungen‘.

    Nur diejenigen Personen dürfen erfasst werden, die in einem Zusammenhang mit schweren Straftaten oder Sicherheitsgefahren stehen können, nicht aber völlig unverdächtige Bürger. Es ist gut, dass einem Innenminister de Maizière, aber auch einem autoritären Staatschef wie Victor Orban, damit eine viel zu gefährliche Massenüberwachungswaffe aus der Hand geschlagen wird.

    Nach dem heutigen Urteil verlangen wir von der Merkel-Regierung die sofortige Rücknahme des deutschen Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung. Die EU-Kommission muss Vertragsverletzungsverfahren gegen alle EU-Staaten mit solchen Gesetzen einleiten!«

    Quellen:
    [1] Pressemitteilung des EuGH: http://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2016-12/cp160145de.pdf
    [2] Urteil des EuGH: https://assets.documentcloud.org/documents/3245181/C-203-15-amp-C-698-15-Arre-T-En.pdf

  • Wir trauern mit Berlin

    Aus bislang ungeklärten Gründen ist in Berlin am Montagabend ein LKW mit polnischem Kennzeichen am Weihnachtsmarkt vor der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche gezielt in eine Menschenmenge gesteuert. Die Polizei meldet zwölf Tote und mehrere Dutzend zum Teil schwer Verletzte. Ein Tatverdächtiger wurde mittlerweile festgenommen, der Beifahrer des LKW zählt ebenfalls zu den Toten.

    Patrick Schiffer, Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland: »Unser Mitgefühl gilt den den Angehörigen und Freunden der Opfer dieses schrecklichen Ereignisses in Berlin, wir wünschen ihnen viel Kraft, um die kommende Zeit zu überstehen. Das Geschehene ist für uns unbegreiflich. Berlin ist die Stadt des Lebens und der Energie. Ich denke gerade an die vielen Menschen, die das Licht in diese tragische Nacht bringen.«

    Wenn Sie etwas tun wollen: Melden Sie sich als Blutspender. Damit können Sie den Verletzten am besten helfen.

    Falls Sie einen Angehörigen vermissen: Bitte rufen Sie die Nummer 030-54023111 an. Bitte blockieren Sie nicht die Notrufnummern und die Rettungswege.

  • Tag der Sexarbeiter: Mehr Respekt wagen!

    Tag der Sexarbeiter: Mehr Respekt wagen!

    Sexarbeit: Für viele Menschen ist das Thema immer noch ein Tabu. Begriffe aus dem Bereich Sexarbeit dürfen häufig nur als Mittel der Abwertung, der Beleidigung, der Diskriminierung oder gar als Begründung für Gewalt herhalten. Um die Situation von Sexarbeitern zu verbessern, wurde bereits 1975 in Frankreich der International Sex Worker’s Day ins Leben gerufen. 2003 wurde nach einer Mordserie an insgesamt 48 Sexarbeiterinnen der „International Day to End Violence Against Sex Workers“ unter anderem von der New Yorker Organisation PONY, dem Sexarbeiterprojekt des Urban Justice Center und der Aktivistin Annie Sprinkle ausgerufen.

    Wir schreiben immerhin schon fast das Jahr 2017. An der Lage von Sexarbeitern hat sich weltweit so gut wie nichts geändert, wenn man von den gelegentlichen Versuchen absieht, mit der Begründung „Zwangsprostitution“ sämtliche Sexarbeiter und auch ihre Kunden in die Illegalität abzudrängen.

    Fangen wir einmal ganz von vorne an. Das Wort „Sexarbeiter“ mit den meisten Synonymen ist wohl als Beleidigung bekannt. Dabei scheint vielen gar nicht bewusst zu sein, dass es vollkommen okay ist, wenn jemand sich freiwillig dazu entscheidet, Sex als Dienstleistung anzubieten. Solange Angebot und Nachfrage frei von Zwang sind, darf unter gar keinen Umständen ein gesellschaftliches oder moralisches Problem daraus gemacht werden. Zunächst einmal ist das ein Geschäft zwischen dem Dienstleister und demjenigen, der diese in Anspruch nimmt, wie bei jeder anderen Dienstleistung auch. Bei anderen Dienstleistungen interessieren sich Staat und Gesellschaft ja auch nicht gerade brennend dafür, wie es um die Freiwilligkeit der Gewerbetreibenden bestellt ist und ob oder wie stark sie ausgenutzt werden. Dennoch herrschen immer noch Diskriminierungen und Probleme im Zusammenhang mit Sexarbeit vor.

    Weiterhin gibt es sehr viele Vorurteile gegenüber Sexarbeitern. Ganz vorne mit dabei: alle Sexarbeiter sind weiblich. Das stimmt nicht. Nur weil viele und sicherlich auch die meisten Personen in dieser Berufsgruppe weiblich sind, heißt das nicht, dass alle das sind. Es gibt Sexarbeiter aller Geschlechtsidentitäten.

    Außerdem herrscht das Klischee vor, dass Sexarbeiter meist leicht bekleidet sind. Sexarbeiter sind Menschen wie jeder andere auch. Da kann es gut sein, dass manche in ihrer Freizeit freizügig gekleidet sind, andere dafür aber eben nicht. Das kann man gar nicht pauschalieren, und es ist wohl für jeden Menschen anders. In vielen Köpfen ist daneben das Bild, dass Motivationen für Sexarbeit eigentlich nur sozialer Abstieg, Menschenhandel oder generell Zwang bzw. psychiatrische Störungen zugrundeliegen können, die mit einem gesteigerten Geschlechtstrieb einhergehen. Dass Menschen einfach nur Spaß an diesem Beruf haben, bleibt dabei vollkommen außen vor. Es rutschen definitiv auch nicht alle Sexarbeiter in die Drogenszene ab.

    Im Mittelpunkt sollte also allem voran Aufklärung stehen. Auch wenn es gesellschaftlich bei vielen Menschen immer noch nicht angekommen zu sein scheint: Freiwillige Sexarbeit ist nichts Schlimmes. Menschen, die diesen Beruf ergreifen wollen und der Meinung sind, damit glücklich zu werden, sollten die Möglichkeit entsprechender Beratungsstellen haben, um eben nicht im schlimmsten Fall in kriminelle Kreise zu geraten. Wie bei jedem Beruf weiss man nicht direkt von Anfang an, wie Konventionen sind, wie etwas funktioniert und auf was man besonders achten muss. Die Einvernehmlichkeit muss in den Vordergrund gerückt werden, aber auch die Möglichkeit zum Ausstieg aus dem Beruf muss zu jeder Zeit gegeben sein, um die Gefahr zu minimieren, dass Menschen in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten. Mindestens eine gewisse Beratung, was bei diesem Beruf alles zu beachten ist und inwiefern jemand selbst überprüfen kann, ob er dafür geeignet ist, muss gewährleistet sein, um eine möglichst sichere und vor allem freiwillige Ausübung des Berufs zu garantieren.

    Zwangsprostitution ist in jedem Falle abzulehnen und zu bekämpfen. Das darf aber nicht mit der freiwilligen Wahl zur Sexarbeit vermischt werden.

    Was definitiv keine Verbesserung wäre, ist das Verbot der Sexarbeit. Denn das würde genau das Gegenteil dessen bewirken, was der heutige Aktionstag eigentlich fordert. Letztlich würde durch ein Verbot immer eine Nachfrage existieren, das Angebot hingegen wäre illegal, aber dennoch beständig. Genau das würde Menschenhandel fördern und bisher freiwillige Sexarbeiter noch mehr tabuisieren. Wenn Sexarbeit insgesamt illegal wäre, könnte Zwangsprostitution nicht mehr effektiv bekämpft werden, weil der Staat dadurch jegliche Form der Kontrolle aufgibt. Desweiteren würde es Menschen, die freiwillig den Beruf des Sexarbeiters wählen, kriminalisieren. Exakt dadurch würden diese Personen erst in die entsprechenden Situationen geraten, die in Zwangsprostitution, Drogenszene und Menschenhandel münden können. Abgesehen davon ist es eine gewisse Form der Freiheit, sich selbst einen Beruf zu wählen, der glücklich macht. Sexarbeit ist nur eine Dienstleistung unter vielen, für deren Anerkennung und Stellung gekämpft werden muss, weil sie letztlich auch nur eine Dienstleistung ist. Nicht mehr und nicht weniger.

    Der Staat hat sich in das Berufsfeld Sexarbeit nicht mit Verboten einzumischen, sondern sollte im Gegenteil dafür sorgen, dass auch Sexarbeiter die allen Bürgern dieses Landes zugesicherte Freiheit der Berufswahl endlich ohne Stigmatisierung, Diskriminierung und Gewalt leben können.

    https://www.youtube.com/watch?v=PTnIwwrn_Lc

  • Offener Brief an den Bundesrat: Stoppt das Bundesteilhabegesetz!

    Am Freitag, den 16. Dezember 2016, wird der Bundesrat ab 9:30 Uhr über das Bundesteilhabegesetz beraten. Die Ausschussempfehlungen sehen vor, dem Gesetz zuzustimmen und einen Entschließungsantrag zu finanziellen Aspekten des Gesetzes zu verabschieden. Das bedeutet nichts weniger als einen Angriff auf die Grundpfeiler von Selbstbestimmung, Teilhabe und nicht zuletzt auf die Menschenwürde. (mehr …)

  • Piratenpartei nominiert YouTuber für die Bundesversammlung

    Die Vertreter der Piratenpartei für die Bundesversammlung stehen fest. In Schleswig Holstein wurden bereits am 6. Dezember die Aktivistin Rena Tangens (digitalcourage) und die Piratin Friederike Mey nominiert. Heute wurden sie vom Landtag gewählt. Die Piratenfraktion in Nordrhein-Westfalen stellt neben dem bekannten Kabarettisten Volker Pispers auch zwei YouTuber auf: Rayk Anders und Tilo Jung.

    Mitglieder der 16. Bundesversammlung für die Piratenfraktion NRW, gewählt am 14. Dezember 2016 im Landtag NRW:

    1. Katharina Nocun, Politikerin, Netzaktivistin und Bloggerin
    2. Marina Weisband, Diplom-Psychologin, Aktivistin und Bloggerin
    3. Raul Krauthausen, Autor, Berater, Sozialhelden-Aktivist
    4. Rayk Anders, Autor und YouTuber
    5. Tilo Jung, Journalist und YouTuber
    6. Volker Pispers, Kabarettist
    7. Martin Sonneborn, MdEP, Satiriker und Vorsitzender von Die Partei
    8. Patrick Schiffer, Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland
    9. Michele Marsching, MdL, Vorsitzender der Piratenfraktion NRW

    Stellvertreterinnen und Stellvertreter für die Piratenfraktion NRW:

    1. Gunter Dueck, Mathematiker und Sachbuchautor
    2. Monika Pieper, MdL
    3. Lukas Lamla, MdL
    4. Daniel Düngel, MdL
    5. Oliver Bayer, MdL
    6. Ansgar Flack

    Mitglieder der 16. Bundesversammlung für die Piratenfraktion Schleswig-Holstein, gewählt am 14. Dezember 2016 Uhr im Landtag Schleswig-Holstein:

    1. Rena Tangens, Aktivistin
    2. Friederike Mey, Spitzenkandidatin der Piratenpartei Schleswig-Holstein

    Stellvertreter für die Piratenfraktion Schleswig-Holstein:

    1. Toni Köppen, Kreistagsabgeordneter
    2. Wolfgang Dudda, MdL

    Eine Wahlvorgabe seitens der Piratenpartei ist für die Nominierten nicht vorgesehen – sie sind in ihrer Abstimmung völlig frei.

    Kristos Thingilouthis, politischer Geschäftsführer der PIRATEN:

    »Bei der Gesamtauswahl handelt es sich um eine schöne ausgewogene Mischung. Insbesondere mit den YouTubern ist auch eine Beteiligung der jüngeren Generation sichergestellt.«

    Patrick Schiffer, Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland, ergänzt:

    »Ich freue mich über unsere Auswahl für die Bundesversammlung, da es sich um gesellschaftspolitische Akteure handelt, die mit Kreativität, Engagement und Weitsichtigkeit für Zivilcourage, Grundrechte und Beteiligungsmöglichkeiten in Deutschland kämpfen. Ich wünsche mir eine Bundespräsidentin oder einen Bundespräsidenten, die oder der Missstände in der Politik kritisiert, nur verfassungskonforme Gesetze unterschreibt und Reformvorschläge macht.«

  • Presseausweise auch für Blogger und nebenberufliche Journalisten ausstellen!

    Presseausweise auch für Blogger und nebenberufliche Journalisten ausstellen!

    Die Innenminister und der Presserat haben vereinbart, dass künftig ein bundeseinheitlicher Presseausweis eingeführt und ausschließlich an volljährige, hauptberufliche Journalisten ausgegeben werden soll, „die eine verantwortliche, im öffentlichen Interesse liegende journalistische Tätigkeit ausüben“. Der Presseausweis soll Journalisten die einfache Einholung von Behördenauskünften und den unkomplizierten Zutritt zu abgesperrten Bereichen ermöglichen. [1]

    Patrick Breyer, MdL der Piratenfraktion Schleswig-Holstein und Themenbeauftragter für Datenschutz der Piratenpartei, fordert:

    »Um die Presse- und Meinungsfreiheit in einer offenen Informationsgesellschaft zu garantieren, müssen auch Blogger, freie und nebenberuflich tätige Journalisten Presseausweise erhalten können. Gerade wirtschaftlich unabhängige Berichterstatter wie Internet-Blogger können einen besonders wertvollen Beitrag zur Meinungsvielfalt leisten. Der Regelausschluss minderjähriger Journalisten (Jugendpresse) ist ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Aber auch volljährige Journalisten müssen ihrem Beruf immer häufiger nebenher nachgehen, sie deswegen komplett vom bundeseinheitlichen Presseausweis auszuschließen, ist inakzeptabel!«

    Patrick Schiffer, Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland, ergänzt:

    »Dass die ausstellenden Verbände prüfen sollen, ob Journalisten ‚verantwortlich‘ und ‚im öffentlichen Interesse‘ berichten, ist ein unglaubliches Einfallstor für Konkurrenzschutz, Bevorzugung bestimmter Medienformen und letztendlich auch Zensur. Der bundeseinheitliche Presseausweis verstößt in dieser Form gegen die im Grundgesetz garantierte Pressefreiheit und ist einer freiheitlichen Demokratie unwürdig. Was Innenminister und Presserat unter einer freien Presse verstehen, ist im letzten Jahrtausend stehen geblieben und muss dringend an die moderne Lebenswirklichkeit angepasst werden.«

    Als verfassungskonforme Lösung für die Platzvergabe bei Kapazitätsengpässen wird vorgeschlagen, verschiedene Kategorien journalistischer Tätigkeiten auf den Presseausweisen zu kennzeichnen.[2] Im Jahr 2006 bezeichnete es die Innenministerkonferenz selbst noch für sachgerecht, „auch Journalisten den Ausweis zu geben, die nicht hauptberuflich, aber quantitativ und qualitativ vergleichbar regelmäßig und dauerhaft journalistisch tätig sind.“[3]

    Quellen:
    [1] Vereinbarung zwischen dem Vorsitz der Ständigen Konferenz der Innenminister und – senatoren der Länder und dem Trägerverein des Deutschen Presserats e.V. (Vertragsparteien) über die Wiedereinführung eines bundeseinheitlichen Presseausweises: http://www.patrick-breyer.de/wp-content/uploads/2016/12/presseausweis-vereinbarung.pdf

    [2] Verfassungskonforme Presseakkreditierung: Die Zukunft des Presseausweises: http://www.ruw.de/suche/kur/Verfassungskonf-Presseakkreditie-Die-Zuku-des-Pres-f396765b665211e34e63557937f08d36

    [3] Sammlung der zur Veröffentlichung freigegebenen Beschlüsse der 180. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder am 5. Mai 2006 in Garmisch-Partenkirchen: http://www.innenministerkonferenz.de/IMK/DE/termine/to-beschluesse/06-05-05/06-05-05-2-beschluesse.pdf?__blob=publicationFile&v=2

  • Bitte unterstützt das Projekt einer EU Charta. Bringt Euch ein!

    Bitte unterstützt das Projekt einer EU Charta. Bringt Euch ein!

    Mit Monatsbeginn hat eine „Gruppe von „27 BürgerInnen und Bürgern“ ein Dokument vorgestellt, das sie als „Charta der Digitalen Grundrechte der Europäischen Union“ betitelt haben. 14 Monate haben sie darüber gebrütet und 23 Artikel erarbeitet, die eine Grundlage darstellen sollen, um daraus ein Dokument zu erarbeiten, das den Menschen die Freiheit und Gerechtigkeit nicht nur im Netz sondern im Kontext der Digitalisierung überhaupt garantiert. Also eine Charta, die auch für die Gegenwart und die nächsten 20 Jahre Gültigkeit haben kann, weil sie nicht in der digitalen Urzeit entstanden ist. Es ist nicht das erste Dokument, das dieses Ziel hat, aber es ist das erste der EU, das explizit den Menschen im Umfeld der Digitalisierung betrachtet und von Bürgern initiiert wurde.

    Ich finde es großartig, dass es diese Initiative gibt, und dass sie es schafft, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, wie wichtig es ist, die Rechte und Freiheiten der Menschen zum Diskussionsmittelpunkt werden zu lassen, um sie anschließend auch gesetzlich greifbar zu machen. Die Intention der Initiatoren finde ich überaus lobenswert und in jedem Fall unterstützenswert. Da aber gleichzeitig auch angekündigt wurde, nur wenige Tage später ebenjenes Dokument dem EU-Parlament vorzulegen, bekam das Werk natürlich umgehend ein Geschmäckle, da es den vermeintlichen Sinn und Zweck einer allgemeinen Diskussion zuwiderlaufen schien. Glücklicherweise gibt es mittlerweile eine Klarstellung dazu.

    Denn in der Tat gibt es in meinen Augen noch einiges nachzuarbeiten. Auch wenn ich mich hinter einen Großteil der Artikel guten Gewissens stellen kann. Folgende Artikel sind für mich aber absolute No-Gos, die man nicht unterzeichnen darf! (Allerdings hoffe ich, dass dies vielleicht nur im Zuge einer eiligen Veröffentlichung missverständlich formuliert wurde – jeder, der an einem ähnlichen Prozess teilgenommen hat, weiss, wie schnell so etwas passieren kann.)

    Für mich sind dies die folgenden Artikel:

    Artikel 5

    „(2) Digitale Hetze, Mobbing sowie Aktivitäten, die geeignet sind, den Ruf oder die Unversehrtheit einer Person ernsthaft zu gefährden, sind zu verhindern.“
    „(4) Staatliche Stellen und die Betreiber von Informations- und Kommunikationsdiensten sind verpflichtet, für die Einhaltung von Abs. 1, 2 und 3 zu sorgen.“

    Man kann jetzt darüber streiten, ob man privaten Unternehmen, hier IuK-Dienstleistern, erlaubt, zu zensieren. Was absurd wäre, denn Zensur geht gar nicht! Wie sollte beispielsweise die Arbeit von den wichtigen aufklärenden Medien, wie z.B. netzpolitik.org weitergeführt werden, oder es zu einer Offenbarung von manipulierten Lebensläufen oder falschen Habilitationen etc kommen, wenn die Absätze 2, 3, und 4 dieses Artikels jemals in Rechtsform gegossen wären? Wenn wir darin übereinstimmen, dass Journalismus und damit die vierte Säule der Demokratie zukünftig im wesentlichen digital arbeitet und von den Bürgern genutzt wird, dann schließt das ja beispielsweise jede Art von Kontrolle durch unsere Volksvertreter aus! Dies läuft damit also nicht nur meinen persönlichen liberalen Grundbedürfnissen entgegen, sondern auch der Form, in der unsere Demokratie organisiert ist.

    Ich lehne jede Formulierung ab, die eine Möglichkeit zur Zensur bietet.

    Artikel 4(2),

    der den Zugriff auf von privaten Unternehmen oder Privatpersonen erhobene Daten durch staatliche Stellen versucht zu regeln.

    „Sicherheitsbehörden dürfen nicht auf durch Private erhobene Daten zugreifen. Ausnahmen sind nur auf gesetzlicher Grundlage zum Schutz besonders wichtiger Rechtsgüter zulässig.“

    Hier wünsche ich mir, dass dies enger gefasst wird, und nicht lediglich auf die (nationalen?) Gesetze Bezug genommen wird. Denn in diesen finden sich im Zweifelsfall die in der Charta definierten Freiheitsrechte nicht wieder.

    Artikel 21

    „(1) Arbeit bleibt eine wichtige Grundlage des Lebensunterhalts und der Selbstverwirklichung.“

    Ja, es ist eine wichtige Grundlage zur Selbstverwirklichung. Aber als wichtige Grundlage des Lebensunterhalts sehe ich das nicht, vor dem Hintergrund des Wegfalls vieler Berufe im Informationszeitalter, und daher bin ich dagegen, das so zu fassen. Immerhin ist es kein „Würde hat, wer Arbeit hat“, aber bei dem Artikel bin ich deutlich vorsichtiger.

    Artikel 20

    „Rechteinhabern steht ein fairer Anteil an den Erträgen zu, die aus der digitalen Nutzung ihrer Immaterialgüter erwirtschaftet werden.“

    Es wird beim Lesen offensichtlich, und Julia Reda hat das bereits ausführlicher dargestellt. Es gibt einen Unterschied zwischen denen, die ein Gut geschaffen haben, und den Rechteinhabern. Nicht beide sind in meinen Augen gleichermaßen schützenswert. Aber vor allem: Wie weitreichend ist der Anspruch auf Erträge aus digitaler Nutzung? Wesentlicher Bestandteil von Informationen oder Daten – und darum geht es hier ja im wesentlichen – sind ohne Kosten teilbar. Und vor allem gibt es viele Dienstanbieter, die eben genau diese Daten weiterverarbeiten, und das wiederum kostenpflichtig anbieten. Sie nannte Musikdienstanbieter wie Songkick, aber genauso beispielsweise für Verkehr oder Nachrichten. In welcher Tiefe sollten denn Rechteinhaber (anstatt der Urheber) daran partizipieren? Und was soll es überhaupt für einen Modus geben, das jemals finanziell handhabbar zu machen? So, wie der Artikel jetzt steht, öffnet er Tür und Tor für Missbrauch, der letzten Endes dazu führen kann, unsere digitalen Wertschöpfungsketten zu zerstören.

    Darüber hinaus gibt es mehrere „kleinere“ Passagen, die ich unklar finde, aber bei denen ich den weiteren Verlauf beobachten werde, bzw. versuche, mich so gut es geht selber einzubringen, um das zu adressieren.

    Viel Gutes

    Aber es ist genauso auch festzuhalten, dass Themen, die für mich als Pirat schon immer wichtig waren, hier ihren Niederschlag gefunden haben. Ich könnte den Großteil der verbleibenden Artikel jetzt zitieren, aber ich will nur einige herausgreifen:

    • Es freut mich, dass Artikel 9 zur Transparenz den Weg in die Charta gefunden hat. In meinen Augen ist das nicht selbstverständlich, wenn es vorrangig um die Würde, Freiheit und Gleichheit geht. Hier zeigt sich die Erfahrung und Weitsicht, wie eng diese Werte mit der Transparenz der gesammelten Informationen in staatlichen Stellen zusammenhängt beziehungsweise zusammenhängen wird.
    • Artikel 10 ist Balsam für die Seele jedes Liberalen, der sich damals von der FDP verraten fühlte. Kein Wunder, dass Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die Charta unterstützt, mich würde nicht wundern, wenn sie das alleine deswegen tut.
    • Artikel 11, 12 und 18. Auch hier fühlt man sich ja gleich zu Hause. Es kommt einem vor, als würde man im Grundsatzprogramm der Piraten sitzen.
    • Artikel 20. Wer mehr als nur die Gegenwart gestalten will, muss ein Konzept für Bildungspolitik haben. Und hierzu gehört unumgänglich das Thema Digitale Bildung. Hervorragend, dass auch dies Eingang in die Charta gefunden hat. Politiker egal welcher Couleur müssen über Bildungskonzepte für das 21. Jahrhundert sprechen. Das sind wir der Gesellschaft schuldig. Das ist unsere Verantwortung für die Zukunft!

    Beteiligung der Bürger bei der Gestaltung der Gesellschaft, insbesondere der Freiheitsrechte, ist für mich seit Jahren eines der wichtigsten Themen. Darum bitte ich jeden, sich hier in die Diskussion und Gestaltung mit einzubringen und mitzuhelfen, an dieser Charta zu arbeiten, damit sie unsere Wünsche und Bedürfnisse widergibt und ein Fundament sein kann, mit dem wir endlich die Grundpfeiler bauen, um auch in den Institutionen im 21. Jahrhundert anzukommen.

    Bewusst wurde darauf verzichtet, dass Parteien diese Charta erarbeiten, damit dies von den Bürgern getragen wird und nicht von parteipolitischen oder lobbyistischen Bestrebungen. Daher ist es in meinen Augen umso wichtiger, dass jeder, der dieses Projekt sinnvoll unterstützen kann, seine Hilfe anbietet.

    Vielen Dank.

    Euer Kristos

    (Dieser Blogpost wurde zeitgleich auch auf www.kristos.de publiziert)

  • PIRAT Bruno Kramm zum Leak von internem GEMA-Dokument: Prozess verloren? Ist der GEMA doch egal!

    Im Zusammenhang mit der kürzlich abgeschlossenen GEMA-Klage gegen die unrechtmäßige Beteiligung von Musikverlagen an den ausschließlich den Urhebern zustehenden Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaft liegt uns ein internes Kommuniqué des Vorstandsvorsitzenden Dr. Heker für die Mitarbeiter der GEMA vor. In diesem Dokument äußert sich Dr. Harald Heker von der GEMA gegenüber den Mitarbeitern zur Verlegerbeteiligung der GEMA.

    Dr. Heker stellt zwar fest, dass die GEMA den Prozess verloren habe, das Urteil aber noch nicht rechtskräftig sei. Die GEMA solle die Urteilsbegründung abwarten, bevor sie reagiere.

    Er führt aus, dass der Aufsichtsrat dazu im Dezember Beschlüsse treffen müsse, erklärt allerdings auch, dass die GEMA – entgegen dem Richterspruch – technische Möglichkeiten schaffen solle, die Verleger auch weiterhin an den Einnahmen teilhaben zu lassen.

    Er stellt weiterhin in Aussicht, dass die GEMA recht kurzfristig ein „Wording“ für die Mitglieder finden werde.
    Foto: Bernhard Hanakam

    Der PIRAT und Kläger Bruno Kramm dazu:

    »Erschreckend, dass auch nach dem Urteilsspruch bei dem GEMA-Vorsitzenden Dr. Heker kein Umdenkprozess stattgefunden hat. Statt endlich die entscheidenden Weichenstellungen vorzunehmen für eine GEMA, die ausschließlich das Interesse von Komponisten, Textdichtern und ihrer Schöpfungen vertritt, demonstriert der Vorsitzende auch noch ein fragwürdiges Rechtsempfinden.

    Die Losung ‚Weiter so mit den Verleger-Ausschüttungen‘ ist nicht nur Unrecht, sondern zeigt die Hilflosigkeit, in der Heker laviert. Unsere schriftliche Aufforderung an das DPMA und das Justizministerium, den Vorsitzenden wegen Verletzung der Aufsichtspflicht zu entlassen, bekommt so neue Bedeutung.

    Eine umfassende Reform der GEMA, die jetzt nicht nur angeraten, sondern rechtlich nötig ist, klappt nur mit einem neuen Vorstand.«

    GEMA-Brief
    Brief von Bruno Kramm