Autor: Borys

  • Wenn man keine Ahnung hat: Einfach mal ’ne Charta schreiben

    Vorgestern, am 1.12.2016,  veröffentlichte eine selbst ernannte Gruppe von 27 „Bürgerinnen und Bürgern“, die sich selbst alternativ auch gern als „Experten“ bezeichnet, den Vorschlag für eine „Digitale Charta der EU„.

    Die Erstellung hat sich nach Angaben der Autoren über einen Zeitraum von 14 Monaten hingezogen. Das ist an sich nichts Ungewöhnliches, denn das Verfassen großer Werke dauert nun mal etwas länger. Viel interessanter ist der Blick auf den Zeitplan: Denn diese Digitale Charta soll bereits am 5.12.2016 in Brüssel vorgestellt werden. Natürlich durch den digitalen Vordenker schlechthin, nämlich Martin Schulz. Genau dieser Herr Schulz, der eben gerade mal nach Berlin wechselt. Sei es drum.

    Und bereits hier, ohne auf einzelne Artikel einzugehen, ergeben sich für uns zwei Fragen:

    Wieso wurde dieser Vorschlag nicht weit vor seiner Vorstellung den verbliebenen 84 Millionen Bürgerinnen und Bürgern vorgestellt und zur Diskussion über den Entwurf eingeladen? 

    Sind Transparenz und Bürgerbeteiligung für die 27 keine Grundrechte, die man auch – oder gerade mit digitalen Mitteln (auch Internet genannt) – hätte Vorleben können?

    Gerade im Hinblick auf den 5.12.2016 drängt sich hier geradezu der Verdacht auf, dass die 27 selbst ernannten Experten eigentlich gar keine Diskussion zulassen wollten. Dann noch am 1.12.2016 auf der eigenen Homepage zum „Mitdiskutieren“ aufzufordern, grenzt schon fast an Hohn.

    Wir sind sicher, dass es weitaus mehr Bürger und Bürgerinnen, Verbände, Vereine, NGO und viele weitere interessierte Akteure gibt, die sehr gern an der Erstellung des Entwurfs mit gearbeitet hätten.

    Darüber hinaus darf es schon verwundern, dass sich im Kreis der 27 ausschließlich deutsche „Bürgerinnen und Bürger“ befinden.

    Gerade bei einem Projekt wie diesem ist es unverständlich, dass nicht auch hier die europäischen Mitgliedsländer durch Vereine, Bürger oder Experten in die Erstellung einbezogen wurden. 

    Bevor wir uns jedoch einigen ausgesuchten Artikeln widmen, ergibt sich eine Grundsatzfrage:

    Was soll diese Charta eigentlich sein?

    Zur Erinnerung: Es existiert bereits eine Charta der Grundrechte in der EU (Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh). Auch wenn diese bereits etwas älter ist und angepasst werden sollte, das ist gar keine Frage.

    Nun macht man mal eben eine zweite Charta auf, ohne diese in irgendeinen Kontext zur vorhandenen zu stellen.

    Das kann man machen, aber genau das provoziert Fragen:

    • Soll diese „Digitale Charta“ die bisherige Grundrechtecharta ersetzen?
    • Wenn ja, warum?
    • Wenn nein, warum dann eine zweite Charta aufmachen?
    • Warum nicht die bisherige Charta um die digitalen Grundrechte ergänzen?

    Diese jetzt durch die 27 Verfasserinnen und Verfasser implizit herbeigeführte Trennung in „analoge Grundrechte“ und „digitale Grundrechte“ ist grotesker Nonsens. 

    Grundrechte sind Grundrechte, sie gelten überall. Online wie offline. Analog wie digital. Eine Trennung ist absolut sinnlos, ja sogar schädlich. 

    Viel sinnvoller wäre es, einen gemeinsamen europaweiten Diskurs anzustoßen, wie die bisherige Grundrechtecharta um die Aspekte aus der zunehmenden Digitalisierung ergänzt und erweitert werden kann.

    Beginnen wir mit der Thematik des Urheberrechts in Artikel 22  (Immaterialgüter) – dazu hat sich Julia Reda (MdEP) ausführlich (Link) geäußert. Zitat:

    „Bisher wird das Recht auf kulturelle Teilhabe dem Recht  der Urheber*innen vorangestellt, im Entwurf für die Digitalcharta ist es anders herum: Rechteinhabern von Immaterialgüterrechten wird ein  Grundrechtsstatus verliehen; die Interessen der Nutzer*innen kommen nur in Form einer Einschränkung dieses Grundrechts vor, sie werden nicht selbst als Grundrecht formuliert“.

    In Anbetracht der Mitarbeit von „Bürgerinnen und Bürgern“, die für die „Zeit“ oder Axel Springer arbeiten, ist das aber nicht verwunderlich. Besonders hier ist es demaskierend, wes Geistes Kind die Verfasser dieser „Charta“ sind.

    Und nun zum Anfang des Werks:

    Artikel 1

    WÜRDE

    (1)  Die Würde des Menschen ist auch im digitalen Zeitalter unantastbar. Sie muss Ziel und Zweck aller technischen Entwicklung sein und begrenzt deren Einsatz.

    (2)  Neue Gefährdungen der Menschenwürde ergeben sich im digitalen Zeitalter insbesondere durch Big Data, künstliche Intelligenz, Vorhersage und Steuerung menschlichen Verhaltens, Massenüberwachung, Einsatz von Algorithmen, Robotik und Mensch-Maschine-Verschmelzung sowie Machtkonzentration bei privaten Unternehmen.

    Es ist schon etwas merkwürdig, wenn man hier Technologien und Verfahren, die per se weder eine Gefährdung noch eine Bereicherung darstellen, mal so eben mit verwerflichen „menschlichen bzw. staatlichen“ Handlungen wie der Massenüberwachung gleichsetzt. Hier haben die Verfasser wohl den grundlegenden Unterschied nicht verstanden. Dies erstaunt umso mehr, da man in diesem „Experten“-Gremium eigentlich das erforderliche Wissen hat.

    Um es an einem Beispiel zu verdeutlichen:

    Insofern BIG DATA dazu beiträgt, durch Algorithmen und KI den Krebs zu besiegen, ist das keinesfalls eine Gefährdung der Menschenwürde. Wenn durch Robotik die Möglichkeit besteht, auch gesundheitlich schwer beeinträchtigten Menschen wieder mehr Teilhabe am Leben zu ermöglichen, dann ist das keine Gefährdung der Menschenwürde.

    Wohl eher das Gegenteil.

    Aber so weit hat man wohl an dieser Stelle nicht gedacht. Bereits hier wird deutlich, wie wichtig der breite gesellschaftliche Diskurs gewesen wäre. Dann hätte dieses Fiasko in Artikel 1 bereits vermieden werden können.

    (3)  Die Rechte aus dieser Charta gelten gegenüber staatlichen Stellen und Privaten.

    Tja, ist schon erstaunlich, wie man die bisherige Schutzfunktion der Grundrechte („Abwehrrechte“ der Bürger gegenüber dem Staat und seinen Institutionen) von den Füßen auf den Kopf stellt.

    Diese Rechtsansprüche werden nunmehr auch auf die „Privaten“ ausgeweitet. Wobei man im gesamten Text der Charta vergeblich eine Definition sucht, wer oder was denn diese „Privaten“ nun eigentlich sind.

    In normaler Auslegung des Wortes „privat“ sind also demnach auch alle Bürgerinnen und Bürger untereinander verpflichtet, sich an die Rechte aus dieser Charta zu halten bzw. dem anderen diese Rechte zu gewähren.

    Da stelle man sich doch das nächste Netzwerktreffen oder den nächsten Raid auf World of Warcraft vor, bei dem die bisherige Frage „Wie geht’s Dir?“ nicht ohne die Benennung des Zwecks der Verwendung dieser Information gestellt werden kann.

    Grotesk? Klar, aber genau das beinhaltet Absatz 3 der Charta eben auch.

    Wir überspringen an dieser Stelle einfach Artikel 2 und 3 (Freiheit und Gleichheit ist ein großes Wort!) Und wenden uns Artikel 4 zu. Grundsätzlich ist die Intention der Verfasser, die wir hier einmal unterstellen wollen, lobenswert. Artikel 4 soll ein Anti-Überwachungsartikel sein. Das könnten wir auch sofort unterschreiben, wenn der Artikel nicht bereits in Absatz 1, aber insbesondere in Absatz 2 an sich selbst scheitern würde.

    Artikel 4

    INNERE UND ÄUSSERE SICHERHEIT

    (1)  Im digitalen Zeitalter werden innere und Äußere Sicherheit auf neue Weise bedroht. Bei der Ausübung der Schutzverantwortung des Staates sind enge rechtsstaatliche Grenzen zu beachten.

    Die willkürliche Verquickung zwischen den „neuen Bedrohungen“ und der Begrenzung der Macht des Staates ist nicht nur unglücklich. Sie suggeriert vielmehr, dass bei analogen Sicherheitsbedrohungen die Macht des Staates weniger begrenzt werden muss. Ganz egal, ob analoge oder digitale Bedrohungen: Die Macht des Staates muss grundsätzlich kontrolliert und begrenzt werden.

    (2)  Sicherheitsbehörden dürfen nicht auf durch Private erhobene Daten zugreifen. Ausnahmen sind nur auf gesetzlicher Grundlage zum Schutz besonders wichtiger Rechtsgüter zulässig.

    (3)  Eine anlasslose Massenüberwachung findet nicht statt.

    Der BND oder der Verfassungsschutz, hier in bester Neusprechmanier als Sicherheitsbehörden verharmlost, werden sich freuen, dass Absatz 2 ihnen in bester de-Maiziere-Manier weiterhin die Tür offen hält, um alles und jeden auszuspionieren. Denn beispielsweise mit der Begründung „Terrorbekämpfung“ werden Absatz 2 und 3 ad absurdum geführt. Absatz 2 manifestiert somit das gegenwärtige System der Allmacht der „Sicherheitsbehörden“. Auch hier wäre es sinnvoller gewesen, den offenen und breiten gesellschaftlichen Diskurs zu suchen, als so etwas klammheimlich zu definieren. Und damit der Demokratie (und auch der in Artikel 3 beschworenen Feiheit) einen Bärendienst zu erweisen.

    (4)  Waffensysteme dürfen nicht vollautomatisiert eingesetzt werden.

    Ungeachtet der Tatsache, dass es derzeit noch kein vollautomatisches digitales Waffensystem ohne Menscheneingriff gibt, finden wir diesen Absatz sinnvoll und richtig.

    Lasst uns noch einen Artikel beleuchten, der für uns als PIRATEN nicht ganz unwesentlich ist. Kernthemenartikel sozusagen.

    Wir wissen nicht, zu welcher Tageszeit dieser Artikel 5 geschrieben oder, in welchem Gemütszustand die 27 Verfasser dieses Artikels gewesen sind.

    Was wir aber wissen ist, dass seit Jahren Netzaktivisten, Blogger, Hacker, PIRATEN und viele andere für eine freie Meinungsäußerung und gegen jede Zensur kämpfen. Doch genau dieses Recht auf freie Meinungsäußerung wird hier mal eben en passant geopfert und der Zensur die Tür aufgehalten.

    Dieser Artikel ist schlicht ein Schlag ins Gesicht aller, die jahrelang genau für diese Werte gekämpft haben.

    Artikel 5

    MEINUNGSFREIHEIT UND ÖFFENTLICHKEIT

    (1) Jeder hat das Recht, in der digitalen Welt seine Meinung frei zu äußern. Eine Zensur findet nicht statt.

    Wäre Absatz für sich alleinstehend, hätten wir dem sofort und bedenkenlos zustimmen können.

    (2) Digitale Hetze, Mobbing sowie Aktivitäten, die geeignet sind, den Ruf oder die Unversehrtheit einer Person ernsthaft zu gefährden, sind zu verhindern.

    (3) Ein pluraler Öffentlicher Diskursraum ist sicherzustellen.

    (4) Staatliche Stellen und die Betreiber von Informations- und Kommunikationsdiensten sind verpflichtet, für die Einhaltung von Abs. 1, 2 und 3 zu sorgen.

    Die Absätze 2 – 4 sind wirklich abenteuerlich. Zunächst einmal werfen sie die Frage auf, warum nur digitale Hetze zu verhindern ist, und analoge nicht. Aber auf diesen eklatanten Mangel der gesamten Charta hatten wir ja bereits eingangs hingewiesen. Viel schlimmer ist die Formulierung, dass diese „zu verhindern“ seien. Das „analoge“ Strafgesetzbuch kennt bereits einige Paragraphen, die Beleidigung, Rufschädigung, üble Nachrede, Nötigung, Volksverhetzung und dergleichen unter Strafe stellen; übrigens gibt es diese Paragraphen in allen europäischen Ländern. Dazu müssen diese Straftaten aber erfolgt sein, angezeigt werden und in einer Gerichtsverhandlung festgestellt werden.

    „Verhindern“ bedeutet aber, dass das von vornherein nicht passieren darf, dass die Taten also gar nicht begangen werden sollen. Dieser Absatz öffnet jeglichem Zensurvorhaben, automatisiert oder manuell, Tür und Tor. Dazu wird noch Unsicherheit geschaffen, denn es ist nichts wirklich definiert, es wird nichts fachlich geprüft und damit kann heute schon illegal werden, was gestern noch erlaubt war. Ganz ohne Gesetz, ganz ohne Gericht, ganz ohne Verteidigung. Vorauseilender Gehorsam von Anbietern wird die Folge sein – und wohin das führt, das wissen wir aus der Geschichte unseres Landes wirklich nur zu gut. 

    Liebe „Experten:

    • Was Ihr hier fordert, ist das Ende der freien Meinungsäußerung.
    • Was Ihr hier fordert, ist Zensur.
    • Was Ihr hier fordert, ist darüber hinaus eine weitere Zementierung der Monopolstellungen von Facebook, Google und Co, denn nur die werden finanziell und technisch in der Lage sein, die von Euch geforderte vorauseilende Verhinderung zu realisieren.
    • Was Ihr hier fordert, ist die weitere Auslagerung der Rechtsdurchsetzung vom Staat auf „private“ Dritte. Outsourcing kann hier nicht das Mittel der Wahl sein!

    Dieser Artikel ist unter Berücksichtigung aller bereits aufgeführten Punkte so ziemlich das Demokratiefeindlichste, was Ihr in drei Absätzen unterbringen konntet.

    Aber bereits nach den bis hierher zitierten und kommentierten Artikeln wird klar, dass diese „Digitale Charta“ nicht nur in vielen Punkten keine Verbesserung bringt, sondern vielmehr an zentralen Stellen der Meinungsfreiheit und der Demokratie nachhaltig schadet.

    Diesen Entwurf der „Digitale Charta“ am 5.12.2016 der EU vorzulegen, sollte sich angesichts dieser Punkte und der zahlreichen Kritiken im Netz von selbst erledigen.

    Wir rufen vielmehr dazu auf, diesen Entwurf gemeinsam allen Bürgerinnen und Bürgern, NGO, Verbänden und Vereinen, mit allen Partnern im europäischen Ausland auf einen Stand zu bringen, der die bisher erkämpften Grundrechte schützt und durch sinnvolle digitale Aspekte ergänzt.

    Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

     

    Gastbeitrag der AG Digitalisierung

  • Wie aus Populismus ein Totalschaden wird – eine Chronik

    Rückblende zum Bundestags-Wahlkampf 2013: Der CSU fallen für den Wahlkampf keine Themen ein, also schafft man sich welche. Gegen die Autobahnmaut des südlichen Nachbarn Österreich lässt sich leicht Stimmung machen. Schließlich fahren die Österreicher bei uns doch gratis, während wir bei ihnen Eintritt zahlen müssen. Das geht ja gar nicht.

    Nüchtern betrachtet muss man Österreich hier aber zugestehen, eine andere Situation zu haben. Aufgrund der geografischen Lage dient Österreich für die größeren Nachbarn als Durchfahrtsstraße. Dagegen machen österreichische PKW nur 0,6% des Straßenverkehrs in Deutschland aus. Aber egal, Herr Seehofer hat ein Feindbild identifiziert.

    Insgesamt beträgt der Anteil an ausländischen PKW am deutschen Straßenverkehr nur knapp 6,7%. Dafür sollte ein System gebaut werden, bei dem für alle PKW erst einmal gezahlt wird, dann aber 93,3% der PKW-Fahrer das Geld wieder zurückbekommen. Rein kaufmännisch betrachtet ist das völliger Unsinn.

    Von diesen Fakten völlig unberührt wurde PKW-Maut zum wichtigen Thema im Wahlkampf für die CSU. Beim Kanzlerkandidatenduell sagte Merkel, dass mit ihr die Maut nicht zu machen sei. Trotzdem fand die Maut ihren Weg in den Koalitionsvertrag und nach langem Hin und Her wurde 2015 eine Gesetzesänderung verabschiedet.

    Damit lagen dann Fakten auf dem Tisch, die nur allgemeines Kopfschütteln verursachten. Die Berechnung der möglichen Einnahmen lag deutlich zu hoch. Dafür darf man davon ausgehen, dass – wie bei anderen politisch motivierten Projekten – die Kosten deutlich zu niedrig angesetzt sind. Von den erträumten € 700 Mio. Einnahmen sind nur etwa die Hälfte halbwegs realistisch und die € 200 Mio. Kosten dürften zu niedrig angesetzt sein.

    Dazu kommt ein weiteres, ganz gravierendes Problem. Da die Überwachung der Mautzahlung durch Erkennung der KFZ-Kennzeichen erfolgen soll, ist ein massiver Missbrauch der Daten zu erwarten. Zwar sieht das Gesetz vor, dass die Daten nur so lange gespeichert bleiben sollen bis bestätigt ist, dass die Maut für das Fahrzeug bezahlt ist, in der Praxis hilft das aber wenig.

    Die massive Menge an Bewegungsdaten, die so erfasst werden, wecken mit Sicherheit schnell Begehrlichkeiten. Einerseits steht zu befürchten, dass Gesetzesänderungen diese Daten erst für Strafverfolgung und dann für alle möglichen anderen Zwecke zugreifbar machen, andererseits ist die Wahrscheinlichkeit kriminellen Zugriffs hoch.

    Geheimdienste und Kriminelle dürften großes Interesse an diesen Daten haben. Immerhin kann man so Bewegungsmuster von Personen erfassen. Da im endgültigen Ausbau des Systems tausende Kontrollstellen ständig KFZ-Kennzeichen bei einem zentralen Server abfragen, wird der unberechtigte Zugriff auch nicht allzu schwer werden.

    Kaum war das Gesetz verabschiedet, leitete die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren ein. Da nur ausländische Fahrer belastet werden und die deutschen über die KFZ-Steuer die Maut zurückbekommen sollten, liegt hier eine Ungleichbehandlung vor.

    Dann gab es aber eine Annäherung zwischen Minister Dobrindt und der EU-Kommission. Mittlerweile hat man sich geeinigt. Die Maut für ausländische PKW wird deutlich billiger und die deutschen Autofahrer kriegen die Maut nicht pauschal auf die KFZ-Steuer angerechnet. Statt dessen wird es eine Anrechnung abhängig von der Schadstoffklasse der Fahrzeuge geben. Damit werden die Einnahmen durch neuere Fahrzeuge weiter sinken.

    Das Ergebnis ist also noch mehr Verwaltungsaufwand und deutlich weniger Einnahmen. Also genau das, was ein ohnehin schon wirtschaftlich sehr fragwürdiges Projekt nicht benötigt. Keine Abstriche gibt es dagegen bei der Gefährdung der Privatsphäre.

    Zusammenfassend kann man nur sagen: Vielen Dank Herr Seehofer und Herr Dobrindt! Sie haben uns da ein bürokratisches Monster geschaffen, das absehbar mehr kostet als einbringt und dann auch noch unsere Privatsphäre bedroht.

    Und wofür das alles? Damit die CSU im Wahlkampf 2013 ein völlig überflüssiges Thema populistisch nutzen konnte. Wir freuen uns dann schon wirklich auf die populistischen Ideen für 2017…

  • Island: Die Piratenpartei kann Regierung! – Auftrag zur Regierungsbildung

    Die Piratenpartei Island hat das Mandat zur Regierungsbildung erhalten.

    Birgitta Jónsdóttir

    Kristos Thingilouthis, politischer Geschäftsführer der Piratenpartei Deutschland:
    »Wenn es eine Kraft schaffen kann, die isländische Politik zu einen und den lang ersehnten Neuanfang zu wagen, dann sind es die PIRATEN. Es geht uns PIRATEN schließlich nicht um das Erringen der Macht, sondern um ihre Neuverteilung. Wir betrachten uns als Hacker veralteter Regierungssysteme.

    Eine crowdgesourcte neue Verfassung mit direkter Demokratie in Kraft zu setzen, die öffentliche Teilhabe an politischen Entscheidungen zu verstärken, das Vertrauen der Bürger in die Politik zurückzugewinnen und  Korruption zu bekämpfen – all das sind Ziele, die außer der abgewählten alten Regierung Islands alle Parteien unterstützen können.

    Die isländischen PIRATEN haben jetzt eine historische Chance als erste Piratenpartei weltweit mit der Bildung einer Regierung beauftragt zu sein und piratige Politik zu gestalten.
    Wir hier in Deutschland betrachten diesen spannenden Prozess mit großer Freude und wünschen Birgitta und ihren Mitstreitern eine gute Hand bei den Verhandlungen. Volle Fahrt voraus, das habt Ihr gut gemacht.«

    Hintergrund: Mit 10 Mandaten wird die Piratenpartei in Islands Parlament über ebenso viele Sitze verfügen wie die links-grüne Bewegung. Nur die Unabhängigkeitspartei, die Teil der abgewählten Regierung war, verfügt mit 21 Sitzen über einen größeren Rückhalt. Unabhängigkeitspartei und die links-grüne Partei hatten seit der Wahl vergeblich versucht eine Regierung zu bilden.

  • Strenge Regeln müssen käufliche Politiker verhindern

    Immer wieder lassen sich Politiker vor allem von Wirtschaftsunternehmen für ihre Auftritte und Reden bei diesen Firmen bezahlen. Zuletzt sorgte die sogenannte Rent-a-Sozi-Affäre in diesem Zusammenhang für Schlagzeilen. Hierbei vermittelte die parteieigene SPD-Agentur für Unternehmen und Lobbygruppen exklusive Gespräche mit Ministern, Staatssekretären und weiteren Funktionären der Partei gegen entsprechende Bezahlung.

    Aber auch großzügige Geschenke an Politiker und Einladungen zu Essen oder intransparente Geheimgespräche mit Lobbyisten hinter verschlossenen Türen im Bundestag und den Landtagen sind nicht verboten und müssen auch nicht in ausreichendem Umfang veröffentlicht werden.
    Patrick Schiffer, Bundesvorsitzender der PIRATEN, fordert schärfere Transparenzpflichten und ein Antikorruptionsgesetz, um den Glaubwürdigkeitsverlust von Politikern zu stoppen:

    „Wir müssen sicherstellen, dass Abstimmverhalten oder Gesetze nicht von finanzstarken Unternehmen und Lobbyisten erkauft werden können. Es darf nicht einmal der Anschein bei der Bevölkerung entstehen oder aufrechterhalten werden, dass Politiker käuflich sind. Wir müssen das Vertrauen der Bürger in die Politik wieder stärken. Hierzu brauchen wir klare Regeln, die verhindern, dass sich Politiker für Auftritte bei Wirtschaft und Lobbyverbänden bezahlen lassen oder dass Lobbyisten sich im Bundestag bei den Parteien die Klinke in die Hand geben, um Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Und dies, ohne dass verpflichtend und vollständig veröffentlicht werden muss, wer bei welcher Partei wie oft und zu welchem Anlass vorgesprochen hat und woher bereits vorformulierte Gesetzentwürfe tatsächlich stammen.

    Wir Piraten wollen ein verpflichtendes Lobbyregister, in dem angegeben wird, welche Lobbyisten mit welchen finanziellen Mitteln oder sonstigen Vergünstigungen in wessen Auftrag und zu welchem Thema Einfluss auf die Politik nehmen und wie häufig sie bei den Parteien mit ihren Anliegen vorstellig werden. Nur so können eine versteckte Einflussnahme erschwert und Verflechtungen zwischen Politik und Wirtschaft offengelegt werden. Ein Antikorruptionsgesetz soll Schlupflöcher für Bestechung schließen. Politiker sollen, wie das Gesetz es vorsieht, nur ihrem Gewissen und nicht wirtschaftlichen Interessen und Zwängen bei der Entscheidungsfindung unterworfen sein. Insofern brauchen wir auch strenge gesetzliche Grenzen für bezahlte Auftritte von Politikern bei Wirtschaftsveranstaltungen und lange Karenzzeiten für einen Wechsel von der Politik in ein Wirtschaftsunternehmen. All das dient der demokratischen Kontrolle und einem Vertrauensgewinn der Politik beim Bürger.“

     

  • Internet of …

    Internet of Things Shit

    Die Band Spliff wusste es schon in den 1980ern: Computer sind doof.

    Damals wurde noch gescherzt, dass es nicht unbedingt gut sei, wenn die Kaffemaschine den Toaster antörnt. Heute wissen wir, dass das zu einem echten Problem werden kann.

    Mittlerweile haben viele Anwender verstanden, dass es sinnvoll ist, den eigenen Computer gegen Viren und Trojaner zu schützen. Aber im Zeitalter des Internet of Things wächst die Zahl der mit dem Internet verbundenen Geräte rasant an. Was mit diesem rasanten Zuwachs nicht mithält, ist das Bewusstsein, dass auch diese Geräte Sicherheitslücken haben und angreifbar sind.

    Dagegen hilft auch nicht die Überzeugung, dass doch die heimischen Gerätschaften „viel zu uninteressant sind, um gehackt zu werden“. Tatsächlich enthalten die „Dinge des Internets“ (auch Internet of Things, IoT genannt) oft eine Rechenleistung, die vor einigen Jahren noch auf dem Schreibtisch stand und als Arbeitsmaschine genutzt wurde. In der Kombination mit dem Internetzugang werden diese dann für kriminelle Machenschaften sehr interessant, besonders, da es sehr viele dieser Geräte gibt und sie schlechter gewartet und gegen Hackerangriffe geschützt sind als der PC.

    In kurzer Folge gab es jetzt zwei Vorkommnisse, die das wachsende Problem deutlich zeigen. Am 21. Oktober 2016 wurde der DNS Service Dyn mit dem Mirai Botnetz(*) angegriffen. Dieses Netz besteht aus hunderttausenden von gekaperten Geräten, darunter auch viele Webcams.

    Am 27. November 2016 begann dann ein weitflächiger Ausfall des IP-Netzes der Telekom. Etwa 900.000 Anschlüsse waren davon betroffen. Es stellte sich heraus, dass dies ein Angriffsversuch war, mit dem DSL-Router infiziert werden sollten.

    Dies sind mittlerweile keine Einzelfälle mehr, sondern nur die prominenteren Fälle. Mit Sicherheit wird die Zahl der Fälle mit der wachsenden Menge an Geräten weiter ansteigen und es wird auch deutlich gefährlichere Szenarien geben. Wer über ein großes Botnetz verfügt, kann dieses für alle möglichen Angriffe nutzen. Besonders gefährlich wird es, wenn solche gekaperten Geräte innerhalb eines eigentlich gesicherten Bereichs sind, da dann Angriffe hinter der Verteidigungslinie der IT stattfinden können.

    Es ist höchste Zeit, dass einerseits die Hersteller solcher Produkte sich mehr Gedanken darüber machen, wie sie die Sicherheit der Geräte garantieren können. Andererseits müssen sich die Anwender darüber klar werden, was sie tun, wenn sie sich mit der großen Masse von Computerknoten im Internet verbinden.

    Problematisch dabei ist, dass momentan Hersteller aus Bereichen, die mit IT bisher nichts zu tun hatten, ihre Produkte „internettauglich“ machen. Hier fehlt häufig jegliches Problembewusstsein. Beispielsweise muss man sich die Frage stellen, wie wahrscheinlich es sein wird, dass ein Endkunde auf seiner Deckenleuchte einen Virenscan macht. Werden hier nicht andere Maßnahmen getroffen, dann fängt demnächst der gehackte Toaster die Passwörter für Bankkonto und andere Zugänge ab.

    (*) Botnetze bestehen aus gekaperten Computern und anderen Geräten und werden für alle möglichen kriminellen Interessen verwendet. Das gekaperte Gerät wird vom Botnetzbetreiber ferngesteuert und kann für eine Aufgabe spezifische Software hochgeladen bekommen. Die Botnetze werden in vielen Fällen als Mietservice angeboten, um Dinge zu tun wie Spam zu versenden oder Angriffe auf einzelne Server oder ganze Organisationen durchzuführen.

  • Bevormundende Tanz- und Veranstaltungsverbote an stillen Feiertagen endlich abschaffen!

    Der Spitzenkandidat der Piratenpartei in Schleswig-Holstein Patrick Breyer begrüßt das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Zulässigkeit von Gegendemonstrationen an „stillen Feiertagen“:

    »Es ist eine absurde religiöse Bevormundung, dass erwachsenen Menschen an bestimmten Tagen im Jahr vorgeschrieben wird, was sie in geschlossenen Räumen zu tun und zu lassen haben. Die verstaubten Feiertagsgesetze drängen große Teile des kulturellen Lebens an ’stillen Feiertagen‘ in die Illegalität, darunter Spielveranstaltungen für Kinder, Kino, Theater, Oper, Kabarett, Literaturlesungen, Poetry Slams oder Musikkonzerte. Mit der Lebenswirklichkeit haben diese Verbote nichts zu tun.

    Dass das Bundesverfassungsgericht nun bunten Protest gegen diese Bevormundung zulässt, kann nur der erste Schritt sein. Wir brauchen endlich eine klare Trennung von Kirche und Staat, und dazu gehört die Abschaffung von Veranstaltungs- und Demonstrationsverboten an Feiertagen!«

  • Der Abschiebe-Strobl von der CDU – Das nennt Ihr christlich?

    Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl fordert mehr Härte gegen Asylbewerber ohne Bleiberecht. Um die langwierigen Verfahren mit den Heimatländern um Rückführungsabkommen zu umgehen, verlangt Strobl die Einrichtung von sogenannten „Rückführungszentren“, z. B. in nordafrikanischen Ländern. Dorthin sollten ausreisepflichtige Ausländer – unabhängig von ihrer Nationalität – gebracht werden.

    Patrick Schiffer, Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland, dazu:

    »Das Bild von Sammellagern weckt in mir schreckliche Erinnerungen und ganz besonders, wenn es eine Forderung eines deutschen Politikers ist. Die menschenrechtliche Lage in Ägypten und anderen afrikanischen Ländern ist weiterhin unklar. In Anbetracht der Situation in den Erstaufnahmestellen in Deutschland dürfen wir uns gar nicht vorstellen, welche Zustände vor Krieg und Gewalt fliehende Menschen in diesen von der „christlichen“ Union geplanten „Sammellagern“ zu erwarten haben.

    Das Bundesverfassungsgericht hat 1994 eindeutig festgestellt, dass „für die Bestimmung eines Staates zum sicheren Herkunftsstaat die Sicherheit vor politischer Verfolgung landesweit und für alle Personen- und Bevölkerungsgruppen bestehen“ muss (BVerfGE 94, 115).

    Wir PIRATEN setzen uns für eine solidarische und menschenwürdige Asylpolitik ein, die am Wohl und Schutz der asylsuchenden Menschen orientiert ist und auf Instrumente zur Abschreckung, Isolation und Diskriminierung ausnahmslos verzichtet. Asylpolitik muss immer an humanitären und nicht an nationalstaatlichen oder wirtschaftlichen Interessen ausgerichtet sein. Menschen, die in Europa Zuflucht suchen, haben das uneingeschränkte Recht auf ein menschenwürdiges Leben, auf Bewegungsfreiheit und die Teilhabe an der Arbeitswelt, an Bildung und Kultur. Das gilt sowohl, wenn die Gründe der Flucht noch nicht anerkannt sind, als auch wenn eine Rückkehr in das Herkunftsland nicht möglich ist.«

  • PIRAT Patrick Breyer beteiligt sich an der Verfassungsbeschwerde gegen Vorratsdatenspeicherung

    PIRAT Patrick Breyer beteiligt sich an der Verfassungsbeschwerde gegen Vorratsdatenspeicherung

    Am Montag, dem 28. November 2016 wird die von Digitalcourage organisierte Bürger-Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung eingereicht. Auch unser Themenbeauftragter für Datenschutz, MdL Patrick Breyer, ist Beschwerdeführer. Im Anschluss an die Pressekonferenz wird die Beschwerdeschrift zusammen mit mehr als 30.000 Unterschriften beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht.

    »Vorratsdatenspeicherung macht uns alle splitternackt.«, begründet Patrick Breyer seine Unterstützung der Verfassungsbeschwerde. »Zielgerichtete Ermittlungen sind rechtsstaatlich, wahllose Massenerfassung ist überwachungsstaatlich. Unser Rechtssystem beruht auf der Unschuldsvermutung. Eine freie Gesellschaft braucht vertrauliche und spurenlose digitale Kommunikation. Dafür lohnt es sich zu kämpfen!«

    Hintergrund: Digitalcourage e.V. setzt sich für Informationsfreiheit und Datenschutz ein. Der Verein zieht gegen die Vorratsdatenspeicherung vor das Bundesverfassungsgericht. Inzwischen hat das Aktionsbündnis schon fast so viel Unterstützung gesammelt wie bei der erfolgreichen Verfassungsbeschwerde im Jahr 2008. Die neue Verfassungsbeschwerde kann noch bis Sonntag, 27. November 2016, um 24:00 Uhr mit unterstützt werden: https://digitalcourage.de/weg-mit-vds

    Die Pressemitteilung von Digitalcourage finden Sie hier: https://digitalcourage.de/presse/pressemitteilungen/pressekonferenz-zur-verfassungsbeschwerde-gegen-vorratsdatenspeicherung

    Mit der Verfassungsbeschwerde soll die Ende 2015 beschlossene Massenüberwachung von Internet- und Telefonkommunikation aufgehalten werden. Ab Juni 2017 sind Kommunikationsanbieter verpflichtet, von allen Kundinnen und Kunden Standortdaten, Zeitpunkt und Dauer von Telefonaten, IP-Adressen und SMS-Daten auf Vorrat zu speichern.