Autor: Borys

  • Nord Stream – Die Isolation Deutschlands durch unverantwortliche Außen- und Sicherheitspolitik

    Nord Stream – Die Isolation Deutschlands durch unverantwortliche Außen- und Sicherheitspolitik

    Ein Beitrag von Alex Kohler, Themenbeauftragter Außenpolitik

    Das Ziel Deutschlands in seiner Außen- und Sicherheitspolitik sollte es in erster Linie sein, die Zusammenarbeit in diesem Bereich in Europa zu fördern und gemeinsame europäische Sicherheitsinteressen zu verfolgen. Das bedingt auch, Rücksicht auf seine EU-Partner zu nehmen. Vollmundig wird besonders bei der SPD und im SPD-geführten Außenministerium eine gemeinsame europäische Außenpolitik propagiert, das exakte Gegenteil wird hier jedoch betrieben. Wie auch in anderen Bereichen, in denen Resilienz gefragt ist [1] , wie dem Katastrophenschutz oder der Vorbereitung auf Pandemien, erwartet man von staatlicher Seite, dass Gefahren frühzeitig erkannt, vorausschauend agiert, und koordiniert mit Partnern Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

    Aktive Spaltung der EU

    Exemplarisch kann bei einem Thema beobachtet werden, wie man von deutscher Seite aktiv an Möglichkeiten der Erpressbarkeit und der Spaltung selbst mitarbeitet – die Rede ist von dem Erdgaspipeline-Projekt Nord Stream. Jetzt fragt man sich:

    • Was hat dieses, vor allem von SPD-Ministern, SPD-Landesregierungen (und ehemaligen SPD-Ministern und -Ministerpräsidenten) so hochgelobte, als Brücke und Friedensprojekt beworbene und bejubelte Projekt, mit so finsteren Worten wie Erpressungspotential zu tun?
    • Warum baut man die Pipeline – bereits beginnend mit Nord Stream 2004 – in der Ostsee direkt zwischen Deutschland und Russland?
    • Warum kann keine „Brücke“ über die Staaten Ost- und Zentraleuropas gebaut werden?
    • Wieso nutzt man nicht die (seit den 70er Jahren) bestehenden Trassen und baut hier weitere Pipelines zur Kapazitätserweiterung, wenn dies tatsächlich notwendig wäre?
    • Warum ist der Kreml an der Umsetzung dieses Projektes (seit 20 Jahren) so interessiert, dass alles getan wird, um es zu ermöglichen, und dafür ein Ex-Bundeskanzler und seine Partei-Seilschaften eingebunden werden?

    Eine Landkarte mit Gas-Pipelines in Russland

    Im Folgenden wird das etwas klarer. Die Kontrolle über Verkehrswege, Pipelines, auch Stromtrassen war schon immer eine Möglichkeit, politischen Einfluss zu nehmen, ganz nach dem alten – auch geopolitisch gültigen und angewandten – divide et impera (lateinisch: teile und herrsche). Nun fragt man sich, was hat eine Pipeline damit zu tun? Das ist leicht erklärt, indem man die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland betrachtet und sich vor Augen führt, dass Nord Stream 2 (NS2) faktisch unsere ost- und zentraleuropäischen EU-Partner umgeht. Diese Pipeline gibt Russland die Möglichkeit, sehr große Gasmengen direkt nach Deutschland zu liefern. Die Lieferung ist zwar langfristig vielleicht nicht sinnvoll, aber Gas ist als Brücken-Energieträger eingeplant, um den Wegfall von Kohle bis 2037 und Atomenergie bis Ende 2022 zu kompensieren. Allerdings würde eine einseitige Abhängigkeit und eine „Brückensperrung“ – egal von welcher Seite – zu Herausforderungen für Deutschland führen. Zudem können die Gaslieferungen im Falle eines Konflikts von Kremlseite gezielt zur Spaltung der EU genutzt werden, indem man Deutschland exklusiv beliefert, seine osteuropäischen Nachbarn aber nicht. Besonders interessant wird es, wenn die Speicherkapazitäten (intensiv von Gazprom und anderen russischen Playern aufgekauft bzw. durch Mehrheitsbeteiligungen kontrolliert) im Süden Deutschlands und angrenzend in Österreich aktuell fast leer sind und man kurzfristig größere Mengen Gas benötigt. Tatsächlich ist der Füllstand der Untertage-Erdgasspeicher in Deutschland und Österreich in diesem Jahr so niedrig wie noch nie [2] – ein Schelm, wer Böses dabei denkt, besonders wenn man von russischer Seite keine Leitungskapazitäten durch die Ukraine und Belarus/Polen mehr für die nächsten Monate gekauft hat.

    Geopolitische Kurzsichtigkeit & Seilschaften

    Das Projekt NS2 wurde nach Vorplanungen 2014 von der Nord Stream AG gestartet und in Folge vom damaligen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) (jetzt Chef der Atlantikbrücke) und seiner Nachfolgerin Brigitte Zypries massiv unterstützt. Es wurde von Anbeginn, wie schon zuvor Nord Stream, als reines Wirtschaftsprojekt propagiert. Dies sah man in den Nachbarländern allerdings kritischer und versuchte, auf verschiedenen Wegen und Ebenen mit Deutschland ins Gespräch zu kommen, um auf die geopolitische und die monopolbildende Tragweite des Projekts hinzuweisen. Im Außenministerium wie im Wirtschaftsministerium stellte man sich taub, was nicht unbedingt auf einen Mangel an Analysefähigkeit  zurückzuführen ist [3].

    Hier muss es also direkt aus dem Bereich der dort installierten SPD-Seilschaften – früher Steinmeier, später Gabriel, heute Maas – theoretisch von oberster Ebene einen Maulkorberlass gegeben haben. Anders ist es faktisch nicht zu erklären, dass hier kein Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftsprojekt und der geopolitischen und marktdominierenden „Waffe“ erkannt wurde, die den EU-Sicherheitsinteressen massiv schadet.

    Zwei deutsche Ministerien arbeiteten von 2015 bis 2018 eng zusammen, um das Projekt auf Bundesebene zügig durchzupeitschen – unter der Leitung von Steinmeier, Gabriel, Zypries und später Maas – und stellten dabei auch entscheidende Weichen für die Energiewende, die im Kern auf der von der Nord Stream AG schon länger propagierten “Brückentechnologie” Erdgas und damit einer Versorgungsabhängigkeit von NS2 basiert. Seitens der Nord Stream AG wurde das Projekt durch den seit 2006 als Vorsitzenden des Aktionärsausschusses der Nord Stream AG (ab 2016 auch Vorsitzender des Verwaltungsrates der Nord Stream 2 AG) fungierenden Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder (den nach eigener Darstellung eine starke Männerfreundschaft mit dem russischen Präsidenten verbindet) als Steuermann lobbyiert, promotet und koordiniert. EU-Partner wie Polen meldeten (ab Ende 2015) frühzeitige Bedenken an und suchten zunächst das Gespräch. Seitens der Bundesregierung stellte man sich konsequent taub, verwies auf den vorgeblich rein wirtschaftlichen Charakter des Projektes und torpedierte somit jede Möglichkeit, die geopolitischen Risiken des Projektes zu begrenzen oder ganz zu entschärfen. Zudem wurde von deutscher Seite ein polnisches Projekt behindert, dass es Polen ermöglicht hätte, über Deutschland Gas, u.a. von NS2 zu beziehen und dafür eine bestehende Leitung auszubauen. Polen blieb somit nur die Möglichkeit, Kartellverfahren einzuleiten und vor dem EuGH Klage einzureichen; Deutschland erlitt in diesem Verfahren eine herbe Niederlage; am 15.07.2021 lehnte der EuGH auch die von Deutschland eingereichten Rechtsmittel ab [4].

    Auszug aus Urteil des EuGH zu OPAL Pipeline A
    Die sturen Handlungen der deutschen Regierung gegen EU-Sicherheitsinteressen (was durch Beschlüsse des Europäischen Parlamentes bestätigt wurde) grenzen an Heuchelei. Einerseits gibt man sich europäisch, auf der anderen Seite pflegt man Seilschaften, handelt offenkundig kurzsichtig und verweigert EU-Partnen und Nachbarn den Dialog.

    Krieg ist Frieden bei der SPD

    Besonders interessant wird es, wenn man sich ansieht, mit welcher Hingabe SPD-Politiker wie beispielsweise Matthias Platzeck, der ehemalige Ministerpräsident von Brandenburg und auch mitverantwortlich für das Flughafendebakel in Berlin, oder die jetzige Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig und ihr Vorgänger im Amt als Regierungschef in Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, oder aber der jetzige sehr geschätzte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (in der Entscheidungsphase von NS2 Außenminister) in höchsten Tönen NS2 als Friedensprojekt bejubeln [5]. Das Gegenteil ist der Fall, wenn man sich die Fakten genauer anschaut. Wie zuvor erläutert, wurde von den EU-Partnern in Osteuropa auf jeglicher Ebene moniert, dass sie eine geopolitische Waffe zur Spaltung Europas fürchten. Entschärfungsversuche sowohl diplomatisch als auch durch vorgeschlagene bauliche Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit der osteuropäischen Partner, wurden von Seiten der SPD-Ministerien – so wirkt es jedenfalls auf Partner im Baltikum, Polen, Tschechien und weiteren verbündeten Ländern – aktiv blockiert. Auch auf einer anderen Ebene wirkt das Friedensprojekt eher wie eine Analogie zum Roman 1984, in dem der Ausdruck „Krieg ist Frieden“ geprägt wurde.

    Man kann Russland sein Handeln wirklich nicht vorwerfen; Russland setzt klar auf Real- und Geopolitik und nutzt in der Tradition von Carl Schmitt [6] jede sich bietende Möglichkeit, um sein Einflussgebiet zu erweitern und zu festigen [7] . Unabhängig davon, ob das Vorgehen von deutscher Seite Einfältigkeit oder Absicht war, so hat NS2 jetzt substanzielles Potenzial, die Spaltung der EU (weiter) zu betreiben und eine Einmischung von Deutschland in Konflikte in Gebieten, in denen Russland Hegemonieansprüche stellt, auf Seiten der EU zu verhindern – Deutschland als EU- und NATO-Partner also quasi zu neutralisieren. Wenn der Winter naht, ist man sich in Deutschland gewiss selbst am nächsten. Was interessieren da die Länder in Ost- und Zentraleuropa, wenn man über die Friedensbrücke North Stream 2 Gas beziehen und in der warmen Stube sitzen kann. Natürlich kann man diese Option von russischer Seite sicher einmal nutzen; besonders in Kombination mit sehr leeren Erdgasspeichern.

    Interessant wird es auch, wenn man sich die zeitlichen Zusammenhänge zwischen dem Beginn des Ukraine-Krieges 2014 und dem offiziellen Projektstart von NS2 2015 anschaut. Gelegenheit macht Diebe, aber was interessiert die SPD die Stabilität Europas oder die Glaubwürdigkeit Deutschlands, wenn dem Genossen die Wirtschaftsinteressen so nah sind. Normalerweise müsste Deutschland gerade jetzt für unsere osteuropäischen Nachbarn – aufgrund unserer Geschichte – der zuverlässigste Partner sein [8]. Die Zielsetzung Russlands müsste eigentlich allen Beteiligten schon im Jahr 2000 klar gewesen sein, als der damalige Vorstandsvorsitzende von Gazprom Rem Wjachirew sagte: „Ich werde die Pipeline zur Umgehung der Ukraine fertig stellen, noch während ich lebe.“ (er meinte damals das gesamte Projekt – Nord Stream und Nord Stream 2) [9].

    Die aktuelle Lage

    Eine Leitung von NS2 ist seit Juni 2021 fertig gestellt, die zweite Leitung soll im September fertig werden, die letzten Kilometer Rohr werden in der Ostsee verlegt. Damit ist das Projekt fast fertiggestellt und Putin drohte der Ukraine bereits im Juni auf dem Petersburger Wirtschaftsforum – unter reger Beteiligung von Persönlichkeiten aus der deutschen Wirtschaft und Politik. Zudem droht der Kreml jetzt offen anderen, beschwört die Vereinigung mit der Ukraine (also deren Anschluß) [10] und stimmt Militär und Bevölkerung auf einen möglichen militärischen Konflikt ein. Denn die Zielsetzung, das Zerbrechen der Sowjetunion zu revidieren und Russlands Grenzen, zumindest den hegemonialen Einfluß, wieder auf die „alten“ Grenzen des russischen Imperiums auszudehnen, erscheint tief in den Zielen des Kreml verankert. Dabei dürfte auch die Erkenntnis, dass man sich nur zusammen mit den Ressourcen der Ukraine und anderer Ländern in der Lage sieht, den sich abzeichnenden Herausforderungen durch China gewachsen zu sein, mit eine Rolle spielen. Natürlich möchte man auch (wieder) eine geopolitische Pufferzone gegenüber dem Westen etablieren, welche man verloren glaubt. Deshalb ist es nachvollziehbar, dass seitens des Kreml schon länger ein strategisches Erpressungspotential gegen Deutschland aufgebaut wird, um es für politischen Druck gegen Deutschland und gleichzeitig Schwächung der westlichen Nachbarn Russlands zur Durchsetzung seiner Interessen einzusetzen. Dies wird deutlich, wenn wir uns eine Situation vor Augen führen, bei der unsere östlichen Nachbarn in Polen, Tschechien, dem Baltikum aber auch der Ukraine gezielt von der Belieferung ausgeschlossen werden, während Deutschland gezielt weiter beliefert wird. Früher saß man in einem Boot und war gezwungen und auch gewillt, gemeinsam mit den anderen betroffenen Ländern im Ernstfall Druck auf Russland auszuüben. Mit NS2 kann und wird man sich bei einer Warnung aus Moskau gepflegt zurückhalten. Verbunden mit der Kontrolle über Gasspeicher könnte Russland also ein erhebliches Erpressungspotential aufbauen. Seit dem Kaukasus-Krieg 2008, ganz deutlich seit der Krim-Annexion 2014, ist erkennbar, dass der Kreml bereit und gewillt ist, die Durchsetzung seiner geopolitischen Interessen konsequent und gezielt unter Einsatz all seiner verfügbaren Mittel zu betreiben. Auch verbal lassen Regierungsmitglieder und offizielle Vertreter aus Moskau keine Zweifel an den Zielen aufkommen. Die Gasspeicher sind leer, die Leitungen werden gekappt, der Winter steht an und die Bevölkerung könnte nicht heizen oder müsste gar kalt duschen. Eine Bundesregierung würde hier recht vorsichtig sein, wenn die warme Dusche wegfallen würde, aber man könnte ja auch die Hände in Unschuld waschen: das hätte ja niemand ahnen können. Aktuell hat Gazprom auch keine Leitungskapazitäten für die Durchleitung von Erdgas durch die über Belarus/Polen und die Ukraine laufenden Gasleitungen für das 4. Quartal 2021 und die ersten drei Quartale 2022 gebucht (!!) – wir können uns also schon einmal darauf einstellen, was auf uns zukommen kann. Die derzeitige Bundesregierung wird dann übrigens nicht mehr im Amt sein.

    Falls Russland tatsächlich beabsichtigt, den Anschluss der Ukraine oder ein Teilen der Ukraine erzwingen zu wollen [8], um dem Ziel, Russland in den alten Grenzen der Sowjetunion wiederherzustellen bzw. jenen Bereich zu kontrollieren, näher zu kommen, so sind Androhung oder gar Einsatz der vorbeschriebenen Machtinstrumente gewiss nicht unwahrscheinlich.

    Partnerschaft in Europa

    Deutschlands Partner und Nachbarn in Ost- und Zentraleuropa müssen es wirklich mit der Angst zu tun bekommen. Nicht nur ihre geografische und historische Wahrnehmung ist durch die Tatsache geprägt, dass sie immer wieder zwischen Deutschland/Österreich/Preussen einerseits und Russland andererseits zerrieben, zerteilt und verkauft wurden. Auch die aktuellen „Brückenbau“-Aktionen, ergänzt durch eine sich über 10 Jahre fluktuierend doch stetig entwickelnden Appeasementpolitik im Angesicht einer sich steigerndem Aggression des Kremls gegenüber unseren Nachbarn (aber auch den Menschen in Russland), die faktisch dem Kreml in die Hände spielt, steigert gewiss nicht das Vertrauen bei unseren östlichen Nachbarn in die Zuverlässigkeit Deutschlands. Besonders dann nicht, wenn Berlin immer wieder den Dialog mit Russland sucht, gleichzeitig aber einen Dialog mit unseren direkten Nachbarn und Partnern – zumindest bezüglich NS2 (und Energieversorgung) – konsequent verweigert oder sie mit freundlichen Gesten zu versichern versucht. Ob es nun Absicht oder nur Unfähigkeit und grobe Fahrlässigkeit ist, all dies hat stark mit zu dem derzeitigen Tiefpunkt im Ansehen der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik in Osteuropa beigetragen. Es sollte daher nicht verwundern, wenn im Ausland eine bewusste Zusammenarbeit der genannten beteiligten SPD-Minister mit dem Kreml befürchtet wird; ein Misstrauen, das bisher nachvollziehbar den Parteien am linken oder rechten Rand vorbehalten war.

    Gewiss denkt man im Ausland auch gleich über Korruption, mafiöse Strukturen und alte DDR-Seilschaften nach, wenn man sich die Gemengelage anschaut. Besonders nach dem Aussenministertreffen des Europarates in Helsinki am 17. Mai 2019 verfestigte sich der Eindruck bei unseren östlichen Nachbarn, dass sie verkauft würden. Dort wurde die von Deutschland initiierte und maßgeblich durch Aussenminister Maas lobbyierte Rückgabe des Stimmrechtes an Russland im PACE (parlamentarische Versammlung des Europarates) gegen die Stimmen der östlichen Nachbarn Deutschlands und anderer Staaten beschlossen [11]. Der Europarat hatte Russland das Stimmrecht in Folge der Krim-Annexion und der Unterstützung der Abspaltung der Ostukraine (Ukraine-Krieg) 2014 entzogen. Mit Rückgabe des Stimmrechtes im PACE wurde Russland von Deutschland und seinen Unterstützern signalisiert, dass man sich mit der Annexion der Krim und dem Krieg im Donbass zumindest in Berlin de facto abgefunden hat.

    Zudem wurde der aktuelle NS2 Deal zwischen Deutschland und den USA, der vorgeblich ausgehandelt wurde, um die Sicherheitsinteressen der Ukraine zu berücksichtigen, in Deutschland als Erfolg der deutschen Aussenpolitik gefeiert – von unseren Verbündeten wird er hingegen als Sieg Russlands verstanden. Weder die Ukraine, noch unsere östlichen Nachbarn, wurden in die Verhandlungen einbezogen – sie wurden auch hier bewusst von Berlin aussen vor gelassen. Tatsächlich wurde die Ukraine vor jeglicher Kritik an dem Deal mit dem deutlichen Hinweis, dass dies die für die Ukraine vereinbarten Sicherheiten und Kooperationsangebote im Bereich von Technologien für den Klimawandel und Einbindung der Ukraine in europäische Energienetze gefährden würde, gewarnt. Damit es überhaupt zu dem Deal kam, musste Deutschland von den USA faktisch gezwungen werden, Zugeständnisse an die Ukraine zu machen. Bei der Vereinbarung handelt es sich noch nicht einmal um einen international bindenen Vertrag, tatsächlich einforderbare Sicherheiten werden der Ukraine damit nicht gewährt. Ob die vereinbarten Zugeständnisse an die Ukraine im Fall einer Eskalation des Konfliktes mit Russland von deutscher Seite auch eingehalten würden, ist wieder eine andere Frage. So klingt der Satz „… deswegen werden wir vielleicht – im Kontext mit dem „Green Deal“ – mehr Gas von anderen Ländern wie der Sowjetunion benötigen“, den Dr. Altmeier als Wirtschafts- und Energieminister auf einer Pressekonferenz am 7. Juli 2020 sagte, fast prophetisch. Auch wenn es offensichtlich ein Versprechen war, so zeigt es doch, was ihm seine SPD-Vorgänger in Sachen Energiepolitik und NS2 bei Amtsübernahme 2018 hinterlassen haben.

    Damit verdeutlicht NS2 das allgemeine und systematische Versagen der drei letzten Regierungen Merkels, insbesondere im Außen-, Wirtschafts- und Energie- sowie Finanzministerium in den Bereichen Energiewende, Klimaschutz, europäische Zusammenarbeit, Sicherheit und Stabilität in Europa, Menschenrechten sowie Außen- und Sicherheitspolitik – wobei die Hauptakteure aus dem Kreis der SPD bzw. deren direkten Umfeld stammen. Und dass Bundeskanzlerin Merkel es bewusst mitgetragen hat. Botschafter Wolfgang Ischinger merkte am 22.07.2021 an, dass er über den Vertrauensverlust bei Partnern und Nachbarn stark verunsichert sei, dass diese einen seit 1990 noch nie dagewesenen Tiefpunkt in der deutschen Ostpolitik darstelle [12].

    Wir PIRATEN stehen hier aber ganz klar in Opposition zu solchen Machenschaften, denn wir stehen zu unseren osteuropäischen Nachbarn. So unterstützen wir auch unsere Kollegen in z.B. der tschechischen Piratenpartei, denn das Sicherheitsinteresse Tschechiens oder Polens oder anderer Partner ist auch das Sicherheitsinteresse der Piratenpartei Deutschland. Wir sind die erste Partei mit einem gesamteuropäischen Wahlprogramm und leben Europa.

    Und im übrigen bin ich der Ansicht, dass die SPD keinerlei Positionen mit Bezug zu Außen- und Sicherheitspolitik besetzen sollte. Selbst 5 % sind zu viel für eine Partei, die so dermaßen europäische Sicherheitsinteressen und Werte systematisch untergraben und verraten hat. Deutschland wirkt von außen wie eine korrupte Bananenrepublik. Wenn man sich vielleicht noch bei den im Nawalny-Video gezeigten Machtstrukturen Russlands Gedanken machen würde, würde auch auffallen, dass diese ziemliche Übereinstimmungen und Verflechtungen auf deutscher Seite haben. Es wird sich zeigen, dass diese sich bestimmt bis zu Nord Stream 2 fortschreiben lassen, denn die Protagonisten gleichen sich.

    Quellen:

    [1] https://aussenpolitik.piratenpartei.de/2020/07/08/resilienz-in-deutschland-und-europa/

    [2] https://www.saurugg.net/2021/blog/krisenvorsorge/die-naechste-krise-bahnt-sich-an-gasversorgung-in-europa

    [3] https://www.piratenpartei-nrw.de/2021/02/07/wegfall-von-sozialwissenschaften-schraenkt-interdisziplinaeres-denken-ein-kein-go-fuer-operation-leichtes-spiel/

    [4] https://curia.europa.eu/jcms/upload/docs/application/pdf/2021-07/cp210129de.pdf

    [5] https://www.cicero.de/aussenpolitik/interview-bundespraesident-steinmeier-nord-stream-2-ukraine/plus

    [6] https://www.deutschlandfunk.de/macht-und-recht-versuch-ueber-das-denken-carl-schmitts.1184.de.html?dram:article_id=439014

    [7] https://aussenpolitik.piratenpartei.de/2020/07/14/nach-volksabstimmung-in-russland-ein-paar-karat-schwerer-und-schaerfer-der-lupenreine-demokrat/

    [8] https://aussenpolitik.piratenpartei.de/2021/04/12/warum-deutschland-und-die-eu-es-sich-nicht-leisten-koennen-im-ukraine-konflikt-neutral-zu-bleiben/

    [9] https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/der-handelsstreit/schon-die-sowjetunion-lieferte-zuverlaessig-gas-15693414.html

    [10] https://www.fr.de/politik/putin-droht-kiew-per-aufsatz-90859088.html

    [11] https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/internationale-organisationen/europarat/russland-europarat-maas/2177470

    [12] https://twitter.com/ischinger/status/1418149011312291843

  • Piratenpartei warnt vor Digitalisierungsbremse in der Bildung

    Piratenpartei warnt vor Digitalisierungsbremse in der Bildung

    Die Piratenpartei schließt sich den Forderungen der Enquête-Kommission  „Berufliche Bildung in der digitalen Arbeitswelt“ an [1]: Sie fordert mehr Geld für Ausstattung, Anerkennung für die Leistung von Lehrkräften und mutige Ministerien, die einen fortschrittlichen Unterrichts- und Bildungsansatz fördern, statt zu erschweren und zu bremsen.

    Bundesweit haben wir während der Pandemie großen sozialen Zusammenhalt erlebt, um Kindern Endgeräte und digitales Lernen zu ermöglichen:    

    WLAN für das Nachbarskind freigeben, den alten Laptop frisch machen, Geld unter Verwandten zusammenlegen für das Tablet. Lehrende haben mit viel Eigeninitiative schulinterne Fortbildungen, Onlineplattformen und Videokonferenzsysteme erschlossen, teilweise sogar privat finanziert, weil das staatliche Bildungssystem auf allen Ebenen versagte. Das Angebot an digitalen Lehrerfortbildungen ist explodiert, dennoch wurden die Veranstaltungen überrannt: Vieles, was vorher kaum genutzt wurde, war „ausgebucht“ [2]. 

    Die Piratenpartei sieht in diesem Digitalisierungsschub einen der positiven Aspekte in der Coronapandemie. Aber das zarte Pflänzchen des Fortschritts ist gefährdet: Wieder sind es die Landesregierungen und Kultusministerien, die den Digitalisierungsschwung ausbremsen. Digitalpaktgeld für WLAN: Ja. Bürokratiearme, schnelle Geldmittel für Geräte, damit alle das WLAN nutzen: Nein. Schulgesetzanpassungen, um Hybridunterricht, alternative Prüfungsformate und innovative Unterrichtskonzepte dauerhaft zu etablieren [3] und nicht nur in der Pandemieausnahme zu dulden: Fehlanzeige. Was erschwerend in Deutschland hinzukommt: Vieles wird schlecht geredet. Zum Beispiel eine leicht missverständliche Studie, [4] in der es heißt, Distanzlernen sei so wenig effizient wie Sommerferien.

    Thomas Masztalerz, Mitglied der AG Bildung und selbst Lehrer, erklärt:

    „Ohne das große persönliche Engagement von vielen wäre die Studie vermutlich noch schlechter ausgefallen. Das deutsche Bildungssystem auch in seiner herkömmlichen Präsenzform ist seit Jahren in der Kritik. Der digitale Neustart böte auch die Möglichkeit, Chancengleichheit für alle gesellschaftlichen Gruppen zu schaffen.“

    Ebenso kritisieren die PIRATEN die aktuelle infrastrukturelle Lage der Lehrenden stark. Kultusministerien kokettieren schon mit den Beschlüssen für Dienst-Laptops. Sie erwähnen aber nicht, dass die Umsetzung von den Kommunen kaum bis gar nicht flächendeckend stattfinden kann – aufgrund mangelnder Finanzierbarkeit und technischer IT-Supportmöglichkeiten [5]. Die Kommunen kaufen Hardware und Lizenzen, aber es mangelt an Manpower im Support und an Weiterbildungsmöglichkeiten. Es wäre förderlich, wenn Länder oder Bund auch Gelder für Bildung bürokratiearm ausgeben könnten. 

    Quellen:

    [1] www.dgb.de/themen/++co++563ba9b8-d28d-11eb-894b-001a4a160123

    [2] www.news4teachers.de/2021/03/lehrer-tagung-mobile-schule-die-pandemie-war-eben-auch-ein-beschleuniger/

    [3] www.gew.de/fileadmin/media/sonstige_downloads/hv/Service/Presse/2021/Digitalisierung-im-Schulsystem—Studie.pdf

    [4] psyarxiv.com/mcnvk/

    [5] www.haz.de/Nachrichten/Politik/Niedersachsen/Niedersachsens-Lehrer-muessen-auf-Laptops-noch-Monate-warten

  • Papiertiger zu kurz gesprungen

    Papiertiger zu kurz gesprungen

    Mit ordentlichem Wahlkampfgetöse haben die Grünen ihr neues Sofortprogramm für den Klimaschutz veröffentlicht [1] . Obwohl viele Ziele richtig definiert werden, fehlt es bei der Umsetzung dann doch wieder an Substanz oder dem notwendigen Verständnis der Mechanismen. Und es wird ein zentralistischer Ansatz verfolgt nach dem Prinzip „der Staat regelt das“.

    Wie die Grünen selber schon schreiben, ist die Wirtschaft teilweise weiter als die Politik. Es wird dann aber völlig versäumt, dies zu berücksichtigen. Klimaschutz ist mittlerweile auch ein valides Business, Erneuerbare Energien (EE) sind billiger und Kreislaufwirtschaft kann Kosten bei den Rohstoffen senken. Für viele wichtige Entwicklungen müssen nur die richtigen Rahmenbedingungen gesetzt werden. Es ist wirklich nicht nötig, dass Robert Habeck selbst mit der Kabeltrommel losrennt und eine PV-Anlage anschließt.

    Die Energiewende, das zentrale Element für den Klimaschutz, ist nicht teuer – sie wurde von FPD, CDU und SPD teuer gemacht. Tatsächlich sollten die Energiekosten bereits jetzt am Sinken sein. Denn die notwendigen Technologien sind nicht nur marktreif, sie sind so konkurrenzfähig, dass sie in anderen Ländern mit weniger detailliert geregelten Energiemärkten bereits die fossilen Energiequellen verdrängen. Durch einige regulatorische Fehlleistungen passiert das aber in Deutschland nicht und der Strom bleibt künstlich teuer. Diese Mechanismen muss man aber verstehen, um eine sehr schnelle Energiewende zu schaffen, die gleichzeitig auch sozial und wirtschaftlich keine Belastung darstellt.

    Von den Grünen werden Ziele angegeben, die darauf hindeuten, dass man weiterhin an einem gesetzlichen Rahmen wie dem Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) festhalten will. Das ist grundlegend falsch, da wir bei einem Anteil von rund 50% erneuerbarer Energien am Strommix keinen Orchideenstatus für diese mehr brauchen, sondern einen regulären Markt. Anlagen egal welcher Größe müssen in die Lage versetzt werden, Strom sehr einfach und ohne unnötige bürokratische Belastung in den normalen Markt zu verkaufen. Momentan scheitert dies daran, dass die erneuerbaren Energien oft nur über die Mechanismen des EEG vermarktet werden können.

    Die Belastung von selbst erzeugtem EE-Strom mit Abgaben, sowie komplizierte Regeln für die Weitergabe von Strom auf dem eigenen Gelände z.B. an Kunden oder Mitarbeiter, hindern viele Unternehmen daran, ihre oft umfangreichen Dachflächen mit Photovoltaik zu bestücken. Gerade für große Stromverbraucher ist der Kostenunterschied für eingekauften oder selbst erzeugten Strom durch unsinnige Regeln oft nur sehr gering.

    Einen Kohleausstieg planen die Grünen bis 2030. Das ist deutlich zu spät und vor allem auch wieder über regulatorische Eingriffe vorgesehen, die zu massiven Entschädigungszahlungen führen werden. Da bereits Verträge auf Basis des unseligen Kohleausstiegsgesetzes geschlossen wurden, ist mit einer noch höheren Entschädigung zu rechnen, die u.a. auf Basis der Energiecharta eingeklagt werden dürften. 

    Sehr viel geschickter wäre es, die Kohlekraftwerke gezielt noch unrentabler werden zu lassen, als sie ohnehin schon sind, was durch die Neusortierung der Merit Order (Reihenfolge, in der Kraftwerke ins Netz gerufen werden) nach CO2-Ausstoß und die Abschaffung des indirekten Vorrangs der fossilen Kraftwerke (Redispatch-Verordnung) leicht erreicht werden kann. Wir gehen davon aus, dass man so die freiwillige Abschaltung aller Kohlekraftwerke bis 2024 erreichen kann, ohne Entschädigungen zahlen zu müssen.

    Entsprechende Änderungen werden den alten Stromkonzernen nicht gefallen, aber dies ist im Anbetracht des notwendigen Klimaschutzes, der Belange der Wirtschaft generell und der Interesse der Bürgerinnen und Bürger sekundär. Diese Konzerne hatten auch lange genug Zeit, sich auf den Wandel einzustellen.

    Netzausbau ist auch ein Thema, das die Grünen forcieren wollen – ohne zu hinterfragen, was denn für Netzausbau überhaupt notwendig ist. Hauptsächlich wird es erforderlich sein, die Verteilnetze auszubauen, lokale Speicher zu installieren und den möglichst direkten Austausch von lokal erzeugtem Strom zu ermöglichen. Durch ein möglichst dezentrales System ergibt sich weniger Notwendigkeit für große Stromtrassen, die Ausfallsicherheit wird besser, und Wertschöpfung und Arbeitsplätze werden in der Fläche verteilt, statt sich bei wenigen großen Konzernen zu konzentrieren. Die Grünen verfolgen hier aber offensichtlich weiter einen zentralistischen Ansatz mit großen Stromversorgern und massiven Übertragungsnetzen.

    Für den Bau von Stromtrassen fordern wir PIRATEN ein Moratorium und die Offenlegung der Planungsdaten. Denn die Genehmigung von Stromtrassen werden oft auf Basis von unveröffentlichen Daten erteilt, da Betriebe die Hintergrunddaten als Geschäftsgeheimnisse sehen. Bürgerinnen und Bürger als Stromkunden bezahlen dann 40 Jahre lang rund 9% Rendite für die Investoren. Da darf man wohl etwas Transparenz erwarten, bevor die Landschaft mit teuren Leitungen vollgestellt wird.

    Natürlich nicht fehlen darf bei den Grünen das Thema Tempo 130. Im Verhältnis zum Effekt lohnt es nicht, die Energie aufzubringen, darüber zu diskutieren. Kümmern wir uns doch bitte lieber darum, mehr Ladepunkte für eAutos zu schaffen und endlich ticketlosen ÖPNV umzusetzen. Und damit meinen wir nicht, dass man sein Ticket mit dem Smartphone kauft, sondern einfach einsteigt, ohne Ticket, umlage- oder steuerfinanziert.

    Auch nicht fehlen darf der Öko-Landbau, der selbstverständlich keinen Kunstdünger einsetzen darf, welcher in der Produktion deutliche Mengen Energie verbraucht. Also genau den entscheidenden Faktor, der es überhaupt erlaubt, die Weltbevölkerung halbwegs zu ernähren. Moderne Ansätze wie Präzisionsanbau („precision farming“) durch Sensoreneinsatz, oder Vertikalanbau („vertical farming“), fehlen in der Ökoromantik, wären aber wesentlich ressourcensparsamer.

    Kurz zusammengefasst könnte man sagen, es ist für jeden ein Bisschen drin, aber nichts richtig. Es mangelt mal wieder nicht an Ideologie, aber an inhaltlichem Wissen und an der Entschlossenheit, an ein paar Stellen mal mit Wucht auf die Zehen jener zu treten, die seit Jahren im Weg stehen.

    Grüne wählen ist halt wie Klimaschutz bei wish bestellen.

     

    Dazu Frank Grenda (Politischer Geschäftsführer):

    „Das 7-seitige neue Sofortprogramm der beiden Grünen-Spitzenpolitiker Annalena Baerbock und Robert Habeck, medial aufgebauscht, ist ein weiterer Rettungsversuch, das verlorene Vertrauen beim Wähler zurückzugewinnen. Doch wie unsere Themenexperten schreiben: Nicht der richtige Weg aus der Krise. Hoffen wir, dass die Wählerinnen und Wähler sich dadurch nicht blenden lassen und besseren Konzepten in 54 Tagen ihre Stimme geben.“

    Mehr Informationen zu energiepolitischen Positionen der Piratenpartei Deutschland finden Sie hier:

    AG Energiepolitik: energiepolitik.piratenpartei.de

    Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021: wiki.piratenpartei.de/Bundestagswahl_2021/Wahlprogramm#Energiepolitik

     

    Quellen:

    [1] www.gruene.de/artikel/klimaschutz-sofortprogramm

  • Bundestagswahl 2021 – Piratenpartei Deutschland steht zur Wahl

    Bundestagswahl 2021 – Piratenpartei Deutschland steht zur Wahl

    Es ist amtlich: Die Piratenpartei Deutschland tritt bei der kommenden Bundestagswahl am 26. September 2021 an. Nachdem bereits am 9. Juli der Bundeswahlleiter die Partei zur Wahl zugelassen hat, wurden am 30.Juli die Landeslisten durch die einzelnen Landeswahlleiter bestätigt. Die PIRATEN wünschen sich eine Politik von Menschen für Menschen mit den gesellschaftlichen Zielen der Freiheit, Würde und Teilhabe, und will in den Deutschen Bundestag einziehen, um diese Politik auszugestalten. Auch wenn ihr der Ruf als Digitalpartei vorauseilt, so hat sie sich ebenfalls zu gesellschaftlich relevanten Themen wie Klima- und Umweltschutz sowie Pflege und Gesundheit ambitionierte Ziele gesetzt – das Wahlprogramm zur Bundestagswahl ist online veröffentlicht [1]. Seit ihrer Gründung im Jahr 2006 sind die PIRATEN bisher zu jeder Bundestagswahl angetreten. 

    Sebastian Alscher, Bundesvorsitzender der Piratenpartei, betont die langfristigen Ziele der PIRATEN: 

    „Ich freue mich sehr auf einen interessanten Wahlkampf. Wir gehen mit einem starken und ambitionierten Programm an den Start, womit wir uns gegen eine Politik der Gegenwart zu Lasten unserer Zukunft positionieren. Durch konkrete Vorschläge wie zum Beispiel zu einer zukunftsgerichteten Energiepolitik wollen wir die Menschen überzeugen. Wir wollen den Weg dafür ebnen, dass auch in Zukunft die Menschen in unserer Gesellschaft ein selbstbestimmtes Leben führen können.“

    Frank Grenda, Politischer Geschäftsführer, ergänzt: 

    „Die aktuelle politische Situation zeigt, wie dringend Piraten-Politik benötigt wird. Unsere Ideen zum Digitalen Wandel sind für Unternehmen wie Gesellschaft unabdingbar, um Cyber-Sicherheit, Home Office und Distanzlernen zu ermöglichen. Im Klimaschutz haben wir ambitionierte Ziele. Die Pflege braucht Anpassung an den demographischen Wandel. Kurzum: PIRATEN in den Bundestag, um Deutschland fit für die Zukunft zu machen.“

    Quellen:

    [1] Wahlprogramm der Piratenpartei Deutschland zur Bundestagswahl 2021: wiki.piratenpartei.de/Bundestagswahl_2021/Wahlprogramm

  • Uploadfilter sind jetzt aktiv – ein Rückblick

    Uploadfilter sind jetzt aktiv – ein Rückblick

    Ein Beitrag von Anja Hirschel, Themenbeauftragte Digitaler Wandel

    Seit dem 1. August 2021 ist es soweit: Uploadfilter sind verpflichtend.

    Natürlich wird das Internet nicht implodieren, aber verändern wird sich vieles – und erst mit der Zeit werden sich die Folgen abzeichnen.

    Wir waren gemeinsam auf der Straße und haben gegen die Einführung einer Überwachungsinfrastruktur protestiert. Menschen haben sich für Politik begeistert, weil wir nicht den schönen Versprechungen nach Schutz für Content Creator ohne jegliche Nachteile glauben. Nein, wir sehen, dass unsere freie Meinungsäußerung gefährdet wird, dass gerade kleinere Künstler faktisch gezwungen werden können, einem Lizenzverbund beizutreten. Ich möchte all unsere Argumente jetzt gar nicht wiederholen.

    Wir haben unserer Meinung in vielen Demos Stimme verliehen – wurden als Bots bezeichnet! – und haben Millionen Unterschriften an die Europaabgeordnete Barley übergeben.

    Wir wurden nicht gehört.

    Die Europaabgeordneten sind umgekippt, haben den Artikel 17, vorher Artikel 13, angenommen. Sogar damals haben sie uns noch versichert, die Reform würde ohne Filter umgesetzt. Wir sollten doch Vertrauen in die Parteien haben.

    Leicht gesagt, schwer getan, wenn jedem IT-ler bereits klar war, dass die Umsetzung ohne Uploadfilter rein technisch nicht machbar ist. Wie soll eine Plattform die engen Zeitvorgaben einhalten, wenn nicht durch Automatisierung? Wer kann ihnen einen Vorwurf machen, wenn sie die Filter als Service einkaufen, anstatt mühsam selbst zu implementieren?

    Genau so entstehen zentralisierte Filterdatenbanken. Als Service. Leicht an die Bedürfnisse anzupassen.

    Wenn die Hoffnung der Vernunft widerspricht, bleibt nur zu hoffen dass die Dystopie und der mögliche Missbrauch dieser mächtigen Instrumente nicht die Auswirkungen zeigen, die wir befürchten. Es ist uns ein Anliegen, weiterhin aufmerksam die Entwicklungen zu verfolgen und – wenn möglich – zu gestalten. So, wie unter anderem unsere Piraten im Europaparlament es unermüdlich tun.

    Ist Filtersoftware erst einmal implementiert, kann sie jederzeit missbraucht werden:
    Erlaube deiner liebsten Regierung nur das, was du auch der am schlimmsten denkbaren Regierung erlauben würdest.

     

     

  • Tag 1 der Uploadfilter: Einschränkung für Kreative, Gefahr für freie Meinungsäußerung

    Tag 1 der Uploadfilter: Einschränkung für Kreative, Gefahr für freie Meinungsäußerung

    Ab dem 01. August 2021 gelten für Urheber, Internetnutzer und Plattformbetreiber neue Regeln im Umgang mit urheberrechtlich geschützten Werken. Hierbei handelt es sich um die Umsetzung der EU-Richtlinie zum Urheberrecht aus dem Jahr 2019. Die Verhandlung dieser Richtlinie wurde in vielen Ländern von zahlreichen Protesten begleitet, auch in Deutschland demonstrierten Hunderttausende vor allem junge Menschen. 

    Nach der Verabschiedung der Reform in Brüssel erklärte die Bundesregierung, dass im Rahmen der Umsetzung auf automatisierte Verfahren, sogenannte Uploadfilter, verzichtet werden würde. Mit den Stimmen der Unionsparteien, der SPD und der Enthaltung der Grünen beschloss der Bundestag dennoch ein Gesetz, das Uploadfilter für große Plattformen unvermeidbar macht.

    Sebastian Alscher, Bundesvorsitzender der Piratenpartei Deutschland, kommentiert: 

    „Wir waren und sind schockiert, dass die Bundesregierung entgegen der Zusagen ein Gesetz beschließt, das Uploadfilter notwendig macht. Ich sehe eine große Gefahr im Aufbau einer solchen Infrastruktur auf Seiten der Plattformbetreiber. Es stehen nun Werkzeuge zur Verfügung, mit denen es ohne großen Aufwand möglich wird, bereits vor Veröffentlichung im Internet Meinungsäußerungen zu unterbinden. Zusammen mit einer ständigen Ausdehnung der Überwachungsbefugnisse ist dieser Schritt überaus bedenklich.“ 

    Anja Hirschel, Themenbeauftragte Digtialer Wandel der Piratenpartei Deutschland, erklärt:

    „Ich sehe in der Umsetzung der Urheberrechtsrichtlinie mit engen Bagatellgrenzen eine Gefahr für die Netzkultur, vor allem mit Blick auf Parodien oder Memes. Die Regeln für kreative Arbeit sind extrem eingeschränkt worden, viele Ideen und Werke machen sie nun unmöglich. Wir haben unserer Meinung in vielen Demos eine Stimme verliehen, wir wurden als Bots bezeichnet und haben Millionen Unterschriften an die verantwortliche deutsche Justizministerin Barley übergeben, doch wir wurden nicht gehört. Nachdem so viele sich teilweise erstmalig für Politik interessierten, wurden sie sofort wieder enttäuscht. So wurde Hunderttausenden vermittelt, dass Entscheidungen ohne sie stattfinden, dass ihre Stimme in diesem Land bestenfalls im Rahmen von Wahlhandlungen etwas zählt.“

  • Über das Millionengeschäft der europäischen Altenpflegeindustrie

    Über das Millionengeschäft der europäischen Altenpflegeindustrie

    „Wenn ich das Wort Industrie im Zusammenhang mit Pflege höre, bekomme ich Schnappatmung“, erklärt Sandra Leurs. Sie ist Bundesthemenbeauftragte für Gesundheit und Pflege der Piratenpartei Deutschland und Spitzenkandidatin aus NRW für die Bundestagswahl am 26.09.2021. „Bereits 1996 stand ich vor dem Landtag NRW, während meiner Ausbildung zur Altenpflegefachkraft in Düsseldorf-Kaiserswerth. Schon damals protestierten wir gegen Fließbandarbeit am Menschen.“

    Leider kam es so, wie es in einem rein betriebswirtschaftlich gelenkten Gesundheitswesen kommen musste: Gewinnmaximierung steht nun oftmals vor Menschenwürde. 

    „Als ich 2012 in die Piratenpartei eintrat, war ich schon als Aktivistin gegen den Pflegenotstand unterwegs – mit den damals gegründeten Pflegeaktivisten aus München“, erzählt Sandra. „Danach schloss ich mich der Initiative ‚Pflege Am Boden‘ an. [1] In Krefeld habe ich einige Flashmobs organisiert. Seit 2018 bin ich Themenbeauftragte für Gesundheit und Pflege. Natürlich treibt mich der Pflegenotstand immer noch um. 

    Nun wurde ich von Investigate [2] auf deren interne Recherche aufmerksam gemacht. Ich wusste natürlich schon länger, dass die Langzeitpflege eine Goldgrube für Investoren ist. Man privatisierte die Langzeitpflege – und das europaweit.“

    Um genügend Gewinne zu generieren, spart man in der Altenpflege massiv, nicht nur am Pflegepersonal. Die Ernährung der zu betreuenden und zu pflegenden Menschen lässt in vielen Institutionen zu wünschen übrig. Obendrein ist die Ausstattung mancher Einrichtung für Langzeitpflege mit Wasch- und Bettwäsche sowie mit Pflegehilfsmitteln unterirdisch. Wenn es der Betriebswirt festlegt, gibt es nur einen Satz mit je einem Waschlappen und Handtuch. Pro Woche.

    Es wird viel getan, damit die Renditen stimmen: Einrichtungen, die von großen Investoren betrieben werden, nehmen Mängel in Kauf oder schaffen unmenschliche Rahmenbedingungen – gefährliche Lebensumstände fordern sie geradezu heraus! Europaweit agieren Konzerne wie Kursana Residenzen GmbH oder Orpea und Korian [3]. Sie profitieren von öffentlichen Geldern, sind gerdezu abhängig davon [4]. Die Regierungen lassen die Konzerne gewähren. Nach langen Recherchen legt Investigate Europe nun Belege für diesen kapitalisierten Pflegemarkt vor. 

    Sandra Leurs fasst zusammen:

    „Pflege gestaltet sich in unserem momentanen System für Pflegebedürftige sowie Angehörige schwierig. Gewinnmaximierung im Gesundheitswesen ist menschenunwürdig: Gesundheit ist keine Ware.“

    Quellen:

    [1]

    www.facebook.com/pflege.am.boden.koeln/

    www.facebook.com/groups/236251686581441

    [2]

    www.investigate-europe.eu/en/2021/elder-care-for-profit/

    www.investigate-europe.eu/de/2021/millardengeschaeft-altenpflege-konzerne/

    [3]

    www.investigate-europe.eu/de/2021/groesste-pflegeheimbetreiber-europas/

    [4]

    www.investigate-europe.eu/de/2021/remi-boyer-korian/

  • AG Gesundheit und Pflege: Bericht von der internationalen Versammlung des World Health Networks

    AG Gesundheit und Pflege: Bericht von der internationalen Versammlung des World Health Networks

    Viele sehen die zunehmende Aufhebung der Pandemiemaßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus mit Sorge. In dem World Health Network [1] haben sich daher Wissenschaftler und weitere Stakeholder aus aller Welt zusammengeschlossen, um für ein Aufrechterhalten effektiver Maßnahmen einzutreten, sodass die Coronavirus-Inzidenz weiter niedrig gehalten wird. Am 14.-15. Juli fand ein globales Symposium des Netzwerks statt.

    Die AG Gesundheit und Pflege nahm als eingeladener Gast an dem Online-Treffen teil. Das in Englisch abgehaltene Symposium zeichnete sich durch einen respektvollen Umgang aus, und brachte eine große Gemeinschaft zusammen für ein gemeinsames Ziel: Die Coronapandemie weltweit effektiv zu bekämpfen, mit dem Wohl des Menschen im Mittelpunkt. Ganz im Sinne des Bereichs Gesundheitspolitik im Grundsatzprogramm der Piratenpartei [2]. 

    Jonas Wessel, Mitglied der Piratenpartei-AGs Gesundheit und Pflege sowie Bildung , und Sandra Leurs, Themenbeauftragte für Gesundheit und Pflege, nahmen an beiden Tagen teil. Unter den Teilnehmenden der Konferenz waren Wissenschaftler verschiedenster Länder, mit Fachkompetenz in Virologie, Epidemiologie, Medizin und Molekularbiologie, sowie der Systemwissenschaftler und Niedriginzidenz-Advokat Yaneer Bar-Yam [3,4]. Aber auch gesellschaftliche Stakeholder wie Anwälte, Eltern und Lehrer, sowie weltweite Initiativen gegen die Pandemie nahmen teil [5]. Ein zentrales Thema war, wie die neuen, ansteckenderen Mutanten des Coronavirus in Schach gehalten werden können. Insbesondere waren sich viele einig, dass die Verbreitung des Coronavirus bei hoher Inzidenz die Wahrscheinlichkeit neuer Mutanten erhöht. Darüber hinaus wurde debattiert, welche strategischen Konzepte benötigt werden, um möglichen zukünftigen Ausbrüchen infektiöser Krankheiten global zu begegnen. Beispielhaft wurden hierbei die konsequenten Maßnahmen von Neuseeland, Taiwan und Australien genannt.

    Ein weiteres Thema von Interesse war die Öffentlichkeitsarbeit. Kritisiert wurde, dass viel Miss- und Desinformation stattfindet. Ein krasses Beispiel war Brasilien, wo im Ringen um die Deutungshoheit auch von Regierungsseite Informationen nach Belieben dargestellt werden [6,7], aber auch in anderen Ländern wurden Defizite in der medialen Aufarbeitung festgehalten. An Wissenschaftler wurde appelliert, eine klare und unmissverständliche Kommunikation anzustreben. Denn Menschen aus der Wissenschaft reden oft sehr wissenschaftlich, detailliert, abwägend – und das wird häufig in der allgemeinen Wahrnehmung als unsichere Faktenlage fehlinterpretiert, und die Kernaussage geht verloren. Wenn wir aber an die Eigenverantwortung appellieren, dann müssen wir auch dafür sorgen, dass konkret, verbindlich und sinngemäß in einfacher Sprache kommuniziert wird. 

    Die Gespräche auf der World Health Network Versammlung bestärken uns, auch weiterhin eine Niedriginzidenzstrategie wie NoCovid [8] anzustreben und unter anderem die allgemeine Maskenpflicht aufrechtzuerhalten. Zudem ist eine hohe Impfquote erstrebenswert [9]. Diese Pandemie kennt keine Ländergrenzen und sollte daher auch global behandelt werden. 

    Quellen:

    [1] www.worldhealthnetwork.global

    [2] wiki.piratenpartei.de/Parteiprogramm#Gesundheitspolitik_2

    [3] necsi.edu/yaneer-bar-yam

    [4] twitter.com/yaneerbaryam 

    [5] www.worldhealthnetwork.global/home/#super-teams

    [6] www.aerzteblatt.de/nachrichten/122271/Pandemie-in-Brasilien-geraet-ausser-Kontrolle

    [7] brasil.diplo.de/br-de/aktuelles

    [8] nocovid-europe.eu/

    [9] www.piratenpartei.de/2021/07/16/coronavirus-impfung-bei-kindern-empfehlungen-der-stiko-muessen-ernst-genommen-werden