Autor: Borys

  • PIRATEN zum Ampel-Koalitionsvertrag

    PIRATEN zum Ampel-Koalitionsvertrag

    Jetzt ist es also da – das Fortschrittspapier des erstmaligen 3er Bündnises in der Geschichte der Bundesrepublik, der Ampel aus SPD, die Grünen und der FDP.

    Auf insgesamt 178 Seiten wird viel über Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit geredet und es werden viele vielversprechenden Ansätze und neue Ideen angestossen.

    In den wichtigsten Dingen wird aber keine Antwort gegeben und die Refinanzierung ist noch nicht geklärt – mit dem Hinweis die Schuldenbremse erst 2023 einzufordern ergibt sich natürlich die Möglichkeit massiv in 2022 noch Investitionsschulden zu machen, ob es dazu aber kommt wird sich zeigen.

    Genauso müssen die mutigen Ziele auch schlussendlich kurzfristig umgesetzt werden. Papier ist ja bekanntlich geduldig, das haben wir aus den letzten Koalitionspapieren gesehen
    – Pandemiebekämpfung, Klimawandel und die fehlende Digitalisierung bleiben Akutthemen

    Sebastian Alscher, Bundesvorsitzender der Piratenpartei Deutschland erklärt,

    „Den Menschen wurde mit pastoralem pathetischem Ton ein Koalitionsvertrag präsentiert, wie ein Nikolausstiefel. Viele bunte Gaben, für jeden etwas dabei. Und tatsächlich finden sich zahlreiche Initiativen, die man sich nach dem Ergebnis der Bundestagswahl und der Abwahl der CDU gewünscht hat. Manches scheint regelrecht wie eine Kehrtwende, beipielsweise in Bezug auf die Chatkontrolle, also die Überwachung von Messengern und dem Recht auf Verschlüsselung im Netz. Bisher sind dies jedoch nur Pixel im PDF und wir erwarten nun gespannt, dass den Worten auch Taten folgen.
    An anderer Stelle zeigt sich, dass der notwendige Ruck zumindest nicht von dieser Regierung ausgehen wird. Zwingend notwendige Generationengerechtigkeit muss weiter hinten anstehen, und man muss sich fragen, ob „Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“ nur ein neuerlicher Etikettenschwindel ist. Denn im Hinblick auf die Klimaziele bleibt der Koalitionsvertrag hinter den Notwendigkeiten zurück, und in Bezug auf die finanzielle Ungewissheit der Menschen unter 40 Jahren wegen einer platzenden Gesetzlichen Rentenversicherung schiebt man eine nachhaltige Reform auf die lange Bank.“

    Die Piratenpartei Deutschland bedauert, dass die neue Ampel immer noch nicht die Wichtigkeit eines eigenen DIGITAL-Ministeriums erkannt hat und wird in Zukunft weiterhin die neuen Ideen und Umsetzungen kritisch begleiten.

    Dazu Frank Grenda (Politischer Geschäftsführer)

    „Gerade im digitalen Freiheits- und Sicherheitsbereich bleibt die Ampel schwammig, Vorratsdatenspeicherung wird nur angepasst, Sicherheitsgesetze auf ihre Effektivität hin evaluiert, Recht auf Anonymität soll gewährleistet werden und der Einsatz von Überwachungssoftware wird im Rahmen der Überwachungsgesamtrechnung nur überprüft. Hier wären klare Regelungen besser gewesen, schließlich haben wir das NEULAND ja nicht seit gestern.

    Gemeinsam werden wir mit den Bürgern unsere Grundsätze von DIGITAL – SOZIAL – TRANSPARENT umsetzen und aufzeigen, dass PIRATEN immer noch in Parlamenten und in der Regierung benötigt werden und auch GRÜN oder FDP hier keine zeitgemäßen Lösungen hat.“

    In den nächsten Tagen werden wir weitere Stellungnahmen zu Teilbereichen des Koalitionsvertrages veröffentlichen.

  • Digital Markets Act: Internetmonopolisten bleiben alternativlos

    Der Binnenmarktausschuss (IMCO) des Europäischen Parlaments hat heute seinen Standpunkt zum Vorschlag für einen Rechtsakt über digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA) mit einer Mehrheit von 42 Stimmen, zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung angenommen.[1] Das Gesetz über digitale Märkte soll sicherstellen, dass der Wettbewerb in der Online-Wirtschaft fair zugeht.

    Dr. Patrick Breyer, Europaabgeordneter der Piratenpartei Deutschland, kritisiert das fehlende Recht auf „Interoperabilität“:

    „Die Platzhirsche unter den sozialen Netzwerken wie Meta/Facebook, Google, Twitter und TikTok nutzen gnadenlos aus, dass wir an sie gefesselt sind, um mit unseren Freunden, Familie und Arbeitgebern in Verbindung bleiben zu können. Sie können sich seit Jahren massive Datenschutzverletzungen, Zensurwillkür und Knebel-AGB leisten. 

    Um echte Wahlfreiheit und einen echten Wettbewerb zu eröffnen, müssten wechselwillige Nutzer plattformübergreifend mit ihren Kontakten in Verbindung bleiben können (Interoperabilität). Doch ausgerechnet das hat die mitte-rechte Ausschussmehrheit weitgehend verhindert. Die Position des Parlaments sieht zwar vor, dass sich User:innen verschiedener Messenger-Dienste und sozialer Netzwerke plattformunabhängig miteinander austauschen können, ohne mehrere Apps zu verwenden. Dies gilt jedoch nur dann, wenn der Gatekeeper freiwillig eigene Dienste miteinander verbindet, beispielsweise wenn Meta/Facebook Interoperabilität zwischen seinem Messenger und WhatsApp ermöglicht. Ein Schritt in die richtige Richtung, aber viel zu zaghaft.

    Das neue Gesetz geht an der Wurzel des Übels – der Monopolisierung des Internets – leider weitgehend vorbei und versucht Symptome zu kurieren. Konservative und Liberale verteidigen das schädliche Geschäftsmodell der multinationalen Internetkonzerne – welch ein Lobbyerfolg für die Industrie.“ 

    Der im Ausschuss angenommene Text wird dem Plenum in einer der nächsten Sitzungen vorgelegt und wird dann das Mandat des Parlaments für die Trilog-Verhandlungen mit dem Rat sein, die unter französischer Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2022 beginnen sollen.

    Quellen:

    [1] www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20211118IPR17636/digital-markets-act-ending-unfair-practices-of-big-online-platforms

  • Absage an Vorratsdatenspeicherung: EuGH-Generalanwalt legt Schlussanträge zur verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung in Deutschland vor

    Absage an Vorratsdatenspeicherung: EuGH-Generalanwalt legt Schlussanträge zur verdachtslosen Vorratsdatenspeicherung in Deutschland vor

    Manuel Campos Sánchez-Bordona, Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), hat seine Schlussanträge im Rechtsstreit zwischen der SpaceNet AG und der Bundesrepublik Deutschland über das deutsche Gesetz zur verdachtslosen und flächendeckenden Vorratsspeicherung aller Verbindungs-, Standort- und Internetzugangsdaten vorgelegt. In seinem Gutachten heißt es, die allgemeine und unterschiedslose Vorratsspeicherung von Verkehrs- und Standortdaten im Zusammenhang mit der elektronischen Kommunikation sei allenfalls ausnahmsweise im Falle einer Bedrohung der nationalen Sicherheit zulässig, keinesfalls generell wie im deutschen Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung vorgesehen.[1]

    Der EU-Abgeordnete, Bürgerrechtler und Jurist Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei), der gegen das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung Verfassungsbeschwerde erhoben hat, kommentiert:

    „Das Gutachten des Generalanwalts bestätigt: Das Vorratsdatengesetz der GroKo ist fundamental grundrechtswidrig. Das pauschale Sammeln von Metadaten aller Menschen macht uns im Grunde genommen nackt im System und verstößt grundlegend gegen EU-Grundrechte. Das wahllose Anhäufen von sensiblen Informationen über soziale Kontakte (auch Geschäftskontakte), Bewegungen und das Privatleben (z.B. Kontakte zu Ärzt:innen, Anwält:innen, Betriebsrät:innen, Psycholog:innen, Beratungsstellen etc.) von Millionen unverdächtigen Bürger:innen ist eine radikale Maßnahme der Massenüberwachung.

    Die Vorratsdatenspeicherung ist das erste Überwachungsgesetz, das sich gegen die ganze Bevölkerung richtet. Das ist der Dammbruch. Die Unterscheidung zwischen Inhalts- und Kommunikationsdaten stimmt heute nicht mehr. Wir wissen heute, nach dem aktuellen Stand der Forschung, dass Metadaten Rückschlüsse zulassen, die mindestens so tiefgreifend wie die Inhalte selbst sind.

    Die klare Ansage des Generalanwalts ist ein Aufruf an die Spitzen von SPD, Grünen und FDP, die Vorratsdatenspeicherung endgültig zu begraben! 

    Selbst wenn eine IP-Vorratsdatenspeicherung rechtlich machbar wäre, dürfen nicht alle Internetnutzer unter Generalverdacht gestellt und die Anonymität im Netz abgeschafft werden. Eine generelle und undifferenzierte Vorratsspeicherung unserer Identität im Internet ermöglicht die Erstellung aussagekräftiger Persönlichkeits- und Bewegungsprofile praktisch jeden Bürgers, in noch höherem Maße als Telefon-Verbindungsdaten. Es ist im Übrigen nicht nachzuweisen, dass eine Internet-Vorratsdatenspeicherung überhaupt einen statistisch signifikanten Beitrag zu der Zahl der aufgeklärten Straftaten leiste, nachdem die sechsmonatige IP-Vorratsdatenspeicherung im Jahr 2009 die Aufklärungsquote nicht gesteigert hat.“

    Hintergrund

    Am 13. September fand die EuGH-Anhörung im Fall des Internetproviders SpaceNet statt, um die Frage zu klären, ob die anlasslose und flächendeckende Speicherpflicht von Verkehrs- und Standortdaten in Deutschland mit dem Unionsrecht – unter anderem der EU-Grundrechte-Charta – vereinbar ist. Die Münchener SpaceNet AG klagt bereits seit April 2016 gegen das umstrittene Überwachungsinstrument. Vor dem Verwaltungsgericht (VG) Köln war die SpaceNet AG zuletzt erfolgreich: Es entschied am 20. April 2018, dass die anlasslose Vorratsdatenspeicherung gegen EU-Recht verstoße. Das Bundesverwaltungsgericht war anderer Meinung. Nun soll der Europäische Gerichtshof entscheiden. 

    Im Juli 2020 wurde ein geleaktes Diskussionspapier bekannt, demzufolge die Europäische Kommission an Szenarien zur europaweiten Wiedereinführung einer verdachtslosen und flächendeckenden Vorratsdatenspeicherung von Verbindungs-, Bewegungs- und Internetverbindungsdaten arbeitet.[2] Erstmals könnten auch Messenger- und Videokonferenzdienste Nutzer identifizieren und ihre Kontakte auf Vorrat speichern müssen.

    Im November 2016 hatten Digitalcourage, der AK Vorrat und 23 betroffene prominente Verbände, Künstler:innen, Journalist:innen, Anwält:innen und Ärzt:innen Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung eingereicht. Patrick Breyer zählt zu den Beschwerdeführern. Das Urteil aus Karlsruhe steht noch aus.[3]

    Quellen:

    [1] curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2021-11/cp210206de.pdf

    [2] cdn.netzpolitik.org/wp-upload/2021/07/wk07294.en211.pdf

    [3] www.patrick-breyer.de/verfassungsbeschwerde-gegen-die-vorratsdatenspeicherung-eingereicht/

  • Koalitionsverhandlungen: Gesetze zu Rechten behinderter Menschen müssen endlich umgesetzt werden

    Koalitionsverhandlungen: Gesetze zu Rechten behinderter Menschen müssen endlich umgesetzt werden

    Die angehende Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat in ihren Wahlkampfversprechen viele wichtige Punkte zum Thema Inklusion und respektvollem Umgang miteinander [1-3]. Zumindest SPD und Grüne haben viele Worte aufgewendet, um dem Wähler eine gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderung nahe zu bringen. Da die FDP jetzt mit von der Partie ist und wir als Bürger und Betroffene davon ausgehen, dass sich am Ende kaum jemand an diese Versprechen erinnern kann – die Sondierungsergebnisse deuten es an [4] -, erinnern wir die Rot/Grün/Gelbe Ampel daran, dass wir zwar behindert, aber eben nicht blöde sind.

    Wir als Inklusionspiraten fordern Rot/Grün auf, die ohnehin nicht ausreichenden Unterpunkte zum Thema Inklusion nicht der Bildung einer Regierungskoalition mit der wirtschaftsliberalen FDP zu opfern. Das wäre ein respektloses Verhalten, welches Verbände, genausowenig wie die Piratenpartei, tolerieren könnten. Wir erwarten daher die konsequente Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN-BRK) [5], die in Deutschland seit nun 12 Jahren geltendes Recht ist, und leider zu oft wegen zu geringer finanzieller Ausstattung oder dubiosem Denkmalschutz/Brandschutz nicht entsprechend umgesetzt wird.

    Ebenfalls ist uns wichtig, dass Firmen, die nach Gesetzeslage Menschen mit Behinderung einstellen müssen und dieses nicht tun, für jeden nicht eingestellten Mitarbeiter einen entsprechenden Ausgleich (z.B. in Höhe eines Firmendurchschnittsgehalts) an die Sozialbehörden abführen müssen.

    Öffentliche Einrichtungen (Arztpraxen, Geschäfte, Gaststätten) haben barrierefrei zu sein. Auch der Nah- und Fernverkehr hat schon aus ökologischen Gründen vollständig und uneingeschränkt barrierefrei zu sein. Menschen mit Behinderung würden gerne viel öfter auf das Auto verzichten, wenn Sie es denn könnten. 

    Schulen und Kindertagesstätten müssen grundsätzlich ohne Ausnahme für alle Menschen zu besuchen sein. Kein Kind darf mehr abgewiesen oder an eine gesonderte Einrichtung verwiesen werden. Die Bildungsstätten haben mit dem entsprechenden Fachpersonal, also Sonderschullehrern, Sozialpädagogen, Schulbegleitern und Heilerziehungspflegern ausgestattet zu sein. Kindern diese Rechte auf Bildung und Teilhabe vorzuenthalten, obwohl Deutschland, wie schon erwähnt, seit 12 Jahren die UN-BRK unterschrieben hat, ist und bleibt ein Skandal. Wir fordern die zukünftigen Koalitionäre auf, diese Missstände zu beheben und sich endlich wirklich für die Rechte von Menschen mit Behinderung einzusetzen. 

    Antonia-M. Hörster, Themenbeauftragung Inklusion der Piratenpartei Deutschland, fordert:

    „Solche ‚Sonderwelten‘ wie Heime oder Werkstätten für Menschen mit Behinderung auf dem zweiten Arbeitsmarkt lehnen wir für Menschen mit Behinderung als pauschale Lösung ab. Kurzfristig müssen Mechanismen geschaffen werden, die Gewaltschutz an Menschen vorsieht und verbindliches Mitbestimmungsrecht stärkt.“

    Weiter fordern wir, dass jeder neue Wohnbau auch wirklich barrierefrei ist. Bezahlbarer barrierefreier Wohnraum ist zu fördern.

    Generell erwarten wir von unseren Volksvertretern, das alle Gesetze auf UN-BRK Kompatibilität überprüft werden. Gesetze, die der Konvention widersprechen, gehören ersatzlos und automatisch gestrichen. 

    Quellen:

    [1] www.gruene.de/themen/inklusion

    [2] www.fdp.de/sites/default/files/2021-08/FDP_BTW2021_Wahlprogramm_1.pdf

    [3] www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Beschluesse/Programm/SPD-Zukunftsprogramm.pdf

    [4] cms.gruene.de/uploads/documents/Ergebnis-der-Sondierungen.pdf

    [5] www.bmas.de/DE/Soziales/Teilhabe-und-Inklusion/Politik-fuer-Menschen-mit-Behinderungen/un-behindertenrechtskonvention-rechte-von-menschen-mit-behinderungen-langtext.html

  • Patrick Breyer: Haugen-Anhörung entlarvt den Unwillen der EU, das digitale Zeitalter in die eigene Hand zu nehmen

    Die Anhörung der Facebook-Whistleblowerin Francis Haugen vor dem Europäischen Parlament am 8. November 2021 hat die mangelnde Bereitschaft der EU offenbart, das digitale Zeitalter in die eigene Hand zu nehmen, schlussfolgert Patrick Breyer (PIRATEN), der Berichterstatter des Ausschusses für bürgerliche Freiheiten für das geplante Digitale-Dienste-Gesetz (Digital Services Act).

    „Haugen warnt, dass Facebooks Virtual-Reality-Pläne und die dafür nötigen Sensoren in Gebäuden die Bedrohung unserer Privatsphäre durch den Überwachungskapitalismus im Netz noch einmal dramatisch erhöhen werden. Aber die vorliegenden EU-Gesetzesentwürfe sichern uns kein Recht auf Anonymität und schützen uns nicht davor, dass jede unserer Handlungen gespeichert und dazu benutzt wird, uns zu manipulieren.

    Haugen warnt, die unzuverlässigen Uploadfilter von Facebook unterdrückten große Mengen an wertvollen legalen Inhalten, etwa zur Terrorismusbekämpfung. Aber das geplante Digitale-Dienste-Gesetz fördert diese fehleranfälligen Zensurmaschinen noch, obwohl wichtige Medieninhalte, der politische und wissenschaftliche Diskurs, Bildung, Minderheiten und viele andere darunter leiden. 

    Haugens Leaks beweisen, dass Facebook den Profit über das öffentliche Gemeinwohl stellt. Aber die EU glaubt weiterhin, dass sie Big Tech dazu bringen kann, im Interesse der Allgemeinheit tätig zu werden und die Probleme selbst zu lösen (‚risikobasierter Ansatz‘). Das ist bestenfalls naiv. Der einzige wirksame Ausweg aus den schädlichen Empfehlungsalgorithmen der GAFAM ist es, den Nutzern zu erlauben, die Konzernalgorithmen abzuschalten und stattdessen externe Empfehlungsalgorithmen ihrer Wahl zu verwenden, zum Beispiel nicht-kommerzielle Open-Source-Algorithmen. Der einzig wirksame Weg, den Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung durch die GAFAM zu unterbinden, ist, den Nutzern den Wechsel zu alternativen Plattformen zu ermöglichen während sie trotzdem mit ihren Freunden und Kollegen plattformübergreifend in Verbindung bleiben (Interoperabilität).

    Es fehlt der EU leider bisher am politischen Willen, dass Nutzerinnen und Nutzer und unsere demokratischen Institutionen die Kontrolle über die digitale Sphäre in die eigene Hand nehmen, anstatt die Gestaltung des digitalen Zeitalters weiterhin multinationalen profitgetriebenen Konzernen anzuvertrauen.“

  • Patrick Breyer (Piratenpartei): Protestiert gegen die EU-Pläne zur Chatkontrolle!

    Nach einer Welle des Protests im Netz gegen die EU-Pläne zur Chatkontrolle ruft der Europaabgeordnete und Bürgerrechtler Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei) zu Anrufen bei den zuständigen EU-KommissarInnen auf und veröffentlicht die Telefonnummern [1].

    „Die haarsträubenden EU-Pläne zur totalen Durchleuchtung unserer privaten Kommunikation mit fehleranfälligen Denunziationsmaschinen führen in einen Überwachungsstaat nach chinesischem Vorbild“,

    erklärt Breyer zur Begründung.

    „Soll vielleicht als Nächstes die Post alle Briefe vorsorglich öffnen und scannen? Eine wahllose Suche ins Blaue hinein ist der falsche Weg zum Schutz von Kindern und gefährdet diese sogar, indem ihre privaten Aufnahmen in die falschen Hände geraten und Kinder vielfach kriminalisiert werden.“ 

    Hintergrund: Nach dem Willen der EU-Kommission sollen alle Smartphones künftig Nachrichten und Fotos vor dem Versand auf verdächtigen Inhalt kontrollieren. Schlägt der Algorithmus an, soll vollautomatisch eine Anzeige an die Polizei erstattet werden. Zur Begründung wird die Suche nach Kinderpornografie genannt. 

    Die EU-Kommission bekommt für ihre Pläne seit Wochen Gegenwind (negativer Ausgang einer öffentlichen Konsultation [2], weltweite Proteste gegen Apples vergleichbare Spyphone-Pläne, parteiübergreifender Abgeordnetenbrief [3]). Bisher reagiert sie aber nur durch wiederholte Verschiebung des Gesetzentwurfs, der inzwischen nicht mehr wie zuvor in der Terminliste für den 1. Dezember angekündigt wird [4]. EU-Innenkommissarin Johansson und ihr Kabinett bekräftigten das Vorhaben jedoch letzte Woche erneut [5].

     

    Quellen:

    [1] Aufruf zu Protestanrufen und Informationsportal Breyers: chatkontrolle.de 

    [2] Konsultationsergebnisse: www.patrick-breyer.de/chatkontrolle-eu-verordnung-zur-flaechendeckenden-und-verdachtslosen-durchsuchung-elektronischer-nachrichten-angenommen-klage-geplant-widerstand-gegen-ausweitung/ 

    [3] Abgeordnetenbrief: www.patrick-breyer.de/wp-content/uploads/2021/10/20211020_Letter_General_Monitoring.pdf 

    [4] Terminliste: ec.europa.eu/transparency/documents-register/detail?ref=SEC(2021)2395&lang=en

    [5] EU-Beamter bekräftigt Vorhaben: peertube.european-pirates.eu/videos/watch/233b2835-5d70-48ad-9e85-244d2219c28e

  • Koalitionsverhandlungen: Verdachtslose und flächendeckende Vorratsdatenspeicherung stoppen!

    Koalitionsverhandlungen: Verdachtslose und flächendeckende Vorratsdatenspeicherung stoppen!

    Einem Pressebericht zufolge [1] versucht die scheidende Bundesregierung, die von Gerichten ausgesetzte verdachtslose Vorratsdatenspeicherung über den Umweg der EU wieder einzuführen und sogar auszuweiten. Der Europaabgeordnete und Bürgerrechtler Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei), der sich auf europäischer Ebene gegen eine Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung einsetzt, verurteilt dies scharf:

    „Dass die SPD-Bundesjustizministerin Lambrecht über den EU-Umweg insgeheim eine wahllose Totalerfassung unserer Kommunikation und Bewegungen durchdrücken will, kann man nur als unverantwortliche Politikwäsche bezeichnen. Kein anderes Überwachungsgesetz ist so schädlich für vertrauliche Kontakte, auf die wir in unzähligen Bereichen unserer Gesellschaft angewiesen sind.“

    Konkret unterstützt die Bundesregierung folgende Pläne der EU-Kommission:

    1. Zur Vorratsdatenspeicherung und Zwangsidentifizierung sollen erstmals auch Messengerdienste oder Videotelefonie verpflichtet werden, was selbst über die für nichtig erklärte EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung und auch über das deutsche Gesetz zu selbiger weit hinausgeht.

    2. Die größte Gefahr geht von der vom EuGH zuletzt zugelassenen und von der Bundesregierung befürworteten IP-Vorratsdatenspeicherung aus, die es dem Staat ermöglichen würde, die private Internetnutzung von Normalbürgern auf Monate hinaus zu durchleuchten und Pseudonyme aufzuheben. Das gefährdet etwa Whistleblower und politische Aktivisten. Straftäter können diese Totalerfassung mit Anonymisierungsdiensten leicht umgehen, aber den Normalnutzer würde sie gläsern machen.

    3. Die Bundesregierung zeigt sich offen für eine Vorratsdatenspeicherung zum „Schutz nationaler Sicherheit“, nachdem das Ziel der Strafverfolgung eine flächendeckende Vorratsdatenspeicherung laut EuGH nicht rechtfertigt. Nach dem Vorbild eines französischen Urteils droht die Vorratsdatenspeicherung so doch wieder zur Regel und zum Dauerzustand gemacht zu werden – unter Berufung auf immer und überall bestehende ‚Risiken‘.

    „Wir wissen längst, dass Gesetze zur flächendeckenden Vorratsspeicherung der Telefon-, Mobiltelefon- und Internetnutzung in keinem EU-Land einen messbaren Einfluss auf die Kriminalitätsrate oder die Aufklärungsquote haben [2], dass Zugriff auf Verkehrsdaten auch ohne Vorratsdatenspeicherung in aller Regel möglich ist [3], dass die Aufklärungsquote von Internetdelikten etwa in Deutschland mit 58,6% schon ohne IP-Vorratsdatenspeicherung überdurchschnittlich hoch ist und nach Einführung des ersten Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung sogar gesunken ist,“

    betont Breyer.

    „Wenn wir eines aus den totalitären Unrechtsregimen auf deutschem Boden gelernt haben, dann, dass wir nie wieder einen Überwachungsstaat zulassen dürfen. Die PIRATEN im Europäischen Parlament werden deshalb aktiv gegen jede Wiederbelebung dieses maßlosen Instruments des Generalverdachts kämpfen.“

    Hintergrund: Diese Woche forderten elf Bürgerrechts- und Berufsverbände, dass SPD, FDP und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in den Ampel-Koalitionsverhandlungen ein Ende des Gesetzes zur verdachtslosen Vorratsspeicherung von Verbindungs-, Standort- und Internetdaten durchsetzen sollen [4].

    Quellen:

    [1] www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/grosse-koalition-zum-abschied-noch-ein-ja-zur-vorratsdaten-speicherung-a-266cd41b-8589-4b0a-bb9e-4d78067d5fda

    [2] www.patrick-breyer.de/studie-strafverfolgung-funktioniert-ohne-vorratsdatenspeicherung/

    [3] www.patrick-breyer.de/staatschefs-pushen-vorratsdatenspeicherung/

    [4] www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/798/79/lang,de/

  • Neue Studie zeigt alarmierende Ausweitung der biometrischen Massenüberwachung in Europa

    Neue Studie zeigt alarmierende Ausweitung der biometrischen Massenüberwachung in Europa

    Eine neue Studie über aktuelle Praktiken der biometrischen Massenüberwachung in der Europäischen Union (z.B. Gesichtsüberwachung oder Verhaltensanalyse im öffentlichen Raum) zeigt die zunehmende Erprobung und Anwendung dieser Technologien in Europa [1]. Eine interaktive Karte veranschaulicht diese Entwicklung [2]. Der von der Europafraktion Grüne/Europäische Freie Allianz in Auftrag gegebene Bericht zeigt zahlreiche Warnungen und Untersagungen von Datenschutzbehörden auf, die aber durch Regierungsbehörden immer wieder ignoriert oder angefochten wurden. 

    Die Technologien biometrischen Massenüberwachung sind nicht nur oftmals pseudowissenschaftlich, sondern verletzen auch die Privatsphäre des Einzelnen. Medien und Zivilgesellschaft sollten ihre fortschreitende Entwicklung aufmerksamer verfolgen. Das forderten bei der heutigen Präsentation der Studie der Autor des Berichts, Dr. Francesco Ragazzi von der Universität Leiden, sowie die Europaabgeordneten Dr. Patrick Breyer und Saskia Bricmont. Fehleranfällige Technologien zur Gesichtsüberwachung, Gesichtserkennung und Verhaltensanalyse bedrohen ernsthaft Grund- und Freiheitsrechte.

    Patrick Breyer, Europaabgeordneter der Piratenpartei Deutschland und Koordinator der Kampagne von Grünen/EFA für ein Verbot biometrischer Massenüberwachung, kommentiert: 

    „Dieser Bericht ist ein weiterer Beleg dafür, dass George Orwells dystopischer Blick in die Zukunft bald von der Realität überholt werden könnte. Der Bericht enthüllt nicht nur die Erprobung und Einführung biometrischer Massenüberwachungstechnologien in der EU, sondern zeigt auch die Unwirksamkeit vieler dieser Technologien zur Strafverfolgung. Projekte erreichen vielfach ihre Ziele nicht, weisen hohe Falsch-Positiv-Raten auf, melden Bürger zu Unrecht und markieren sogar Umarmungen fälschlicherweise als verdächtiges Verhalten. Die EU muss ihre Finanzierung der Entwicklung solch gefährlicher Überwachungstechnologien sofort einstellen.“

    Sebastian Alscher, Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland, kommentiert: 

    Der Einsatz biometrischer Massenüberwachungstechnologien wird unsere Welt zu einem Panopticon verändern, also einem System allgegenwärtiger permanenter Überwachung mit geringstem personellen Aufwand. Es ist unbestritten, dass das Gefühl beständiger Überwachung zu einer Veränderung menschlichen Verhaltens führt. Wer in so einer Welt lebt und aufwächst, der übernimmt die Zwangsmittel der Macht und spielt sie gegen sich selber aus. Er wird sich nur noch entlang der gesellschaftlichen Erwartung verhalten. Das bedeutet das schleichende Ende jeden Antriebs zu freiem, unkonventionellem, auch mal exzentrischem Verhalten. Hin zum Ende der subjektiven Freiheit. Also genau dem, was unsere Gesellschaft auszeichnet und bereichert und ein Verbot des Einsatzes dieser Technologien im öffentlichen Raum erfordert.

    Die Ergebnisse der Studie werden in einem Webinar am 25. Oktober von 16:00 bis 17:00 Uhr MEZ zusammen mit einer interaktiven Karte über die derzeitigen Praktiken der biometrischen Massenüberwachung in der Europäischen Union diskutiert [3]. Nach Präsentation der wichtigsten Ergebnisse und Empfehlungen der Studie werden sich die Experten auf zwei Fallstudien über den Einsatz biometrischer Massenüberwachungstechnologien in der EU konzentrieren: das Experiment am belgischen Flughafen Zaventem und die biometrischen Überwachungstests der Bundespolizei am Bahnhof Berlin Südkreuz. 

    Das Europäische Parlament berät derzeit darüber, ob das geplante KI-Gesetz biometrische Massenüberwachung EU-weit verbieten sollte. Eine kürzlich verabschiedete, nicht bindende Resolution sprach sich für ein Verbot aus, doch die EU-Regierungen lehnen dies strikt ab. Die europäische Bürgerinitiative „Reclaim Your Face“ will 1 Mio. Unterschriften sammeln, um gegen biometrische Massenüberwachung zu protestieren [4].

    Quellen:

    [1] Link zur Studie: extranet.greens-efa.eu/public/media/file/1/7297 

    [2] Link zur interaktiven Karte: www.greens-efa.eu/biometricsurveillance/

    [3] Registrierung zur Teilnahme an dem Webinar: www.patrick-breyer.de/event/current-practices-of-biometric-mass-surveillance-in-the-eu-study-presentation/

    [4] Europäische BürgerInneninitiative ‘Reclaim Your Face’: reclaimyourface.eu/de