Schlagwort: Anne Herpertz

  • Bürgergeld – nicht viel mehr als Hartz IV reloaded

    Bürgergeld – nicht viel mehr als Hartz IV reloaded

    Der Bundestag wird morgen über das Bürgergeld-Gesetz beschließen, welches dann zum 01.01.2023 in Kraft treten soll. [1] ​​​​​​​Die PIRATEN sind gegenüber allen Verbesserungen, die eine Abkehr vom Hartz IV – System darstellen, grundsätzlich aufgeschlossen.

    „Das Bürgergeld als ‚Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik‘ zu bezeichnen, ist verlogen. Es mag ein kleiner Schritt in die richtige Richtung sein, an sich ist das aber nur eine marginale Verbesserung von Hartz IV. Das Bürgergeld verbleibt in der Systematik des bestehenden Grundsicherungssystems, dem ein sehr negatives Menschenbild zugrunde liegt,“

    kommentiert Anne Herpertz, Bundesvorsitzende der Piratenpartei, und kritisiert:

    „Mit dem Fortbestehen der dauerhaften Bedürftigkeitsprüfungen und Sanktionsmöglichkeiten durch die Jobcenter hat die Bundesregierung die Chance verpasst, den Grundstein für eine echte Entbürokratisierung und Vereinfachung des Sozial- und Steuersystems zu legen.“

    Zumindest wurden die während der Coronapandemie bereits eingeführten Erhöhungen der Freigrenzen und Schonvermögen beibehalten. Ein großer Teil der erwerbsfähigen Transferleistungsbezieher gehen bereits heute einer Erwerbstätigkeit nach, sodass diese zumindest mit der geringfügigen Erhöhung der Freibeträge auch eine kleine, aber sicherlich keine ausreichende Entlastung erfahren.

    „Die Höhe des Bürgergeldes entspricht noch immer nicht den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtes zur Sicherung des soziokulturellen Existenzminimums, die der paritätische Wohlfahrtsverband erst im Juli mit 678 EUR bezifferte. Für uns ist es absolut verwerflich, dass die Regierung bewusst Menschen unter dem Existenzminimum hält,“

    kritisiert Herpertz.

    Die PIRATEN halten daher an ihrer grundlegenden Forderung nach einem sozial gerechten, einfachen, transparenten, bürokratieärmeren, und einem chancengleichen Sozial- und Steuersystem auf der Grundlage eines positiven Menschenbildes fest. Dies könnte langfristig, begleitet von Reformen des Steuer- und Sozialversicherungssystems, durch die Umwandlung des Bürgergeldes, zu einem echten Grundeinkommen erfolgen. [2] [3] [4]

    Dazu führt Herpertz aus:

    „Jedem Mensch muss sein Recht auf sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht werden. Ein chancengleiches und bedingungsloses Grundeinkommen würde die derzeit geführte Neiddebatte in der Gesellschaft wohl erst gar nicht entstehen lassen. Ein Grundeinkommen würde schlichtweg jeder mit Steuer-ID registrierte Mensch in Deutschland erhalten und der soziale Ausgleich würde einzig und allein über Steuern erfolgen. Das Bürgergeld ist zwar eine Verbesserung, aber wir sollten unser langfristiges Ziel, ein einfaches, sozial gerechtes, transparentes, bürokratieärmeres und chancengleiches Steuer- und Sozialsystem zu entwickeln, nicht aus den Augen verlieren.“

    Quellen:
    [1] https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw45-de-buergergeld-917430
    [2] https://wiki.piratenpartei.de/Parteiprogramm#Arbeit_und_Soziales
    [3] https://wiki.piratenpartei.de/Bundestagswahl_2021/Wahlprogramm#Weiterentwicklung_des_bestehenden_Systems_in_Vorbereitung_zum_BGE
    [4] https://wiki.piratenpartei.de/Positionspapiere/Leitlinien_f%C3%BCr_die_Einf%C3%BChrung_eines_Grundeinkommens_in_Deutschland

  • Kritik der Piratenpartei am Eckpunktepapier zur Cannabis-Legalisierung

    Kritik der Piratenpartei am Eckpunktepapier zur Cannabis-Legalisierung

    Die Piratenpartei Deutschland fordert erhebliche Verbesserungen am Eckpunktepapier der Bundesregierung zur Cannabis-Legalisierung. Da das Gefahrenpotential von Cannabis niedrig ist, braucht es neben Regelungen zum Jugend- und Verbraucherschutz sowie zur Besteuerung keine weiteren Regularien. Eine Begrenzung der mitzuführenden Menge auf 20-30 g oder 3 weibliche Pflanzen im Eigenanbau lehnen wir ab.

    Anne Herpertz, Bundesvorsitzende der Piratenpartei Deutschland, fordert darüber hinaus:

    „Der Jugendschutz (Abgabe und Verkauf erst ab 18 Jahren) soll durch Zugangskontrollen zu den Verkaufsräumen und ein Werbeverbot erreicht werden. Gerade das Werbeverbot sollte entgegen den Plänen der Bundesregierung auch für Alkohol und Tabakverkaufsstellen gelten. Der Verbraucherschutz muss durch Qualitätsangaben sowie Angaben zu Inhaltsstoffen und Herstellern der angebotenen Ware sichergestellt werden. Zusätzlich müssen Suchtberatung und Jugendarbeit viel stärker finanziert werden, um eine bessere Prävention zu gewährleisten. Auch hier sehen wir erheblichen Nachbesserungsbedarf bei den Plänen der Bundesregierung.“

    Für weitergehende bürokratische Hürden, wie Prüfung der Zuverlässigkeit der Händler und des Verkaufspersonals fordern wir eine Gleichstellung zu Alkohol- und Tabakverkaufsstellen. Eigenanbau und Anbau im Verein soll wie im Gewerbe- bzw. Steuerrecht entsprechend zum gewerblichen Handel abgegrenzt werden. Weitere Begrenzungen im Gegensatz zu den Plänen der Bundesregierung sind nicht erforderlich. Die Besteuerung von Cannabis darf außerdem nicht zu hoch ausfallen, um dem Schwarzmarkt keinen Raum zu geben.

    Im Straßenverkehr muss eine wissenschaftsbasierte Regelung gelten, die auf reine Fahruntüchtigkeit abzielt. Die Pläne der Bundesregierung stellen keine echte Gleichbehandlung zum Fahren unter Alkoholeinfluss dar.

    Andreas Grätsch, Koordinator der AG Drogen- und Suchtpolitik der Piratenpartei, fordert ausdrücklich:

    „Es ist dringend erforderlich, eine Amnestie für alle im Zusammenhang mit Cannabis verurteilten Menschen zu veranlassen und Maßnahmen der Führerscheinstellen aufzuheben. Darüber hinaus ist eine Amnestie für alle Haftstrafen, welche im Zusammenhang mit konsumnahen Delikten psychoaktiver Substanzen stehen, notwendig. Im Entwurf der Bundesregierung ist dagegen von Amnestie keine Rede, es wird lediglich auf die Einstellung der laufenden Verfahren verwiesen.“

  • EU-Bürger unter Generalverdacht: PIRATEN warnen vor Chatkontrolle-Entwurf

    EU-Bürger unter Generalverdacht: PIRATEN warnen vor Chatkontrolle-Entwurf

    Die Europäische Kommission wird heute Nachmittag im Ausschuss für Bürgerliche Freiheiten (LIBE) des Europäischen Parlaments ihren Gesetzesentwurf für die verpflichtende Chatkontrolle vorstellen. Im Anschluss wird sie sich den Fragen der EU-Parlamentarier stellen müssen.

    „Es ist unfassbar, wie tiefgreifend der Gesetzesentwurf zur Chatkontrolle das digitale Briefgeheimnis aushebeln will,“

    kommentiert Anne Herpertz, Vorsitzende der Piratenpartei Deutschland.

    „Alle Chats und E-Mails würden dauerhaft und automatisch via fehleranfälliger Algorithmen auf verdächtige Inhalte durchsucht. Das wäre das Ende vertraulicher und geheimer Kommunikation. Der Entwurf ist nichts anderes als eine allumfassende, anlasslose Überwachung digitaler Kommunikation unter dem Deckmantel des Schutzes vor Missbrauch. Die Chatkontrolle trifft keine Täter, dämmt die Verbreitung missbräuchlicher Darstellungen nicht ein und überlastet die Ermittlungsbehörden mit falschen Verdächtigungen. Das ist der denkbar schlechteste Weg, missbräuchlichen Darstellungen entgegenzuwirken. Gleichzeitig bedeutet der Vorschlag auch das Ende der verschlüsselten Kommunikation, da Ende-zu-Ende verschlüsselte Messenger nicht ausgenommen sind. Diese Hintertür schafft die Möglichkeit zur Überwachung für ganz andere Zwecke – nicht nur für Nachrichtendienste, sondern auch für kriminelle Organisationen.“

    Sven Bechen, stellvertretender Politischer Geschäftsführer der Piratenpartei, schließt sich dem an:

    „Die Chatkontrolle stellt einen massiven Eingriff in die Privatsphäre eines jeden Menschen dar. Eine solche verdachtslose, vollautomatisierte Massenüberwachung steht in keinem Verhältnis zu freiheitlichen Grundrechten und würde ausnahmslos jeden EU-Bürger unter Generalverdacht stellen. Außerdem würde dieser Gesetzesentwurf durch verpflichtende Altersverifikation für Kommunikations- und Speicherdienste die anonyme Nutzung betroffener Dienste abschaffen. Das bedeutet zudem eine Bevormundung junger Menschen im Umgang mit den App-Stores. Den Entwurf lehnen wir nicht nur strikt ab, sondern möchten die Abgeordneten des Europäischen Parlaments entschieden warnen, in dieser Form mit den persönlichen Daten und dem Vertrauen ihrer Wähler und Mitbürger umzugehen.“

    Weiterführende Informationen unter: https://www.patrick-breyer.de/beitraege/chatkontrolle/

  • PIRATEN bringen Dresdner Briefwahl-Chaos vor Gericht

    PIRATEN bringen Dresdner Briefwahl-Chaos vor Gericht

    +++ Urteil soll bundesweit Maßstäbe bei der Briefwahl setzen +++

    Die Piratenpartei Dresden unterstützte mehrere Betroffene bei der Wahlanfechtung gegenüber der Landesdirektion Sachsen. Mehrere Wahlberechtigte hatten ihre Unterlagen für die Dresdner Oberbürgermeisterwahl im Juli 2022 sehr spät oder sogar erst nach dem Wahltag erhalten.

    “Nachdem diese Wahlanfechtungen durch die Landesdirektion zurückgewiesen wurden, unterstützen wir nun einen Betroffenen bei der Klage vor dem Dresdner Verwaltungsgericht,”

    so Jens Hänsch, Rechtsanwalt und Justiziar der Piratenpartei Deutschland.

    “Nach Art. 38 GG hat der Staat alle Anstrengungen zu unternehmen, seinen Bürgerinnen und Bürgern die Ausübung des Wahlrechtes zu ermöglichen. In Zeiten, in denen uns u.a. das Berufsleben hohe Mobilität abfordert, kommt dabei der Ausübung des Wahlrechtes aus der Ferne besondere Bedeutung zu. Diese hohe Bedeutung findet sich aber nicht in der aktuellen Gesetzeslage wieder, welche die Rahmenbedingung für eine Briefwahl nur unzureichend regelt.”

    “Dieses Urteil soll bundesweit Maßstäbe bei der Briefwahl setzen,”

    erwartet Anne Herpertz, Bundesvorsitzende der Piratenpartei Deutschland.

    “Die Pannen im vergangenen Jahr in Berlin und das Chaos in Dresden zeigen deutlich, dass es klarere Regeln für die Durchführung von Briefwahlen braucht – egal, ob ein Gemeinderat gewählt wird oder das Europäische Parlament. Über das gerichtliche Verfahren hoffen wir, diese besser definieren und durchsetzen zu können. Es geht uns explizit nicht darum, die Wahl für ungültig erklären zu lassen, sondern darum, dass festgelegt wird, bis wann Briefwahlunterlagen bei den Bürgern und Bürgerinnen ankommen müssen.”

    Mit Blick auf die politische Dimension der Klage führt Herpertz weiter aus:

    “Die Grundwerte der PIRATEN lauten Teilhabe und Transparenz. Aus diesem Grund können wir es nicht akzeptieren, wenn eines der grundlegendsten Teilhaberechte intransparent umgesetzt oder durch Schlamperei teilweise vereitelt wird. In Dresden haben einige Bürgerinnen und Bürger ihre Unterlagen zwei Tage vor oder sogar erst nach der Wahl erhalten und konnten nicht mehr wählen. Es kann bei kommenden Wahlen alles passieren, bis dahin, dass ganze Stadtteile zum Nachteil der Wahlberechtigten später dran sind. Das muss verhindert werden.”

    Die PIRATEN haben zugesagt, die Betroffenen der Briefwahlpanne bei der Dresdner OB-Wahl bei der Klage zu begleiten, wenn nötig auch bis in die höchste Instanz. Die Partei hofft, dass das Verfahren auch die juristische und politikwissenschaftliche Debatte um die Briefwahl und vor allem deren Organisation anstößt.

    Weitere Informationen:
    Antwort der Stadtverwaltung Dresden auf unsere Anfrage „Probleme bei der Zustellung der Briefwahlunterlagen zur OB-Wahl in Dresden 2022“: https://dissidenten-fraktion.de/2022/08/15/probleme-bei-der-zustellung-der-briefwahlunterlagen/

    Reaktion der Piraten Dresden auf die Antwort der Anfrage – „Dirk Hilbert sieht keinen Handlungsbedarf nach Briefwahlchaos“: https://www.piraten-dresden.de/dirk-hilbert-sieht-keinen-handlungsbedarf-nach-briefwahl-chaos/

  • Piratenpartei fordert: Lützerath muss bleiben!

    Piratenpartei fordert: Lützerath muss bleiben!

    Robert Habeck gab heute bei der gemeinsamen Pressekonferenz des BMWK (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz) mit der Landesregierung von NRW sowie RWE bekannt, dass das Dorf Lützerath für den Braunkohleabbau abgebaggert werden soll.

    Anne Herpertz, Bundesvorsitzende der Piratenpartei Deutschland, zeigt sich empört:

    „Der angebliche ‚Kompromiss‘ zwischen Kohleausstieg 2030 und dem Abbaggern von Lützerath ist mehr als faul. Braunkohle ist eine der schmutzigsten Energieformen – Klima, Umwelt, aber auch die GesundheitGesundheit der Menschen vor Ort sind die Leidtragenden. Aufgrund der Folgen des Klimawandels ist es absolut inakzeptabel, dass Braunkohle jetzt die Lösung sein soll. Braunkohleabbau hinterlässt tiefe Wunden in der Landschaft. Daher werden wir nicht zulassen, dass ein weiterer Ort geopfert wird.“

    Mark Hintz, Politischer Geschäftsführer der Piratenpartei Deutschland, ergänzt:

    „Dass nach all den Versprechen jetzt ausgerechnet Lützerath abgebaggert werden soll, schlägt dem Fass den Boden aus. Beim Besuch der Mahnwache hatten wir die Möglichkeit, die Aktivist:innen vor Ort kennenzulernen, die mit voller Überzeugung unsere Zukunft beschützen. Wenn Bundesminister Habeck Lützerath unbedingt räumen und abbaggern will, dann soll er selbst kommen und bei der Räumung mit dabei sein.“

    Fabian Holtappels, Politischer Geschäftsführer der Piratenpartei NRW, fügt hinzu:

    „Wir Piraten NRW haben bereits eine Außenstelle unserer Landesgeschäftsstelle in Lützerath eröffnet. Sie soll als Anlaufpunkt und Kontaktmöglichkeit vor Ort genutzt werden. Wir rufen alle Gruppen und Einzelpersonen dazu auf, die Mahnwache und andere Aktionen rund um Lützerath jetzt nach Kräften zu unterstützen. Das 1,5-Grad-Ziel stirbt in Lützerath und deswegen darf Lützerath nicht fallen.“

  • Urteil zur Vorratsdatenspeicherung: Europa muss frei von Massenüberwachung sein!

    Urteil zur Vorratsdatenspeicherung: Europa muss frei von Massenüberwachung sein!

     

    In seinem heutigen Urteil [1] hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) das deutsche Gesetz zur verdachtslosen Vorratsspeicherung der Telefonverbindungs- und Standortdaten der gesamten Bevölkerung zur Erleichterung der Strafverfolgung gekippt. Die verdachtslose Vorratsspeicherung von Internetverbindungsdaten, mit deren Hilfe die Internetnutzung rückverfolgt werden kann, hat er zur Verfolgung schwerer Straftaten dagegen nicht beanstandet. Auch das sogenannte Quick Freeze-Verfahren wird zur Verfolgung schwerer Straftaten zugelassen.

    Der EU-Abgeordnete Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei) fordert die Ampelkoalition auf, den Koalitionsvertrag umzusetzen und jede Form der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung zu beenden:

    „Die massenhafte und flächendeckende Aufzeichnung der Kommunikation, Bewegungen und Internetnutzung völlig unbescholtener Menschen ist eine totalitäre Maßnahme, die mit den Werten einer freien Demokratie nicht vereinbar ist. Der EuGH hat auf massiven Druck überwachungswütiger Regierungen eine IP-Vorratsdatenspeicherung im Internet nicht beanstandet. Sie würde aber jeden Internetnutzer unter Generalverdacht stellen und die Internetnutzung der gesamten Bevölkerung, die unsere intimsten Vorlieben und Schwächen abbildet, nachvollziehbar machen. 

    IP-Adressen sind wie unsere digitalen Fingerabdrücke. Eine so totale Erfassung würde Kriminalitätsvorbeugung durch anonyme Beratung und Seelsorge, Opferhilfe durch anonyme Selbsthilfeforen und auch die freie Presse gefährden, die auf anonyme Informanten angewiesen ist. Ich rufe die Ampelkoalition dazu auf, jede Form der anlasslosen Vorratsdatenspeicherung mit einem neuen Gesetz abzuschaffen und sich für ein Europa frei von Massenüberwachung und Generalverdacht einsetzen.“

    Anne Herpertz, Bundesvorsitzende der Piratenpartei Deutschland, schließt sich dem an:

    Massenüberwachung ist das Gegenteil dessen, was europäische Werte verkörpern. Freiheit und Demokratie verlieren ihre Bedeutung, wenn es Staaten wie Deutschland gibt, die Vorratsdaten speichern wollen. Wozu ein moderner Überwachungsstaat in der Lage ist, zeigt sich in China mehr als eindrücklich. Jeder Schritt wird überwacht, dokumentiert und auch sanktioniert von einem allmächtigen Staat, der alles kontrolliert. Das muss uns in Europa eine Warnung sein und kein Vorbild. Der EuGH hat uns dieses Mal wohl vor Schlimmerem bewahrt. Dennoch müssen wir wachsam bleiben: Die Politiker:innen, die neue Ideen zur Überwachung immer wieder einbringen, sind noch immer da. Einen dauerhaften Schutz für die Freiheit gibt es leider nicht – sie muss jedes Mal aufs Neue errungen werden.“

    Breyer weist die Forderung von Bundesinnenministerin Faeser (SPD) nach einer Vorratsspeicherung von IP-Adressen zur Verfolgung von Missbrauchsdarstellungen und Kinderpornografie im Netz zurück:

    „Vorratsdatenspeicherung ist ein völlig untaugliches Mittel zum Schutz von Kindern, umgekehrt dient Anonymität ihrem Schutz, indem sie anonyme Beratung, Selbsthilfe und Anzeigen ermöglicht. Nach der amtlichen Kriminalstatistik ist die Aufklärungsquote bei Internetdelikten schon heute überdurchschnittlich hoch (65%), bei (kinder-)pornografischen Darstellungen liegt sie sogar bei rund 90%. Nach eigenen Angaben der Bundesregierung können 97% der Verdachtsmeldungen auch ohne IP-Vorratsdatenspeicherung nachverfolgt werden.[2]

    Als wir 2009 in Deutschland eine sechsmonatige IP-Vorratsdatenspeicherung hatten, ging die Aufklärungsquote sogar zurück, weil eine Vorratsdatenspeicherung Straftäter zum Einsatz von Anonymisierungsstrategien veranlasst, so dass ihre Kommunikation selbst im Verdachtsfall nicht mehr zu überwachen ist. In EU-Ländern mit IP-Vorratsdatenspeicherung ist die Aufklärungsquote nicht höher.[3] Der richtige und überfällige Weg, um sexuellem Missbrauch und dessen Ausbeutung wirksam entgegen zu treten, sind verstärkte Präventionsmaßnahmen und -projekte sowie anonyme Beratungs- und Therapieangebote. Auch dass polizeiliche Durchsuchungen und Auswertungen in Verdachtsfällen oft Monate oder Jahre dauern und das BKA bekannte Missbrauchsdarstellungen im Netz stehen lässt, ist völlig inakzeptabel.“

    Das Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht schrieb zu der Frage der IP-Vorratsdatenspeicherung in einem Gutachten wörtlich: „Insbesondere gibt es bislang keinen Hinweis dafür, dass durch eine umfängliche Verfolgung aller Spuren, die auf das Herunterladen von Kinderpornografie hindeuten, sexueller Missbrauch über den Zufall hinaus verhindert werden kann.“ Gestern sprachen sich zahlreiche Organisationen und Verbände gegen eine IP-Vorratsdatenspeicherung aus.[4]

    Auch der Koalitionsvertrag sieht eine Datenspeicherung nur anlassbezogen und mit richterlicher Anordnung vor. Neben Bundesinnenministerin Faeser (SPD) erwägt aber auch die EU-Kommission eine anlasslose und flächendeckende Vorratsspeicherung von Internet-Protokolladressen und hat dazu eine Initiative angekündigt.

    Mit der heutigen Entscheidung hat der EuGH eine vorgelegte Rechtsfrage beantwortet. Damit ist das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht fortzusetzen, dass unter Beachtung des heutigen Urteils eine eigene Entscheidung treffen wird. Die Teile des Gesetzes, die gegen die Grundrechtecharta verstoßen, dürfen in Deutschland nicht angewendet werden. Ein Entwurf für eine Neuregelung in Deutschland wird zeitnah erwartet.

    Eine 2022 veröffentlichte Meinungsumfrage [5] hat ergeben, dass 51% der Befragten in Deutschland eine verdachtslose Vorratsdatenspeicherung ablehnen, während nur 31% dafür und 19% unentschieden sind. Fast die Hälfte der Befragten in Deutschland (45%) würde auf Beratung durch einen Eheberater, einen Psychotherapeuten oder eine Entzugsklinik per Telefon, Handy oder E-Mail verzichten, wenn sie wüssten, dass ihr Kontakt registriert wird.

     

    Basiswissen zum Thema Vorratsdatenspeicherung:

    https://www.patrick-breyer.de/vorratsdatenspeicherung/ 

    Alle Beiträge zu dem Thema:

    https://www.patrick-breyer.de/tag/vorratsdatenspeicherung/

     

    Quellen:

    [1] https://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=265881&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1

    [2] dserver.bundestag.de/btd/20/005/2000534.pdf#page=32

    [3] https://www.patrick-breyer.de/studie-strafverfolgung-funktioniert-ohne-vorratsdatenspeicherung/

    [4] https://grundrechte.ch/2013/MPI_VDS_Studie.pdf

    [5] https://www.patrick-breyer.de/umfrage-vorratsdatenspeicherung-schadet-der-bevoelkerung/

  • Entlastungspaket – Der Tropfen auf den heißen Stein

    Entlastungspaket – Der Tropfen auf den heißen Stein

    Am Sonntag hat die Bundesregierung ihr Entlastungspaket für den Herbst und Winter vorgestellt. Während das Paket von Seiten der Ampel-Regierung als „Wucht” bezeichnet wird, mehrt sich die Kritik.

    „Neben einigen begrüßenswerten Ansätzen kann das Gesamtpaket wieder nur als erster Schritt gewertet werden. Für viele Armutsbetroffene in Deutschland ist das Paket eher ein später Tropfen auf den heißen Stein,”

    kritisiert Anne Herpertz, Vorsitzende der Piratenpartei Deutschland.

    „Gezielte Hilfen, zum Beispiel für HartzIV-Empfangende, kommen viel zu spät und fallen viel zu niedrig aus. Betroffene drehen jetzt schon jeden Cent um: Rund 50€ mehr ab Januar 2023 helfen jetzt konkret niemandem an der Supermarkt-Kasse. Auch die Entlastungen bei der Mobilität helfen Armutsbetroffenen nicht weiter. 49-69€ als Ersatz für das 9-Euro-Ticket können viele nicht stemmen. Die Finanzierung wird zur Hälfte auf die Länder abgewälzt, die oft keine Reserven in den coronageplagten Haushalten haben: Allein in Sachsen wäre der zu zahlende Anteil von 100 Mio. Euro schon 0,5% des Haushalts. Das ist ein Scheitern mit Ansage.”

    Insbesondere mit Blick auf die Klimakrise kommentiert Herpertz:

    „Alle Entlastungsmaßnahmen sind nur kurzfristige Lösungen, langfristig brauchen wir jedoch eine ganzheitliche Energie- und Mobilitätswende. Nur ein sofortiger und massiver Ausbau der erneuerbaren Energien kann uns vom Energieimport unabhängig machen, die Verbraucherpreise wieder senken und dabei helfen, das Klima zu retten. Die Erhöhung der Pendlerpauschale, die Verschiebung der höheren CO2-Preise und der Wegfall des 9€-Tickets sind Schritte in die falsche Richtung. Besonders makaber ist, dass die Zufallsgewinne nun bei erneuerbaren Energieträgern abgeschöpft werden sollen, was zuvor bei anderen Krisengewinnern aus Mineralöl- und Rüstungsindustrie nicht möglich war.”

    „Dass diesmal an Studierende und Rentner:innen gedacht wurde ist ein Anfang. Die Einmalzahlungen sind ein weiterer Tropfen auf den heißen Stein,”

    mahnt Sven Bechen, stellvertretender politischer Geschäftsführer der Piratenpartei.

    „Die Nebenkosten, die wohl doppelt so teuer werden könnten, sind für viele eine enorme finanzielle sowie psychische Belastung, die schwierig zu stemmen sein wird. Auch müssen wir weiter als der Winter denken und langfristige Lösungen finden. Die Ursachen der enormen Preissteigerungen müssen angegangen werden,”

    so Bechen weiter.

  • Piratenpartei beerdigt 9-Euro-Ticket vor dem Bundesverkehrsministerium

    Piratenpartei beerdigt 9-Euro-Ticket vor dem Bundesverkehrsministerium

    Das 9-Euro-Ticket verliert heute seine Gültigkeit. Viele Menschen verlieren damit ihre Mobilität, weil die Ampelregierung keine Nachfolgeregelung gefunden hat. Die Verkehrsministerkonferenz hat die Debatte ebenfalls vertagt. Neben verschiedenen Forderungen wie dem 29€-Ticket, 49€-Ticket, 69€-Ticket oder Ideen auf Landesebene kam es zu keiner Lösung, die ein Zurück in den teuren Tarifdschungel verhindert hätte. Deshalb ruft die Piratenpartei heute um 13:00 Uhr zu einer demonstrativen Beerdigung des Tickets vor dem Bundesverkehrsministerium auf dem Platz vor dem Neuen Tor in Berlin auf.

    „Es ist desaströs, dass sich die Parteien der Ampel-Regierung mit Forderungen brüsten, aber an einer angemessenen Lösung scheitern. Im Streit der Regierungsparteien werden Millionen Bürgerinnen und Bürger vergessen. Einige Verkehrsbetriebe kündigten bereits höhere Preise als vor dem 9-Euro-Ticket an”

    kritisiert Anne Herpertz, Vorsitzende der Piratenpartei Deutschland.

    „Uns geht es nicht nur darum, das 9-Euro-Ticket zu betrauern, sondern auch um die zukünftige Mobilität in Deutschland. Wir PIRATEN fordern eine ganzheitliche Verkehrswende. Dafür braucht es bezahlbare Mobilität durch Bus und Bahn sowie massive Investitionen in die Infrastruktur, um mehr Teilhabe und Klimaschutz zu ermöglichen. Wir geben den Kampf für einen flächendeckenden, bezahlbaren ÖPNV bis hin zu einer komplett fahrscheinfreien Mobilität nicht auf.”