Schlagwort: Armut

  • Totalversagen: 200€-Einmalzahlung für Studierende und Fachschüler:innen

    Totalversagen: 200€-Einmalzahlung für Studierende und Fachschüler:innen

    Vor inzwischen über sechs Monaten beschloss die Bundesregierung die Einmalzahlung in Höhe von 200 € für Studierende und Fachschüler:innen. Deshalb gründete sich das breite Bündnis „Keinmalzahlung200“ aus Piratenpartei, diversen Studierendenvertretungen und politischen Hochschulgruppen, das unter https://keinmalzahlung200.de Kritik an der Bundesregierung übt und Forderungen für Studierende und Fachschüler:innen in Not stellt. Am 15. März soll es nun losgehen mit der Antragsstellung, die unter zwingender Nutzung eines BundID-Kontos stattfinden muss. Wann das Geld dann ankommt, ist genauso unklar wie die datenschutzrechtliche Grundlage der Datenverarbeitung sowie die Ausfallsicherheit der Plattform.

    Anne Herpertz, Vorsitzende der Piratenpartei und Initiatorin des Bündnisses „Keinmalzahlung200“ kritisiert die Bundesregierung scharf:

    „Der komplizierte Prozess und die viel zu niedrige und zu späte Einmalzahlung geht zulasten von allen Studierenden und Fachschüler:innen, die seit Monaten in Notlagen sind. Das FDP-geführte BMBF zeigt uns mit der gesamten Aktion, was „Digitalisierung first, Bedenken second“ bedeutet: Sechs Monate hat es gedauert und Menschen werden gezwungen, eine Online-Plattform zu nutzen und ein BundID-Konto anzulegen. Echte Wahlfreiheit sieht anders aus! Es wirkt eher so, als wolle die FDP für das gescheitertes Digitalprojekt BundID hohe Nutzungszahlen erzwingen. Der ganze Auszahlungsprozess hätte mit deutlich weniger Bürokratie in viel schnellerer Zeit umgesetzt werden können. Man kommt zu der Ansicht, dass Studierende und Fachschüler:innen der Bundesregierung vollkommen egal sind.“

    Sven Bechen, stellvertretender politischer Geschäftsführer und selbst Student, ergänzt:

    „Die 200 € kommen einfach zu spät. Was zuerst finanzielle Löcher waren, sind nach Monaten Verzögerung riesige Schluchten geworden. Die Armut von Studierenden ist eine bekannte Dauerkrise, doch nach Pandemie und Energiekrise, befinden sich viele psychisch und finanziell am Limit. Man bekommt das Gefühl, die ganze Aktion diene nicht dazu Studierende zu entlasten, sondern um das Digitalprojekt BundID zu bewerben. Studierende bitten um Hilfe und ich bin der Meinung, dass jeder die Chance verdient haben sollte, zu studieren, ohne Angst um die eigene Existenz zu haben.“

  • Keinmalzahlung200: Einmal ist Keinmal! Warum sind wir euch so egal?

    Keinmalzahlung200: Einmal ist Keinmal! Warum sind wir euch so egal?

    Bereits im September 2022 beschloss die Bundesregierung mit dem dritten Entlastungspaket eine Einmalzahlung in Höhe von 200 Euro für Studierende und Fachschüler:innen. Über fünf Monate später gibt es lediglich eine Vorstellung des Antragsverfahrens, die Beantragung soll ab Mitte März 2023 möglich sein. Ein breites Bündnis aus Piratenpartei, der Bundesstudierendenvertretung fzs, Landes-Studierendenvertretungen, der GEW-Studis, politischen Hochschulgruppen und dem Bundesverband ausländischer Studierender äußern mit der Kampagne „Einmal ist Keinmal! Warum sind wir euch so egal?“ unter https://keinmalzahlung200.de scharfe Kritik an der Bundesregierung und den Landesregierungen und stellen Forderungen für Studierende und Fachschüler:innen in Not.

    Die Bundesvorsitzende der Piratenpartei, Anne Herpertz, findet klare Worte:

    „Die Einmalzahlung der Bundesregierung ist eine Bankrotterklärung. Schon vor der Krise war die Lage der Studierenden äußerst prekär. Inzwischen ist die Not riesig. Die Antwort der Bundesregierung darauf: viel zu wenig, viel zu spät, viel zu kompliziert. Es liegt der Verdacht nahe, dass mit dem zwingenden Online-Antrag und der BundID-Verifizierung eher ein gescheitertes IT-Projekt gerettet wird, als Studierenden helfen zu wollen. Das ist besonders für die selbsternannte Digitalpartei im Bildungsministerium unwürdig. Hier wird bewusst darauf gepokert, dass möglichst wenig Studierende und Fachschüler:innen an ihre viel zu niedrige Einmalzahlung kommen.”

    Carlotta Eklöh, Vorstandsmitglied der Bundesstudierendenvertretung fzs, schließt sich dem an:

    „Eine Soforthilfe ist das schon lange nicht mehr. Die 200 Euro können das Loch im Portemonnaie bei den hohen Lebenshaltungskosten sowieso nicht mehr stopfen. Die Armut unter uns Studierenden ist eine Dauerkrise und sie muss endlich mit einer strukturellen Reform des BAföG gelöst werden! Auch wir wollen endlich mal wieder sorgenfrei ins Kino gehen oder uns eine Reparatur in der Wohnung leisten können.“

  • 30 Jahre Tafeln – und kein Ende in Sicht

    30 Jahre Tafeln – und kein Ende in Sicht

    Fünf Jahre ist es her, da schrieb ich einen Beitrag aus Anlass des 25jährigen Bestehens der Tafeln in Deutschland [1].

    Seitdem hat sich wenig bis gar nichts zum Besseren gewendet. Im Gegenteil, die Tafeln klagen über stetig sinkenden Warenbestand zum Verteilen, die Zahl derjenigen, die dabei zugreifen, steigt (wie prognostiziert) und fordern mittlerweile selbst die verstärkte Unterstützung ihrer Kunden durch den Staat [2]. Mit den aktuellen Entwicklungen im Energiepreisbereich stehen manche vor dem Aus [3] oder verhängen Aufnahmestopps [4].

    Wie überhaupt die aktuelle Situation nicht nur für die in der unteren Einkommensskala befindlichen Menschen prekärer wird, sondern zunehmend auch bei denen, die sich bislang der Mittelschicht zugeordnet haben [5]. Ein Beleg dafür ist der steigende Nettoumsatz der Leihhäuser [6]. Hinzu kommen nach den aus afrikanischen und arabischen Kriegsgebieten Geflüchteten in 2018 nun seit geraumer Zeit die Menschen aus der Ukraine [7]. Denn bei Weitem nicht alle sind schon auf dem deutschen Arbeitsmarkt angekommen [8]

    Es ist absehbar, dass dieses System, das auf Good-Will und Ehrenamtlichkeit setzt, um das staatliche Versagen bei der Bereitstellung der Lebensgrundlagen seiner Bürgerinnen und Bürger zu kaschieren, nicht auf Dauer fortzuführen ist. Hinzu kommt, dass unser Sozialsystem darauf setzt, dass durch die Beiträge der einkommensteuerpflichtig Beschäftigten die Kassen gefüllt werden, aus denen es bedient wird. Doch die Erwerbsquote pendelt sich um die 56% [9] ein – bei steigender Bevölkerung [10]. Was ein reales Sinken bedeutet. Die Zahl der geringfügig Beschäftigten, die keine Einkommensteuern zahlen, ist mit 4,4 Millionen [11] nach wie vor hoch und der allseits beschriebene und durch die Wirtschaft selbst aufgrund nicht vorgenommener Ausbildung entstandene Fachkräftemangel [12] tut sein Übriges, was das System in ein immer größeres Ungleichgewicht bringt.

    Normalerweise kann man davon ausgehen, dass dies die herrschende Politik nicht interessiert. Doch das Erstarken der AfD, die sich zuletzt in Niedersachsen als Retter der von Wohlstandsverlust Betroffenen dargestellt hat, sollte ein Wink mit dem Zaunpfahl sein, dass ein Weiter so nicht mehr funktioniert. Denn zwar gilt noch immer „Armut wählt nicht“ [13]. Doch wenn diejenigen, die aus Angst um ihr kleines bisschen Wohlstand [14] eine zumindest unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stehende Partei [15] wählen, müssten wirklich alle Alarmglocken klingeln.

    Nicht so bei der aktuellen Bundesregierung, die zugegebenermaßen keinen leichten Stand hat. Aber selbst wenn sie alle Inhalte des Koalitionsvertrages [16] umsetzen könnte, wäre dort wenig mehr, als das so genannte Bürgergeld [17] herausgekommen. Dieses um knapp 10% höher als der bisherige Hartz4-Satz gelegene und von manchen schon als Grundeinkommen bezeichnete [18] Placebo deckt gerade einmal die inflationsbedingten Preissteigerungen. Bedingungslos angelegt ist es ohnehin nicht.

    Ein Bedingungsloses Grundeinkommen „muss existenzsichernd sein, einen individuellen Rechtsanspruch begründen, darf mit keiner Bedürftigkeitsprüfung einhergehen und keinem Zwang zur Arbeit.“ [19] Theoretisch ist längst bekannt, wie dieses umzusetzen wäre, wie hoch es sein könnte und wie es finanzierbar wäre [20]. Und ein 2019 in Finnland durchgeführtes Modellprojekt hat die positiven Wirkungen bestätigt [21]. Selbst auf Bundesebene existieren Untersuchungen [22]. In Niedersachsen hätten Modellprojekte [23] noch genauere Erkenntnisse bringen können. 

    Eine Europäische Bürgerinitiative, die das Ziel hatte, eine Aufforderung an die Europäische Kommission zu richten, aktiv zu werden und Vorschläge für bedingungslose Grundeinkommen in der gesamten EU zu machen [24], hat zwar europaweit nicht die notwendige Zahl von Unterstützung bekommen, in Deutschland aber schon. [25] Das und der massive Zuwachs gegenüber einer ähnlichen Initiative von 2013/14 [26] [27] zeigt jedoch, dass Deutschland darauf wartet, einen Vorschlag von der Bundesregierung zu bekommen, der die oben genannten vier Kriterien erfüllt. 502 Euro so genanntes Bürgergeld für Alleinstehende sind dafür nicht ausreichend, auch diese sind nicht bedingungslos.

    All diese Punkte führen zu nur einer noch offenen Frage: Wenn nicht jetzt, wann dann?

  • Advent, Advent, die Armut – sie brennt (aus)

    Advent, Advent, die Armut – sie brennt (aus)

    ein Kommentar von Anne Herpertz

    Über 13 Millionen Menschen in Deutschland sind arm(utsgefährdet). Das ist nicht weniger als eine enorme Schande. Und das Entscheidende: Es ist kein Zufall, erst recht kein individuelles Eigenverschulden, sondern die Konsequenz unsozialer, systematisch wegsehender und menschenverachtender Politik.

    Armut betrifft viele gesellschaftliche Gruppen – allen voran viele Alleinerziehende, Geflüchtete, Rentner:innen, Menschen ohne Arbeit, Menschen mit Behinderung, Studierende, Auszubildende und Kinder. Sie wird begleitet von psychischen Belastungen, gesellschaftlichen Stigmata und einem verachtenswerten Menschenbild bei einigen Nicht-Betroffenen. Vielfach wird Armut individualisiert und die Schuld bei Betroffenen gesucht. Mediale Bloßstellungen und pauschale Vorverurteilungen erledigen den Rest.

    Kommen wir auf den entscheidenden Punkt zurück: Armut entsteht nicht „aus Versehen“. Sie kann bekämpft werden, wenn es politisch gewollt ist. Doch das ist es derzeit nicht. Das ab Januar geltende „Bürgergeld“ (Hartz IV-light) war schon als Vorschlag von der Ampel kein „Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik“. Die wenigen Verbesserungen wurden auch noch in großen Teilen durch die Verhinderungsmacht CDU/CSU kassiert. Eine Sache wurde sogar verschlimmert: Nahezu ohne große Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit wurde durch den Kompromiss im Vermittlungsausschuss über das Bürgergeld das Sanktionsmoratorium, das eigentlich bis Juni 2023 hätte gelten sollen, aufgehoben. Der Begriff der Sanktion taucht zwar im Bürgergeld-Gesetz nicht mehr auf, aber dafür die Leistungsminderung, die letztlich nichts anderes als Sanktionen bedeutet. Wann hören Regierungsparteien endlich auf, hier und da ein paar Euro mehr oder hier und da ein wenig Entlastung als ernst zu nehmende Sozialpolitik zu verkaufen? Hat denn niemand wirklich vor, reelle finanzielle Bedrohungslagen für Menschen anzugehen?

    Armut wird in Deutschland nicht bekämpft, sondern verwaltet. Ein anständiger Staat bemisst sich nicht nur an der reinen Distribution von Sozialleistungen, sondern auch durch die Art und Weise, wie er sie verteilt. Berechtigte Ansprüche verkommen immer mehr zu Almosen. Menschen, die hinter vielfältigen Schicksalen stehen, verkommen zu Nummern (oder besser noch, „Kunden“), die sich entmenschlichend vor dem Staat nackt machen müssen. Sind das Kennzeichen eines sozialen Staates? Ich bezweifle es zutiefst.

    Ich kämpfe mit jeder Zelle meines Körpers für ein Bedingungsloses Grundeinkommen. Nun könnte ich eine ganze Reihe von Argumenten anführen – von freier Entfaltung, über Verhandlungsmacht für Arbeitnehmende, hin zu einem Leistungsbegriff, der nicht auf Erwerbsarbeit beruht. All dem zugrunde liegt letztlich eine einzige Formel: Jeder Mensch soll ein Leben in Würde führen dürfen und niemand soll in Armut leben müssen. Ganz einfach, weil er/sie existiert. Das käme meiner Vorstellung eines grundlegend sozialen Staates am nächsten.

    Doch bis wir dahin kommen, liegt es neben dem politischen Druck, den wir aufbauen, noch immer an uns als Gesellschaft, diese Zustände abzufedern und Solidarität zu zeigen. Mit Entstigmatisierung und Sensibilisierung im Umfeld fängt es an. Auch rund um Weihnachten wieder passender: Wer hat, der gibt. Zum Beispiel dem sanktionsfrei e.V., der Menschen, die von Sanktionen bzw. zukünftig Leistungsminderungen betroffen sind, finanziell und anwaltlich unterstützt. Oder als #Bratenpaten, #Technikpaten, #Geschenkpaten und #Kleiderpaten an die OneWorryLess-Foundation, die Menschen in Armut in konkreten Anliegen Würde zurückgibt. Auch wenn es nicht die Aufgabe der Zivilgesellschaft sein sollte, die Missstände des deutschen Sozialsystems auszugleichen, gilt: Respekt an alle, die helfen, wo der Staat versagt.

    Advent, Advent, die Armut – sie brennt (aus). Frohe Feiertage und eine besinnliche Zeit – die man nicht nur sich selbst, sondern auch anderen ermöglichen kann.

  • Entlastungspaket – Der Tropfen auf den heißen Stein

    Entlastungspaket – Der Tropfen auf den heißen Stein

    Am Sonntag hat die Bundesregierung ihr Entlastungspaket für den Herbst und Winter vorgestellt. Während das Paket von Seiten der Ampel-Regierung als „Wucht” bezeichnet wird, mehrt sich die Kritik.

    „Neben einigen begrüßenswerten Ansätzen kann das Gesamtpaket wieder nur als erster Schritt gewertet werden. Für viele Armutsbetroffene in Deutschland ist das Paket eher ein später Tropfen auf den heißen Stein,”

    kritisiert Anne Herpertz, Vorsitzende der Piratenpartei Deutschland.

    „Gezielte Hilfen, zum Beispiel für HartzIV-Empfangende, kommen viel zu spät und fallen viel zu niedrig aus. Betroffene drehen jetzt schon jeden Cent um: Rund 50€ mehr ab Januar 2023 helfen jetzt konkret niemandem an der Supermarkt-Kasse. Auch die Entlastungen bei der Mobilität helfen Armutsbetroffenen nicht weiter. 49-69€ als Ersatz für das 9-Euro-Ticket können viele nicht stemmen. Die Finanzierung wird zur Hälfte auf die Länder abgewälzt, die oft keine Reserven in den coronageplagten Haushalten haben: Allein in Sachsen wäre der zu zahlende Anteil von 100 Mio. Euro schon 0,5% des Haushalts. Das ist ein Scheitern mit Ansage.”

    Insbesondere mit Blick auf die Klimakrise kommentiert Herpertz:

    „Alle Entlastungsmaßnahmen sind nur kurzfristige Lösungen, langfristig brauchen wir jedoch eine ganzheitliche Energie- und Mobilitätswende. Nur ein sofortiger und massiver Ausbau der erneuerbaren Energien kann uns vom Energieimport unabhängig machen, die Verbraucherpreise wieder senken und dabei helfen, das Klima zu retten. Die Erhöhung der Pendlerpauschale, die Verschiebung der höheren CO2-Preise und der Wegfall des 9€-Tickets sind Schritte in die falsche Richtung. Besonders makaber ist, dass die Zufallsgewinne nun bei erneuerbaren Energieträgern abgeschöpft werden sollen, was zuvor bei anderen Krisengewinnern aus Mineralöl- und Rüstungsindustrie nicht möglich war.”

    „Dass diesmal an Studierende und Rentner:innen gedacht wurde ist ein Anfang. Die Einmalzahlungen sind ein weiterer Tropfen auf den heißen Stein,”

    mahnt Sven Bechen, stellvertretender politischer Geschäftsführer der Piratenpartei.

    „Die Nebenkosten, die wohl doppelt so teuer werden könnten, sind für viele eine enorme finanzielle sowie psychische Belastung, die schwierig zu stemmen sein wird. Auch müssen wir weiter als der Winter denken und langfristige Lösungen finden. Die Ursachen der enormen Preissteigerungen müssen angegangen werden,”

    so Bechen weiter.

  • Piraten kritisieren Steuerreformpläne der gelb-blinkenden Ampel

    Piraten kritisieren Steuerreformpläne der gelb-blinkenden Ampel

    Ein Kommentar von Anne Herpertz, Vorsitzende der Piratenpartei Deutschland:

    Die Ankündigung von Wirtschaftsminister Habeck, dass Haushalte dieses Jahr mehrere hundert Euro mehr für Energiekosten ausgeben müssen, bedeutet für viele Menschen eine verschärfte Armutssituation. Schon letztes Jahr waren 13 Millionen Menschen in Deutschland armutsgefährdet. Die Hoffnung war groß, dass die Regierung die Belastung in irgendeiner Form abfedert. Statt der erhofften Entlastung für all jene Menschen, die durch Pandemie und Energiekrise unverschuldet noch weiter in Not geraten, präsentiert Christian Linder unfaire Steuergeschenke. Dieses Steuerkonzept ist ein Schlag ins Gesicht für alle Menschen, die weniger als 60.000 € im Jahr verdienen – wozu ein Großteil der Bevölkerung gehört. Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, kritisiert, dass 70 % der Entlastungen den 30 % zugutekommen, welche die höchsten Einkommen verzeichnen. Zudem werden dabei auch all jene vergessen, die zu wenig verdienen, um Einkommenssteuer zu zahlen. Diese Menschen sind jetzt schon am stärksten belastet. Entlastungen braucht es bei den Menschen, die während der letzten Jahre die zusätzlichen Belastungen aushalten mussten – kleine und mittlere Einkommen.

    Eine solche Idee zum jetzigen Zeitpunkt zeigt sehr deutlich, wo die Prioritäten der Bundesregierung liegen – deutlich erkennbar nicht bei denen, die wirklich auf Solidarität angewiesen sind. Erschreckend ist die Kaltschnäuzigkeit, mit der das Finanzministerium hier agiert – mit Rückendeckung vom Bundeskanzler.

    Daher fordere ich Bundeskanzler Olaf Scholz dazu auf, seinem Versprechen „You’ll never walk alone“ Taten folgen zu lassen. Es kann nicht sein, dass weiter Steuergeschenke an Besserverdienende auf Kosten der Allgemeinheit verteilt werden, während viele Menschen heute schon nicht wissen, wie sie durch den Winter kommen werden. Die kommenden Monate werden einen erheblichen Einschnitt in die Lebensverhältnisse von Millionen von Menschen in diesem Land darstellen – wenn nicht richtig entlastet und abgefedert wird. Die gestiegenen Energiepreise werden Menschen mit hohen Einkommen nicht spüren, sondern all jene, bei denen es auch vorher schon knapp war.

    Zwar wissen wir jetzt, dass wir „nie alleine laufen werden“ – die Frage ist aber noch immer, wohin die Reise überhaupt gehen soll.

  • Internationaler Tag für die Beseitigung der Armut: Europa braucht eine moderne, zeitgemäße Entwicklungspolitik

    Die Generalversammlung der Vereinten Nationen erklärte im Jahr 1992 den 17. Oktober zum Internationalen Tag für die Beseitigung der Armut. Doch wie ist der Armutsstand der Welt heute, 14 Jahre nach dieser Resolution? Die extreme Armut in der Welt ist nach Angaben der Weltbank 2015 erstmals auf unter zehn Prozent zurückgegangen. Rund 9,6 Prozent der Weltbevölkerung leben hiernach in extremer Armut. Die Weltbank warnte jedoch vor überhöhten Erwartungen, da es in vielen Ländern des südlichen Afrikas bisher nur geringe Fortschritte gebe.

    Dr. Gernot Reipen, Bundesbeauftragter für Sozialpolitik der Piratenpartei Deutschland, erklärt dazu: »Nach wie vor sind über 800 Mio. Menschen weltweit von Hunger betroffen, obwohl die Zahl hungernder Menschen in den letzten Jahren dank moderner Nahrungsmittelproduktion, rückläufig ist. Das Fehlen von Nahrungsmitteln ist nicht mehr allein die Ursache von Armut.

    Eine moderne Form der Ausbeutung macht sich in den letzten Jahren in den Entwicklungsländern breit. Weltweit agierende Konzerne und Unternehmen kaufen oder pachten zunehmend fruchtbare Ackerflächen in diesen Ländern, um ihre eigenen Produkte anbauen zu können. Neue sogenannte Freihandelsabkommen von Industrienationen mit der Dritten Welt sind so ausgelegt, dass sie den einheimischen Binnenmarkt durch subventionierte Billigimporte aus Europa ruinieren. Bestes Beispiel ist das Freihandelsabkommen „Economic Partnership Agreement“ kurz EPA zwischen der Europäischen Union und afrikanischen Ländern.

    So kritisierte Merkels Afrika-Beauftragter Günter Nooke: „EU-Freihandelsabkommen EPA macht Entwicklungshilfe zunichte“. Die weltweite Fluchtbewegung gründet sich auch aus dieser Fehlentwicklung in der Handels- und Entwicklungspolitik der Industrienationen. Eine moderne, zeitgemäße Entwicklungspolitik sollte nicht der eigenen einheimischen Wirtschaft dienen, sondern die Eigen- und Selbstständigkeit eines Entwicklungslandes fördern. Hier ist ein Umdenken dringend geboten!«