Autor: Borys

  • Freiheit in der Pandemie

    Freiheit in der Pandemie

    „Die Freiheit besteht darin, dass man alles das tun kann, was einem anderen nicht schadet“ So steht es in der Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, die die französische Nationalversammlung 1789 verabschiedet hat. Dieser Satz drückt aus, dass Freiheit nicht nur einen individuellen Bezug hat, sondern auch einen gesellschaftlichen. Denn der Mensch existiert nicht alleine. 

    Seit Beginn des Jahres 2020 wird die Welt von einem Virus heimgesucht. Das Corona-Virus verursacht Atemwegserkrankungen, die darin enden können, dem Menschen den Sauerstoff zu nehmen, den er zum Überleben braucht. Das Virus ist eine organische Struktur, die darauf programmiert ist, sich bestmöglich zu vermehren. Durch Aerosole (Luftpartikel) überträgt es sich zwischen den Menschen. Diese sind dem Corona-Virus ein guter Wirt. Denn wir brauchen zum Leben nicht nur Luft sondern auch Gemeinschaft. 

    Für den Menschen, ein soziales Lebewesen, wird so das ihm eigenste, die Suche nach anderen Menschen, zum Nachteil. Das Virus greift uns als Gesellschaft dort an, wo es uns am meisten schmerzt, in der Gemeinschaft selbst. Es richtet unsere sozialen Bedürfnisse gegen uns. Wir sind dazu gemacht, gemeinsam mit anderen Menschen zu lernen, Sport zu machen oder zu bejubeln, zu lachen, zu singen und zu tanzen.

    Diese Sehnsucht und die Fähigkeit des Virus, sich immer aufs Neue an geänderte Rahmenbedingungen anzupassen, haben dazu geführt, dass wir schon bald ins dritte Jahr der Pandemie gehen. Maßnahmen, die wir ergriffen hatten, halfen, die Pandemie zu bestimmten Zeiten abzuschwächen; dennoch sind wir aktuell in einer Situation, in der in vielen Regionen die medizinischen Kapazitäten an der Belastungsgrenze sind oder diese schon überschritten haben. Ein zuvor bereits kaputt gespartes Gesundheitswesen sowie Erschöpfung und fehlende Anerkennung der dort beschäftigten Menschen, haben darüber hinaus dazu geführt, dass viele Krankenhäuser unter Personalmangel leiden. So können vorhandene Ressourcen nicht mehr sinnvoll ausgeschöpft werden, denn ohne Personal keine medizinische Versorgung. 

    Als eines der reichsten Länder der Welt können wir aktuell keine umfängliche Gesundheitsversorgung mehr sicherstellen, wie sie für uns zuvor selbstverständlich war. Das Risiko einer unzureichenden medizinischen Versorgung, oder gar dem Verwehren einer Behandlung, betrifft nun uns alle. Niemand wird widersprechen, dass dieser Zustand untragbar ist. 

    Und nun?

    Wie wollen wir als Gesellschaft von Individuen nun damit umgehen? Die Antworten reichen von “laufen lassen und akzeptieren” bis zu “Ausgangssperre und hart kontrollierter Impfzwang mit maximalem Druck auf Ungeimpfte”. Denn auf den Intensivstationen und an den dortigen Beatmungsgeräten finden wir nun überdurchschnittlich häufig Ungeimpfte und ältere Menschen. Wie kann, wie soll die Politik in der Folge reagieren?

    Artikel 2 des Grundgesetzes schützt die körperliche Unversehrtheit der Menschen. Die Piratenpartei tritt darüber hinaus in ihrem Grundsatzprogramm für die Selbstbestimmtheit des Menschen, und insbesondere auch für Patienten in medizinischer Behandlung ein:

    • Seine Würde und Autonomie sind zu respektieren. Im Rahmen seiner Möglichkeiten entscheidet er über die Form, Intensität und Reichweite der Behandlung. [1]

    Der Staat muss jedoch auch den Körper, den Geist und das Leben aller Menschen, also der Gemeinschaft seiner Individuen, schützen. Es gilt, die Rechte des Individuums und der Gemeinschaft gegeneinander zu balancieren.

    Die Grundrechte sind Abwehrrechte des Bürgers gegen den Staat. Vor dem Hintergrund, dass die Mehrheit der wahlberechtigten Bürger in Deutschland den Bundestag, und in der Folge eine Regierung findet, die dem mehrheitlichen Wunsch der Wähler entspricht, kann in diesem Fall “der Staat” als Ausdruck einer gesellschaftlichen Mehrheit betrachtet werden. Das Grundgesetz mit seinen Rechten für das Individuum drückt also auch die Abwehrrechte bzw. Schutzrechte des Menschen gegen eine Mehrheitsmeinung aus. Der Kern der freiheitlichen demokratischen Grundordnung besteht auch im Schutz der Rechte gesellschaftlicher Minderheiten, die daher beim Aushandeln einer Lösung im Umgang mit der Pandemie zwingend ebenfalls zu berücksichtigen sind. Die Angemessenheit der Einschränkung von Rechten erfordert folglich einen erheblichen Aufwand, bevor zu Lösungen gegriffen wird, die die körperliche Freiheit oder auch die Berufsausübung (GG Artikel 12 (1) ) einschränken. Juristisch kann über Auslegung und Details nun trefflich gestritten werden, für die Piratenpartei fasst spätestens das Grundsatzprogramm mit “Würde und Autonomie sind zu respektieren” das Thema gut zusammen.

    Rechte einfordern, Freiheiten einklagen, das sind alles gute und wichtige Maßnahmen, die dem Schutz unserer Demokratie dienen, und ich unterstütze sie explizit. Sie liefern aber keine Antwort und keine Möglichkeiten, wie wir aus der Pandemie herauskommen. Aber sie bieten eine Leitlinie in der Frage, ob wir alles getan haben, was möglich und notwendig ist. Was wären nun also mögliche Maßnahmen, und welche erscheinen dienlich?

    Impfpflicht

    Häufig wird unterschieden zwischen Impfpflicht und Impfzwang, es bestünde ein substantieller Unterschied. Juristisch betrachtet mag dies stimmen. Aber machen wir uns nichts vor: Spätestens wenn ein Kind nicht zur Schule gehen kann, weil es nicht geimpft ist oder der Arbeitnehmer einen signifikanten Anteil seines Einkommens für einen täglichen Test ausgeben muss (oder gar nicht mehr arbeiten darf), wird die Impfpflicht zum Zwang – egal wie wir es nennen. Ich persönlich schließe beispielsweise eine Impfpflicht nicht generell aus, sie kann angemessen sein; ich hoffe aber, dass wir gar nicht zu dieser Notwendigkeit kommen und sehe sie aktuell auch nicht. Wir sind weit davon entfernt, alle anderen Möglichkeiten ausgereizt zu haben.

    Tatsächlich brauchen wir Lösungen für zwei Probleme: Die Übertragung des Virus muss verlangsamt oder gestoppt und das Gesundheitssystem entlastet werden. 

    Verbreitung

    In Bezug auf die Übertragbarkeit haben wir meiner Meinung nach die Möglichkeiten zur Kontaktreduktion bei weitem nicht ausgereizt. In Anerkennung der Tatsache, dass auch geimpfte Menschen das Virus weitergeben, sind volle Fussballstadien der Wahnsinn. Es dürfte unstrittig sein, dass alleine die Einschränkung auf Treffen von maximal 1.000 oder 100 oder auch nur 10 Menschen die Übertragungswege deutlich reduzieren würde. Hier wurde folglich noch nicht alles gegeben, um die Anzahl an Ansteckungen zu verringern. 

    Impfen

    Mit einem Anstieg der Impfquote würde nicht nur die Ausbreitung eingedämmt, sondern auch die Belastung des Gesundheitswesens senken. Denn wir wissen, dass geimpfte Personen deutlich seltener schwere bis lebensgefährdende Konsequenzen aus einer Infektion davontragen. 

    Beim Thema Impfung erlebte ich mit Schrecken, wie sich die öffentlichen Stellen zurücklehnten und im Öffnen von Impfzentren und dem Verteilen des Impfstoffs ihren Job als getan betrachteten. Warum wurde nicht deutlich proaktiver auf die Menschen zugegangen? Warum haben wir keine mobilen Impfteams, die auf Anruf die Menschen besuchen? Warum gibt es so wenige Impfbusse vor Supermärkten, um niedrigschwellige Angebote zu machen? Jedes Unternehmen weiß, ein Produkt in den Regalen zu haben, führt nicht von alleine dazu, dass Menschen kommen und es kaufen. Das Unternehmen muss aktiv werben und locken. Und selbstredend muss dann auch die Ware, in diesem Fall der Impfstoff, verfügbar sein. Warum gibt es keine personalisierten Briefe an die Menschen? “Lieber xy, wir haben dir einen Termin im Impfzentrum reserviert. Sag Bescheid, wenn du nicht weißt, wie du hinkommst oder dir ein anderer Termin besser passt.” Das sind Maßnahmen, die ich von einem Staat erwarte, der die Grundrechte seiner Bürger respektiert und sich für ihren Erhalt einsetzt. Das passierte nicht. Aber auch dafür ist es noch nicht zu spät. 

    Entlastung der Intensivstationen

    Ebenso wäre ein Schritt, um den Stress auf das Gesundheitssystem zu reduzieren, die Kapazitäten insbesondere der Intensivstationen aufzustocken. Wenn die Annahme korrekt ist, dass Personalmangel diesen Zustand verschlimmerte, dann sollte alles getan werden, dass medizinisches Fachpersonal ein Interesse hat, wieder in diese Arbeit zurückzukehren. Warum wird  beispielsweise nicht Personal, das in die Intensivstationen zurückkehrt, eine finanzielle Prämie von sagen wir 10.000 EUR gewährt? Für chronisch unterbezahlte Pflegende eine verdiente Sonderzahlung, und als Gesellschaft sollte es uns das wert sein – egal ob sie nun als Preis für den Erhalt der Grundrechte oder als Preis zur Rettung von Menschenleben betrachtet wird.

    Lokale Lösung reicht nicht 

    Darüber hinaus sollten wir zu keinem Zeitpunkt vergessen, dass es sich bei Corona um eine weltweite Pandemie handelt. Es reicht also nicht, allein nationale Maßnahmen zu ergreifen und sich darauf zu verlassen, dass andere Länder ihrerseits die Pandemie in den Griff bekommen. Selbst beim besten Willen der Länder wird es vielen nicht gelingen. Und die Grenzen abzuriegeln wird ebenfalls unmöglich sein. Daher ist internationale Unterstützung notwendig.

    Das Handeln eines Jeden zählt

    Ich habe hier vor allem über das Handeln des Staats geschrieben, welches Vorgehen meiner Meinung nach von Seiten der öffentlichen Hand angemessen, mittlerweile sogar dringend und zwingend erforderlich ist. Wenn wir eines nicht haben, ist es Zeit, und in den letzten Jahren wurde zu viel verschlafen. Vor allem im Hinblick auf klare Kommunikation und Maßnahmen wie oben beschrieben. Gerade weil wir diesen Rückstand nicht mehr gut machen werden können, müssen jetzt alle Mittel ausgereizt werden, die wir ohne unverhältnismäßige Freiheitsverletzungen oder -einschränkungen im Köcher haben.

    Nicht geschrieben habe ich über die Erwartung an meine Mitmenschen, sei es in ihrem Handeln oder auch im Umgang miteinander. Persönlich hoffe ich auf Solidarität. Zu Beginn der Krise haben wir gezeigt, wie sehr wir füreinander da sein, einander aushelfen können. Wir erinnern uns daran, als es zu Beschränkungen kam und wir füreinander eingekauft haben, wo dies nicht jedem möglich war. 

    Auch ich habe mich impfen lassen, aus Solidarität, aus Hoffnung, dass wir Erwachsenen die Krise in den Griff bekommen und so unsere Kinder auch ungeimpft sicher sind. Wieder in Anlehnung an Kant: “Handle so, dass die Maxime deines Willens jederzeit zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könne.” Aber es deswegen dann eben nicht Gesetz werden muss.

    Quellen:

    [1] wiki.piratenpartei.de/Programm#Der_selbstbestimmte_Patient

  • 32 Milliarden Argumente

    32 Milliarden Argumente

    Der Bundesrechnungshof hat am 30.11.2021 seinen Jahresbericht 2021 veröffentlicht [1].

    Bei einem der großen Hoffnungsträger für die Verkehrswende kommt der Bundesrechnungshof zu einigen weniger schönen Erkenntnissen. Gemeint ist die Deutsche Bahn AG.

    Denn dort hapert es nach Ansicht der Prüfenden gewaltig.

    Bevor wir uns den Themen widmen ein kleiner Funfact. Im Jahresbericht 2020 durfte sich die Bahn noch über nur 44 Erwähnungen „freuen“; diesen Wert hat man 2021 mit 170 Erwähnungen massiv ausgebaut. Top-Leistung.

    Es wäre ja zu wünschen, dass der Abbau der Verbindlichkeiten oder der Ausbau des Schienennetzes ebenso engagiert vorangetrieben würde, wie die „Würdigung“ im Bundesrechnungshof-Bericht. 

    Doch der Bericht des Bundesrechnungshofes und auch 32 Mrd. Euro Schulden sprechen da gerade eine andere Sprache.

    Was der Bundesrechnungshof konkret bemängelt

    Hauptkritikpunkte sind die nach wie vor vorhandenen Interessenkonflikte der Abgeordneten und die unregelmäßige (intransparente) Gewinnausschüttung/-rückführung der DB AG, sowie der Einstieg der DB Energie in das Privatkundengeschäft.

    Daneben wird, völlig zu Recht übrigens, auch der zweckentfremdete Mitteleinsatz durch das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) moniert. 

    Interessenkollision von Abgeordneten

    „Die Abgeordneten sind in ihrer hauptamtlichen Tätigkeit hingegen den Bundesinteressen verpflichtet. Gleiches gilt für die von den Bundesministerien entsandten Aufsichtsratsmitglieder. Bei Personen in Doppelfunktionen können deshalb – je nach Fallkonstellation – Interessenkollisionen zwischen den verschiedenen Rollen auftreten.“

    Der Bundesrechnungshof erwartet hier, und das wird im Bericht auch sehr deutlich formuliert, dass das BMVI geeignete Maßnahmen ergreift, um diese Interessenkollisionen zukünftig auszuschließen. Zudem kommt der Bundesrechnungshof zu dem Schluss, dass das BMVI bisher „ungeeignete Maßstäbe“ angelegt hat und daher zu „falschen Schlussfolgerungen“ gelangt. Dazu fehle es dem BMVI an der notwendigen Sensibilität, was wiederum zur „fortlaufenden Missachtung der von ihm (Anm: BMVI) zu beachtenden Grundsätze“ führt.

    Dies ist dann auch eine schallende Ohrfeige für den scheidenden Verkehrsminister Andreas Scheuer. 

    Unregelmäßige (intransparente) Gewinnausschüttung

    Die Prüfenden haben festgestellt, dass es nur eine unregelmäßige Gewinnabführung an den Bund gibt, da die Dividenden in den letzten Jahren regelmäßig unter den Gewinnen gelegen habe. Dies ist, auch aus unserer Sicht,  insbesondere dahingehend kritisch zu betrachten, da dies eigentlich vertraglich geregelt ist und diese Gewinne eigentlich in den Ausbau der Schieneninfrastruktur investiert werden sollen. 

    Insofern fordert der Bundesrechnungshof den Bund zurecht auf, die bisher entgangenen Gewinne nachzufordern.

    Bahnunternehmen als Energieversorger

    Die Bahntochter DB Energie soll sich eigentlich um die Energiebeschaffung für die Bahnbranche bemühen. Insofern war der Einstieg in das Privatkundengeschäft ohnehin schon etwas merkwürdig.

    Der Bundesrechnungshof kommt nun zu dem Schluss, dass dieser Einstieg nicht nur ohne Genehmigung des Aufsichtsrates erfolgte, sondern auch die Prüfung des Bundesinteresses fehle und das BMVI die Geschäftsordnung nicht beachtete. 

    Vernichtend auch die Erkenntnis, dass die wirtschaftlichen Erwartungen deutlich verfehlt wurden. So werden laut Bundesrechnungshof nur 20 % der damals zugrunde gelegten Werte vor dem Markteintritt erreicht.

    Salopp formuliert:

    Der Versuch der Bahn, im Privatkundengeschäft mitzumischen, ist kläglich gescheitert. Das wirtschaftliche Risiko, also die vorauszusehenden Verluste, trägt der Bund. Und damit auch die Steuerzahlenden.

    124 Mio. Euro – Mittel aus Schiene dann doch lieber in die Straße und Flughäfen

    Ein besonders dreistes Stück lieferten Andi Scheuer und sein Ministerium, in dem sie Mittel für Gleisanschlüsse „umwidmeten“ und dafür lieber für Bundesfernstraßen und Flughafengesellschaften verwendeten.

    In Summe wurden 124 Mio. Euro dafür ausgegeben, was wiederum einem Anteil von ca. 60 % der eigentlich für die Schiene vorgesehenen Mittel zum Ausbau der Gleisanschlüsse betrifft. 

    Dies mag, so die Erkenntnis des Bundesrechnungshofes, haushaltsrechtlich zulässig sein. Es entspricht aber in keiner Form den verkehrs- und klimaschutzpolitischen Zielen des Bundes. 

    Was sonst noch auffällig war

    Als weitere Punkte moniert der Bundesrechnungshof, dass „Rückforderungsansprüchen“ nicht konsequent nachgegangen wird, ein „Gegensteuern bei Fehlentwicklungen beim Ausbau von Rangierbahnhöfen“ komplett unterbleibt und die „Akustische Wirksamkeit neuer Lärmschutzwände“ nicht geprüft wird.

    Auch im Bereich der „Allgemeinen Finanzverwaltung“ kommt der Bundesrechnungshof zu dem Schluss, dass die „Förderung der Energieeffizienz des elektrischen Eisenbahnverkehrs“ lediglich zu „Mitnahmeeffekten“ geführt hat. 

    Die angestrebte CO₂-Einsparung kann unter Berücksichtigung der Mitnahmeeffekte, als auch der potenziell geringen Wirkung bei ohnehin bereits elektrifizierten Fahrzeugen, nicht erreicht werden.

    Anders formuliert: Diese Förderung ist schlicht Unsinn.

    Der Bundesrechnungshof formuliert es natürlich etwas neutraler und fordert daher, diese Fördersystematik zu beenden.

    Fazit:

    Die vom Bundesrechnungshof aufgeführten Missstände im Bereich der Bahn und insbesondere des BMVI (noch unter dem geschäftsführenden Minister Andreas Scheuer) verdeutlichen das ohnehin schon ramponierte Gesamtbild. 

    Wie die Bahn ihrer angedachten tragenden Rolle im Rahmen des angestrebten Umbaus des Verkehrssektors zu einem klimafreundlichen Bereich nachkommen will, bleibt fragwürdig.

    Doch auch das BMVI wird seiner Rolle in keiner Form gerecht. Dies allein auf dem ausgehenden Minister Andreas Scheuer abzuladen wäre zu kurzsichtig, obwohl ihm ein gebührender Anteil an den aufgezeigten Missständen zugerechnet werden muss. Ob der designierte Verkehrsminister der FDP hier etwas zu ändern vermag, darf aufgrund der strukturellen und finanziellen Probleme der Bahn und des Ministeriums ebenso bezweifelt werden.

    Es wird vielmehr deutlich, dass der „Umbau der Bahn“ offensichtlich nicht durch ein Ministerium allein geschultert werden kann. Wenn zudem auch noch die Geschäftsleitung und der Aufsichtsrat der Bahn offensichtlich versagen, die Politik ihre Hausaufgaben nicht macht, ergibt dies genau dieses sehr unschöne Gesamtbild.

    Insofern schlägt die AG Verkehr und Mobilität eine übergreifende Expertenkommission vor, die sich aus Vertretern von Politik, Vertretern der Bahn, Gewerkschaften und weiteren Interessenverbänden zusammensetzt. Diese soll die notwendigen Maßnahmen erarbeiten und auch deren spätere Umsetzung verbindlich überwachen.

    Damit würde man einerseits eine große Akzeptanz zu den notwendigen Maßnahmen herstellen können und zudem Fehlentwicklungen, wie vom Bundesrechnungshof in den Jahresberichten regelmäßig dokumentiert, frühzeitig erkennen und auch vermeiden.

    Es gibt 32 Milliarden gute Gründe, den Umbau der Bahn auf eine breite, transparente, finanziell und ökologisch nachhaltige und zielführende Basis zu stellen.

    Quellen:

    [1] www.bundesrechnungshof.de/de/veroeffentlichungen/produkte/bemerkungen-jahresberichte/jahresberichte/2021-hauptband/downloads

  • Zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung

    Zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderung

    „Der Internationale Tag der Menschen mit Behinderungen am 3. Dezember jeden Jahres (veraltet: Internationaler Tag der Behinderten) ist ein von den Vereinten Nationen ausgerufener Gedenk- und Aktionstag, der das Bewusstsein der Öffentlichkeit für die Probleme von Menschen mit Behinderung wachhalten und den Einsatz für die Würde, Rechte und das Wohlergehen dieser Menschen fördern soll.“ [1]

    Hier setzen sich beispielsweise die Behindertenbeiräte der Städte für behinderte Menschen ein. Doch was ist überhaupt ein Behindertenbeirat, welche Rechte hat er, welche werden dem Beirat wirklich zugestanden, oder ist das alles nur Social Washing? (Wir tun so als wenn wir etwas gutes machen wollen, machen es aber nur halbherzig oder gar nicht.)

    Behindertenbeiräte sind ein Zusammenschluss, meist ehrenamtlich, von Menschen mit den verschiedensten Behinderungen, die sich für die Belange von Menschen mit Behinderung einsetzen und deren Rechte (u. a. jene niedergeschrieben in der UN-Behindertenrechtskonvention) gegenüber der Politik vertreten. Eine Umsetzungsmöglichkeit der UN-Behindertenrechtskonvention für die Politik wird z. B. durch den „Nationalen Aktionsplan“ des BMAS (Bundesministerium Arbeit und Soziales) vorgegeben und soll in Zusammenarbeit mit den Behindertenbeiräten umgesetzt werden. Sie kommen also immer dann zum Zuge, wenn die Politik etwas plant, zum Beispiel einen Neu- oder Umbau oder eine städtische Veranstaltung.

    In Erfurt gibt es einen Behindertenbeirat für die Stadt, und einen weiteren für das Land Thüringen. Der Beirat für Erfurt hat eine weitere Untergruppe, die sich „AG Barrierefreies Erfurt“ nennt. Hier war unser Pirat Markus Walloschek vor 20 Jahren Gründungsmitglied. Die Erfurter Gruppen werden von der Behindertenbeauftragten der Stadt Erfurt geleitet.

    Markus Walloschek erklärt über die Arbeit der Räte Folgendes:

    „Während sich der Beirat vor Corona ungefähr vier Mal im Jahr traf, traf sich die AG fast monatlich, machte Begehungen in der Stadt, und versuchte, immer alle Behinderungen zu berücksichtigen um ein selbstständiges Leben der Einwohner und Gäste zu ermöglichen. Corona hat leider die Treffen sehr zurückgedrängt und erst auf meinen Wunsch hin, sich doch hin und wieder wenigstens online zu treffen, kommen nun diese Onlinetreffen, wenn auch leider in sehr unregelmäßigen Abständen, wieder zustande. So kommt es nicht zu einem allzu großen Stillstand durch Corona, und die Menschen in Erfurt können weiterhin darauf vertrauen, dass wir uns für die Belange von Menschen mit Behinderungen einsetzen.“

    In Braunschweig wird der Behindertenbeirat in viele Entscheidungsprozesse schon mit einbezogen und sitzt auch beratend mit in einigen, aber noch nicht allen Ausschüssen.

    Ein Negativbeispiel aber ist Hamburg. 13 Jahre nach Unterzeichnung der UN-Behindertenrechtskonvention kam es nun erst zur Gründung eines ersten solchen Beirates in Hamburg [2].

    „Reichlich spät!“ –

    findet Florian Lancker, Themenbeauftragter Inklusion der Piratenpartei Deutschland.

    Dieses Bild ist eine Schmach für die Belange von Menschen mit Behinderung. Bedauerlicherweise wurden auch viele andere Punkte der UN-Behindertenrechtskonvention nicht umgesetzt.“

    Behindertenbeiräte müssen unseres Erachtens überall mit einbezogen werden, frühzeitig in Planungsphasen, und nicht nur beratend oder im Nachhinein mit ins Boot geholt werden. Leider passiert dies noch nicht in jeder Stadt „so gut“ wie z. B. in Erfurt oder Braunschweig, wobei auch hier noch Nachbesserungsbedarf besteht, denn Behindertenbeiräte und ihre Aufgabenbereiche sind Angelegenheiten der Kommunen.

    Unsere Forderungen daher:

    • Behindertenbeiräte in jedes politische Gremium
    • Stärkung der Rechte von Behindertenbeiräten
    • Einbezug, Mitsprache und Vetorecht von Behindertenbeiräten in jeder politischen Entscheidung
    • Konsequente Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention
    • einheitliche Rechte und Pflichten für Behindertenbeiräte

    Quellen:
    [1] Wikilink
    [2] Senatsempfang Hamburg

  • Teilhabe in der Welt – Zum Internationalen Tag für die Abschaffung der Sklaverei

    Teilhabe in der Welt – Zum Internationalen Tag für die Abschaffung der Sklaverei

    Der 2. Dezember zeichnet den Internationalen Tag für die Abschaffung der Sklaverei [1]. Wie aber betrifft uns Sklaverei heutzutage?

    Die Vereinten Nationen fassen mit Referenz zur Internationalen Arbeitsorganisation [2] unter Sklaverei diverse Praktiken zusammen, die Menschen unter Zwang setzen: Arbeitsleistung unter physischem Zwang oder aus wirtschaftlicher Not, gleichwie Zwangsheirat und Menschenhandel.

    Manche dieser Zwänge sind offensichtlich und in verschiedenen Regionen der Welt nach wie vor Realität. So sind insbesondere Zwangsheiraten noch in vielen Ländern üblich, auch und insbesondere von Minderjährigen.

    Die wirtschaftliche Not aber versteckt sich auch in vielen Produkten, die wir in der westlichen Welt konsumieren, sodass wir von moderner Sklaverei profitieren, auch wenn wir es oft nicht unmittelbar sehen. Zum Beispiel in der Textilindustrie „profitieren“ wir von billigen Arbeitskräften in Fernost, die unter wirtschaftlicher Not in Nähbetrieben zu niedrigsten Löhnen arbeiten.

    In Deutschland soll ein bald geltendes Lieferkettengesetz [3] dafür sorgen, dass große Unternehmen sich verpflichtend mit den arbeitsrechtlichen Bedingungen ihrer globalen Zulieferer befassen müssen. Denn deutlich weniger als 50 % der Unternehmen konnten in einer Befragung darlegen, dass ihre Lieferketten die menschenrechtlichen Mindeststandards erfüllen.

    Die Piratenpartei beschreibt sich selbst mit den Schlagworten „Freiheit – Würde – Teilhabe“, drei Werte, die Lieferketten unterhalb menschenrechtlicher Standards fundamental eine Absage erteilen. Es ist mit unserer modernen Gesellschaft unvereinbar, dass wir von der Ausbeutung von Menschen in anderen Teilen der Welt profitieren.

    Als Partei des Digitalen Wandels ist es im PIRATEN-Bewusstsein, dass digitale Vernetzung und Kommunikationssysteme es ermöglichen, internationale Lieferketten in hohem Maße nachzuverfolgen und die Einhaltung von Standards sicherzustellen. Der Kampf um die niedrigsten Preise darf keine Entschuldigung mehr sein, dass ein System moderner Sklaverei weiter existiert. 

    Als internationale Gesellschaft müssen wir unsere Aufmerksamkeit darauf lenken, dass Menschenrechte, Würde und Teilhabe überall gelten, und die Freiheit des Individuums befördert wird.

    Quellen:

    [1] www.un.org/en/observances/slavery-abolition-day

    [2] www.ilo.org/global/topics/forced-labour/lang–en/index.htm

    [3] de.wikipedia.org/wiki/Lieferkettengesetz

  • Lehrende als Anbieter von Telemedien?

    Lehrende als Anbieter von Telemedien?

    Tatsächlich wird dies ab dem 01.12.2021 Wirklichkeit, als verfrühtes Weihnachtsgeschenk. Nach längerem Anlauf hat der Bundesrat am 28.05.2021 – gut drei Jahre nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) – dem Gesetz zur Regelung des Datenschutzes und des Schutzes der Privatsphäre in der Telekommunikation und bei Telemedien (TTDSG) zugestimmt. Das Gesetz löst die europaweite e-privacy Verordnung ab und setzt diese in nationales Recht um. Natürlich ist das Gesetz noch neu und erfahrungsgemäß kommt Klarheit über Auslegung einzelner Paragraphen erst Jahre später. In § 2 Absatz 2 Nr. 1 TTDSG heißt es jedoch, dass: „Anbieter von Telemedien ist (…) wer Zugang zur Nutzung von eigenen oder fremden Telemedien vermittelt.“ [1]

    NRW Landtagswahllistenkandidat Platz 6 und Mitglied der AG Bildung Sven Bechen dazu:

    „Es wäre sehr zu begrüßen, wenn nun endlich auch an Schulen intensiver über Datenschutz gesprochen wird. Lehrer:innen befinden sich immer in der Zwickmühle, als Anbieter zu fungieren, gerade wenn Lehrer:innen an eigenen Unterrichtsmaterialien arbeiten und diese Online stellen und hierzu auch noch die Schulinfrastruktur nutzen.“

    Daher fordern die Piraten der AG Bildung, dass alle Berufe ein verbindliches Grundseminar zum Thema Datenschutz in den Ausbildungen und Studiengängen erhalten. Gleichzeitig sollte der Datenschutz fester Bestandteil der Lehrer-Fortbildung und regelmäßige  Boost-Seminare angeboten werden.

    Quellen:

    [1]  dsgvo-gesetz.de/ttdsg/2-ttdsg/

  • PIRATEN zum Ampel-Koalitionsvertrag – Keine großen Sprünge im Bereich Verkehr

    PIRATEN zum Ampel-Koalitionsvertrag – Keine großen Sprünge im Bereich Verkehr

    Die zukünftige Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag erwartungsgemäß auch den Themen Mobilität und Verkehr einen zentralen Platz eingeräumt. Die beiden Themen sind deutlich im Fokus der Koalitionäre und auch mit ambitionierten Zielen verbunden, die sich in das grundlegende Ziel der „Dekarbonisierung des Mobilitätsbereichs“ einordnen lassen. 

    Schiene vor Straße

    Es soll zum ersten Mal mehr Investitionen in die Schiene als in die Straße geben. Damit unterscheidet sich die neue Koalition deutlich von ihren Vorgängern. So soll der „Deutschlandtakt“ unter Beibehaltung der bisherigen Zielstellung von 2030 weiter vorangetrieben werden. Es sollen 75 % des Schienennetzes elektrifiziert werden; der Anteil der Schiene am Güterverkehr soll auf 25 % steigen bei gleichzeitiger Verdoppelung des Schienenpersonenverkehrs.

    Eine verbesserte Schienenanbindung an Luftverkehrskreuze ist vorgesehen. Bei Neuerschließung von Gewerbe-/Industriegebieten soll eine verpflichtende Prüfung zur Machbarkeit von Gleisanbindungen eingeführt werden. Hierdurch soll die Wichtigkeit des Schienenausbaus im Umland unterstrichen werden.

    Gewinne der Bahn in der Infrastruktur sollen in diesem Sektor verbleiben, um damit den weiteren Ausbau derselben mitfinanzieren zu können.

    Die im Vorfeld heiß diskutierte Zerschlagung der Bahn hat man, offensichtlich auf Drängen der SPD, auf Eis gelegt. Stattdessen sollen die Infrastruktureinheiten der Bahn unter einem Dach vereint und dem gemeinwohlorientierten Wirtschaften verpflichtet werden.

    Fazit der AG Verkehr und Mobilität der Piratenpartei:

    „Die vorgesehenen Eckpunkte und Maßnahmen tragen deutlich zu einer Stärkung des Schienenverkehrs bei und sind daher zu begrüßen. Ein klareres Bekenntnis zur Stellung des Schienenverkehrs im ländlichen Raum hätten wir uns gewünscht, hoffen allerdings, dass dies in den noch zu konkretisierenden Umsetzungsvorhaben Berücksichtigung findet.“

    Straßenverkehr – Leitmarkt Elektromobilität und Wasserstofftechnologie

    Ein weiterer Schwerpunkt liegt, nicht sonderlich überraschend, beim Straßenverkehr. Es wird weiter Investitionen in die Straße geben, wobei hier der Schwerpunkt auf Erhalt und Sanierung (insbesondere von Brücken) gelegt wird. 

    Es gibt ein grundsätzliches Bekenntnis zum EU-weiten Ziel, bis 2035 aus dem Verbrenner auszusteigen. Inwieweit das für Deutschland vor 2035 gelingt, bleibt allerdings offen.

    Die „grüne“ Wasserstofftechnologie soll massiv ausgebaut werden – dies erkennt man im Bekenntnis dazu, ein Leitmarkt werden zu wollen, sowie in einem ambitionierten Update der nationalen Wasserstoffstrategie, und der klaren Ansage zur finanziellen Förderung der dafür notwendigen Infrastruktur.

    Deutschland soll zum Leitmarkt für Elektromobilität werden, was durch das Ziel, bis 2030 15 Millionen vollelektrische Fahrzeuge auf den Straßen zu haben, eindeutig untermauert wird.

    Zudem soll die Ladeinfrastruktur deutlich ausgebaut werden, mit 1.000.000 öffentlichen Ladepunkten. Die weiteren Ziele im Bereich der Ladeinfrastruktur verbleiben jedoch auf den jetzigen Regelungen, sodass hier auch kein großer Sprung erwartet werden darf.

    Darüber hinaus soll es mehr Forschung in Batterietechnologien geben, was die dazu notwendigen finanziellen Mittel mit einschließt. 

    Ein Mobilitätsdatengesetz soll auf den Weg gebracht werden, allerdings ohne, dass man erkennen könnte, welche Schwerpunkte darin eine Rolle spielen sollen.

    Für die LKW-Maut ist ein Update vorgesehen, welches die CO2-Differenzierung beinhaltet.

    Fazit der AG Verkehr und Mobilität der Piratenpartei:

    „Grundsätzlich sind die Maßnahmen zu begrüßen, bleiben aber weiter hinter den Erwartungen bzw. Anforderungen für eine klimaneutralere Verkehrspolitik zurück.

    Gravierender sind vielmehr die Themen, die man im Koalitionsvertrag nicht findet. 

    Neben einer fehlenden Aussage zum Abbau klimaschädlicher Subventionen und der kompletten Absage an ein Tempolimit sind auch Themen wie die Förderung der Elektromobilität, der Aspekt der Nachhaltigkeit der Elektromobilität und ein Bekenntnis zur Verringerung des Stromverbrauchs komplett Fehlanzeige.

    Weitere steuerungsrelevante Ansätze zur Unterstützung eines klimafreundlichen Verkehrssektors, wie beispielsweise ein Bonus/Malus-System bei Neuzulassungen, sucht man ebenso vergeblich.

    Komplettiert wird dies durch das Festhalten an eFuels und Wasserstoff als Technologie für den PKW. Daneben werden die Flottengrenzwerte in ihrer jetzigen Form nicht in Frage gestellt.“

    ÖPNV

    Es ist zu begrüßen, dass die Ausgleichszahlungen an den ÖPNV (pandemiebedingte Ausgleichszahlungen) auch weiterhin aufrechterhalten werden sollen.  Die geforderte Bereitstellung von Echtdaten unter fairen Bedingungen ist ebenso zu begrüßen, wie die anbieterübergreifende Buchung und Bezahlung.

    Fazit der AG Verkehr und Mobilität der Piratenpartei:

    „Dass der ÖPNV zukünftig einen klar höheren Stellenwert als der motorisierte Individualverkehr (MIV) haben soll, dazu fehlte den Koalitionären offensichtlich entweder der Mut oder die Vision.

    Daher sucht man auch ein Konzept für die bessere Anbindung und Vernetzung zwischen Ballungsgebieten und Umland vergeblich. Eine intermodale Vernetzung der verschiedenen Verkehrsmittel hat man ebenso unberücksichtigt gelassen, wie die Möglichkeiten des vernetzten digitalen Verkehrs (Bsp. Smart city).“

    Was uns sonst noch (negativ) auffällt.

    Wir vermissen eine klare Aussage zu Veränderungen des Modal Split [1] zugunsten klimafreundlicher Mobilität.

    Den Komplex Rad- und Fußverkehr in knappen 5 Sätzen mit quasi nichtssagenden Floskeln abzutun entspricht nicht den Erfordernissen einer notwendigen Verkehrswende. Das Bekenntnis zum Masterplan Rad und der Zusicherung der Mittel ändert an dem wirklich miesen Gesamteindruck nichts.

    Ebenso wird der notwendige Umbau der Ballungszentren zu verkehrsberuhigten Zonen, welche auch durch Verringerung des motorisierten Individualverkehrs (MIV) und der daraus geringeren Feinstaubbelastung zu einer höheren Lebensqualität führen, im Vertrag völlig unberücksichtigt gelassen. Der bloße Verweis auf „Parkraumbewirtschaftung“ ist nicht nur ziemlich dürftig, sondern auch massiv unzufriedenstellend.

    Es ist zwar löblich, beim Flugverkehr auf klimafreundlichere Treibstoffe zu verweisen und eine Preisuntergrenze für Flüge zu vereinbaren. Allerdings sind Kurzstrecken-/Inlandsflüge ohne erkennbare Reduzierung weiterhin Bestandteil des Modal Split. Dies wird den Umstieg auf alternative Verkehrsmittel sicherlich in keiner Form beschleunigen.

    Zudem vermissen wir die Einrichtung oder Förderung eines Investitionsfonds für neue Mobilitätskonzepte, sowie die fehlenden Aussagen dazu, wie Barrierefreiheit denn zukünftig sichergestellt werden soll. Auch die Möglichkeiten zur Herbeiführung eines veränderten, gesamtgesellschaftlichen Mobilitätsbewusstseins wurden im vorliegenden Vertrag völlig außer Acht gelassen.

    Ein klares und deutliches Bekenntnis zur Verlagerung des Lastverkehrs weg von der Straße auf die Schiene vermissen wir übrigens ebenso.

    Fazit unserer AG Verkehr und Mobilität der Piratenpartei:

    Der vorgelegte Koalitionsvertrag greift an wichtigen Punkten, wie der Förderung des Schienenverkehrs sowie dem Ausbau der Elektromobilität, wichtige Punkte auf, die zu einem klimafreundlicheren Verkehr führen können. Der in Ansätzen erkennbare Vorrang der Schiene gegenüber der Straße wäre ein Paradigmenwechsel zur bisherigen Regierungspolitik. Die angestrebte Halbierung der Verfahrensdauer bei Genehmigungs- und Planungsprozessen im Verkehrs- und Mobilitätsbereich finden wir begrüßenswert.

    Frank Grenda, Politischer Geschäftsführer der Piratenpartei, führt weiter aus:

    „Wer erwartet hat, dass die neuen Koalitionäre nun zum großen Sprung bei Verkehr oder Mobilität ansetzen, wird an vielen zentralen Punkten enttäuscht zurückgelassen. Der eigenen Präambel  „ … eine nachhaltige, barrierefreie, innovative und für alle alltagstaugliche und bezahlbare Mobilität ermöglichen. Mobilität ist Teil der Daseinsvorsorge und Voraussetzung für gleichwertige Lebensverhältnisse in Stadt und Land“ genügt der vorliegende Koalitionsvertrag aus unserer Sicht in weiten Teilen nicht.

    Wesentlich mehr Mut und eine übergreifende Vision wären nötig gewesen, um dem notwendigen Umbau des Verkehrs- und Mobilitätssektors auch langfristig den entscheidenden Schwung zu versetzen.“

    Am Schluss noch ein kleiner Funfact:

    Die Worte „Verkehrswende, eBike, Pedelec, Lastenrad, Modal-Split oder Shuttle“ sucht man im vorliegenden Koalitionsvertrag vergebens.

    Dich interessiert das Themenfeld „Verkehr und Mobilität“? Dann wende dich an unsere Arbeitsgruppe.

    Die Sitzung findet wöchentlich Donnerstags ab 19.00 Uhr auf unserem Mumbleserver statt.

    Weitere Infos auf der Homepage (wiki.piratenpartei.de/AG_Verkehr_und_Mobilit%C3%A4t) oder bei Twitter

    Quellen:

    [1] de.wikipedia.org/wiki/Modal_Split

  • PIRATEN zum Ampel-Koalitionsvertrag – Jede Menge schöne Worte beim Thema Energie

    PIRATEN zum Ampel-Koalitionsvertrag – Jede Menge schöne Worte beim Thema Energie

    Also zuerst mal ein Lob an die Ampel: Der Koalitionsvertrag hätte zum Thema Energie auch schlimmer aussehen können. Anscheinend konnte die FDP damit ruhig gestellt werden, dass ihnen das Thema Höchstgeschwindigkeit 130 geopfert wurde. Die verbliebenen Fehlleistungen sind hauptsächlich die aus dem Programm der Grünen bereits bekannten.

    Das Thema Energie und Kimaschutz verteilt sich im Koalitionsvertrag über ca. 30 Seiten zusammen mit vielen anderen Aspekten, wie z.B. auf Wirtschaft und Umwelt. Dabei sind leider viele Punkte rechte vage formuliert und wenn konkrete Zahlen genannt werden, dann fehlt meistens der reale Ansatz, wie diese zu erreichen sind.

    Atomkraft ist Geschichte
    Keine Kompromisse werden zumindest beim Festhalten am Atomausstieg gemacht, hier ist klar, dass daran nicht gerüttelt wird. Aus Piratensicht fehlt uns bei den Absichten zur Endlagerung aber der Ansatz endlich mal zu klären, ob eine sichere Endlagerung tatsächlich möglich ist, statt dessen sollen hier schnell Tatsachen geschaffen werden.

    Kohleausstieg!?
    Überrascht waren viele von der Mitteilung, dass der Kohleausstieg bis 2030 erfolgen soll. Aus unserer Sicht immer noch zu langsam und dann auch noch relativiert mit dem Wort „idealerweise“. Es könnte also auch viel später werden und gar nicht angesprochen wird, mit welchen Mechanismen das passieren soll. Unsere Idee dazu ist es der Kohle einfach die Privilegien zu entziehen, so dass der Markt das ganz schnell regelt, denn gegen PV und Wind ist sie nicht mehr konkurrenzfähig. Mit der Ampel bleibt zu befürchten, dass es zu weiteren Entschädigungsvereinbarungen kommt.

    Erneuerbare fördern

    Immerhin klar erkannt wurde, dass die Bürokratie ein Hauptproblem für einen schnelleren Ausbau der Erneuerbaren ist. Leider werden nicht alle wirklich wichtigen Probleme benannt, wie z.B. die Belastung des Eigenverbrauchs und die Personenidentität bei Verbrauch innerhalb eines Gebäudes oder Grundstücks.
    Völlig falsch ist der Ansatz Ausschreibepflicht und Deckel nur zu prüfen und nicht direkt abzuschaffen.
    PV soll bei Gewerbegebäuden zur Pflicht werden, aber bei privaten Gebäuden nur zur Regel.
    Das Ziel bis 2030 die PV auf 200 GW auszubauen ist nicht besonders ambitioniert. Besser wäre ein Ziel von 200 GW zusätzlicher Kapazität, besser noch mehr, denn wir müssen nicht nur im Stromsektor die Kohle ersetzen, sondern auch bei der Wärme.

    Mobilität
    Ein Verbot von Verbrennungsmotoren hätten sich viele Leute gewünscht, sinnvoll ist das aber nicht mehr, denn der Markt ist bereits dabei dies noch schneller zu regeln. Hier sind die Zahlen im Koalitionsvertrag durchaus realistisch, mindestens 15 Mio. elektrische Autos bis 2030 sind zu erwarten bei der aktuellen Entwicklung, nach der etwa 2025 Neuwagen mit Verbrennungsmotor unverkäuflich werden dürften.
    Ansonsten würde man sich in diesem Thema durchaus mehr Ambition wünschen, insbesondere in den Bereichen ÖPNV und Luftfahrt.

    Netze
    Leider wird wieder das Märchen der Stromtrassen bedient, die so wichtig für die Energiewende seien. Natürlich fehlt wieder die schlüssige Erklärung, warum eine dezentrale Energiewende ein europaweites Netz benötigen soll. Oben drauf kommt dann noch, dass die Herkunftsnachweise für erneuerbaren Strom europaweit handelbar sein sollen. Da hat sich die FDP dann wohl wieder mit ihrem „Markt“ durchgesetzt. Das wird nur dazu führen, dass weiter Greenwashing betrieben wird und Kohlestrom mittels eingekauftem Zertifikat grün wird.

    Wasserstoff
    Das Hypethema Wasserstoff darf natürlich nicht fehlen. Immerhin steht recht weit vorne der Satz, dass Wasserstoff primär für industrielle Prozesse genutzt werden soll, die sich nicht mit Strom betreiben lassen. Der Begriff „Brennstoffzelle“ taucht im ganzen Dokument nicht ein mal auf, es scheint langsam angekommen zu sein, dass dies nur eine Lösung für Nischenanwendungen ist.
    Negativ fällt dann wieder auf, dass eine Import-Infrastruktur für Wasserstoff geschaffen werden soll. Energetisch ist der Transport von Wasserstoff über größere Strecken sinnlos, so eine Infrastruktur schafft nur unnötige Abhängigkeiten.

    Fazit der AG Energiepolitik:

    Eine Menge nette Worte, nicht ganz so viele Inhalte, ein paar Fehltritte und viele Unsicherheiten, so lässt sich der Kolationsvertrag aus Sicht der Energiepolitik zusammen fassen. Es bleibt abzuwarten womit einige Worthülsen gefüllt werden und was an der Lobby aus verschiedenen Ecken scheitert. Immerhin ein deutlicher Fortschritt zur Verhinderungspolitik der vorhergehenden Regierung, aber ein großer Wurf sieht anders aus.
    Und noch ganz wesentlich: Die Ziele von Paris werden sich so nicht erreichen lassen, dafür braucht es dann doch mehr politischen Mut und Willen zur Umsetzung.

    Dich interessiert das Themenfeld „Energiepolitik“ dann wende dich an unseren Themenbeauftragten.
    Die Sitzung findet regelmäßig alle 14 Tage Dienstags auf dem BigBlueButton statt.
    Weitere Infos auf der Homepage  oder bei Twitter

  • PIRATEN zum Ampel-Koalitionsvertrag: „Gelungen bis demokratiefeindlich“

    PIRATEN zum Ampel-Koalitionsvertrag: „Gelungen bis demokratiefeindlich“

    Gestern Nachmittag hat die neue Regierungskoalition aus SPD, FDP und Grünen ihren Koalitionsvertrag der Öffentlichkeit präsentiert. Der EU-Abgeordnete, Bürgerrechtler und Jurist Dr. Patrick Breyer von der Piratenpartei hat das Dokument einer ausführlichen Analyse im Kernthema Digitales und Datenschutz unterzogen:

    „Aus Datenschutzperspektive ist der Koalitionsvertrag der Ampel in vielen Bereichen gelungen. Gefährlich wird es aber bei den Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung und demokratiefeindlich durch die Wiedereinführung einer Sperrklausel zur Europawahl.

    Denn die vereinbarte Zustimmung zum ‚EU-Direktwahlakt‘ bedeutet: Mehrere Millionen Wählerstimmen verfallen wertlos, kleine Parteien fliegen raus, große Parteien erhalten mehr Sitze. Das ist ein demokratischer Offenbarungseid, vor dem ich bis zuletzt gemeinsam mit anderen kleinen Parteien ausdrücklich gewarnt habe![1] Wir werden dagegen juristisch vorgehen.

    Positives

    Was positiv ist: Deutschland spricht sich ab sofort gegen die EU-Pläne zur Chatkontrolle aus, also zur anlasslosen Durchleuchtung der privaten Kommunikation im Internet. Das ‚Recht auf Verschlüsselung‘ wird festgeschrieben. Damit sendet die Ampel das deutliche Signal an Ursula von der Leyen, die irrsinnigen und grundrechtswidrigen Pläne zur Chatkontrolle auf allen Smartphones zu stoppen.

    Die Koalitionsparteien fordern auch, dass ‚biometrische Erkennung im öffentlichen Raum (…) europarechtlich auszuschließen‘ ist. Damit unterstützt die Ampel ein EU-weites Verbot von biometrischer Massenüberwachung in der gesamten EU und gibt wichtige Rückendeckung bei den Verhandlungen zum geplanten KI-Gesetz der EU.

    Im Vertrag heißt es außerdem: ‚Das Recht auf Anonymität sowohl im öffentlichen Raum als auch im Internet ist zu gewährleisten.‘ Dieses Prinzip muss endlich auch im geplanten Digital Services Act verankert werden!

    Die Ampel erteilt auch ‚verpflichtenden Uploadfiltern‘ eine Absage. Umgekehrt heißt das aber, dass weiter Druck auf Internetkonzerne ausgeübt werden wird, die fehleranfälligen Zensurmaschinen ‚freiwillig‘ auf uns loszulassen, etwa über ‚Verhaltenskodizes‘. Ausdrücklich gefordert werden „Regelungen gegen Desinformationen“, also legale Inhalte.

    Positiv ist auch die befürwortete Herstellerhaftung für IT-Sicherheitslücken, die deutliche Positionierung gegen den Hackerparagraphen und Hackbacks, keine Quellen-TKÜ und Online-Durchsuchung mehr für die Bundespolizei, die Einrichtung unabhängiger Polizeibeauftragter und eine Kennzeichnungspflicht für die Bundespolizei.

    Ich begrüße auch die sogenannte „Login-Falle“ als gute Alternative zu Vorratsdatenspeicherung, die geplante unabhängige Evaluierung aller Sicherheitsgesetze und die Einrichtung einer unabhängigen Freiheitskommission.

    Gefährliches

    Problematisch wird es aber im Bereich der Vorratsdatenspeicherung: Den Formelkompromiss der Ampel, ‚die Regelungen zur Vorratsdatenspeicherung so auszugestalten, dass Daten rechtssicher anlassbezogen und durch richterlichen Beschluss gespeichert werden können‘, halte ich für brandgefährlich und fordere dringende Klärung durch den voraussichtlichen Bundesjustizminister Marco Buschmann. Anlassbezogen und mit Richterbeschluss kann eine Vorratsdatenspeicherung bei „ernster Bedrohung für die nationale Sicherheit“ oder auch eine geografisch begrenzte Vorratsdatenspeicherung bedeuten, die weite Teile Deutschlands erfasst. Die Kontakte, Bewegungen und Internetverbindungen unverdächtiger Bürger wahllos zu speichern überschreitet die rote Linie zum Überwachungsstaat. Die Mitglieder der Ampelparteien sollten dringend Klärung einfordern, bevor sie diese Formulierung abnicken. Die verdachtsunabhängige und wahllose Vorratsdatenspeicherung ist die schädlichste Altlast der Großen Koalition.

    Der im Koalitionsvertrag der Ampel vorgesehene ‚nationale Gedenktag für die Opfer terroristischer Gewalt‘ wird von Innenpolitikern erfahrungsgemäß zur Angstmache genutzt werden. Problematisch ist auch, dass pauschal ein ‚besserer Zugang zu Daten‘ gefordert wird, ohne Personendaten auszunehmen, und dass von der ‚Strafbarkeit rechtswidriger Deanonymisierung‘ die Rede ist, denn: Deanonymisierung gibt es nicht, sonst waren die Daten nie anonymisiert!

    Außerdem kritisiere ich, dass die Ampel sich für ‚Videoüberwachung an Kriminalitätsschwerpunkten‘ ausspricht, obwohl diese nachgewiesenermaßen nicht vor Gewalt schützt. Auch vom Verfassungsschutz eingesetzte V-Personen sollen trotz vernichtender Erfahrungen bleiben. Und die ‚Weiterentwicklung von Europol zu einem Europäischen Kriminalamt mit eigenen operativen Möglichkeiten‘ ist wegen der Immunität der Europol-Beamten und der mangelnden Kontrolle der Behörde hochriskant.“

    Quellen:

    [1] peertube.european-pirates.eu/videos/watch/d344666c-2586-4d55-ad9c-eaa1b16c7b71