Autor: Borys

  • Kinder schützen statt Bürger ausspähen: Patrick Breyer warnt vor Nachrichtendurchleuchtungsvorstoß von #Zensursula

    Kinder schützen statt Bürger ausspähen: Patrick Breyer warnt vor Nachrichtendurchleuchtungsvorstoß von #Zensursula

    Die EU-Kommission schlägt die verdachtslose Durchleuchtung und Überwachung sämtlicher privater elektronischer Kommunikation zur Suche nach möglichen kinderpornografischen Inhalten vor. Heute hat sie einen entsprechenden Gesetzesentwurf vorgelegt. Internationalen Anbietern von E-Mail- und Messengerdiensten soll es gestattet werden, den Inhalt aller privaten Nachrichten verdachtslos nach Kinder- und Jugendpornografie sowie der “Anbahnung sexueller Kontakte” Minderjähriger zu durchsuchen und an Behörden und Nichtregierungsorganisationen weltweit zu melden. Gesucht werden darf nicht nur nach bekannten Bildern und Videos, es soll auch fehleranfällige “künstliche Intelligenz” etwa zur automatisierten Durchsuchung von Textnachrichten auf “Anbahnungsversuche” zugelassen werden. Meldet ein Algorithmus einen Verdachtsfall, dürfen Nachrichteninhalt und Kundendaten automatisiert und ohne menschliche Prüfung an Strafverfolger und Nichtregierungsorganisationen weltweit weitergeleitet werden. Die Betroffenen sollen davon unabhängig vom Ausgang der Prüfung nie erfahren.

    Der Europaabgeordnete Patrick Breyer (Piratenpartei) prangert den Vorstoß an:

    “Die einschlägig bekannte Zensursula von der Leyen versucht diesmal über die EU, unsere Sicherheit und Privatsphäre im Netz anzugreifen. Was sie nicht begreift: Kriminelle verstärkt in abhörsichere Kommunikationskanäle zu verdrängen, wird die Verfolgung von Kindesmissbrauch teilweise sogar unmöglich machen. Bestehen bleiben die wahren Versäumnisse der Politik beim Schutz von Kindern, etwa in den Bereichen mangelnde Vorbeugung von Kindesmissbrauch, unzureichende Finanzierung von Therapieangeboten oder völlig überlastete Kriminaltechniker. 

    Konzerne wie Facebook und Google den Inhalt unserer gesamten privaten Kommunikation verdachtslos und flächendeckend abfangen und auswerten zu lassen, ist zur Aufklärung der von organisierter Kriminalität genutzten Kanäle absolut untauglich und kontraproduktiv, bedroht aber die Privatsphäre und die Sicherheit der Internetkommunikation von Millionen unbescholtenen Bürgern und wird vor Gericht wohl keinen Bestand haben. Man stelle sich vor, die Post würde auf der Suche nach Verbotenem alle Briefe öffnen. Wir werden nicht hinnehmen, dass Zensursula digitale Schwarze Kammern einrichtet!

    Da fehleranfällige und undurchsichtige KI-Textfilter zum Einsatz kommen sollen, drohen massenhafte Falschverdächtigungen und ein tausendfaches Mitlesen privater Nachrichten durch internationale Konzerne. Besonders betroffen wären Nachrichten von Teenagern untereinander, die ein Recht auf Respekt ihres Sexuallebens haben. Verdachtsmeldungen sollen unkontrollierbar an Staaten wie die USA weitergeleitet werden, in denen keinerlei Datenschutz gilt, mit unabsehbaren Konsequenzen. Zensursula meint offenbar die Massenproteste gegen Uploadfilter-Zensurmaschinen einfach ignorieren zu können, aber da hat sie sich getäuscht!“ 

    Widerspruch zum bisher vorgesehenen Schutz der Vertraulichkeit von Internetkommunikation

    Der Gesetzentwurf der Kommission steht mit einem schon beschlossenen Gesetz zum Schutz der Internetkommunikation, das mit dem Europäischen Code für elektronische Kommunikation zum Jahresende in Kraft treten soll, im Widerspruch. Der Code hat das Ziel, die Vertraulichkeit von Nachrichten über Messengerdienste, E-Mail-Kommunikation und Internettelefonie zu schützen und das Fernmeldegeheimnis auf sie zu erstrecken. Eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Schutz vor Ausspähung soll verpflichtend werden. Die jetzt geplanten Gesetzesänderungen hebeln diese Vertraulichkeit wieder aus und schaffen Hintertüren. Breyer dazu: „Verdachtslose Massendurchleuchtung privater Nachrichten verletzt das Grundrecht auf Achtung unserer Privatsphäre und unserer Korrespondenz. Die Sicherheit unserer Kommunikationsinfrastruktur vor Kriminellen und Geheimdiensten braucht wirksame Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und keine Hintertüren!“ 

    Breyer hält die Überwachung kommerzieller Kommunikationsdienste im Kampf gegen kriminelle Inhalte im Netz für wirkungslos, da die organisierte Kriminalität auf andere Kommunikationswege zurückgreift, die sich der Filterung entziehen. „Wer die Strafverfolgung verbessern will, muss endlich den erschreckenden Rückstau bei der Auswertung beschlagnahmter Datenträgern angehen. Statt ausländische Konzerne zu einer Privatpolizei zu machen, muss die Kriminalistik endlich im digitalen Zeitalter ankommen.“ In der Vergangenheit haben Ermittlungen wegen eines falschen Verdachts auf Kinderpornografiebesitz teilweise zu Selbstmorden geführt.

    Effektives Vorgehen im Kampf gegen Kindesmissbrauch sollte an erster Stelle stehen

    Nach Schätzungen werden 10% aller Kinder im Laufe ihres Lebens Opfer sexuellen Missbrauchs, der meist im Kreis der Familie, Freunde und Bezugspersonen stattfindet. Die Zahlen sind erfreulicherweise rückläufig. Um wirksam gegen Kindesmissbrauch vorzugehen, sollte die effektive Prävention in den Fokus rücken, z.B. durch Aufklärung junger Menschen über Gefahren im Netz. Korrigiert werden muss die unzureichende Finanzierung von Therapieangeboten. Außerdem muss den mit der Auswertung beschlagnahmter Datenträger schon heute völlig überlasteten Kriminaltechnikern geholfen werden. 

  • Kinderarbeit – zum Wohl unserer Geldbörse

    Kinderarbeit – zum Wohl unserer Geldbörse

    Laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) gibt es weltweit 152 Millionen Kinderarbeiter zwischen 5 und 17 Jahren. 73 Millionen von ihnen plagen sich ab unter ausbeuterischen Bedingungen und gehen unzumutbaren und gefährlichen Arbeiten nach.
    Durch Ausbeutung werden viele Rechte von Kindern und Jugendlichen massiv verletzt wie zB. das Recht auf Bildung: Arbeitende Kinder haben oftmals keine Zeit und Gelegenheit, um in die Schule zu gehen oder Hausaufgaben zu machen.

    Wir als Verbraucher können und sollten kritisch hinterfragen, unter welchen Bedingungen die Produkte, die wir kaufen, hergestellt wurden.

    Viele Konservative oder fragwürdige Influencer behaupten, dass bei Kobalt (Batterien für Elektroautos) besonders viel Kinderarbeit stattfindet. Garniert mit Fotos, die aber tatsächlich Kinder beim Schürfen nach “seltenen Erden” in der DR Kongo zeigen, die für das eigene, genutzte Equipment (Smartphone, Laptop) als Coltan unverzichtbar ist.

    Entwicklungsminister Müller will einen Gesetzesentwurf vorlegen, der beinhaltet, dass alle Branchen sich verpflichten sollen, Kinderarbeit in Ihren Lieferketten zu unterbinden.

    Wir PIRATEN lehnen Kinderarbeit grundsätzlich ab. Kinder haben, wie alle Menschen, ein Recht auf Bildung und sollen ohne Einschränkungen und Gewalt aufwachsen.

    Jeder Einzelne ist jetzt gefragt mitzuwirken. Wenn es vermieden wird, extrem billige Waren, die meistens schnell im Müll landen, zu kaufen und die Verbraucher sich unbedenklichen, nicht durch Kinderarbeit hergestellten Waren zuwenden, kann einiges verändert werden.

  • EU-Bürger*innen gegen ausländische Anti-Terror-Internetzensurbehörden

    EU-Bürger*innen gegen ausländische Anti-Terror-Internetzensurbehörden

    Ein Großteil der EU-Bürger*innen spricht sich gegen EU-Pläne zur länderübergreifenden Anti-Terror-Internetzensur aus. Dies hat eine Meinungsumfrage von YouGov unter 10.214 Bürger*innen aus 10 EU-Ländern ergeben.

    Nur 30% der Befragten unterstützen die Pläne von EU-Kommission und EU-Regierungen einschließlich der Bundesregierung, Internetveröffentlichungen in ihrem Land künftig von Behörden in allen 27 EU-Staaten auf “terroristische Inhalte” überprüfen und gegebenenfalls löschen zu lassen. Dagegen fordern 51% der Befragten, über die Zulässigkeit von Internetveröffentlichungen in ihrem Land sollen nur Behörden oder Gerichte ihres eigenen Landes entscheiden. Dies versucht das Europäische Parlament in den laufenden Verhandlungen durchzusetzen.

    Kritiker befürchten, dass ausländische Regierungen wie in Ungarn hierzulande völlig legal veröffentlichte unliebsame Inhalte als “Terrorismus” einordnen und löschen lassen könnten. Jedes EU-Land verwendet seine eigene Liste “terroristischer Organisationen”. So betrachtet Spanien die katalonische Unabhängigkeitsbewegung als Terrorismus. 2019 forderten französische Behörden die Löschung hunderter Internetseiten, die mit Terrorismus nichts zu tun hatten, darunter Cartoons, wissenschaftliche Veröffentlichungen, Regierungsveröffentlichungen und Informationen zu Veganismus.

    Die Verhandlungen über die geplante EU-Verordnung zur Verhinderung terroristischer Inhalte im Netz

    Aktuell verhandelt die EU über eine Verordnung, mit der die Verbreitung terroristischer Inhalte im Internet verhindert werden soll – und das, wenn es nach EU-Kommission und EU-Regierungen geht, mit Uploadfiltern und grenzüberschreitenden Schnell-Löschanordnungen. Auch nachdem der französische Verfassungsgerichtshof ein ähnliches Gesetz zur Schnell-Löschung terroristischer Inhalte innerhalb einer Stunde ab Erhalt einer polizeilichen Löschanordnung für verfassungswidrig erklärt hat, halten die schwedische EU-Innenkommissarin Johansson und die deutsche Ratspräsidentschaft unter Führung des Bundesinnenministeriums an den vergleichbaren EU-Plänen fest. Um ein allgemeines Meinungsbild der EU-Bürger einzuholen, hat der Europaabgeordnete Patrick Breyer (Piratenpartei, Fraktion Grüne/EFA) die repräsentative Befragung in Deutschland, Österreich, Schweden, Polen, Spanien, Frankreich, den Niederlanden, Italien, Irland und Tschechien in Auftrag gegeben.

    Mehrheit gegen Einsatz von Anti-Terror-Uploadfiltern

    Nur 38% der Befragten unterstützen auch das weitere Vorhaben von EU-Kommission und EU-Regierungen, zur Verhinderung der Veröffentlichung “terroristischer Inhalte” den Einsatz maschinengesteuerter Uploadfilter vorzuschreiben. Die meisten Bürger*innen fordern stattdessen eine Einzelfallprüfung durch öffentliche Behörden oder lehnen eine Löschung “terroristischer Inhalte” aus dem Netz komplett ab (59%).

    Zwar ist eine automatisierte Löschung mit Uploadfiltern schneller und weniger arbeitsaufwändig als eine Bewertung jedes Einzelfalls durch staatliche Stellen, aber eine zuverlässige Unterscheidung von Terrorpropaganda und rechtmäßigen Inhalten wie Presseberichten über Terrorismus, wissenschaftlichen Analysen oder Kritik an Terrorismus vermögen sie nicht vorzunehmen. Sie unterdrücken daher immer wieder auch legale Veröffentlichungen, was Pressefreiheit, Kunstfreiheit, Wissenschaftsfreiheit und Meinungsfreiheit gefährdet. Je nach Kontext kann beispielsweise das Foto eines Anschlags für Propagandazwecke oder zur legitimen Berichterstattung durch Nachrichtenmedien verwendet werden.
    Selbst Youtube-Betreiber Google meldet die irrtümliche Löschung einer Parlamentsdebatte über Folter sowie von Aktivistenvideos über Kriegsverbrechen in Syrien durch seine Filteralgorithmen.

    „In Anbetracht des jüngsten Gerichtsurteils und der öffentlichen Meinung müssen die EU-Regierungen ihr Beharren auf ausländischen Löschanordnungen und Upload-Filterpflichten endlich aufgeben,“

    fordert der Europaabgeordnete Patrick Breyer.

    „Terroristische Online-Propaganda sollte wirksam bekämpft werden, ohne jedoch die digitale Wirtschaft übermäßig zu belasten oder gar Grundrechte zu opfern. Wir müssen uns gegen eine Internet-Zensur nach chinesischem Vorbild zur Wehr setzen,“

    so Breyer.

    Informationen zum Verhandlungsstand unter https://www.patrick-breyer.de/?p=590542

  • Corona als Ansporn für digitale Bildung

    Corona als Ansporn für digitale Bildung

    Die Kultusministerkonferenz hat in dieser Woche einen ‚Vier-Stufen-Plan‘ für den Umgang der Schulen mit der Corona-Pandemie beschlossen. Die PIRATEN kritisieren, dass dieser nur auf Infektionsgeschehen reagiert und die Möglichkeiten des digitalen Lernens zur Infektionsprävention nicht hinreichend einbezieht.

    Um Infektionen in den Schulen vorzubeugen, schlagen wir alternative Unterrichtskonzepte vor:

    1) Teilen der Klasse. Gruppe A kommt eine Woche zur Schule und lernt in der kommenden Woche über E-Learning von zu Hause. Hilfsmittel für den digitalen Distanzunterricht finden Sie hier: https://redesign.piratenpartei.de/digitales-lernen/
    Gruppe A und B wechseln sich mit dem Kontakt-/Distanzlernen ab.

    2) Die Klasse kommt geschlossen in die Schule, jedoch im wöchentlichen Wechsel von Kontakt- und Distanzunterricht.

    Auch ein anderer Wochenturnus ist möglich, bspw: Zwei Wochen Kontaktlernen und eine Woche Distanzlernen. So kann ein reibungsloseres und mit weniger Infektionen verbundenes Lernen ermöglicht werden. Lehrerinnen und Lehrer müssen weiterhin im digitalen Distanzlernen geschult werden. Dies sollte schnellstmöglich mit vorangetrieben werden.

  • IFA: Publikumsmesse – Ohne Publikum…

    IFA: Publikumsmesse – Ohne Publikum…

    Heute war der erste Tag der IFA, einer Messe mit viel Tradition. 1924 fand die erste Internationale Funkausstellung statt, bereits damals auf dem Gelände am Messedamm. 1926 wurde der Funkturm zur Eröffnung der Funkausstellung eingeweiht.

    Traditionell ist die IFA eine Fach- und Publikumsmesse. Mit über 200.000 Besuchern, etwa zur Hälfte Fachbesucher, ist sie eine der größten Fachmessen weltweit.

    Aber nicht in diesem Jahr. Durch Corona hat auch die IFA starke Einschränkungen. Nur etwa 100 Aussteller werden auf dem Messegelände präsent sein, die Zahl der Besucher ist begrenzt und auf Fachbesucher beschränkt. Die vielen Aktionen im Sommergarten, wie Live-Fernsehsendungen und Reportagen vom Gelände werden dieses Jahr ausfallen.

    So wie schon die Gamescom findet der Großteil der IFA in diesem Jahr online statt.

    Einerseits ermöglicht das natürlich eine einfachere Teilnahme für viele Leute, andererseits fehlt der wesentliche Aspekt einer Messe: Der direkte Kontakt, das persönliche Erleben. Hier hat die Digitalisierung Grenzen. Wo die Telekonferenz eine gute Alternative zum Präsenztreffen ist, die Anreise, Übernachtungen und viel Zeit spart, lebt eine Messe gerade davon, dass nicht geplante Kontakte zustande kommen.

    Informationen über Produkte kann man natürlich auch online finden, Vorträge im Stream verfolgen. Was dann aber fehlt, ist das direkte Gespräch mit dem Vortragenden, das haptische Erlebnis das Produkt direkt auszuprobieren.

    Auch bei der IFA gilt also wieder das Beste aus der Situation zu machen, aber vieles wird einfach weg fallen. Leider nicht nur für die Besucher, sondern auch für die Veranstalter und die vielen Dienstleister der Veranstaltungsbranche, von denen viele durch das Sieb der Corona-Hilfen fallen. Es ist dringend notwendig, dass hier nachgebesert wird, gerade kleinen Unternehmen und Solo-Selbständigen effektiv geholfen wird. Sonst werden wir im nächsten Jahr, wenn hoffentlich wieder normale Messen möglich sind, womöglich da stehen und niemanden finden, der Stände aufbaut, Catering macht und die vielen anderen Dinge, die eine Live-Veranstaltung ausmachen.

  • Zum internationalen Tag der Verschwundenen

    Zum internationalen Tag der Verschwundenen

    Mit dem internationalen Tag der Verschwundenen wird alljährlich am 30. August an die Verschwunden erinnert. Anlässlich dieses Tages möchte ich auf die historischen Entwicklungen eingehen und aufzeigen, dass wir PIRATEN als internationale Bewegung der natürliche Gegner dieser Praxis sind.

    Was ist Verschwindenlassen?

    Im internationalen Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen wird der Begriff wie folgt definiert:

    Unter dem Ausdruck «Verschwindenlassen» wird die Festnahme, Haft, Entführung oder jede andere Form von Freiheitsentzug durch Bedienstete des Staates, durch eine Person oder durch Personengruppen verstanden, die mit der Erlaubnis, Unterstützung oder Duldung (billigende Inkaufnahme) des Staates handeln, gefolgt von der Weigerung, die Freiheitsberaubung zu bestätigen, oder von einer Verschleierung des Schicksals oder des Aufenthaltsortes der verschwundenen Person, wodurch sie dem Schutz des Gesetzes entzogen wird. (Internationales Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen, Artikel 2).

    In der Neuzeit und im Mittelalter war die Praxis des Verschwindenlassens zwar auch üblich, aber erfolgte nicht systematisch. Mit dem Aufkommen der Nationalstaaten konnten die Herrschenden nicht einfach Menschen verschwinden lassen, sondern waren plötzlich Regeln der Rechtstaatlichkeit ausgesetzt.

    Systematisches Verschwindenlassen

    Regime wie das Nationalsozialistische in Deutschland im 20. Jahrhundert hatte neben einer Vielzahl von anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch das systematische Verschwindenlassen im Programm. So wurde systematisches Verschwindenlassen beispielsweise in Frankreich praktiziert. Denn man hatte festgestellt: offene Verhaftungen und Prozesse führen zu Märtyrern und das wollte man vermeiden. Mit dem „Nacht und Nebel Erlass“, einem Führererlass vom 7. Dezember 1941, mit offiziellen Namen «Richtlinien für die Verfolgung von Straftaten gegen das Reich oder die Besatzungsmacht in den besetzten Gebieten», wurde Wilhelm Keitel damit beauftragt, gegen «kommunistische Elemente und andere deutschfeindliche Kreise» Maßnahmen zu ergreifen und diejenigen, für die im Normalfall die Todesstrafe vorgesehen war, zum Prozess und zur Aburteilung nach Deutschland zu bringen. Im weiteren Verfahren sollte bei Fragen nach den Opfern nur mitgeteilt werden, dass sie festgenommen worden waren, weitere Auskünfte wurden nicht gegeben.

    https://www.gra.ch/bildung/gra-glossar/begriffe/nationalsozialismus/nacht-und-nebel-erlass/

    Auch ein weiteres Regime, das sich nach den Wirren der Oktoberrevolution 1917 und dem Bürgerkrieg 1922 als Sowjetunion formte, griff auf diese Praxis zurück, die schon zu Zarenzeiten – wenn auch in geringerem Umfang – üblich war. Den Höhepunkt erreichte diese Praxis in der Zeit des Großen Terrors 1937/1938: allein in diesem Zeitraum wurden 1,5 Millionen Menschen verhaftet, von denen manche in Schauprozessen zur Abschreckung abgeurteilt wurden. Die Hälfte wurde erschossen, die anderen in Gulags interniert. Die Angehörigen erfuhren in vielen Fällen nichts über das Schicksal der Opfer – diese verschwanden einfach. In der Sowjetunion unter Stalin waren die Opfer in den Augen des stalinistischen Regimes nicht sozialistisch genug, besonders bei Parteimitgliedern wurde auf die reine Lehre geachtet oder entsprechend denunziert. Weitere Möglichkeiten zu verschwinden waren angebliche Agententätigkeit für ausländische Mächte oder man war Angehöriger einer gerade in Ungnade gefallenen Minderheit. Oft wurden verschwundene Parteimitglieder auch von Fotos getilgt.

    https://www.deutschlandfunk.de/stalins-retuschen.700.de.html?dram:article_id=81139

    Bis zum Tode Stalins war das Verschwindenlassen eine häufig angewandte Methode, die auch in der sowjetischen Besatzungszone zur Anwendung kam – nach übereinstimmenden Angaben von Ingrid Wolf, Karl Wilhelm Fricke und einer Denkschrift des UdSSR-Innenministeriums aus dem Jahr 1990 wurden im Zeitraum von 1945 bis 1955 insgesamt 12.770 Personen, die in den sowjetischen Speziallagern in der SBZ/DDR inhaftiert waren, in die Sowjetunion deportiert.

    https://www.bundestag.de/resource/blob/410284/319de95a49877e778cee081082d5bfa7/WD-1-057-13-pdf-data.pdf

    Zersetzung als subtile Form des Verschwindenlassens

    Später änderte man die Strategie ein wenig und griff auf das Mittel der Zersetzung zurück, welches etwas subtiler Menschen aus der Gesellschaft entfernte. Bei dieser Methodik griff man auf gewonnene Erkenntnisse zurück, um das Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl der Opfer zu untergraben. So wurde gezielt Angst geschürt, Beziehungen zu anderen Menschen untergraben und so Lebenskrisen hervorrufen; das MFS sollte hier aus dem Verborgenen heraus operieren. Durch diesen Ansatz wurden die angeblichen Systemfeinde oder nicht systemkonforme Gruppierungen unter dem Radar isoliert und zum Verschwinden gebracht.

    https://www.bstu.de/mfs-lexikon/detail/zersetzung/

    Grund für das subtilere Verhalten war in der deutsch-deutschen Annährung begründet, zudem wurde durch die Unterzeichnung der KSZE-Schlussakte eine Achtung der Menschenrechte zumindest offiziell nötig, was man auch im Neuen Deutschland, der SED Parteizeitung, publizierte.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Zersetzung_(Ministerium_f%C3%BCr_Staatssicherheit

    Verschwindenlassen in heutiger Zeit

    Anfang des letzten Jahrhunderts wurde die Praxis des Verschwindenlassens in der vom Stalinismus und Nationalsozialismus bekannten Form praktiziert. Später wurde es vor allem in den rechtsgerichteten südamerikanischen Diktaturen genutzt. Beispielsweise verschwanden Tausende von Menschen in Chile und Argentinien.

    https://www.geschichte-menschenrechte.de/konvention-gegen-das-verschwindenlassen/

    Heute kommt das Verschwinden besonders in Staaten vor, in denen sich die staatliche Ordnung auflöst. Beispielsweise während des Krieges in Syrien: zwischen 2011 und 2017 verschwanden schätzungsweise 75000 Menschen. Während des Bürgerkrieges in Sri Lanka verschwanden mehrere 100000 Menschen. Aber auch im Krieg gegen die Drogen in Mexiko, also keinem regulärem Konflikt, sind bisher Zehntausende verschwunden und es werden täglich mehr.

    https://www.brot-fuer-die-welt.de/themen/verschwindenlassen/

    Aber auch in China verschwinden neben Regimekritikern auch Angehörige von ethnischen Minderheiten wie Uiguren oder Tibetern.

    https://www.dw.com/de/wie-china-gefangene-uiguren-zwingt-sich-selbst-zu-bezichtigen/a-53680497

    Konvention gegen das Verschwindenlassen

    Trotz der langen Geschichte des Verschwindenlassens wurde eine entsprechende UN-Konvention erst sehr spät verabschiedet.

    “Internationales Übereinkommen zum Schutz aller Personen vor dem Verschwindenlassen”, oder “International Convention for the Protection of All Persons from Enforced Disappearance (CPED), oder “UN-Konvention gegen das Verschwindenlassen”.

    Die Konvention wurde am 20. Dezember 2006 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossen und ist seit dem 23. Dezember 2010 in Kraft getreten. Sie stellt ein rechtsverbindliches UN-Instrument gegen das Verschwindenlassen jedweder Personen dar. Dabei ist sie unabhängig davon, ob Krieg, Aufstand, öffentlicher Notstand oder welche Ausnahmesituation auch herrscht

    https://www.verschwindenlassen.de/

    Ausblick

    Wir befinden uns in einer Zeit großer Umbrüche. Die Welt verändert sich von einer bipolaren Weltordnung hin zu einer multipolaren. Gerade jetzt wird es wichtig, gegen diese Praxis vorzugehen und diese zu sanktionieren.

    Hier ist es besonders wichtig vor allem die Großmächte darin zu bestärken, dass es in Ihrem eigenen Interesse ist, gegen diese Praxis vorzugehen. Auch internationale Bewegungen wie die PIRATEN müssen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln gegen diese Praxis vorgehen. Insbesondere Piratenthemen wie Transparenz und das Eintreten für Menschenrechte werden gebraucht, um diese Praxis zu bekämpfen.

  • Das Recht auf Selbstbestimmung

    Das Recht auf Selbstbestimmung

    Am letzten Wochenende demonstrierten erneut mehr als Hundertausend Menschen in Minsk gegen die Regierung von Präsident Lukashenko, der sich nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl vor 14 Tagen zum Gewinner ausrief. Die Menschen rufen bei diesen friedlichen Demonstrationen nach Freiheit und fordern freie und faire Wahlen.

    Als Demokraten und Bürgerrechtler ist uns diese Sehnsucht sehr gut bekannt. Die Sehnsucht, dass das Volk darüber entscheidet, wer die Geschicke des Landes und vor allem der Menschen in ihrem Interesse leitet.

    Mittlerweile findet auch in den deutschen Medien die Lage in Belarus mehr Beachtung. Es ist bedauerlich, dass es erst ein Massenphänomen wie die Demonstrationen braucht, um auf Menschenrechtsverletzungen vor der Haustür unserer Europäischen Union aufmerksam zu machen.  Wir sollten daher mit Wachsamkeit verfolgen, was sich in Belarus tut. Gleichzeitig steht es uns nicht zu, die Opposition im Land zu bevormunden. Bereits jetzt haben sie gezeigt, dass sie wissen, was sie tun und ausgewogen vorgehen. Wir können und sollten unsere Unterstützung anbieten, aber nicht unsererseits aktiv eingreifen. Entsprechend des Grundsatzes, den wir auch für uns als Piratenpartei vertreten, nämlich den Menschen zuzuhören. Anschließend können wir, wenn nötig und gewünscht, eine angemessene und für die Betroffenen zielführende Unterstützung leisten. Unterstützung zur Stärkung grundlegender Rechte, insbesondere Menschenrechte, mit dem Ziel der Konfliktvermeidung oder -abbau, damit zwischen den Parteien ein lösungsorientierter Diskurs möglich wird. Hierbei ist der aktuelle Kurs von EU-Parlament und EU-Rat lobend hervorzuheben. Aus dem gleichen Grund ist selbstverständlich auch ein Eingreifen russischer Truppen in diesen innenpolitischen Konflikt ein No-Go und ein Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht der Menschen.

    Genauso wie die Zeit drängt, eine Lösung für die Menschen in Belarus zu finden und hier den Menschenrechten Vorschub zu leisten, gilt das gleiche für die USA. Hier ist in der europäischen Wahrnehmung die Black-Lives-Matter-Bewegung gänzlich aus der Medienöffentlichkeit verschwunden. Die Bewegung gegen Rassismus, Polizeigewalt und Diskriminierung von Afroamerikanern in den USA war nur so lange auf dem Radar der Menschen hier, wie sie aufsehenerregende Bilder produzierte. Dabei ist gerade jetzt meiner Meinung nach von hohem Interesse, wie es weitergeht. Die Bewegung erfuhr einen rasanten Anstieg in Zustimmungswerten und öffentlicher Unterstützung, von zwei Dritteln aller Amerikaner war die Rede. So sollte man daher annehmen, dass nun die Phase gemeinsamen Aushandels beginnen würde. Ein Aushandeln, mit welchen Maßnahmen eine nachhaltige Transformation der Gesellschaft beginnt, um strukturelle Ungleichheit und die Unterdrückung von Schwarzen und Minderheiten allgemein zu beenden. Doch der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf wirft der Bewältigung einen Stock in die Speichen. Während nun dies in einem Land begann, das nicht vor unserer „europäischen Haustür“ ist, können wir dennoch Teil einer Problemlösung sein. Nicht zuletzt, weil wir selber davon lernen können. In den USA gilt es, einen Diskurs der Beteiligten zur Lösung von Rassismus und Gewalt gegen und zwischen Bevölkerungsgruppen zu unterstützen. Und was ich für Belarus sagte, gilt auch hier: Ohne jede Bevormundung oder „Instrumentalisierung“ bevölkerungsspezifischer Probleme bzw. betroffener Gruppen, um eigene politische Ziele durchsetzen zu wollen. Was haben wir als EU oder Deutschland zu verlieren, wenn wir Hilfe anbieten oder ein Angebot zur Vermittlung machen?

    Ich denke aus diesen beiden Beispielen wird deutlich, dass wir als EU oder Deutschland die Möglichkeit haben, weiterhin unsere Rolle in der Welt zu spielen. Wir sind keine Weltmacht, und ausgerechnet dies versetzt uns in die Gelegenheit, eine Vermittlerrolle anzubieten. Eine Rolle, die die Entscheidungshoheit der beteiligten Gruppen respektiert und sogar stärkt, ohne sich in innenpolitische Fragestellungen einzumischen. Denn eine nachhaltige Lösung für die Menschen kann nur von den betroffenen oder beteiligten Menschen selbst kommen. Es ist in einer solchen Situation wie in den beschriebenen Ländern nicht nur unsere Pflicht, keine eigene Interessenspolitik zu verfolgen, sondern vermittelnd aktiv zu sein. Es ist das Recht der Menschen vor Ort, ihre Konflikte selbst lösen zu dürfen, so lange eine Aussicht auf Erfolg besteht.

    Dieses gleiche Recht nehmen wir für uns auch selbst in Anspruch, wenn wir eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Deutschlands und Europas entschieden ablehnen, wie beispielsweise im Fall von Nord Stream 2, da es sich um eine innereuropäische Angelegenheit handelt, für die durch Gespräche zwischen den betroffenen EU-Partnern eine Lösung zu finden ist.

  • Über Melderegisterauskünfte an Parteien

    Über Melderegisterauskünfte an Parteien

    Am 13.09. sind Kommunalwahlen in NRW, und das macht sich langsam bemerkbar. Ob Infostände, Plakatierung, Flyeraktionen oder vermehrte Präsenz auf Social Media: Es ist Wahlkampf.

    Und einige von euch – gerade die Erstwähler – hatten möglicherweise einen personalisierten Brief im Briefkasten.
    Aber Moment mal? Woher haben die Parteien eigentlich diese Daten? Seitdem die Übergangszeit zur Datenschutzgrundverordnung 2018 entgültig abgelaufen ist, stieg die Sensibilität für den Datenschutz innerhalb der Bevölkerung merklich an.
    In meiner Funktion als behördliche Datenschutzbeauftragte erhalte ich immer wieder Anfragen von Bürgern, wieso und in welchem Umfang die Kommune personenbezogene Daten verarbeiten darf, und das vor allem, ohne um Erlaubnis zu bitten.
    Kurz und extrem vereinfacht: Für die meisten Aufgaben der Kommunen existiert eine Rechtsgrundlage. So auch hier.

    Auskunft über Meldedaten nach §50 BMG und §44 BMG erlaubt

    Parteien, Wählergruppen und Bewerber dürfen in den 6 Monaten vor der Wahl folgende Daten der Wähler gegen eine Gebühr anfragen:

    • Familienname,
    • Vorname,
    • Doktorgrade,
    • Anschrift,
    • sofern die Person verstorben ist, diese Tatsache.

    Es handelt sich dabei um eine sogenannte “Einfache Melderegisterauskunft”, welche durch den §50 Bundesmeldegesetz legitimiert wird.

    Wie läuft die Datenabfrage?

    Zuallererst: Allgemeine Anfragen sind ausgeschlossen. Die Anfrage muss gruppenweise nach Alter der betroffenen Wähler erfolgen. Ein Beispiel für eine Anfrage wäre: “Alle Adressen der Erstwähler zwischen 18 und 22”.
    Die Behörde entscheidet dabei nach “pflichtgemäßem Ermessen”. Das bedeutet, dass die Verwaltung im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten prüft, ob und inwieweit sie die Anfrage beantwortet. In dem konkreten Fall bezieht sich die Prüfung dann darauf, ob die Kriterien eng genug gewählt sind.

    Wofür dürfen die Parteien die Daten verwenden?

    Der Antragssteller muss die Daten einen Monat nach der Wahl löschen und darf sie auch nur zur Wahlwerbung verwenden.

    Muss ich akzeptieren, dass meine Daten herausgegeben werden?

    Der Übermittlung der Daten kann man widersprechen. Darauf müssen die Kommunen sowohl einmal jährlich durch ortsübliche Bekanntmachung und bei der Anmeldung im Bürgerbüro hinweisen.
    Das Problem dabei ist: Obwohl die Kommunen der Informationspflicht nachkommen, wissen viele Einwohner nicht Bescheid. Das führt zu Unmut und Vertrauensverlust gegenüber Politik und Verwaltung.

    Gibt es noch weitere Gründe, dass meine Daten herausgegeben werden?

    Melderegisterauskünfte können ebenfalls zu festgeschriebenen Ehe- oder Altersjubiläen, Mandatsträgern, Presse und Rundfunk, sowie Adressbuchverlage bei Bürgern ab Vollendung des 18. Lebensjahres erteilt werden.

     

    Wir PIRATEN verteidigen das Recht auf informelle Selbstbestimmung auf allen Ebenen, ob im Stadtrat oder Europaparlament.

    Zeit für Selbstbestimmung.
    Zeit für PIRATEN.