Noch immer ist Deutschland von der Corona-Pandemie gebeutelt. Querdenker, Impfgegner und Neonazis versuchen verzweifelt, eine Untergangsstimmung zu suggerieren, indem sie z. B. von einer Merkel-Diktatur reden, von der neuen Weltordnung und Mainstream-Medien. Natürlich stimmt das nicht. Es gibt keine Diktatur, keine neue Weltordnung und keine Mainstream-Medien die das unterstützen.
Doch die Impfquote steigt und so ganz langsam beginnt das Leben, sich zu normalisieren. Es finden wieder Konzerte statt, Fußballstadien dürfen wieder besucht werden und erste Messen werden ausgerichtet. So auch die IAA. Eine der fünf größten Automessen der Welt.
Mit der IAA werden plötzlich die Auswirkungen von Gesetzen sichtbar, die durch zwei Jahre Pandemie bisher kaum eine Chance hatten, zutage zu treten.
Jetzt, mit dem Beginn einer Normalisierung unseres Lebens, werden die ersten Auswirkungen dieser Gesetze sichtbar, die angeblich wegen des Terrorismus angepasst werden mussten. Nicht, dass eine solche Anpassung nicht nötig gewesen wäre: Aber wie so oft, ist man in einigen Fällen weit am Ziel vorbeigeschossen.
So kommt es, dass auf einmal Journalisten festgesetzt werden, sogar eine „Gefährderansprache“ erhalten.
Gefährder!
Journalisten sind also plötzlich „Gefährder“?
Sie sind die vierte Gewalt im Staat. Ihre Aufgabe ist unter anderem, die Menschen zu informieren und so, auch mittels Kritik, eine Diskussion im Staat unter den Bürgern zu ermöglichen. Sie sind wichtig.
Doch sie sind auch eine Gefahr. Zumindest scheinen einige Politiker dieser Ansicht zu sein. Und diverse, meist rechtsextreme Organisationen drohen völlig unverhohlen mit der „Zeit der Abrechnung“.
Journalisten sind keine Terroristen, aber sie könnten sich kritisch äußern, Fotos von lachenden Menschen veröffentlichen oder aufzeigen, dass eine Automobilmesse von einigen Menschen bedenklich betrachtet wird. Solche Proteste zu begleiten, sollte zu den Aufgaben von Journalisten gehören. Der Staat sieht das anders – und verhaftetsie stattdessen.
Schon seit längerem ist klar, dass Journalisten bei der Polizei eher ungeliebt sind. Übergriffe von Demonstranten auf Journalisten werden nur halbherzig oder gar nicht verfolgt. Polizisten hindern sie am Filmen und Fotografieren oder greifen sie sogar an. Fernsehcrews filmen mit Leibwächtern. Die Rede von den Mainstream-Medien, die die neue Weltordnung unterstützen, kann so wohl kaum aufrecht erhalten werden.
Politiker aus den konservativen Lagern stellen Journalisten als Linke dar. Sie fördern damit das Denken, dass Journalisten nicht zu trauen sei. Einige Medien, allen voran der Axel Springer Verlag, fördern es ebenfalls durch die Verbreitung von sogenannten FakeNews (Lügen).
Bleibt abzuwarten, was erst passiert, wenn Fußballfans wieder in großen Zahlen in die Stadien strömen. Sie werden ebenso gerne als Gefährder angesehen.
Und was ist mit der Aussage (z.B. von Querdenkern), in Deutschland herrsche eine Diktatur?
Eine meiner Sorgen war es, dass mit dem Einzug von Neonazis in die Parlamente, diese auch irgendwann regieren könnten. Doch vielleicht sind ja deren Sympathisanten schon längst in Amt und Würden. Wenn es nicht mehr möglich ist, Kritik zu äußern oder über Kritik zu berichten, ohne dass man dafür belangt wird, zum Gefährder wird, dann ist etwas faul in dieser Demokratie.
Es wird Zeit für einen Wechsel in der Politik. Und nur ihr könnt das ändern. Bei jeder Wahl, die stattfindet, habt ihr die Möglichkeit dazu.
Geht wählen! Habt Mut, mal bei einer anderen Partei euer Kreuz zu setzen, außer bei den sechs Parteien links von „Sonstige“.
Es gibt kein taktisches Wählen. Keine verschenkte Stimmen. Zeigt auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, dass es Zeit für Transparenz ist. Zeit, etwas gegen Korruption und Machtmissbrauch zu unternehmen.
Ein Beitrag von Alex Kohler, Themenbeauftragter Außenpolitik
Das Ziel Deutschlands in seiner Außen- und Sicherheitspolitik sollte es in erster Linie sein, die Zusammenarbeit in diesem Bereich in Europa zu fördern und gemeinsame europäische Sicherheitsinteressen zu verfolgen. Das bedingt auch, Rücksicht auf seine EU-Partner zu nehmen. Vollmundig wird besonders bei der SPD und im SPD-geführten Außenministerium eine gemeinsame europäische Außenpolitik propagiert, das exakte Gegenteil wird hier jedoch betrieben. Wie auch in anderen Bereichen, in denen Resilienz gefragt ist [1] , wie dem Katastrophenschutz oder der Vorbereitung auf Pandemien, erwartet man von staatlicher Seite, dass Gefahren frühzeitig erkannt, vorausschauend agiert, und koordiniert mit Partnern Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Aktive Spaltung der EU
Exemplarisch kann bei einem Thema beobachtet werden, wie man von deutscher Seite aktiv an Möglichkeiten der Erpressbarkeit und der Spaltung selbst mitarbeitet – die Rede ist von dem Erdgaspipeline-Projekt Nord Stream. Jetzt fragt man sich:
Was hat dieses, vor allem von SPD-Ministern, SPD-Landesregierungen (und ehemaligen SPD-Ministern und -Ministerpräsidenten) so hochgelobte, als Brücke und Friedensprojekt beworbene und bejubelte Projekt, mit so finsteren Worten wie Erpressungspotential zu tun?
Warum baut man die Pipeline – bereits beginnend mit Nord Stream 2004 – in der Ostsee direkt zwischen Deutschland und Russland?
Warum kann keine „Brücke“ über die Staaten Ost- und Zentraleuropas gebaut werden?
Wieso nutzt man nicht die (seit den 70er Jahren) bestehenden Trassen und baut hier weitere Pipelines zur Kapazitätserweiterung, wenn dies tatsächlich notwendig wäre?
Warum ist der Kreml an der Umsetzung dieses Projektes (seit 20 Jahren) so interessiert, dass alles getan wird, um es zu ermöglichen, und dafür ein Ex-Bundeskanzler und seine Partei-Seilschaften eingebunden werden?
Im Folgenden wird das etwas klarer. Die Kontrolle über Verkehrswege, Pipelines, auch Stromtrassen war schon immer eine Möglichkeit, politischen Einfluss zu nehmen, ganz nach dem alten – auch geopolitisch gültigen und angewandten – divide et impera (lateinisch: teile und herrsche). Nun fragt man sich, was hat eine Pipeline damit zu tun? Das ist leicht erklärt, indem man die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland betrachtet und sich vor Augen führt, dass Nord Stream 2 (NS2) faktisch unsere ost- und zentraleuropäischen EU-Partner umgeht. Diese Pipeline gibt Russland die Möglichkeit, sehr große Gasmengen direkt nach Deutschland zu liefern. Die Lieferung ist zwar langfristig vielleicht nicht sinnvoll, aber Gas ist als Brücken-Energieträger eingeplant, um den Wegfall von Kohle bis 2037 und Atomenergie bis Ende 2022 zu kompensieren. Allerdings würde eine einseitige Abhängigkeit und eine „Brückensperrung“ – egal von welcher Seite – zu Herausforderungen für Deutschland führen. Zudem können die Gaslieferungen im Falle eines Konflikts von Kremlseite gezielt zur Spaltung der EU genutzt werden, indem man Deutschland exklusiv beliefert, seine osteuropäischen Nachbarn aber nicht. Besonders interessant wird es, wenn die Speicherkapazitäten (intensiv von Gazprom und anderen russischen Playern aufgekauft bzw. durch Mehrheitsbeteiligungen kontrolliert) im Süden Deutschlands und angrenzend in Österreich aktuell fast leer sind und man kurzfristig größere Mengen Gas benötigt. Tatsächlich ist der Füllstand der Untertage-Erdgasspeicher in Deutschland und Österreich in diesem Jahr so niedrig wie noch nie [2] – ein Schelm, wer Böses dabei denkt, besonders wenn man von russischer Seite keine Leitungskapazitäten durch die Ukraine und Belarus/Polen mehr für die nächsten Monate gekauft hat.
Geopolitische Kurzsichtigkeit & Seilschaften
Das Projekt NS2 wurde nach Vorplanungen 2014 von der Nord Stream AG gestartet und in Folge vom damaligen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) (jetzt Chef der Atlantikbrücke) und seiner Nachfolgerin Brigitte Zypries massiv unterstützt. Es wurde von Anbeginn, wie schon zuvor Nord Stream, als reines Wirtschaftsprojekt propagiert. Dies sah man in den Nachbarländern allerdings kritischer und versuchte, auf verschiedenen Wegen und Ebenen mit Deutschland ins Gespräch zu kommen, um auf die geopolitische und die monopolbildende Tragweite des Projekts hinzuweisen. Im Außenministerium wie im Wirtschaftsministerium stellte man sich taub, was nicht unbedingt auf einen Mangel an Analysefähigkeit zurückzuführen ist [3].
Hier muss es also direkt aus dem Bereich der dort installierten SPD-Seilschaften – früher Steinmeier, später Gabriel, heute Maas – theoretisch von oberster Ebene einen Maulkorberlass gegeben haben. Anders ist es faktisch nicht zu erklären, dass hier kein Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftsprojekt und der geopolitischen und marktdominierenden „Waffe“ erkannt wurde, die den EU-Sicherheitsinteressen massiv schadet.
Zwei deutsche Ministerien arbeiteten von 2015 bis 2018 eng zusammen, um das Projekt auf Bundesebene zügig durchzupeitschen – unter der Leitung von Steinmeier, Gabriel, Zypries und später Maas – und stellten dabei auch entscheidende Weichen für die Energiewende, die im Kern auf der von der Nord Stream AG schon länger propagierten “Brückentechnologie” Erdgas und damit einer Versorgungsabhängigkeit von NS2 basiert. Seitens der Nord Stream AG wurde das Projekt durch den seit 2006 als Vorsitzenden des Aktionärsausschusses der Nord Stream AG (ab 2016 auch Vorsitzender des Verwaltungsrates der Nord Stream 2 AG) fungierenden Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder (den nach eigener Darstellung eine starke Männerfreundschaft mit dem russischen Präsidenten verbindet) als Steuermann lobbyiert, promotet und koordiniert. EU-Partner wie Polen meldeten (ab Ende 2015) frühzeitige Bedenken an und suchten zunächst das Gespräch. Seitens der Bundesregierung stellte man sich konsequent taub, verwies auf den vorgeblich rein wirtschaftlichen Charakter des Projektes und torpedierte somit jede Möglichkeit, die geopolitischen Risiken des Projektes zu begrenzen oder ganz zu entschärfen. Zudem wurde von deutscher Seite ein polnisches Projekt behindert, dass es Polen ermöglicht hätte, über Deutschland Gas, u.a. von NS2 zu beziehen und dafür eine bestehende Leitung auszubauen. Polen blieb somit nur die Möglichkeit, Kartellverfahren einzuleiten und vor dem EuGH Klage einzureichen; Deutschland erlitt in diesem Verfahren eine herbe Niederlage; am 15.07.2021 lehnte der EuGH auch die von Deutschland eingereichten Rechtsmittel ab [4].
Die sturen Handlungen der deutschen Regierung gegen EU-Sicherheitsinteressen (was durch Beschlüsse des Europäischen Parlamentes bestätigt wurde) grenzen an Heuchelei. Einerseits gibt man sich europäisch, auf der anderen Seite pflegt man Seilschaften, handelt offenkundig kurzsichtig und verweigert EU-Partnen und Nachbarn den Dialog.
Krieg ist Frieden bei der SPD
Besonders interessant wird es, wenn man sich ansieht, mit welcher Hingabe SPD-Politiker wie beispielsweise Matthias Platzeck, der ehemalige Ministerpräsident von Brandenburg und auch mitverantwortlich für das Flughafendebakel in Berlin, oder die jetzige Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig und ihr Vorgänger im Amt als Regierungschef in Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering, oder aber der jetzige sehr geschätzte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (in der Entscheidungsphase von NS2 Außenminister) in höchsten Tönen NS2 als Friedensprojekt bejubeln [5]. Das Gegenteil ist der Fall, wenn man sich die Fakten genauer anschaut. Wie zuvor erläutert, wurde von den EU-Partnern in Osteuropa auf jeglicher Ebene moniert, dass sie eine geopolitische Waffe zur Spaltung Europas fürchten. Entschärfungsversuche sowohl diplomatisch als auch durch vorgeschlagene bauliche Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit der osteuropäischen Partner, wurden von Seiten der SPD-Ministerien – so wirkt es jedenfalls auf Partner im Baltikum, Polen, Tschechien und weiteren verbündeten Ländern – aktiv blockiert. Auch auf einer anderen Ebene wirkt das Friedensprojekt eher wie eine Analogie zum Roman 1984, in dem der Ausdruck „Krieg ist Frieden“ geprägt wurde.
Man kann Russland sein Handeln wirklich nicht vorwerfen; Russland setzt klar auf Real- und Geopolitik und nutzt in der Tradition von Carl Schmitt [6] jede sich bietende Möglichkeit, um sein Einflussgebiet zu erweitern und zu festigen [7] . Unabhängig davon, ob das Vorgehen von deutscher Seite Einfältigkeit oder Absicht war, so hat NS2 jetzt substanzielles Potenzial, die Spaltung der EU (weiter) zu betreiben und eine Einmischung von Deutschland in Konflikte in Gebieten, in denen Russland Hegemonieansprüche stellt, auf Seiten der EU zu verhindern – Deutschland als EU- und NATO-Partner also quasi zu neutralisieren. Wenn der Winter naht, ist man sich in Deutschland gewiss selbst am nächsten. Was interessieren da die Länder in Ost- und Zentraleuropa, wenn man über die Friedensbrücke North Stream 2 Gas beziehen und in der warmen Stube sitzen kann. Natürlich kann man diese Option von russischer Seite sicher einmal nutzen; besonders in Kombination mit sehr leeren Erdgasspeichern.
Interessant wird es auch, wenn man sich die zeitlichen Zusammenhänge zwischen dem Beginn des Ukraine-Krieges 2014 und dem offiziellen Projektstart von NS2 2015 anschaut. Gelegenheit macht Diebe, aber was interessiert die SPD die Stabilität Europas oder die Glaubwürdigkeit Deutschlands, wenn dem Genossen die Wirtschaftsinteressen so nah sind. Normalerweise müsste Deutschland gerade jetzt für unsere osteuropäischen Nachbarn – aufgrund unserer Geschichte – der zuverlässigste Partner sein [8]. Die Zielsetzung Russlands müsste eigentlich allen Beteiligten schon im Jahr 2000 klar gewesen sein, als der damalige Vorstandsvorsitzende von Gazprom Rem Wjachirew sagte: „Ich werde die Pipeline zur Umgehung der Ukraine fertig stellen, noch während ich lebe.“ (er meinte damals das gesamte Projekt – Nord Stream und Nord Stream 2) [9].
Die aktuelle Lage
Eine Leitung von NS2 ist seit Juni 2021 fertig gestellt, die zweite Leitung soll im September fertig werden, die letzten Kilometer Rohr werden in der Ostsee verlegt. Damit ist das Projekt fast fertiggestellt und Putin drohte der Ukraine bereits im Juni auf dem Petersburger Wirtschaftsforum – unter reger Beteiligung von Persönlichkeiten aus der deutschen Wirtschaft und Politik. Zudem droht der Kreml jetzt offen anderen, beschwört die Vereinigung mit der Ukraine (also deren Anschluß) [10] und stimmt Militär und Bevölkerung auf einen möglichen militärischen Konflikt ein. Denn die Zielsetzung, das Zerbrechen der Sowjetunion zu revidieren und Russlands Grenzen, zumindest den hegemonialen Einfluß, wieder auf die „alten“ Grenzen des russischen Imperiums auszudehnen, erscheint tief in den Zielen des Kreml verankert. Dabei dürfte auch die Erkenntnis, dass man sich nur zusammen mit den Ressourcen der Ukraine und anderer Ländern in der Lage sieht, den sich abzeichnenden Herausforderungen durch China gewachsen zu sein, mit eine Rolle spielen. Natürlich möchte man auch (wieder) eine geopolitische Pufferzone gegenüber dem Westen etablieren, welche man verloren glaubt. Deshalb ist es nachvollziehbar, dass seitens des Kreml schon länger ein strategisches Erpressungspotential gegen Deutschland aufgebaut wird, um es für politischen Druck gegen Deutschland und gleichzeitig Schwächung der westlichen Nachbarn Russlands zur Durchsetzung seiner Interessen einzusetzen. Dies wird deutlich, wenn wir uns eine Situation vor Augen führen, bei der unsere östlichen Nachbarn in Polen, Tschechien, dem Baltikum aber auch der Ukraine gezielt von der Belieferung ausgeschlossen werden, während Deutschland gezielt weiter beliefert wird. Früher saß man in einem Boot und war gezwungen und auch gewillt, gemeinsam mit den anderen betroffenen Ländern im Ernstfall Druck auf Russland auszuüben. Mit NS2 kann und wird man sich bei einer Warnung aus Moskau gepflegt zurückhalten. Verbunden mit der Kontrolle über Gasspeicher könnte Russland also ein erhebliches Erpressungspotential aufbauen. Seit dem Kaukasus-Krieg 2008, ganz deutlich seit der Krim-Annexion 2014, ist erkennbar, dass der Kreml bereit und gewillt ist, die Durchsetzung seiner geopolitischen Interessen konsequent und gezielt unter Einsatz all seiner verfügbaren Mittel zu betreiben. Auch verbal lassen Regierungsmitglieder und offizielle Vertreter aus Moskau keine Zweifel an den Zielen aufkommen. Die Gasspeicher sind leer, die Leitungen werden gekappt, der Winter steht an und die Bevölkerung könnte nicht heizen oder müsste gar kalt duschen. Eine Bundesregierung würde hier recht vorsichtig sein, wenn die warme Dusche wegfallen würde, aber man könnte ja auch die Hände in Unschuld waschen: das hätte ja niemand ahnen können. Aktuell hat Gazprom auch keine Leitungskapazitäten für die Durchleitung von Erdgas durch die über Belarus/Polen und die Ukraine laufenden Gasleitungen für das 4. Quartal 2021 und die ersten drei Quartale 2022 gebucht (!!) – wir können uns also schon einmal darauf einstellen, was auf uns zukommen kann. Die derzeitige Bundesregierung wird dann übrigens nicht mehr im Amt sein.
Falls Russland tatsächlich beabsichtigt, den Anschluss der Ukraine oder ein Teilen der Ukraine erzwingen zu wollen [8], um dem Ziel, Russland in den alten Grenzen der Sowjetunion wiederherzustellen bzw. jenen Bereich zu kontrollieren, näher zu kommen, so sind Androhung oder gar Einsatz der vorbeschriebenen Machtinstrumente gewiss nicht unwahrscheinlich.
Partnerschaft in Europa
Deutschlands Partner und Nachbarn in Ost- und Zentraleuropa müssen es wirklich mit der Angst zu tun bekommen. Nicht nur ihre geografische und historische Wahrnehmung ist durch die Tatsache geprägt, dass sie immer wieder zwischen Deutschland/Österreich/Preussen einerseits und Russland andererseits zerrieben, zerteilt und verkauft wurden. Auch die aktuellen „Brückenbau“-Aktionen, ergänzt durch eine sich über 10 Jahre fluktuierend doch stetig entwickelnden Appeasementpolitik im Angesicht einer sich steigerndem Aggression des Kremls gegenüber unseren Nachbarn (aber auch den Menschen in Russland), die faktisch dem Kreml in die Hände spielt, steigert gewiss nicht das Vertrauen bei unseren östlichen Nachbarn in die Zuverlässigkeit Deutschlands. Besonders dann nicht, wenn Berlin immer wieder den Dialog mit Russland sucht, gleichzeitig aber einen Dialog mit unseren direkten Nachbarn und Partnern – zumindest bezüglich NS2 (und Energieversorgung) – konsequent verweigert oder sie mit freundlichen Gesten zu versichern versucht. Ob es nun Absicht oder nur Unfähigkeit und grobe Fahrlässigkeit ist, all dies hat stark mit zu dem derzeitigen Tiefpunkt im Ansehen der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik in Osteuropa beigetragen. Es sollte daher nicht verwundern, wenn im Ausland eine bewusste Zusammenarbeit der genannten beteiligten SPD-Minister mit dem Kreml befürchtet wird; ein Misstrauen, das bisher nachvollziehbar den Parteien am linken oder rechten Rand vorbehalten war.
Gewiss denkt man im Ausland auch gleich über Korruption, mafiöse Strukturen und alte DDR-Seilschaften nach, wenn man sich die Gemengelage anschaut. Besonders nach dem Aussenministertreffen des Europarates in Helsinki am 17. Mai 2019 verfestigte sich der Eindruck bei unseren östlichen Nachbarn, dass sie verkauft würden. Dort wurde die von Deutschland initiierte und maßgeblich durch Aussenminister Maas lobbyierte Rückgabe des Stimmrechtes an Russland im PACE (parlamentarische Versammlung des Europarates) gegen die Stimmen der östlichen Nachbarn Deutschlands und anderer Staaten beschlossen [11]. Der Europarat hatte Russland das Stimmrecht in Folge der Krim-Annexion und der Unterstützung der Abspaltung der Ostukraine (Ukraine-Krieg) 2014 entzogen. Mit Rückgabe des Stimmrechtes im PACE wurde Russland von Deutschland und seinen Unterstützern signalisiert, dass man sich mit der Annexion der Krim und dem Krieg im Donbass zumindest in Berlin de facto abgefunden hat.
Zudem wurde der aktuelle NS2 Deal zwischen Deutschland und den USA, der vorgeblich ausgehandelt wurde, um die Sicherheitsinteressen der Ukraine zu berücksichtigen, in Deutschland als Erfolg der deutschen Aussenpolitik gefeiert – von unseren Verbündeten wird er hingegen als Sieg Russlands verstanden. Weder die Ukraine, noch unsere östlichen Nachbarn, wurden in die Verhandlungen einbezogen – sie wurden auch hier bewusst von Berlin aussen vor gelassen. Tatsächlich wurde die Ukraine vor jeglicher Kritik an dem Deal mit dem deutlichen Hinweis, dass dies die für die Ukraine vereinbarten Sicherheiten und Kooperationsangebote im Bereich von Technologien für den Klimawandel und Einbindung der Ukraine in europäische Energienetze gefährden würde, gewarnt. Damit es überhaupt zu dem Deal kam, musste Deutschland von den USA faktisch gezwungen werden, Zugeständnisse an die Ukraine zu machen. Bei der Vereinbarung handelt es sich noch nicht einmal um einen international bindenen Vertrag, tatsächlich einforderbare Sicherheiten werden der Ukraine damit nicht gewährt. Ob die vereinbarten Zugeständnisse an die Ukraine im Fall einer Eskalation des Konfliktes mit Russland von deutscher Seite auch eingehalten würden, ist wieder eine andere Frage. So klingt der Satz „… deswegen werden wir vielleicht – im Kontext mit dem „Green Deal“ – mehr Gas von anderen Ländern wie der Sowjetunion benötigen“, den Dr. Altmeier als Wirtschafts- und Energieminister auf einer Pressekonferenz am 7. Juli 2020 sagte, fast prophetisch. Auch wenn es offensichtlich ein Versprechen war, so zeigt es doch, was ihm seine SPD-Vorgänger in Sachen Energiepolitik und NS2 bei Amtsübernahme 2018 hinterlassen haben.
Damit verdeutlicht NS2 das allgemeine und systematische Versagen der drei letzten Regierungen Merkels, insbesondere im Außen-, Wirtschafts- und Energie- sowie Finanzministerium in den Bereichen Energiewende, Klimaschutz, europäische Zusammenarbeit, Sicherheit und Stabilität in Europa, Menschenrechten sowie Außen- und Sicherheitspolitik – wobei die Hauptakteure aus dem Kreis der SPD bzw. deren direkten Umfeld stammen. Und dass Bundeskanzlerin Merkel es bewusst mitgetragen hat. Botschafter Wolfgang Ischinger merkte am 22.07.2021 an, dass er über den Vertrauensverlust bei Partnern und Nachbarn stark verunsichert sei, dass diese einen seit 1990 noch nie dagewesenen Tiefpunkt in der deutschen Ostpolitik darstelle [12].
Wir PIRATEN stehen hier aber ganz klar in Opposition zu solchen Machenschaften, denn wir stehen zu unseren osteuropäischen Nachbarn. So unterstützen wir auch unsere Kollegen in z.B. der tschechischen Piratenpartei, denn das Sicherheitsinteresse Tschechiens oder Polens oder anderer Partner ist auch das Sicherheitsinteresse der Piratenpartei Deutschland. Wir sind die erste Partei mit einem gesamteuropäischen Wahlprogramm und leben Europa.
Und im übrigen bin ich der Ansicht, dass die SPD keinerlei Positionen mit Bezug zu Außen- und Sicherheitspolitik besetzen sollte. Selbst 5 % sind zu viel für eine Partei, die so dermaßen europäische Sicherheitsinteressen und Werte systematisch untergraben und verraten hat. Deutschland wirkt von außen wie eine korrupte Bananenrepublik. Wenn man sich vielleicht noch bei den im Nawalny-Video gezeigten Machtstrukturen Russlands Gedanken machen würde, würde auch auffallen, dass diese ziemliche Übereinstimmungen und Verflechtungen auf deutscher Seite haben. Es wird sich zeigen, dass diese sich bestimmt bis zu Nord Stream 2 fortschreiben lassen, denn die Protagonisten gleichen sich.
Ein Beitrag von Anja Hirschel, Themenbeauftragte Digitaler Wandel
Seit dem 1. August 2021 ist es soweit: Uploadfilter sind verpflichtend.
Natürlich wird das Internet nicht implodieren, aber verändern wird sich vieles – und erst mit der Zeit werden sich die Folgen abzeichnen.
Wir waren gemeinsam auf der Straße und haben gegen die Einführung einer Überwachungsinfrastruktur protestiert. Menschen haben sich für Politik begeistert, weil wir nicht den schönen Versprechungen nach Schutz für Content Creator ohne jegliche Nachteile glauben. Nein, wir sehen, dass unsere freie Meinungsäußerung gefährdet wird, dass gerade kleinere Künstler faktisch gezwungen werden können, einem Lizenzverbund beizutreten. Ich möchte all unsere Argumente jetzt gar nicht wiederholen.
Wir haben unserer Meinung in vielen Demos Stimme verliehen – wurden als Bots bezeichnet! – und haben Millionen Unterschriften an die Europaabgeordnete Barley übergeben.
Wir wurden nicht gehört.
Die Europaabgeordneten sind umgekippt, haben den Artikel 17, vorher Artikel 13, angenommen. Sogar damals haben sie uns noch versichert, die Reform würde ohne Filter umgesetzt. Wir sollten doch Vertrauen in die Parteien haben.
Leicht gesagt, schwer getan, wenn jedem IT-ler bereits klar war, dass die Umsetzung ohne Uploadfilter rein technisch nicht machbar ist. Wie soll eine Plattform die engen Zeitvorgaben einhalten, wenn nicht durch Automatisierung? Wer kann ihnen einen Vorwurf machen, wenn sie die Filter als Service einkaufen, anstatt mühsam selbst zu implementieren?
Genau so entstehen zentralisierte Filterdatenbanken. Als Service. Leicht an die Bedürfnisse anzupassen.
Wenn die Hoffnung der Vernunft widerspricht, bleibt nur zu hoffen dass die Dystopie und der mögliche Missbrauch dieser mächtigen Instrumente nicht die Auswirkungen zeigen, die wir befürchten. Es ist uns ein Anliegen, weiterhin aufmerksam die Entwicklungen zu verfolgen und – wenn möglich – zu gestalten. So, wie unter anderem unsere Piraten im Europaparlament es unermüdlich tun.
Ist Filtersoftware erst einmal implementiert, kann sie jederzeit missbraucht werden: Erlaube deiner liebsten Regierung nur das, was du auch der am schlimmsten denkbaren Regierung erlauben würdest.
Nicht nur damals, sondern auch heute ist der Drang der Menschen nach Freiheit und einem selbstbestimmten Leben das, was sie immer wieder zu Demonstrationen und Aufständen auf die Straßen treibt. Gerade die aktuellen Ereignisse in der Welt zeigen uns, dass Zivilisten bereit sind, sich gegen die Entscheidungen und das Handeln der eigenen Regierung zu stellen. Die aktuellen Bilder aus Belarus und Myanmar zeigen uns aber auch, dass noch immer Menschen durch Gewalt von Staatsorganen an ihrem Streben nach Freiheit gehindert werden.
Schauen wir zurück auf die Ereignisse des 17. Juni 1953, schauen wir zurück auf diejenigen, die damals den Mut aufgebracht haben, für ihre Freiheit zu kämpfen. Und auf einen Volksaufstand, initiiert und getragen vor allem von der Arbeiterklasse, dessen Hauptziel, nämlich die Freiheit der Bürgerinnen und Bürger von der Diktatur der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, erst 1989 durch den Mauerfall erreicht wurde.
Die Bilder des blutigen Eingreifens der sowjetischen Armee sind aus den Geschichtsbüchern und auch durch die vielen Erzählungen der Zeitzeugen noch immer sehr präsent. Es liegt an uns, diesen Tag, welcher bereits im August 1953 per Gesetz in der Bundesrepublik Deutschland zum „Tag der Deutschen Einheit“ ernannt wurde, in Erinnerung zu behalten.
Der 17. Juni soll an die Menschen erinnern, die für ihre Rechte und ihre Freiheit gekämpft haben und besonders auch an die vielen Todesopfer [1], die an diesem Tag im Kampf für ihre Freiheit ihr Leben verloren oder in der Folge durch reguläre Gerichte der DDR und Standgerichte der Sowjetarmee hingerichtet wurden.
Seit der Wiedervereinigung ist der 17. Juni für uns ein Tag des Gedenkens. Wir wollen uns ins Bewusstsein rufen, welch hohe Werte Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie sind.
Der 17. Juni ist aber auch ein geeigneter Tag, um daran zu erinnern, dass Demonstrationen für Freiheit, Gleichberechtigung und Mitbestimmung ein Grundrecht sind, welches verteidigt werden muss. Von uns allen. Egal ob auf dem Taksim-Platz in der Türkei, in Hongkong oder in Belarus.
Doch was ist Freiheit, dazu Frank Grenda, Politischer Geschäftsführer der Piratenpartei Deutschland:
„An den Tagen wie heute geht es gerade darum, was der Staat tun und lassen soll, um jedem Menschen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen. Wie bereits Philosoph Isaiah Berlin mal sagte: „frei sein“ bedeutet nicht nur die Gleichstellung vor dem Gesetz, sondern auch die Befähigung, Chancen nutzen zu können und keine unüberwindbaren Hürden im Weg zu haben. Natürlich ist dies eine idealtypische Vorstellung von Freiheit, daher sollten solche Tage dafür genutzt werden zu überlegen, wieviele Menschen auf dieser Erde diese Freiheit eben nicht haben.“
Sebastian Alscher, Stefano Tuchscherer, Frank Grenda
Viel wurde diskutiert über die notwendigen Schritte zur Verbesserung der Pflege in Deutschland. Nun will das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) eine Reform auf den Weg bringen.
Das Rückgrat der beruflichen Pflege sind engagierte Pflegekräfte, obgleich auch Angehörige wichtige Aufgaben in der Pflege zu Hause übernehmen. Mit fortschreitendem demografischen Wandel werden derweil zunehmend mehr Personen nötig, um Pflegebedürftige fachkompetent betreuen und pflegen zu können – und das auch zu Hause.
Zu wenige Pflegekräfte, zu schlechte Bezahlung
2019 wurde mit der Konzentrierten Aktion Pflege (KAP) der Versuch unternommen, das Personal in der beruflichen Pflege aufzustocken. Allerdings sind die zusätzlich geschaffenen Stellen bei weitem noch nicht besetzt. Der Arbeitsmarkt der Pflegefachkräfte ist seit Jahren leer gefegt, gerade im Bereich der Langzeitpflege. So ist die Wirkung des KAP nur sehr begrenzt.
Das BMG sieht eine Chance zur Ausbildung in digitalen Pflegekursen [1] zur Weiterentwicklung des Ehrenamtes und zur Selbsthilfe. Grundsätzlich kein schlechter Weg für pflegende Angehörige, aber bitte nicht als Ersatz der professionellen Pflege! Ehrenamtsstrukturen dürfen in einem Bereich, in dem es um Menschenleben geht, höchstens unterstützend sein. Die professionelle ambulante Pflege muss erhalten bleiben und gestärkt werden, sonst wird die Qualität in der Pflege abnehmen. Ebenso riskiert man, dass eine Entprofessionalisierung des Pflegeberufes einsetzt.
Gleichzeitig wird eine bessere Bezahlung von Pflegekräften verhindert. Insbesondere kirchliche und private Träger von z.B Seniorenheimen bremsen eine Lohnerhöhung immer wieder aus [2,3]. Deshalb werden Pflegekräfte in der Langzeitpflege auch in mittlerer Zukunft kaum auf eine Verbesserung ihrer Lohnsituation hoffen können.
All dies belastet die Qualität der Pflege. Das BMG forderte, ein ‘einsatzbereites Personalbemessungsinstrument’ in der Pflege zur Evaluierung des Personalbedarfs bis zum 15. Dezember dieses Jahres einzurichten und bis 2025 zu implementieren [4]. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und Gesetzlichen Krankenversicherer (GKV), die mit Entwicklung und Finanzierung des Instruments beauftragt werden sollten, erachten diesen Zeitplan als unmöglich. Verbesserungen der Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte in der Langzeitpflege werden also nicht vor 2025 zu erwarten sein.
Pflege finanzierbar machen
Ohnehin ist die Finanzierung der Pflege eine existenzielle Frage, da sie viele Pflegebedürftige und deren Angehörige überfordern. Das BMG schlägt in § 43 c des Arbeitsentwurfs des neuen Pflegereformgesetzes vor, die pflegebedingten Eigenanteile in der stationären Versorgung zu staffeln. So muss im ersten Jahr der volle Eigenanteil der reinen Pflegekosten von derzeit durchschnittlich ca. 831 Euro übernommen werden, im zweiten Jahr 75%, im dritten Jahr 50% und ab dem vierten Jahr 25%. Mit der relativen Deckelung tritt keine Entlastung für kurzfristig stationär in Pflege befindliche Menschen ein. Ohne die ursprünglich angedachte Deckelung von 700 Euro [5] werden die Kosten für die Pflegebedürftigen allein schon einrichtungsabhängig unkalkulierbar. Das Risiko von Preissteigerung tragen damit nur die Pflegeheimbewohner. [6] Da weitere Eigenanteile in der stationären Versorgung darauf aufgeschlagen werden, können die Kosten leicht in die Tausende eskalieren – ein Betrag, der sich für die Meisten nicht einfach aufbringen lassen wird.
Wenn stattdessen Angehörige zu Hause pflegen, also nicht-stationär, können ambulante, professionelle Kurzzeit- und Verhinderungspflege eine (günstigere) Unterstützung bieten. Hierzu sieht der BMG-Plan eine Ausweitung von Häusern zur Tages-, Nacht- und Kurzzeitpflege vor, begleitet von Übergangspflegeangeboten zur Anschlussversorgung von Krankenhausaufenthalten. Der Aufbau dieser Häuser geht aber nur schleppend voran und es gibt zu wenige freie Plätze, um pflegende Angehörige nachhaltig zu entlasten. Dafür werden Erstattungsmöglichkeiten, und damit bessere Finanzierung [5,7], für z.B. Pflegekräfte aus dem Ausland zur privaten Betreuung zu Hause gegeben. Zumindest ein Schritt in die Richtung, unangemessene Beschäftigungsverhältnisse bei Pflegenden aus dem Ausland einzudämmen.
Neue Rehabilitationsmaßnahmen könnten eine wesentliche Rolle bei der Vermeidung bzw. Verminderung von Pflegebedürftigkeit spielen. Dafür soll sich gemäß Vorschlägen für Personen über 70 Jahren zukünftig die Pflegeversicherung an den Kosten der GKV beteiligen [5].
Momentan haben Pflegebedürftige in der Regel die Möglichkeit ambulanter Pflege zu Hause oder stationärer Versorgung in Pflegeheimen. Zudem könnten zukünftig Pflegekassen Vereinbarungen zu gemeinschaftlichen Wohnformen treffen [1].
Gesamtgesellschaftliche Kosten [1]
Im Jahr 2021 werden die Rentenversicherungsbeiträge für Pflegepersonen oder pflegende Angehörige auf 1,3 Milliarden Euro steigen, ab dem Jahr 2022 nochmals auf 5,1 Milliarden Euro. Zudem werden Kosten in Höhe von 90 Millionen Euro für die private Pflegeversicherung vom Bund übernommen. Auf die Bundesländer kommen Mehrkosten von 0,94 Milliarden Euro zu. Im Bereich der Beihilfe für Staatsbedienstete ergeben sich für Bund, Länder und Gemeinden jährliche Mehrausgaben von rund 0,18 Milliarden Euro.
In Reaktion auf den demografischen Wandel werden die öffentlichen Kassen durch private Vorsorgepläne entlastet, wie zum Beispiel die private Pflegeversicherung und Riesterrente. Allerdings werden hierdurch Kosten nur verlagert, von öffentlichen Mitteln hin zu privaten Ersparnissen. Die Ansparphase des Pflegeversorgungsfonds (“Pflege Bahr”) soll bis zum Jahr 2050 verlängert werden und Kinderlose sollen finanziell mehr beitragen.
Desweiteren müssen Änderungen zum Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit (Sozialgesetzbuch XI § 14 Pflegebedürftigkeitsbegriff [8]) eingeleitet werden. So soll gemäß der AG Gesundheit und Pflege der Piratenpartei der Begriff der “Pflegebedürftigkeit” in einen “Pflegebedarf” umgewandelt werden sowie Inhalte neu strukturiert und systematisiert werden.
Die Vermeidung von zu hohen Eigenanteilen bei Pflegebedürftigkeit soll eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein und zur Vermeidung der Überforderung der Pflegeversicherung sowie der Absicherung von pflegenden Angehörigen dienen.
Das sind viele kleinteilige Maßnahmen. Werden sie in der Summe ausreichen, um die Pflege nachhaltig zu stärken?
Die Autorin dieses Beitrages, Sandra Leurs, meint: Sicher nicht. Im Gegenteil wird es die Belastung der gesetzlichen und privaten Krankenversicherer bei fortschreitendem demographischen Wandel nicht aufhalten. Eine wirkliche Maßnahme wäre eine solidarische Kranken- und Pflegeversicherung, in die alle einzahlen – Angestellte, Beamte, ohne Beitragsbemessungsgrenze oberhalb derer Gutverdienende über private Krankenversicherer Beiträge einsparen.
Vielleicht können wir so die finanziell angespannte Situation im Pflegebereich aufhalten und es wird der Regierung leichter fallen, für das Pflegepersonal anständige Löhne sicherzustellen.
Klar ist: Schon die #Pflegestärkungsgesetze I-III [9] gingen und gehen alle nicht weit genug.
Lichtverschmutzung – der neueste Aufreger von diffusen „Umweltspinnern“, oder eine reale Gefahr?
Tatsächlich ist die Problematik schon viele Jahre bekannt. Astronomen der IAU (Internationale Astronomische Union), bestimmten 1979 einen Grenzwert, der bei astronomischen Beobachtungen nicht überschritten werden sollte. Eine neue Studie wirft die Frage auf, ob dieser Wert noch irgendwo auf der Welt einzuhalten ist und ein ungetrübter Nachthimmel jemals wieder möglich sein wird. [1]
In diesem Beitrag wollen wir beleuchten, wie die Lichtverschmutzung das Insektensterben befeuert und auch der Gesundheit von Menschen ernsthaft schaden kann. [1] [4]
Das Insektensterben und die Nahrungskette
Die Dauerbeleuchtung ist mit ein Auslöser des Artensterbens unter den Insekten. Durch das permanente helle Licht werden sie angezogen („Staubsaugereffekt“) und umkreisen es bis zur totalen Erschöpfung. Danach sind die meisten Insekten nicht mehr in der Lage, Futter zu suchen und fallen Fressfeinden zum Opfer. [8]
Mit den ,Paten der Nacht‘ [15] hat sich eine ehrenamtliche Initiative gegründet, die Aufklärung betreibt, welchen Schaden wir durch unnötige Beleuchtung anrichten. Dabei geht es den Paten nicht um die Etablierung einer Verbotsmentalität. So sollen Leuchten im Außenbereich ausschließlich nach unten abstrahlen. Auch die Art der Leuchtmittel ist entscheidend: LEDs mit einer Lichttemperatur bis 3.000 Kelvin haben die geringste Anlockwirkung auf Insekten. „In der Gesetzgebung spielt das Thema Lichtverschmutzung kaum eine Rolle“, sagt Philipp. Als erstes Bundesland hat Bayern zwar im August 2019 erste gesetzliche Regeln erlassen, diese gelten aber nur für öffentliche Gebäude. [8] Dies veranlasste die Bundesministerin für Umwelt, Svenja Schulze, im Gesetzentwurf zum Insektenschutz das Verbot aufzunehmen, in Naturschutzgebieten und Nationalparks die Installation bestimmter Lampen zu verbieten. Außerdem sollen private Insektenvernichtungslampen für den Außenbereich verboten werden. [9]
Auch die natürliche Selektion gerät durcheinander, wenn Vogelmännchen aufgrund künstlichen Lichts früher anfangen zu singen, um dadurch für Weibchen attraktiver zu werden. Amphibien werden durch Licht im Straßenverkehr bei ihrer Wanderung geblendet und erleiden im Extremfall eine Starre. Bis sich das Amphibienauge den Helligkeitssprüngen angepasst hat, können Minuten oder gar Stunden vergehen, besonders beim Wechsel vom Hellen ins Dunkle. Das kostet Energie, Zeit und Reproduktionschancen werden geringer, und das Risiko des Straßentods wird erhöht. Doch vor allem sind es die Insekten, die am Hitzeschild der Straßenbeleuchtung sterben, wodurch die Bestäubungsleistung von Wildpflanzen durch Nachtfalter oder Käfer deutlich verringert wird. [10]
Da der Mensch am Ende der Nahrungskette steht, sind Insekten für das Bestäuben von Pflanzen und damit für unsere Ernährung lebenswichtig. Daher liegt es in unserem ureigensten Interesse, ihr Überleben zu sichern.
Gesundheitliche Auswirkungen auf den Menschen
Das Licht heller Straßenlaternen, vorbeifahrender Autos und blinkender Werbetafeln raubt uns den Schlaf. Als Lichtverschmutzung wird der übermäßige Einsatz von Lampen bezeichnet, welche die Umwelt auch nachts grell erleuchten. In Ballungsgebieten wie auch in vielen ländlichen Gegenden besteht kaum noch die Möglichkeit, in einen Nachthimmel mit voller Sternenpracht zu blicken. Doch nicht nur die Astronomen beklagen bereits seit Jahren, dass kaum mehr Oasen der Dunkelheit existieren.
Lichtverschmutzung wirkt sich auch auf die Gesundheit des Menschen negativ aus, vornehmlich wegen der Beeinträchtigung des Tag-Nacht-Zyklus und der nächtlichen Regenerationsphasen. Wissenschaftler maßen den Melatoninspiegel von Menschen, die in der Wildnis übernachteten. Das Hormon Melatonin ist für die Steuerung des Tag-Nacht-Rhythmus verantwortlich, dem sogenannten zirkadianen Rhythmus. Schon ein Wochenende abseits städtischer Dauerbeleuchtung erhöhte den Melatoninspiegel signifikant.
Es gebe wissenschaftliche Beweise, dass Menschen, die weißem LED-Licht ausgesetzt sind, ein erhöhtes Risiko für Krankheiten wie Diabetes und sogar Krebs hätten. Außenbeleuchtung sollte daher eine Farbtemperatur von 3.000 Kelvin haben, wohingegen die derzeit beliebten weißen LED-Laternen zwischen 4.000 und 5.000 Kelvin aufweisen. [3]
Dieses „kalte“ Licht existiert jedoch nicht nur im Außenbereich: Smartphones, Tablets, Laptops und LED-Bildschirme im Allgemeinen sind (oft auch aus beruflichen Gründen) nicht zu vermeiden. Akkumuliert führt das zu immer mehr ernsthaften Beschwerden beim Menschen. [3] [6]
Der Fluch des billigen LED-Lichts und die Sicherheit
Ein Killerargument bei der Beleuchtung ist die Sicherheit, also das subjektive Gefühl, dass mehr Licht mehr Sicherheit bedeute. Um der Angst der Bevölkerung vor Einbrüchen oder Gewaltdelikten zu begegnen, pflanzen die Gemeinden alle paar Meter Straßenlaternen in die Landschaft. Objektiv bringt diese Dauerbeleuchtung gar nichts: Es gibt keine Untersuchung, welche die Rechnung, wonach mehr Licht auch zu mehr Sicherheit führt, bestätigen könnte. Im Gegenteil: Im englischen Bristol stieg die Zahl der Einbrüche keineswegs, nachdem die Straßenbeleuchtung reduziert wurde. In einigen Stadtteilen sank die Kriminalität sogar. Ähnliche Resultate erbrachten Studien aus Australien.
Darüber hinaus können Bewegungsmelder diese Problemstellung in vielen Fällen sehr einfach und kostengünstig beheben.
Das Wettrüsten bei der Helligkeit führt dazu, dass man vor lauter Licht noch weniger erkennt als bei Dunkelheit: „Licht ist eine hochemotionale Sache, und es herrscht die Meinung vor, dass viel Licht nötig ist, um gut zu sehen“, sagt Christopher Kyba, Wissenschaftler am Deutschen GeoForschungsZentrum Postsdam. Dabei kommt es nicht auf die Menge an Licht an, um das Gefühl von Sicherheit zu geben, sondern auf das richtige Licht. Forscher sind überzeugt: Wird das Licht klüger und zielgerichteter eingesetzt, werden Menschen und Tiere weniger gestört, kann Energie gespart werden und wieder öfter ein echter Nachthimmel bestaunt werden. [3]
Earth Night 2021
Am 7. September 2021 um 22 Uhr (Ortszeit) ist es wieder soweit: die nächste Earth Night findet statt. Menschen in der ganzen Welt werden die Nacht über das Licht reduzieren.
Die Earth Night ist ein Ereignis, bei der wir versuchen, für wenigstens eine Nacht im Jahr das menschengemachte Kunstlicht so weit wie möglich zu reduzieren. Sie findet immer zum September-Neumond statt. Anders als bei der Earth Hour im März (bei der das Licht für nur eine Stunde abgeschaltet wird, um symbolisch auf den Klimaschutz aufmerksam zu machen), wird bei der Earth Night im September eine ganze Nacht (ab 22 Uhr) das Licht reduziert. Die Aktion will auf die exzessive Nutzung von nächtlichem Kunstlicht und seinen Folgen für Mensch, Umwelt und Natur aufmerksam machen. Sinnlos Leuchtendes sowie fehlgelenktes Licht ist pure Energieverschwendung und schadet auch dem Klima. [7]
International Dark Sky Week
Vom 05.-12. April dieses Jahres fand die ‚International Dark Sky Week‘ statt. Die IDA (International Dark Sky Association) schreibt dazu: „Lichtverschmutzung mag harmlos wirken, doch sie hat weitreichende Konsequenzen, die schädlich für Lebewesen sind. Effektive Außenbeleuchtung reduziert Lichtverschmutzung und führt zu besserer Lebensqualität für alle.“ [5]
Ein extraterrestrischer Ausblick in die Zukunft
Die Lichtverschmutzung geht nicht nur von irdischen Quellen aus. Wie ein Forscherteam um Miroslav Kocifaj von der slowakischen Akademie der Wissenschaften zeigen konnte, tragen Tausende Satelliten in der Erdumlaufbahn mittlerweile erheblich zum Verlust der Dunkelheit bei. Im Fachblatt Monthly Notices of the Royal Astronomical Society schätzen die Astronomen, dass künstliche Objekte rund um die Erde den Nachthimmel um etwa zehn Prozent aufgehellt haben – so stark, dass man nirgends mehr von einem ungetrübten Blick ins All sprechen könne. [1]
Weltraumschrott
Inzwischen begnügt sich der Mensch nicht mehr nur mit der Verschmutzung unseres Planeten. Auch der erdnahe Orbit ist zu einer Müllhalde ungeheuren Ausmaßes verkommen.
Seit 1957, als der erste Satellit „Sputnik“ startete, hat es hunderte nachgewiesene Explosionen und Kollisionen im Weltraum gegeben. Übrig geblieben sind davon mehr als 20.000 Objekte, die mindestens zehn Zentimeter groß sind. Rund eine Million Teile sind größer als ein Zentimeter. Und wahrscheinlich schwirren mehr als 150 Millionen ganz kleiner Schrottteile herum, die größer als ein Millimeter sind. [11] [12]
Satelliten
Mehr als 3.300 Satelliten (plus einer unbekannten Menge militärischer Späher) umkreisten Anfang Januar die Erde. Nur relativ große Objekte sind mit bloßem Auge sichtbar – allerdings nicht, weil sie selbst Licht ausstrahlen, sondern weil sie Licht der Sonne zur Erde reflektieren. In Umlaufbahnen von einigen Hundert bis hin zu 35.000 Kilometern Höhe werden viele dieser Objekte auch auf der Nachtseite des Planeten von der Sonne angestrahlt und leiten einen Teil des Lichts weiter zur Erdoberfläche. [1]
„Starlink“ von SpaceX
Die Situation dürfte sich mit dem Aufkommen sogenannter Mega-Konstellationen von Satelliten weiter verschärfen. SpaceX möchte weltweit Internet anbieten, mithilfe einer großen Anzahl von Satelliten im erdnahen Orbit. Dafür wollen sie bis zu 42.000 dieser rund 260 kg schweren Mini-Sender und Empfänger auf feste Umlaufbahnen bringen. [12]
Update vom 28. April: SpaceX darf nun fast 3.000 weitere Satelliten in einer Höhe von etwa 570 Kilometern betreiben, für die ursprünglich mehr als 1.100 Kilometer vorgesehen waren. Ohne Placet der amerikanischen FCC (Federal Communications Commission, deutsch „Bundeskommunikationskommission“) hätte SpaceX den raschen Ausbau seines Satellitennetzwerks unterbrechen müssen. [14]
„Der Nachthimmel, wie wir ihn vom Planeten Erde sehen, der gehört allen, nicht einer Institution oder einem Land“, sagt die Astronomin Megan Donahue. [13]
Wir PIRATEN sprechen uns dafür aus, Regelungen auf ihre Verträglichkeit mit Biorhythmen zu prüfen – dies forderten wir schon beim Thema Zeitumstellung [2], wobei die unnatürliche Lichtverschmutzung mittlerweile weit gefährlicher ist.
Es begann im Januar 2020. Berichte über ein neuartiges Virus aus China wurden laut. China riegelte die Wuhan-Region ab, Menschen mussten in ihren Wohnungen bleiben. Kurze Zeit später kamen ähnliche Nachrichten aus unserem Nachbarland Italien: Zunächst wurden einige Kommunen in der Lombardei unter Quarantäne gesetzt, dann die ganze Region, später das ganze Land. Wir sahen Bilder aus der Mitte Europas, die die meisten von uns noch nie gesehen hatten: Militär und Polizei riegeln Straßen ab, unbedarfte Menschen dürfen ihren Wohnort nicht mehr verlassen.
Deutschland wurde bald bewusst, dass dieses Virus auch zu uns kommen wird. Zwar wollte man die Ski-Saison nicht verderben, doch auch Deutschland bereitete sich vor. Pandemie-Pläne, die zum Glück in weiser Voraussicht geschrieben worden waren (auch wenn ihre Empfehlungen zur Vorbereitung zu wenig Beachtung fanden) wurden aus den Schubladen gezogen. Krankenhauspersonal rief uns in den sozialen Medien zu: “Wir bleiben für euch hier, bleibt ihr für uns zu Hause.” Ein gesellschaftliches Wir-Gefühl, gleichzeitig gespeist aus Erregung im Angesicht des Neuen, sowie Kampfeswillen vor der Herausforderung, rollte durch die Gesellschaft. Kurze Zeit später griffen auch in Deutschland Eindämmungsmaßnahmen, das öffentliche Leben wurde heruntergefahren, man blieb zu Hause.
Wir meisterten die erste Welle im Frühjar 2020, und konnten im Sommer des selben Jahres bei niedriger Inzidenzrate und warmen Temperaturen viele Eindämmungsmaßnahmen wieder absetzen. Hatten wir doch gelernt, dass wir das Virus unter Kontrolle bringen konnten.
Bis zum Herbst. Temperaturen runter, das Leben verlagerte sich in Innenräume, soziale Kontakte waren über den Sommer wieder gestiegen, die Inzidenz schoss nach oben – und wir weigerten uns, Maßnahmen ähnlich zum Frühjahr zu beschließen. Stattdessen verliefen wir uns in Diskussionen, ob nun diese oder jene Zahl die bessere ist, um die Pandemie zu vermessen – während wir hinsichtlich der Todesfallzahlen ‘durch oder mit’ Corona zu den im Frühjahr schwerer betroffenen Ländern aufschlossen.
Wo war das Wir-Gefühl? Wo war die Bereitschaft, sich und seine Nachbarn zu schützen? Warum hatte das Virus, während es gerade jetzt in Deutschland Opfer verlangte, im Herbst für die Menschen scheinbar den Schrecken verloren?
Wie sich die Wahrnehmung und Meinungen zur Krise verändert haben, werden wahrscheinlich soziologische und gesellschaftspsychologische Auswertungen der Zukunft besser zeigen. Währenddessen aber muss das politische Deutschland lernen, wie es in der Krise besser funktionieren kann, und dabei die Gesellschaft mitnehmen.
Worüber wir reden müssen
Hier sind dabei einige Thesen, die einer tiefergehenden Debatte würdig sind:
Das Wir-Gefühl, gespeist von schauriger Erregung im Angesicht eines externen Feindes, wird alsbald unter Druck gesetzt von dem Wunsch, seinem bisherigen Lebensstil wieder nachzugehen. Angst vor dem bedrohlichen Neuen verschwindet bald im Hintergrundrauschen, und das Erinnertwerden an bedrohliche Konsequenzen verliert seinen Effekt. Kann man ‘Angst’ zu ‘Vision für Veränderung’ transformieren? So wäre zum Beispiel die Reaktion zu überlasteten Krankenhäusern mit mittel- und langfristigen Änderungen im Gesundheitswesen zu kombinieren, um nachhaltige Verbesserung für alle zu erzeugen.
Politische Repräsentanten sollen für die Gesellschaft lernen, zu verstehen, wie in der Krise gehandelt werden muss. Das Klein-Klein der detaillierten Maßnahmendiskussion ersetzte bald die Grundhaltung, als Gesellschaft zu gegenseitigen Zugeständnissen bereit zu sein, da es von den größeren Entwicklungen ablenkt. Vertrauen wird nur erzeugt, wenn die mittel- und langfristigen Ziele, die mit den Maßnahmen erreicht werden sollen, kommuniziert, debattiert, und für gut befunden werden.
Gleichzeitig jedoch werden Detail-Diskussionen für politische Angriffe auf die Verantwortlichen beziehungsweise deren Entscheidungen verwendet. Als Teile einer Gesellschaft müssen wir uns wieder und wieder bewusst machen, dass umfangreiche Information wichtig ist, gleichzeitig eine Flut an Information einschüchtern und verwirren kann. Die politische Diskussion muss daher auch auf Basis von Werten und langfristigen Zielen erfolgen, sodass das Tagesgeschäft auf deren Basis bewertet werden kann, statt sich in Detailfragen zu verirren.
Kommende Krisen bewältigen
Wir werden in der Zukunft mit weiteren Krisen konfrontiert werden. Der Klimawandel ist nach wie vor im Gange, und die geopolitische Ordnung verändert sich gerade hin zu mehr Multipolarität. Insbesondere Europa hat in seiner jüngsten Vergangenheit Frieden und Sicherheit genossen, die nicht zu allen Zeiten selbstverständlich waren. Die Coronavirus-Krise sollte uns daher als Warnung dienen:
Für die Zukunft müssen wir als Gesellschaft wieder lernen, uns auch langfristig während Krisen zu orientieren, in ihnen zu manövrieren, und dabei gemeinsame Ziele zu verfolgen die uns als Gesellschaft dienen.
Zum Autor: Christian ist Biochemiker, derweil ebenfalls interessiert an Gesellschaftsthemen. Er wünscht sich eine Politik für die Gesellschaft, von der Gesellschaft, hin zu einer balancierten Gesellschaft. Da dies aktiven Austausch zwischen allen politischen Akteuren erfordert, denkt er viel darüber nach, wie politische Kommunikation in verschiedenen Ebenen gestaltet sein sollte.
Der Cannabis-Feiertag #420day lockt jährlich tausende Menschen weltweit auf die Straße, um für ihre Rechte zu protestieren. In Zeiten der Coronapandemie gilt es, die Sicherheit aller Aktivisten zu schützen. Aufgrund dessen fand auch der diesjährige 420 wieder hauptsächlich digital statt. Hier ein Blick in die Realität und ein Ausblick in die Zukunft.
Viel zu oft liest man noch von Einstiegsdrogen, Psychosen und anderen schlimmen Krankheiten, zu oft wird abfällig über die „nervigen Kiffer“ geschimpft, die mit ihren Studien herumwedeln und doch nur legal „Hashgift“ rauchen wollen. Dass Cannabis durchaus gefährlich sein kann, steht nicht zur Diskussion. Jedoch können Verbraucher keinerlei Angebote in Anspruch nehmen, ihre Blüten oder Extrakte testen zu lassen und sich über Streckmittel zu informieren.
Der Hanfverband hat eine große, sehr gut organisierte Plattform geschaffen, die neutral und evidenzbasiert über die Gefahren und Risiken im Umgang mit Cannabis informiert. Die Strafverfolgung ist das größte Risiko, gefolgt von der Gefahr der Streckmittel an denen Konsumenten mitunter sterben. Ich möchte Euch aufzeigen, wie die heimischen Gärtner und Cannabis-Nerds ihre Szene ordentlich auf den Kopf stellen, entgegen oder gerade wegen der Verteufelung.
Cannabis in den deutschen Medien
Die Berichterstattung, die sich in den klassischen Medien zu Cannabis findet, hat oft den fiesen Beigeschmack, alle Beteiligten seien schattige Gestalten, die stets mit der Mafia in Kontakt sind und nur das schnelle Geld wittern. Die Zunahme von gestrecktem Cannabis befeuert diese kriminelle Darstellung weiter.
Die Uhren werden mit jedem Bericht weiter in Richtung harter Prohibition gestellt, wie sie in den 1930ern propagiert wurde. Zu der Zeit wurde dem Cannabiskonsum nachgesagt, er mache beispielweise wahnsinnig oder sorge für mehr Vergewaltigungen und Unfälle im Straßenverkehr.
Die Zahl der konsumnahen Delikte steigt seit 2010 stetig, dennoch lässt sich kein negativer Trend in den Konsumzahlen verzeichnen. Jugendliche werden bis auf die Unterwäsche durchsucht, Erwachsene werden durch absurde Führerscheinregelungen um den Job, manchmal auch um Wohnung und Familie gebracht. Klein- und Großgärtnereien werden regelmäßig durch aufmerksame Nachbarn und die Polizei aufgedeckt und in den Medien zerrissen. Eine Küchenwaage wird dann zu einem Werkzeug im Drogenhandel. Die sensiblen Haft- oder Geldstrafen sorgen für die Kirsche auf der Sahnehaube. Wöchentlich strömen solche Berichte in die Netze der Aktivisten. Und immer wieder, wie gerade in Oldenburg, wird THC-Konsum von Polizei und Staatsanwaltschaft betont, wenn es um die Rechtfertigung von Maßnahmen geht, die ausgesprochen fraglich sind.
Gärtner und Cannabis-Nerds
Jenseits dieser negativen Darstellung ergibt sich ein anderes Bild: Weltweit existieren Foren im Clearweb, wo sich Menschen über den Anbau von Cannabis austauschen oder die neuesten Verdampfer zerlegen und diskutieren. Ebenso existieren eine Vielzahl von Social Media-Seiten und Messenger-Chats, die sich der Legalisierung verschrieben haben. Mit Dirty Weed wurde ebenfalls eine Plattform geschaffen, auf der Informationen über gestrecktes Cannabis verteilt werden.
Es gibt eine Vielzahl von Menschen in Deutschland, die sich mit vollem Einsatz für ihre Leidenschaft Hanf einsetzen. Seien es Ingenieure, die Geräte zum schadstofffreien Konsum entwickeln, Gärtner, die Anleitungen zum Mischen von hervorragender organischer Erde schreiben (auch sehr gut für Zier- und Nutzpflanzen geeignet) oder Konsumenten, die sich in Zeiten von Corona online zusammenschließen, um auf Missstände aufmerksam zu machen und eine neue Drogenpolitik einzufordern. Auch die PIRATEN sind ein Anlaufpunkt für alle Interessierten.
Der mangelnde Verbraucherschutz seitens des Staates wird kurzerhand durch engagierte Konsumenten und/oder politische Gruppen übernommen, da auch jetzt schon auf Safer Use und Harm Reduction hingewiesen werden kann und muss. Einige Anlaufpunkte und hilfreiche Links siehe unten. Auf deutschsprachige Quellen verzichte ich aus rechtlichen Gründen. Jeder, der sich darüber informieren möchte, wird mit der Suchmaschine des Vertrauens leicht eine gute Quelle finden.
Die Politik
Die Haltung der aktuellen Drogenpolitik zeigt auf eindrucksvolle Art und Weise, wie nötig eine Legalisierung ist. Denn ohne Paranoia und Hintergedanken ob der Verfolgung, könnte im Handumdrehen ein regulierter, gut informierter und qualitativ hochwertiger Markt entstehen. Es gibt ihn bereits, allerdings verhaften wir als Gesellschaft die Gewerbetreibenden und sperren sie ein, anstatt ihnen Räume zur Produktion und Lagerung zur Verfügung zu stellen.
Die Zukunft
Um eine Perspektive für die kommende Legislaturperiode zu schaffen, reicht ein Blick nach New York: Dort wurde kürzlich die Legalisierung beschlossen, und den Konsumenten ist es erlaubt, 85 Gramm Cannabis bei sich zu haben und zu Hause anzubauen. Ohne irgendwelche Konsequenzen, wohlgemerkt. Ebenso ist die Polizei angehalten, Cannabis-Konsumenten in der Öffentlichkeit nicht weitergehend zu kontrollieren. Die Stadt New York erhofft sich mit der Legalisierung unter Anderem Steuereinnahmen in Höhe von 350 Millionen US-Dollar pro Jahr. Der eigentliche Grund für die Legalisierung jedoch sei der Kampf gegen den strukturellen Rassismus. Es sei das Ziel, dass die wirtschaftlichen Erträge durch die Legalisierung auch dafür genutzt werden, Betroffene zu entschädigen.
In diesem Jahr ist es uns möglich, Deutschland in die vernünftigste Richtung zu lenken. Schaffen wir Möglichkeiten zum legalen Anbau, Besitz und Erwerb von Cannabis. Legalize It!
Zum Autor: deko, 30 Jahre alt, Cannabiskonsument, ist seit anderthalb Jahren verheiratet und frischgebackener Haussanierer. Der ausgebildete Maschinenbautechniker arbeitet in der Datenverwaltung und ist ehrenamtlich als Drogenbeauftragter der Piratenpartei Niedersachsen tätig.