Autor: Borys

  • EU-Innenminister bestätigen Europol-Gesetz: Polizeibehörde darf Big-Data weiter nutzen

    EU-Innenminister bestätigen Europol-Gesetz: Polizeibehörde darf Big-Data weiter nutzen

    Innerhalb von weniger als 6 Monaten haben zuerst das EU-Parlament und nun auch der EU-Innenministerrat [1] die „Regulierung (…) betreffs Zusammenarbeit von Europol mit privaten Parteien, die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Europol zur Unterstützung strafrechtlicher Ermittlungen und die Rolle von Europol in Forschung und Innovation“ bestätigt. Hinter dem sperrigen Titel verbirgt sich eine gesetzliche Regelung, die Europols Kompetenzen signifikant erweitert. Unter anderem bestätigt die Regulierung Europols langjährige Praxis, anlasslos Daten über europäische Bürgerinnen und Bürger zu sammeln – erst im Januar 2022 kritisierte der Europäische Datenschutzbeauftragte erneut diese Praxis und ordnete die unmittelbare Löschung aller Daten ohne Verbindung zu kriminellen Aktivitäten an [2].

    Frank Grenda, Politischer Geschäftsführer der Piratenpartei Deutschland, kritisiert das Vorgehen der EU-Organe:

    „Anstatt die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren und sich mit der europäischen Zusammenarbeit im digitalen Zeitalter konstruktiv zu beschäftigen, wird Europol im Schatten von Corona und Ukraine-Konflikt schnell mal zu einer Big-Data-Polizei aufgebaut – und die bisher nicht gestattete Datensammelwut nachträglich bestätigt.“

    Zum Hintergrund, der Europäische Datenschutzbeauftragte kritisierte wiederholt, dass Europol Daten ohne Kategorisierung und ohne Regelung zur Aufbewahrungsfrist (data retention policy) gesammelt hatte [2]. Insgesamt wurden so laut Medienberichten vier Petabyte an Daten zusammengeführt [3]. Nach einer Ermahnung im September 2020 versäumte Europol die Festlegung einer Verwahrfrist. In der Folge verordnete der Datenschutzbeauftragte eine maximale Aufbewahrungsfrist für nicht-kategorisierte Datensätze von 6 Monaten. 

    Die nun beschlossene EU-Regulierung wiederum legalisiert die bisherige Datensammelpraxis rückwirkend und legt für die Zukunft eine Frist von 18 Monaten für nicht-kategorisierte Daten fest – was einem Affront gegenüber der Rolle des Europäischen Datenschutzbeauftragten gleichkommt.

    Die Piratenpartei setzt sich seit jeher für das Prinzip der Datenminimierung ein. Das bedeutet, dass nicht-kategorisierte, anlasslos gesammelte Datensätze weder dauerhaft noch langfristig gesammelt werden sollen. Jede einmal angelegte Datenbank stellt ein potenzielles Sicherheitsrisiko dar, da unbefugte Abfragen durchgeführt werden können oder Kriminelle sich illegalen Zugang verschaffen könnten. Daher sollten Datenbanken nur zielgerichtet und anlassbezogen genutzt werden.

    Mit Blick auf die kommende EU-Parlamentswahl 2024 merkt Grenda an:

    „Die Piratenpartei steht klar für Bürgerrechte und gegen anlasslose Überwachung der Menschen in der Europäischen Union – ganz gleich, ob dies Vorratsdatenspeicherung von Metadaten oder Inhalte von E-Mails und Nachrichten bei der Chatkontrolle betrifft. Polizeiliche Zusammenarbeit über Landesgrenzen hinweg ist zwar richtig und wichtig. Ein Freibrief für die anlasslose Überwachung der Menschen ist dabei aber strikt abzulehnen.“

    Dr. Patrick Breyer, EU-Abgeordneter der Piratenpartei Deutschland, hat die gegenwärtige Regulierung in klaren Worten abgelehnt [4]. Breyer erklärt nun nach der Abstimmung im Innenministerrat:

    „Diese Reform legalisiert illegale Machenschaften von Europol, anstatt diese zu stoppen: Nach Feststellungen des Europäischen Datenschutzbeauftragten speichert Europol jahrelang und illegal massenhaft Daten über Millionen völlig unverdächtiger Personen, die von nationalen Eingriffsbehörden übermittelt wurden. Es handelt sich um große Datenmengen (Handy-Standortdaten, Passagierlisten) von Personen, die in keiner Weise mit kriminellen Aktivitäten in Verbindung stehen. Die Konsequenz: Unschuldige Bürger laufen Gefahr, zu Unrecht in den Verdacht einer Straftat zu geraten, weil sie zur falschen Zeit am falschen Ort waren. Auch die vorgesehene Zusammenarbeit von Europol mit privaten Unternehmen (wie z.B. Google und Microsoft), die im Rahmen einer flächendeckenden Nachrichtendurchleuchtung und Chatkontrolle massenhaft Personen zu Unrecht anzeigen, ist inakzeptabel.“

    Informationen zu Breyers vorhergehenden Anfragen im „Joint Parliamentary Scrutiny Committee (JPSG) on Europol“ finden sich unter anderem auf der JPSG-Homepage [5].

    Quellen:

    [1] www.consilium.europa.eu/en/press/press-releases/2022/05/24/europol-le-conseil-adopte-une-legislation-confiant-de-nouvelles-taches-a-l-agence/

    [2] edps.europa.eu/press-publications/press-news/press-releases/2022/edps-orders-europol-erase-data-concerning_en

    [3] www.theguardian.com/world/2022/jan/10/a-data-black-hole-europol-ordered-to-delete-vast-store-of-personal-data

    [4] www.patrick-breyer.de/plenarabstimmung-ueber-europol-aufruestung-legalisierung-der-illegalen-machenschaften-ist-ein-skandal/

    [5] ipexl.europarl.europa.eu/IPEXL-WEB/conferences/jpsg/home

  • Chatkontrolle …ein bisschen sicher geht nicht

    Chatkontrolle …ein bisschen sicher geht nicht

    Die EU-Kommission will unsere gesamte elektronische Kommunikation automatisch auf Material zu Kindesmissbrauch durchsuchen lassen. Dies hätte fatale Folgen nicht nur für die Privatsphäre, sondern generell für die Sicherheit unserer Kommunikation. Denn im Gegensatz zu dem, was sich einige EU-Politiker ausdenken, gibt es keine sichere Kommunikation, die trotzdem abgehört werden kann.

    Dazu muss man sich einmal ansehen, wie Verschlüsselung prinzipiell funktioniert.

    Das Geheimhalten von Nachrichten ist schon lange von großem Interesse. Bereits in der Antike gab es dazu Ansätze, wie z. B. einen Text auf ein Papierband zu schreiben, das auf einen Zylinder mit einem bestimmten Durchmesser gewickelt wurde. Diese „Verschlüsselung“ zu brechen ist natürlich relativ einfach. Man muss nur etwas experimentieren, bis man den korrekten Durchmesser findet und die Nachricht lesen kann.

    Eine Verschlüsselung zu brechen läuft meistens über genau diesen Weg: Muster in den verschlüsselten Daten suchen und daraus Rückschlüsse auf den Schlüssel ziehen.

    Methoden zur Verschlüsselung gibt es viele. Grundsätzlich ist die Vorgehensweise, die zu schützenden Daten so umzuwandeln, dass die verschlüsselte Fassung keine Ähnlichkeit mit den unverschlüsselten Daten hat und keine Muster aufweist, die es einfach erlauben, den Inhalt oder den Schlüssel zu erraten.

    Einfache Methoden, wie Tabellen zur direkten Ersetzung von Zeichen, enthalten genau solche Muster, die sich statistisch auswerten lassen und damit Rückschlüsse auf den Inhalt erlauben, z. B. durch die Häufigkeit von Buchstaben in einer Sprache. Darum verwendet man zur modernen Verschlüsselung vielstufige Ersetzungsverfahren, oder mathematische Methoden, die keine alternativen Lösungen haben, bzw. keine, die in einem realistischen Zeitraum gelöst werden können.

    Letztlich sind Verschlüsselungen mathematische Aufgaben, die nur eine korrekte Lösung haben. Zumindest sollten sie nur eine haben. Denn wenn sie mehr als eine Lösung haben, z. B. weil vorgesehen ist, dass es einen „Generalschlüssel“ zur Überwachung gibt, dann wird damit auch die Verschlüsselung erheblich schlechter. Es müssen dann Regelmäßigkeiten in den verschlüsselten Daten vorhanden sein, die es erlauben, dass es mindestens zwei korrekte Lösungen gibt.

    Also neben dem Problem, dass der „Generalschlüssel“ für die Überwachungsfunktion in falsche Hände geraten kann, ist auch noch das Schloss sehr viel schlechter. In der Praxis ist davon auszugehen, dass eine Verschlüsselung durch den Zweitschlüssel um Größenordnungen schlechter wird.

    Daran ändert sich auch nichts, wenn Konstrukte gebaut werden, bei denen für jeden User oder jeden Chat ein individueller „Generalschlüssel“ benutzt wird: Das Schloss ist sehr viel schlechter, als wenn es nur zu genau einem Schlüssel passt.

    Darum also: Egal ob es Backdoor, Frontdoor, Generalschlüssel oder sonstwie genannt wird, es ist immer dasselbe: eine massive Sicherheitslücke. Und wir sind Bürger, keine Verdächtigen in einem Strafprozess.

  • Es zeichnen sich neue Regeln für alternative Fonds ab: Mehr Transparenz, mehr Möglichkeiten und mehr Schutz für Anleger

    Es zeichnen sich neue Regeln für alternative Fonds ab: Mehr Transparenz, mehr Möglichkeiten und mehr Schutz für Anleger

    Archivweine, Kryptowährungen und kostbare Kunstwerke haben so einige Gemeinsamkeiten. Beispielsweise, dass Sie vielleicht keine der Genannten besitzen, aber gerne hätten? Dann ist dieser Artikel über Investitionen in „alternative“ Anlagegüter genau das Richtige für Sie.

    Worum geht es?

    Die Wirtschaftskrise von 2008 brachte viele Veränderungen in den Bereichen Wirtschaft und Investitionen mit sich, darunter eine neue Richtlinie der Europäischen Union über Anlagen in alternative Investmentfonds. Als alternative Anlagen werden all jene Anlagen bezeichnet, die nicht in die „klassische“ Kategorie der Investition in hochliquide Güter (Anleihen, Aktien, Währungen) fallen und nicht den Anforderungen der „Organismen zur gemeinsamen Anlage in Wertpapiere“ (OGAW) entsprechen. Daher fallen Immobilien, seltene Rohstoffe, Edelmetalle, aber auch Kryptowährungen in die Kategorie der alternativen Anlagen.

    Die vorgenannte Regelung bezieht sich allerdings nicht direkt auf alternative Anlagen als solche. Vielmehr betrifft sie Fonds, die diese Anlagen in ihrem Portfolio haben, und insbesondere die Verwalter dieser Investmentfonds. Das Hauptziel dieser gesetzlichen Regelung aus dem Jahr 2011 bestand darin, ein bis zu diesem Zeitpunkt völlig unreguliertes Anlageumfeld, das zwar potenziell höhere Renditen abwarf als herkömmliche Fonds, aber auch ein höheres Risiko für die Anleger mit sich bringt, gewissen Regularien zu unterwerfen und zu harmonisieren. Darüber hinaus verlangten alternative Investmentfonds oft hohe Verwaltungsgebühren und waren sehr intransparent.

    Ziel, Zweck und Mängel der aktuellen Gesetzgebung

    Die aktuelle Gesetzgebung soll in erster Linie Schutz für Anleger und eine Senkung der systemischen Risiken dieser Fonds gewährleisten. Alternative Investmentfonds (AIF) richten sich sowohl an professionelle, als auch an Kleinanleger, wobei für letztere zusätzliche Schutzmaßnahmen gelten. Gleichzeitig wurden ein kohärenter Ansatz für die Beaufsichtigung der Verwaltung dieser Fonds und Regeln für die Zulassung und Beaufsichtigung ihrer Verwalter in der EU festgelegt.

    Wiewohl diese neuen Vorschriften für alle in der EU registrierten Hedge-, Private-Equity- und Immobilien-Investmentfonds sehr erfolgreich waren, sind Aktualisierungen dringend geboten, um der Notwendigkeit einer weiteren Harmonisierung der Liquiditätsmanagement-Instrumente, sowie dem Mangel an Details bei den an die Aufsichtsbehörden übermittelten Marktdaten Rechnung zu tragen. Insbesondere die erwähnten Hedgefonds (auch als „abgesicherten Fonds“ bezeichnet) sind sehr riskante Anlageinstrumente, da sie derzeit keinerlei Regulierung unterliegen und viele dieser Fonds in der Hoffnung auf große Gewinne fast blauäugig höchst riskante Anlagestrategien wählen. Zudem haben viele von ihnen ihren Sitz in einem sogenannten Steuerparadies. Nicht zuletzt muss die Gesetzgebung als Reaktion auf den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union angepasst werden, da die Portfolios zahlreicher Fonds mit Sitz in der EU in London verwaltet werden.

    Was ändert sich?

    In ihrem Vorschlag unterbreitet die Europäische Kommission gleich auf zwei Ebenen Änderungen. Zum einen innerhalb der AIFM-Richtlinie (über die Verwalter alternativer Investmentfonds) selbst, und zum anderen soll diese Richtlinie an die bestehende OGAW- Richtlinie angeglichen werden.

    Wenn Sie also in diese Fonds investieren wollen, oder bereits investiert sind, finden Sie hier die wichtigsten Gründe, warum Sie die Änderung der Richtlinie interessieren sollte:

    • Schluss mit falschen Verwaltern in Drittländern

    Delegiert ein Fondsmanager das Portfoliomanagement oder die Fondsverwaltung in Länder außerhalb der Europäischen Union, so muss die zuständige nationale Behörde diese Delegierung bei der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) melden und vollständige Angaben über das delegierte Subjekt, seine Funktion, seine Interaktionen usw. übermitteln.

    Gleichzeitig muss der AIF mindestens zwei in der EU ansässige Personen für die Verwaltung des Fonds beschäftigen. Zudem enthält der Vorschlag auch regelmäßige Berichtspflichten für den beauftragten Verwalter an die ESMA hinsichtlich seiner Aktivitäten. Die gleichen Regeln sollen gemäß Vorschlag auch für OGAW eingeführt werden.

    Anders ausgedrückt hat dieser Teil des Vorschlags einen einzigen Zweck: Er soll vorgeschobene Verwaltungsgesellschaften aus Drittländern entlarven, die in Wirklichkeit nur „Briefkastenfirmen mit anonymen Eigentümern“ sind, und so die Finanzen der Anleger zu schützen versuchen.

    • Effizienteres Liquiditätsmanagement

    Über Liquiditätsmanagement-Instrumente können Manager offener Fonds flexibel auf jeweilige Marktbedingungen reagieren und so die Interessen ihrer Anleger besser schützen. Die Verfügbarkeit dieser Instrumente für Fonds ist jedoch nach den derzeitigen Rechtsvorschriften unterschiedlich. Nun wird allerdings die ESMA mit der Entwicklung von Entwürfen für technische Regulierungsstandards beauftragt. Sie soll Definitionen liefern und die Merkmale von Liquiditätsmanagement-Instrumenten spezifizieren, damit AIFM bei Bedarf Zugang zu einheitlichen Instrumenten haben.

    • Faire Kreditvergabe durch alternative Investmentfonds

    AIF können u.a. Darlehen an europäische Unternehmen und „Kleine und Mittelständische Unternehmen“ (KMU) vergeben und damit den Zugang zu einer breiteren Palette von Finanzierungsmöglichkeiten zu wettbewerbsfähigen Preisen eröffnen. Allerdings sind derzeit die nationalen Kreditvergaberichtlinien höchst unterschiedlich, was sowohl das Finanzierungsniveau verringert, als auch den Aufsichtsbehörden die Überwachung des Finanzstabilitätsrisikos erschwert. Ziel ist es daher, den europäischen Unternehmen diese alternativen Finanzierungsinstrumente zugänglich zu machen und die nationalen Rechtsvorschriften innerhalb der EU zu harmonisieren.

    • Schluss mit unehrlichen Verwaltern

    In dem Vorschlag werden auch die Angaben zu den Personen, die tatsächlich als AIF-Manager tätig sind, präzisiert. Sobald ein Verwalter in seinem EU-Mitgliedstaat eine Zulassung beantragt, muss er den zuständigen Aufsichtsbehörden diverse Informationen betreffend seiner Tätigkeiten, dienstlichen Einstufung, seiner Verantwortlichkeiten uvm. vorlegen.

    • Grenzüberschreitende Verwahrstellen

    Nicht zuletzt bieten AIF auch Verwahrdienste an. Diese sind derzeit allerdings unzureichend, weshalb die neue Richtlinie die Bereitstellung grenzüberschreitender Verwahrungsdienste vorschlägt.

    Ein guter Anfang, aber noch nicht perfekt.

    Die neue AIFM-Richtlinie geht definitiv in die richtige Richtung. Insbesondere die stärkere Beaufsichtigung von Fondsmanagern durch die Aufsichtsbehörden ist eine begrüßenswerte Entwicklung, die zur Verhinderung so genannter „Briefkastenverwalter“ beitragen wird. Die Harmonisierung der Liquiditätsmanagement-Instrumente zur Verbesserung der Finanzstabilität, die verbesserte Datenerfassung und die verstärkte Offenlegung von Informationen über die an Finanzinstitute delegierten Tätigkeiten werden ebenfalls als wichtige Verbesserungen der derzeitigen Rechtsvorschriften angesehen.

    Dennoch gibt es weiterhin erheblichen Spielraum für Verbesserungen des Regulierungsvorschlages, insbesondere im Bereich der Delegierung an Dritte. Während AIF verpflichtet sein werden, die Übertragung von Verwaltungsfunktionen an die zuständigen Aufsichtsbehörden außerhalb der EU zu melden, haben diese Organe keinerlei Möglichkeit, einer solchen Delegierung zu widersprechen. Die Frage, ob und wie die neuen Rechtsvorschriften für bestehende AIF-Verwalter und Anleger gelten werden, bleibt bislang offen. Gleichzeitig wurde argumentiert, dass einige der neuen gesetzlichen Anforderungen nachhaltige Fonds benachteiligen könnten. Eine Benachteiligung von Fondsmanagern, die ausschließlich in Unternehmen investieren, die den Umweltschutz fördern, ist für uns inakzeptabel (!).

    Aber das Wichtigste ist: Das Zustandekommen einer funktionierenden EU-Richtlinie und die Schaffung eines einheitlichen und funktionierenden europäischen Marktes. Würde sie in 27 lokale Vorschriften aufgespalten, so ginge uns eine große Chance auf effiziente und innovative Investitionen verloren.

    Dieser Beitrag des EU-Parlamentariers Mikuláš Peksa (Piratenpartei Tschechien) wurde zuerst auf auf dessen Homepage veröffentlicht, zu finden unter folgendem Link: mikulas-peksa.eu/ge/es-zeichnen-sich-neue-regeln-fur-alternative-fonds-ab-mehr-transparenz-mehr-moglichkeiten-und-mehr-schutz-fur-anleger/

  • Gute Gründe für ein eigenes Navigationssystem

    Gute Gründe für ein eigenes Navigationssystem

    „Amerikaner schalten im Rahmen der Ukraine-Krieg-Sanktionen GPS-Navigation für Russland ab!“ Ab dem 13. März diesen Jahres ging ein Tweet viral und sammelte innerhalb weniger Stunden Tausende „Herzchen“. Zudem gab es zahllose Re-Tweets mit Sticheleien über die offensichtlich mangelhafte Treffgenauigkeit russischer Raketen. All das, obwohl der Verfasser des Tweets seine Information nicht belegen konnte.

    Sogar der Chef der russischen Weltraumbehörde Roskosmos, Dimitriy Rogosin, sagte eine Woche später bei einem Besuch im russischen Raketen- und Raumfahrtzentrum, die USA erwägen, Russland vom GPS-Navigationssystem abzukoppeln. Von amerikanischer Seite wurde diese Annahme weder bestätigt noch dementiert. Ich persönlich sehe hierin ein veritables Beispiel für den Einsatz von Fehlinformationen als zunehmend beliebte Waffe der modernen Kriegsführung.

    Es wäre auch weder technisch noch strategisch sinnvoll GPS für Russland abzuschalten. Warum das so ist, versuche ich in diesem Artikel zu erläutern.

    Wir alle nutzen Navigationssysteme, beispielsweise in unseren Handys. Darüber, wie diese Systeme funktionieren, und ob man sie tatsächlich auch für bestimmte Gebiete oder Länder „ausschalten“ kann, denkt kaum jemand intensiver nach.

    USA: GPS und die Geburt der Satellitennavigation

    Der Begriff GPS ist die heute übliche Kurzbezeichnung für globale Satellitennavigationssysteme (GNSS). Zurückzuführen ist sie wohl darauf, dass die Amerikaner als erste über ein solches vollfunktionsfähiges System verfügten, das sie eben in Kurzform GPS nannten. Dieses US-System ist im Besitz der US-Regierung. Für seinen Betrieb ist die US Space Force, also die Raumfahrtabteilung der US-Streitkräfte, zuständig. Seit dem Jahr 2000 ist das GPS-Signal für zivile und militärische Zwecke gleich. Unterschiede in der Positionsgenauigkeit sind hauptsächlich auf die Qualität des jeweiligen Empfängers und die jeweilige Umgebung zurückzuführen (in städtischer Umgebung mit hohen Gebäuden und begrenztem Blick zum Himmel kann die Genauigkeit geringer sein). Übliche Smartphones mit GPS können die Position auf bis zu 5 Meter Genauigkeit bestimmen, kommerzielle GPS-Geräte auf wenige Millimeter.

    Das GPS-System besteht aus 24 Satelliten, die u.a. mit einer sehr genauen Uhr ausgestattet und so im Orbit verteilt sind, dass jeder Punkt der Erde jederzeit mit einem Signal abgedeckt ist. Bei GPS handelt es sich, wie übrigens bei allen Geonavigationssystemen, um ein absolut passives System. Was bedeutet das? Vereinfacht gesagt senden Satelliten kontinuierlich ein Signal mit ihrer genauen Position und einem Zeitstempel aus, und zwar unabhängig davon, ob dieses auf der Erde, oder gar in einem bestimmten Land oder von einer bestimmten Person empfangen wird oder nicht. Die Standortbestimmung als solche erfolgt im Empfängergerät. Sobald Ihr Mobiltelefon von vier Satelliten ein Signal empfängt, kann es Ihre Position, Geschwindigkeit und Richtung, in der Sie sich bewegen, berechnen. Somit ist es technisch tatsächlich unmöglich, Satelliten abzuschalten, die nur ein bestimmtes Gebiet abdecken. Theoretisch aber könnten die Vereinigten Staaten zum Beispiel die Störung ziviler Kanäle durch Zufallsfehler wieder einführen, damit diese nicht mehr für eine präzise Ortung genutzt werden könnten. Die hieraus für das russische Militär entstehenden Komplikationen wären allerdings vernachlässigbar. Russland verfügt, wie auch die Europäische Union oder China, über ein eigenes globales Navigationssystem. Und selbst ein normales Smartphone ist in der Lage, Signale von mehreren Systemen gleichzeitig zu empfangen.

    Russland: GLONASS

    Es ist wahrscheinlich keine große Überraschung, dass die Entwicklung des russischen globalen Navigationssystems GLONASS, ebenso wie die des amerikanischen GPS, bereits während des Kalten Krieges begann. Das System wurde in den 1990er Jahren fertiggestellt, veraltete aber nach und nach.

    Der Vollbetrieb in der Konstellation von 24 Satelliten wurde erst 2011 nach massiven Investitionen wieder aufgenommen, und bis heute verschlingt GLONASS rund ein Drittel des russischen Raumfahrtbudgets. Wie bei GPS senden die Satelliten Signale auf unterschiedlichen Frequenzen, aber im Gegensatz zu GPS kann das hochpräzise Signal der GLONASS-Satelliten nur von autorisierten Nutzern wie etwa dem russischen Militär genutzt werden.

    Es geht sogar das Gerücht um, dass das GLONASS-Signal für militärische Zwecke genauer ist als GPS – und als wäre das noch nicht genug, gibt es noch zwei weitere globale Navigationssysteme.

    EU: Galileo

    Das europäische Navigationssystem ging 2016 in Betrieb, befindet sich derzeit aber noch in einer „präoperativen“ Phase. Das bedeutet, dass die Satelliten zwar Signale senden (die sowohl für zivile als auch für staatliche Zwecke genutzt werden können). Von den 28 Satelliten in der Umlaufbahn sind aber erst 21 voll funktionsfähig (und 2 in der Testphase). Eine voll funktionsfähige Konstellation wird wie bei GPS und GLONASS aus mindestens 24 Satelliten bestehen. Doch Galileo verspricht für die zivile Nutzung eine noch höhere Ortungsgenauigkeit, von etwa einem Meter.

    Dass Galileo schon heute von den meisten modernen Smartphones genutzt werden kann, ist in der Allgemeinheit fast unbekannt. Wenn Sie überprüfen möchten, ob Ihr Smartphone Galileo- fähig ist, gehen Sie auf die EUSPA-Website [https://www.usegalileo.eu/accuracy-matters/DE] und folgen Sie den dortigen Anweisungen. Seit der vergangenen Woche müssen alle neuen Telefone, die auf den europäischen Markt kommen, die Signale der europäischen Galileo-Satelliten empfangen können. Mehr darüber erfahren Sie auch bei einem persönlichen Besuch am EUSPA-Sitz in Prag-Holešovice.

    China: BeiDou

    Die Idee, ein eigenes Navigationssystem zu entwickeln, wurde in China bereits in den 1980er Jahren geboren, es dauerte dann aber zwanzig Jahre, bis die Entwicklung eigener Satelliten in Gang kam. Ursprünglich war auch angedacht, dass China im Rahmen des Galileo-Projekts mit der EU zusammenarbeiten sollte, insbesondere im Bereich der zivilen Satellitennavigation. Letztlich entschied sich China dann aber für ein eigenes System. BeiDou ist seit 2018 offiziell ein voll funktionsfähiges GNSS.

    Die einzige Möglichkeit ist und bleibt eine Signalstörung

    Ungeachtet der Tatsache, dass Russland wahrscheinlich auch ein Netz bodengestützter Sender für die Navigation nutzt, ist es angesichts der Vielzahl der voneinander abhängigen globalen Navigationssysteme fast unmöglich, dass einzelne Länder plötzlich ohne Satellitennavigation dastehen würden.

    Ein Ausschluss aus einem Satellitennavigationssystem kann u.a. durch Störsignale, ausgesendet von bodengestützten Geräten, erreicht werden. Russlands größter Störsender Krasucha 2 kann Satellitensignale in einem Umkreis von bis zu 250 Kilometern stören. Russland hat diesen Sender bereits bei NATO-Übungen in Finnland im Jahr 2018 eingesetzt, und es ist nicht ausgeschlossen, dass er auch im aktuellen Krieg gegen die Ukraine zum Einsatz kommt.

    Ebenso könnten die Vereinigten Staaten, aber auch andere Mächte, Satellitensignale über bestimmten Gebieten selektiv stören oder den Zugang zu den Signalen nur für militärische und Regierungszwecke erlauben. Diese Maßnahmen hätten jedoch nur eine begrenzte Wirkung und würden wahrscheinlich wieder am stärksten die Zivilbevölkerung treffen.

    Sie können selbst mit einer einfachen mobilen App prüfen, wie viele und welche Satelliten Ihr Telefon sieht und verwendet! [github.com/barbeau/gpstest]

    Dieser Beitrag des EU-Parlamentariers Mikuláš Peksa (Piratenpartei Tschechien) wurde zuerst auf auf dessen Homepage veröffentlicht, zu finden unter folgendem Link: mikulas-peksa.eu/ge/gute-grunde-fur-ein-eigenes-navigationssystem/

  • Chatkontrolle… oder: wie wir schon wieder mit Wortschöpfungen getäuscht werden sollen

    Chatkontrolle… oder: wie wir schon wieder mit Wortschöpfungen getäuscht werden sollen

    Der Vorstoß der EU-Kommission, alle Nachrichten im Internet auf Material von Kindesmissbrauch zu untersuchen, stößt auf harte Kritik – und das zu Recht. Zunächst einmal ist es grundlegend abzulehnen, alle Bürger unter Generalverdacht zu stellen. Zu den diversen Konsequenzen für die Privatsphäre kommt auch noch eine massive Gefährdung der gesamten Infrastruktur und Wirtschaft hinzu. Denn entgegen dem, was uns einige Politiker wieder weismachen wollen, gibt es keinen Weg, die Nachrichten zu durchsuchen und sie trotzdem sicher zu halten.

    Bereits bei der Urheberrechtsreform tat sich damals besonders Axel Voss von der CDU mit dem Versuch hervor, Realität neu zu definieren. Obwohl ihm die technischen Grundlagen völlig fremd waren befand er, dass Uploadfilter technisch gar kein Problem seien und man sich nicht so haben solle. Abgesehen davon wären ja keine Uploadfilter vorgeschrieben, nur technische Maßnahmen, um illegale Inhalte zu verhindern.

    Genau solche Wortschöpfungen und Bedeutungsverbiegungen passieren jetzt wieder mit der Chatkontrolle. Man wolle keine Backdoors, sondern eine Frontdoor. Die Verschlüsselung solle nicht geschwächt, sondern nur ein Generalschlüssel eingebaut werden.

    Eine Ente schwimmt und quakt ganz gleich ob man sie als „Wasservogel“ oder „Ente“ bezeichnet. Genau so ist das mit einer Backdoor, die zur Frontdoor umbenannt wird. Oder einer unsicheren – und daher unbrauchbaren – Verschlüsselung, zu der es einen Generalschlüssel gibt. Realität ändert sich nicht, nur weil man Begriffe erfindet oder falsch verwendet.

    Bei einer Chatkontrolle werden die Nachrichten an der Stelle, an der die Überprüfung stattfindet, ausgepackt. Damit ist keine sichere Kommunikation zwischen den Teilnehmern mehr gegeben, völlig egal welche linguistische Verrenkung dafür erfunden wird. Und dabei ist zu beachten, dass „Chatkontrolle“ auch als Begriff zu kurz greift. Die EU-Kommission will nicht nur „Chats“, sondern alle Arten von Nachrichten durchleuchten, inklusive eMails.

    Auch irgendwelche wirren Konstrukte, die Prüfung bereits auf den Endgeräten mittels eines Hash-Wertes durchzuführen, bringen keine Verbesserung der Lage. Dies würde einen massiven Eingriff in die Endgeräte bedeuten, der über alle Plattformen und Dienste hinweg passieren müsste. Einher geht das dann mit einer Sicherheitslücke für das Nachladen der Überprüfungsdaten und -algorithmen.

    Es bleibt festzuhalten, dass die Chatkontrolle eine gefährliche Idee ist.  Die Umsetzung würde Privatsphäre im digitalen Raum abgeschaffen. Sehr einfach zu nutzende Einfallstore für Cyberangriffe können geöffnet werden, durch die sämtliche elektronische Kommunikation kompromittiert werden kann. Die Chatkontrolle ist nicht nur ein Angriff auf unsere Grundrechte, sondern gleichzeitig auch auf die gesamte digitale Infrastruktur und jegliche Form von vertraulicher Kommunikation, wie Geschäftsgeheimnisse und Zugangsdaten.

    Jeder Terrorist würde sich über so ein System freuen und alle Diktatoren würden vor Neid erblassen.

    Ihr wollt mithelfen, die Chatkontrolle zu verhindern? Dann unterschreibt jetzt die laufende Petition „Chat-Überwachung stoppen!“: aktion.campact.de/datenschutz/chatkontrolle-stoppen/teilnehmen

  • PIRATEN kritisieren den Gesetzesentwurf zum Thema Triage der Bundesregierung

    Während der Pandemie kam es immer wieder zu massiven Verletzungen der Rechte von Menschen mit Behinderung. Zuletzt kam es zu einem Vorfall in einem Krankenhaus, bei dem Menschen mit Behinderung, die an Corona erkrankt waren, per Triage mit geringerer Priorität behandelt werden sollten.[1] Daraufhin entfachte sich ein riesiger Skandal, dem die Bundesregierung Beachtung schenken muss, denn das Bundesverfassungsgericht (BVG) hatte bereits im Dezember 2021 ein Gesetz zur Vermeidung der Diskriminierung von Menschen mit Behinderung in der Triage gefordert. 

    Seit einigen Wochen liegt dieser nun den Fraktionen vor und wir können erneut nur den Kopf schütteln. Wie auf Twitter bekannt wurde, wurden zunächst keine Betroffenen in die Diskussion des Expertenrats mit eingebunden. [2] Dies erfolgte wohl erst auf konkrete Nachfrage von Aktivisten. Und der Entwurf trägt den Forderungen des Bundesverfassungsgericht nicht Rechnung.

    „Für uns Piraten ist es wichtig, dass es im Fall künftiger  Corona-Wellen eine gerechte Gesetzgebung gibt. Ohne Benachteiligung von behinderten Menschen. Die UN Behindertenrechtskonvention wurde bis zum heutigen Tage nur unzureichend von Ländern und Bund umgesetzt, obwohl die Rechte von behinderten Menschen klar definiert sind. Dies zeigt sich auch wieder in den unzureichenden Regeln zur Triage. Es macht uns Angst, dass wir nicht als lebenswertes Leben eingeordnet werden“,

    sagt Florian Lancker, Mitglied der AG Inklusion und stellvertretender Themenbeauftragter Inklusion.

    „Es ist ein absolut inakzeptabler Zustand, denn es heisst nicht umsonst: Nicht über uns ohne uns“,

    ergänzt die Themenbeauftrage für Inklusion, Antonia-M. Hörster.

     

    Die PIRATEN der AG Inklusion fordern daher:

    * Beteiligung aller gesellschaftlichen Betroffenen

    * Umsetzung der Rechtsprechung des BVG

    * Einhaltung der UN Behindertenrechstkonvention auf allen staatlichen und nichtstaatlichen Ebenen

    * Keine Benachteiligung von behinderten Menschen

    Quellen:

    [1] www.suedkurier.de/baden-wuerttemberg/droht-im-klinikum-tuttlingen-die-triage-was-hinter-den-berichten-im-internet-steckt;art417930,11001136

    [2] twitter.com/nancy_poser/status/1485952709924724739

  • „Zerstörung des digitalen Briefgeheimnisses“: Klage gegen Chatkontrolle eingereicht

    Am 9. Mai hat der Europaabgeordnete, Bürgerrechtler und digitale Freiheitskämpfer Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei) gegen die sogenannte Chatkontrolle eine Unterlassungsklage gegen Facebooks Mutterunternehmen Meta Platforms Ireland Limited vor dem Amtsgericht Kiel eingereicht.[1] Breyer klagt als Nutzer des „Facebook Messenger“ gegen die verdachtslose automatisierte Durchsuchung der privaten Chatverläufe und Fotos. Hintergrund der Klage ist das Vorhaben der EU-Kommission, die bisher nur von US-Anbietern praktizierte verdachtslose Nachrichten- und Chatkontrolle für sämtliche Anbieter von E-Mail-, Messenger- und Chatdiensten verpflichtend machen zu wollen. 

    Kläger Patrick Breyer dazu:

    „Dieser Big Brother-Angriff auf unsere Handys, Privatnachrichten und Fotos mithilfe fehleranfälliger Algorithmen ist ein Riesenschritt in Richtung eines Überwachungsstaates nach chinesischem Vorbild. Chatkontrolle ist, wie wenn die Post alle Briefe öffnen und scannen würde – ineffektiv und illegal. Ich sehe der Zerstörung des Grundrechts auf digitales Briefgeheimnis nicht zu, sondern schalte jetzt die Justiz ein.

    Selbst intimste Nacktfotos und Sex-Chats können plötzlich bei Unternehmenspersonal oder der Polizei landen. Wer das digitale Briefgeheimnis zerstört, zerstört Vertrauen. Auf Sicherheit und Vertraulichkeit privater Kommunikation sind wir alle angewiesen: Menschen in Not, Missbrauchsopfer, Kinder, die Wirtschaft und auch Staatsbehörden.

    Organisierte Kinderporno-Ringe benutzen keine E-Mails oder Messengerdienste, sondern abgeschottete selbst betriebene Foren. Mit ihren Plänen zur Chatkontrolle setzt die EU-Kommission aus kurzfristigen Überwachungswünschen heraus die allgemeine Sicherheit unserer privaten Kommunikation und öffentlicher Netze, Geschäftsgeheimnisse und Staatsgeheimnisse aufs Spiel. Was wir brauchen, ist Löschen statt Schnüffeln!“

    Auf Anfrage Breyers hatte Europol zuvor eingeräumt, bekanntes Material nicht zur Löschung zu melden.[2] Auch das BKA weigert sich, die Löschung entsprechender Darstellungen zu veranlassen.

    Breyers Rechtsanwalt Prof. Dr. Ralph Wagner erklärt:

    „Während EU-Politiker einerseits behaupten, uns vor Übergriffen durch Facebook, Google und Co. zu schützen, beauftragen sie gleichzeitig die selben Unternehmen damit, unsere komplette Kommunikation zu durchleuchten und zu überwachen. Dass der Europäische Gerichtshof (und die Gerichte vieler EU-Mitgliedsstaaten) eine solche totale Überwachung schon des öfteren untersagt hat, wird einfach beiseite geschoben. Dann bleibt leider nur, erneut die Gerichte einzuschalten.

    Wer Datenschutz nicht als Bürokratiemonster betreibt, sondern ernst meint und damit Freiheitsrechte schützen will, der darf nicht unsere gesamte Kommunikation durchleuchten und damit dann auch noch Facebook beauftragen.“

    Am 11. Mai wird die EU-Kommission ihren EU-Gesetzentwurf zur verpflichtenden Chatkontrolle öffentlich vorstellen. Das Gesetz würde alle Anbieter von E-Mail-, Messenger- und Chatdiensten zur massenhaften Chatkontrolle verpflichten und Ende-zu-Ende-Verschlüsselung durch Scans auf allen Handys aushebeln. 

    Die Digitale Gesellschaft ruft am 11. Mai zu einer Demonstration in Berlin auf.[3] Der Chaos Computer Club kritisiert die Chatkontrolle als „fundamental fehlgeleitete Technologie“ und als „nie dagewesenes Überwachungswerkzeug“.[4] Auch der Deutsche Kinderschutzbund hat das von der EU-Kommission geplante anlasslose Scannen der privaten Kommunikation via Messenger oder E-Mail als unverhältnismäßig und nicht zielführend bezeichnet.[5] Der Großteil des kinderpornographischen Materials werde vielmehr über Plattformen und Foren geteilt. Es brauche „vor allem den Ausbau der personellen und technischen Ressourcen bei den Strafverfolgungsbehörden, mehr sichtbare Präsenz von Polizei im Netz, mehr staatliche Meldestellen sowie die Entkriminalisieru der Verbreitung selbstgenerierten Materials unter Jugendlichen“.[6]

    Im deutschen Koalitionsvertrag heißt es zur Chatkontrolle: „Maßnahmen zum Scannen privater Kommunikation … lehnen wir ab.“

     

    Quellen:

    [1] Klageschrift: www.patrick-breyer.de/wp-content/uploads/2022/05/20220509_Unterlassungsklage_Facebook_Breyer.pdf

    [2] secure.ipex.eu/IPEXL-WEB/download/file/082d29088065e7c901806a0aa063001f

    [3] digitalegesellschaft.de/2022/05/presseinformation-protest-gegen-die-plaene-der-eu-kommission-zur-chatkontrolle/

    [4] www.ccc.de/de/updates/2022/eu-kommission-will-alle-chatnachrichten-durchleuchten

    [5] www.br.de/nachrichten/meldung/kinderschutzbund-lehnt-anlassloses-scannen-verschluesselter-kommunikation-ab,3004a2202

    [6] www.eu-info.de/dpa-europaticker/316232.html

  • Neuer Leak in Rocker-Affäre Schleswig-Holstein: Regierung verheimlicht Bericht und übergeht empfohlene Konsequenzen

    Neuer Leak in Rocker-Affäre Schleswig-Holstein: Regierung verheimlicht Bericht und übergeht empfohlene Konsequenzen

    Im Internet ist diese Woche ein bisher geheim gehaltener interner Untersuchungsbericht des Sonderermittlers und ehemaligen Innenministers Klaus Buß über die schleswig-holsteinische „Rocker-Affäre“ aufgetaucht.[1] Er enthält hochbrisante Handlungsempfehlungen, die von der Landesregierung und der CDU-Innenministerin bis heute nicht umgesetzt worden sind:

    In Bezug auf die kritischen Kriminalbeamten, die gegen die Unterdrückung potenziell entlastender Informationen zum Schutz eines Rockerchefs protestiert hatten und versetzt wurden, heißt es in Buß‘ Handlungsempfehlungen: Es komme in Betracht, einem der Beamten „durch eine angemessene Geste zuzubilligen, dass eine sachgerechte Bearbeitung der von ihm erhobenen Vorwürfe nicht stattgefunden hat“. Buß empfiehlt auch: „Den beiden Beamten sollte das Ergebnis der Überprüfungen des Sonderbeauftragten unter Beachtung der datenschutz- und geheimschutzrechtlichen Bestimmungen mitgeteilt werden.“ Beides ist bisher unterblieben. Gleiches gilt für die weitere Empfehlung, „eine Handreichung zur Bearbeitung von Mobbingverdachtsfällen in der Polizei zu erarbeiten bzw. die Dienstvereinbarung von 2014 zu ergänzen“.

    Buß empfiehlt außerdem zu prüfen, „ob die Einrichtung eines räumlich abgesetzten und zum Beispiel dem Staatssekretär zugeordneten Dezernats ‚Interne Ermittlungen‘ Sinn macht.“ Schleswig-Holstein hat bis heute kein solches Dezernat. Vielmehr werden strafrechtliche Vorwürfe gegen Polizeibeamte von Kollegen bearbeitet.

    Schließlich regt Buß an, das Verhalten des ehemaligen LKA-Direktors Höhs von Strafverfolgungsbehörden prüfen zu lassen („strafrechtlicher Überhang“). In Betracht komme Nötigung einer zu Unrecht beschuldigten Beamtin sowie versuchte Anstiftung zur Falschaussage, indem versucht wurde, eine Offenlegung der unterdrückten Aussage vor Gericht durch Einschränkung der Aussagegenehmigung für einen der kritischen Ermittler zu verhindern.

    Der frühere Fraktionsvorsitzende der Piratenpartei im schleswig-holsteinischen Landtag und heutige Europaabgeordnete Dr. Patrick Breyer, der die „Rocker-Affäre“ mit parlamentarischen Anfragen öffentlich gemacht hatte, erklärt:

    „Unter Ministerpräsident Daniel Günther setzt sich fort, was zu rechtsstaatswidrigen Methoden bis hin zu Rassismus und Frauenfeindlichkeit bei der Landespolizei geführt hat: Unbequeme Kritik wird einfach unter den Teppich gekehrt.Wann wird Günther sein Schweigen zu und Wegsehen von der Rocker-Affäre endlich aufgeben und sich zu einer Verurteilung der Machenschaften und durchgreifenden Konsequenzen durchringen? Bis heute fehlt es beispielsweise an einer eigenständigen und vom Innenministerium unabhängigen Dienststelle für interne Ermittlungen gegen Fehlverhalten in der Polizei – die Voraussetzung einer Aufdeckung und Ahndung solcher Machenschaften. Dass Günther den unbequemen Aufklärer Hans-Joachim Grote mit zweifelhafter Begründung aus dem Amt des Innenministers geschasst hat, lässt mich befürchten, dass sich dieser LKA-Skandal unter seiner Regierung jederzeit wiederholen kann.“

    Breyer hatte selbst vergeblich versucht, wenigstens teilweise Zugang zu dem Buß-Bericht zu erhalten. Das Innenministerium verweigerte dies jedoch.[2]

    Quellen:

    [1] Geleakter Untersuchungsbericht von Klaus Buß: deepsh.blackblogs.org/
    [2] fragdenstaat.de/a/187496

    Siehe auch Breyers frühere Pressemitteilung „Rocker-Affäre: Geheimdokument enthüllt Schleswig-Holsteins Zusammenarbeit mit verurteiltem Rockerchef“: www.patrick-breyer.de/rocker-affaere-geheimdokument-enthuellt-schleswig-holsteins-zusammenarbeit-mit-verurteiltem-rockerchef/