Schlagwort: Behinderung

  • European Inclusion Summit

    European Inclusion Summit

    Am 17.11.2020 fand der European Inclusion Summit [1] des Beauftragten der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderungen Herr Jürgen Dusel als Onlinekonferenz mit etwa 3000 Teilnehmern statt. Sandra Leurs und Antonia-M. Hörster haben für die PIRATEN AG Gesundheit und Pflege daran teilgenommen und berichten.

    Community-Call 1: EUROPÄISCHER RECHTSAKT ZUR BARRIEREFREIHEIT | UMSETZUNG UND AUSBLICK[2]

    Italien hat Strafsanktionen eingeführt für nicht barrierefreie Produkte.
    Leider wurde in dem Community-Call nicht auf meine Frage eingegangen, wie es sein kann, dass sich die deutsche Normierungsgruppe gegen eine internationale Norm beim Thema bauliche Umwelt und Architektur gesträubt hat.

    „Die Strafsanktionen für fehlende Barrierefreiheit sollten europaweit eingeführt werden. Gerade in Deutschland lässt da viel zu wünschen übrig.“

    Community-Call 2: SCHUTZ VON FRAUEN UND KINDERN MIT BEHINDERUNGEN VOR GEWALT[3]

    Ich hatte die Frage gestellt, wie es sein kann, dass es immer noch Großstädte gibt, in denen es wenige bis gar keine barrierefreien TraumatherapeutInnen gibt. Ebenfalls bezog ich dies auf nicht vorhandene Tageskliniken bzw. spezialisierte TherapeutInnen z.B. für Borderline, also DBT Therapie. Leider bekam ich nur die schwammige Antwort, man solle die lokale Politik darauf aufmerksam machen, und man könne im Endeffekt sonst nichts tun. 

    „Gerade in der kommunalen Politik wird „Barrierefreie Stadt“ nicht gerade groß geschrieben. Viele Städte sind mit ihren Haushaltsaufgaben belastet. Vor Corona sowieso, und nun erst Recht.“

    Egal in welchem Land gefragt wurde, das Thema Frauen und Kinder mit Behinderungen in Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt ist anscheinend immer noch ein Tabuthema bzw. es gibt zu wenig Statistikmaterialien.

    „Gerade im Bereich Menschen mit Behinderungen findet eine Tabuisierung statt. Aufklärung ist hier oberste Priorität.“

    Community-Call 3: DIGITALISIERUNG[4]

    Klar wurde in diesem Panel, dass es nicht eine Lösung für alles gibt, sondern dass man z.B. Apps immer auf viele Arten verbessern muss. 

    „Hier wird Forschung und Weiterentwicklung im Digitalen Bereich von Nöten sein.“

    Community-Call 4: INKLUSIVE ENTWICKLUNGSZUSAMMENARBEIT[5]

    Es ist anscheinend nicht machbar für einen Menschen mit Beeinträchtigung für einen längeren Aufenthalt z. B. im Ausland eine Assistenz zu bekommen, während es für Reisen innerhalb Deutschlands besser aussieht.  [6]

    Die Assistenzleistungen werden nach  Sozialgesetzbuch (SGB IX) als eine Leistung zur sozialen Teilhabe erbracht. Assistenzleistungen umfassen insbesondere Leistungen für die allgemeinen Erledigungen des Alltags wie die Haushaltsführung, die Gestaltung sozialer Beziehungen, die persönliche Lebensplanung, die Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, die Freizeitgestaltung einschließlich sportlicher Aktivitäten sowie die Sicherstellung der Wirksamkeit ärztlicher Leistungen. Auslandsreisen werden hier nicht erwähnt. 

    „Entwicklungsarbeit im Bereich „Menschen mit Behinderung“ ist eine globale Aufgabe. Hier muss die glabalisierte Welt noch einiges Aufholen.“

    Mein Resümee:

    Bei allen Themen, die heute im Rahmen des InclusionSummit diskutiert und besprochen wurden, wurde eines festgestellt:.

    Die UN Behindertenrechtskonvention, die auch Deutschland ratifiziert hat, hat kleine Erfolge erzielt.

    Mit Hinblick auf Deutschland ist zu erwähnen, dass da noch dicke Bretter gebohrt werden müssen. Auch hier, wie in vielen anderen Sozialbereichen, muss mehr Geld in die Hand genommen werden. 

    Wir wollten explizit das #Ipreg[7] ansprechen, leider ist es nicht dazu gekommen. 

     

    Quellen/Fußnoten:

    Programm des Inclusion Summit: https://www.european-inclusion-summit.eu/SharedDocs/Downloads/Webs/EIS/DE/AS/EIS-Programm2020.pdf?__blob=publicationFile&v=3n 

    Website des Inclusion Summit: https://www.european-inclusion-summit.eu/Webs/EIS/DE/AS/startseite/startseite-node.html;jsessionid=7886E93CA3E8F0CF9A0ED62E8149D8B8.intranet231

    [1] https://www.european-inclusion-summit.eu/Webs/EIS/DE/AS/startseite/startseite-node.html

    [2https://ec.europa.eu/social/main.jsp?catId=1202&langId=de

    [3https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/gleichstellung/frauen-vor-gewalt-schuetzen/frauen-mit-behinderungen-schuetzen/gewalt-gegen-frauen-mit-behinderungen/80650

    [4https://www.qualifizierungdigital.de/de/inklusion-durch-digitalisierung-3353.php

    [5https://www.bmz.de/de/mediathek/publikationen/themen/inklusion/Materialie350_inklusion.pdf

    [6] https://www.bundestag.de/resource/blob/559818/be8c8cd5f04ead222aedf1891ea48827/WD-6-042-18-pdf-data.pdf

    [7] Ipreg Kurzfassung: https://www.haufe.de/sozialwesen/leistungen-sozialversicherung/intensivpflege-und-rehabilitationsstaerkungsgesetz_242_509722.html

  • „Das merkt man dir ja gar nicht an….“

    „Das merkt man dir ja gar nicht an….“

    Am heutigen 05. Mai ist der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Dieser wird seit 1992 von Verbänden und Organisationen der Behindertenhilfe und -selbsthilfe veranstaltet. Oft denkt man beim Schlagwort „Behinderte“ an blinde Menschen, Menschen im Rollstuhl oder an die Teilnehmer der Paralympics, die vielfältige körperliche Behinderungen haben.

    Mentale, psychische und seelische Behinderungen geraten leicht aus dem Blick der Öffentlichkeit, weil man sie den Menschen nicht ansieht. Wir möchten das ändern und machen heute darauf aufmerksam, dass auch die „unsichtbaren“ Behinderungen ein Recht auf Gleichstellung mit sich bringen. Hierzu haben wir mit einem Betroffenen gesprochen (*).

    Kannst Du sagen, welche Art Behinderung Du hast und wie lange Du schon als behindert giltst?
    „Meine Behinderung ist psychischer Natur und seit Mai 2017 anerkannt.“

    Wie geht es Dir damit?
    „Ich finde es gut, dass ich einen anerkannten Grad der Behinderung habe. Es gibt mir die Möglichkeit, mein Erleben wohlwollender zu betrachten und mich nicht unter Druck zu setzen, wenn ich mal wieder in der „normalen Welt“ nicht mithalten kann. Meine Erkrankung selbst steht nochmal auf einem ganz anderen Blatt…“

    Welche Herausforderungen bringt Dein Alltag mit sich?
    „Ich bin oft schnell erschöpft, kann mich nicht lange am Stück konzentrieren und muss zusätzlich stark auf einen regelmäßigen Schlaf achten. Auch darf ich mich theoretisch nicht allzu sehr positivem Stress aussetzen (z.B. sowas wie Erfolg im Studium oder Verliebtheit), was ich aber praktisch als unmöglich umsetzbar und auch als starke Einschränkung empfinde. Zudem habe ich starke Schwierigkeiten, mich selbst zu motivieren und bin immer dankbar, wenn es ein von außen vorgegebenes Gerüst gibt.“

    Wie gehen Menschen mit Dir um, die von Deiner Behinderung erfahren bzw. denen Du sagst, dass es sich dabei um eine anerkannte Behinderung handelt?
    „Meist fällt der Satz: „Das merkt man Ihnen/dir ja gar nicht an.“.“

    Welche konkreten politischen Maßnahmen würden Deinen Alltag verbessern?
    „Ein Grundeinkommen zu haben, von dem ich leben kann. Aber das wäre wohl bei der Mehrheit der Menschen der Fall, egal, ob eine anerkannte Behinderung vorliegt oder nicht. Aber auch das geplante Landesgesetz über psychiatrische Unterbringung in Bayern macht mir Angst. Solche Gesetze stempeln ab, statt dass sie helfen, Verständnis zu wecken. Ich hoffe, dass das Gesetz überarbeitet oder ganz zurückgezogen wird.“

    (*) Die Identität des Betroffenen ist den Interviewern bekannt. Zu seinem Schutz ist das Interview anonymisiert.

  • Alleingelassen von der Politik: Barrierefreiheit im Internet

    Fast genau vor 15 Jahren, am 1. Mai 2002, trat das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) in Kraft. Darin werden Rechte behinderter Menschen in Deutschland entsprechend des Artikels 3 Abs. 3 unseres Grundgesetzes („Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“) auch für elektronische Informationsangebote wie das Web und andere grafische Programmoberflächen geregelt.
    Das Gesetz läutete eine notwendige Kehrtwende in der Behandlung von Menschen mit Behinderungen ein: War es vorher noch üblich und erlaubt, die Betroffenen auf „Hintereingänge“ zu verweisen und jegliches Entgegenkommen als Akt der Großherzigkeit darzustellen, verlangte dieses Gesetz eine Gleichstellung aller Menschen. Menschen mit Behinderungen dürfen nicht mehr schlechter gestellt werden als andere. Ein Zugang zu physikalischen oder auch virtuellen Räumen muss für alle gleichermaßen offen stehen. Und zwar jedem nach seinen Möglichkeiten.

    Das Gesetz galt nicht nur für die physikalische Welt, an die viele denken, wenn von Barrierefreiheit geredet wird. Es gilt auch für das Internet.

    Für Deutschland regelt die „Verordnung zur Schaffung barrierefreier Informationstechnik nach dem Behindertengleichstellungsgesetz“ (Barrierefreie-Informationstechnik-Verordnung, kurz BITV), die Umsetzung. Die BITV wurde vor mehreren Jahren nach und nach von allen Bundesländern in Form eigener Landesverordnungen umgesetzt. Oftmals wurden großzügige Übergangsregelungen eingeräumt, die es Behörden und Einrichtungen des öffentlichen Rechts erlaubten, den Umstieg langsamer vorzunehmen. Glücklicherweise sind inzwischen alle Fristen abgelaufen. Theoretisch müsste also heutzutage jede Website einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung, sowohl des Bundes als auch der Länder, barrierefrei zugänglich sein.

    Die Praxis sieht leider ganz anders aus. Die Verpflichtung wurde nicht nur nicht eingelöst, viele Webangebote, die in den Jahren 2003 bis 2011 unter Berücksichtigung der Barrierefreiheit gestaltet wurden, haben diese Eigenschaft wieder verloren.

    Das Gesetz und die Verordnungen hatten von Anfang an einen grundlegenden Fehler: Die Umsetzung und Kontrolle wurde und wird nur nachlässig behandelt, da es weder effektive Sanktionsmöglichkeiten noch Klagerechte für Betroffene gibt. Zudem enthält die Verordnung verschiedene Ausnahmetatbestände, auf die sich ein Website-Betreiber berufen kann, u.a. die Behauptung vermeintlich zu hoher Kosten. Zwar gibt es theoretisch die Möglichkeit von Verbandsklagen, doch diese wird nicht wahrgenommen: Kein Behinderten-Verband, welcher von verschiedenen Ministerien finanziell abhängig ist, wird es sich mit einer Landes- und oder Bundesregierung verscherzen wollen.

    Die rechtlichen Instrumente zur Durchsetzung von Barrierefreiheit haben sich auch für Juristen als überaus unzureichend erwiesen. Der Versuch, mit Hilfe von Zielvereinbarungen entsprechende Verbindlichkeiten durchzusetzen, hat sich in der Praxis ebenfalls als wirkungslos erwiesen; die Medienberichterstattung über Zielvereinbarungen von großen Unternehmen stellten sich im Nachhinein oft als bloße Marketingmaßnahmen heraus.
    Ein weiterer großer Fehler lag darin, dass das Gesetz nur Einrichtungen des öffentlichen Dienstes betrifft, die Wirtschaft jedoch außen vor lässt.
    Die Hoffnung bestand, dass durch eine große Anzahl an barrierefreien Webangeboten die Wirtschaft von selbst und aus eigenem Interesse an Kundenzuwächsen nachziehen würde.

    Dieser Anfangsfehler wurde auch durch eine Novellierung im Jahr 2011 nicht behoben.
    Gleichzeitig sank (auch aufgrund von personellen und politischen Veränderungen im Umfeld der Behindertenbeauftragten von Bund und Ländern) das Engagement von bekannten Verbänden und Playern in Sachen Barrierefreiheit im Internet.
    So beendete die Aktion Mensch und die Stiftung Digitale Chancen den bis dahin einzigen anerkannten Wettbewerb, den BIENE-Award, der zwischen 2003 und 2010 als Leuchtturm und Trendsetter für moderne Webentwicklung im deutschsprachigen Raum wirkte.

    Andere Länder in Europa waren in Sachen Durchsetzung weniger nachlässig und damit erfolgreicher als Deutschland. So gilt beispielsweise in England der Equality Act 2010: Alle Unternehmen, Serviceanbieter und staatliche Stellen sind danach verpflichtet zu prüfen, welche angemessenen Veränderungen sie machen können, um ihr Angebot barrierefreier zu machen. Auf diese Änderungen hat man auch im Berufsleben Anspruch, sonst liegt eine schadenersatzpflichtige Diskriminierung vor.

    Rettung EU-Richtlinie?

    Vor einigen Jahren bestand noch Hoffnung auf Verbesserung durch eine neue EU-Richtlinie. Diese sollte vor allen Dingen auf die mangelhafte Umsetzung in einigen Ländern der EU – eben auch Deutschland – hinweisen und Abhilfe schaffen. Die EU arbeitete über vier Jahre an der Richtlinie „über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen“. Sie wurde im Oktober 2016 veröffentlicht und im Dezember 2016 in Kraft gesetzt. Bis September 2018 haben die Mitgliedsstaaten nun Zeit, diese Richtlinie in nationales Recht umzusetzen.

    Leider erweist sich diese Richtlinie als Rückschritt. Offensichtlich haben sich dieselben Kräfte in Brüssel durchgesetzt, die auch in Deutschland dafür sorgten, dass die BITV in den Zuständigkeitsbereich der Wirtschaftsministerien fiel und zum zahmen Tiger wurde:

    So werden unter Artikel 1 „Gegenstand und Anwendungsbereich“ zahlreiche Ausnahmen zugelassen. Im Gegensatz zur BITV 2.0 ist Barrierefreiheit nicht verpflichtend für alle Auftritte und Inhalte. Öffentliche Stellen sollten „stets — soweit dies vernünftigerweise möglich ist — barrierefrei zugängliche Alternativen auf ihren Websites oder in ihren mobilen Anwendungen hinzufügen“. Inhalte archivierter Websites oder mobiler Anwendungen, die nicht mehr aktualisiert werden, müssen nicht barrierefrei sein. Auch öffentliche Stellen sollen „Barrierefreiheitsanforderungen in dem Maße anwenden, dass sie keine unverhältnismäßige Belastung für sie darstellen“.

    Weitere Ausnahmen betreffen Websites und mobile Anwendungen von öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, ebenso wie die von „NRO, die keine für die Öffentlichkeit wesentlichen Dienstleistungen oder speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen ausgerichteten oder für diese konzipierten Dienstleistungen anbieten“.
    Zudem werden zahlreiche Inhalte von Websites und mobilen Anwendungen ausgeschlossen, zum Beispiel auch live übertragene zeitbasierte Medien. Mitgliedsstaaten können weiterhin „Websites und mobile Anwendungen von Schulen, Kindergärten oder Kinderkrippen vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausnehmen, mit Ausnahme der Inhalte, die sich auf wesentliche Online- Verwaltungsfunktionen beziehen“.

    Politisches Versagen und Torpedierung guter Ansätze

    15 Jahre nach Einführung des Behindertengleichstellungsgesetzes sind wir somit keinen Schritt weiter gekommen. Die Politik hat sich in Deutschland nicht voran bewegt. Die bekannten Probleme des Gesetzes und der Verordnungen wurden nicht behoben.
    Viele aktive Menschen aus der professionellen Webdesigner- und Barrierefreiheits-„Szene“, die sich jahrelang ehrenamtlich und beruflich engagierten, mussten zusehen, dass mit dem Einsatz für Barrierefreiheit im Internet kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist.
    Erschwerend kommt hinzu, dass Barrierefreiheit von vielen kleinen wie auch großen Webagenturen zu einem Teil des üblichen Produktportfolios geworden ist, ohne dass es jedoch tatsächlich umgesetzt wurde.
    Viele Agenturen verkaufen ihre Webanwendungen unbedarften Kunden als barrierefrei, erfüllen jedoch in der konkreten Umsetzung nicht einmal die rudimentärsten Grundlagen der barrierefreien Webgestaltung.
    Eine Handhabe gegen solche unseriösen Geschäftspraktiken gibt es genauso wenig, wie es ein Klagerecht der hiervon Betroffenen gibt.

    Pressemeldungen aus dem Kreis der aktuellen Regierungskoalition, die sich zum Protesttag selbst loben und trotzdem gleichzeitig von einer notwendigen „Offensive für Barrierefreiheit“  reden, wirken wie blanker Hohn gegenüber all denjenigen, denen das Thema tatsächlich am Herzen liegt und die sich tatsächlich aktiv für Verbesserungen einsetzen.

    Menschen mit Behinderungen werden auf dem Papier und auf mit ausreichend Presse ausgestatteten Veranstaltungen unterstützt und vorgezeigt. Doch in der Sache stehen sie schlechter da als noch vor 15 Jahren. Und mehr noch: Erfolgreiche Umsetzungen anderer Länder, wie beispielsweise in England, werden nunmehr durch die neue EU-Richtlinie torpediert.

    Dies bietet wahrlich keinen Grund zu feiern.

    Lichtblick „Generation Internet“ und Digitalisierung

    Durch die stetige weitere Nutzung des Internets und die Durchdringung von internetfähigen Systemen (Liebhaber des digitalen Bullshit Bingo bemühen hier die Bezeichnung „Cyberphysische Systeme“) wird die Einhaltung von Standards ein immer wichtigerer Faktor für das Funktionieren von Software, digitalen Assistenten, Bots und autonom funktionierenden Systemen. Der Austausch von Daten über Verfahren wie die RESTful API oder das Vorhalten von strukturierten Daten gemäß Schema.org erweist sich zunehmend als fruchtbar für alle Nutzer des Internet – ob sie diese Verfahren bewusst bemerken oder nicht. Screenreader können Texte durch eine saubere Semantik besser interpretieren und so effektiver verständlich machen; digitale Assistenten können durch die Erkennung von Microformats in Webseiten Inhalte leichter finden und korrekter interpretieren.
    Die Standards sind zudem offen und allgemein nutzbar. Dies führt zu weiteren Möglichkeiten: Daten und Inhalte können nunmehr gemäß der Bedürfnisse und Anforderungen des Nutzers interpretiert, gespeichert, verarbeitet und zu etwas Neuem kombiniert werden.

    Nicht der Gesetzgeber, nicht Verbandslobbys und auch nicht Vertreter von Großkonzernen sind hier die Treiber von Innovationen und Verbesserungen. Es sind die einzelnen Menschen, die durch Nutzung dieser neuen Verfahren die Möglichkeiten (wieder-)erlangen, die sie in den Pionierjahren des Internets hatten: Alle Menschen, ganz unabhängig von Behinderung oder Einschränkungen, können nicht nur teilhaben, sondern sich auch beteiligen. Menschen verlassen (wieder) die Rolle der passiven Konsumenten und können erneut zum aktiven Sender werden.

    Diese Möglichkeiten, diesen Lichtblick sollten wir nutzen. Dafür gibt es einen Grund, aufzustehen, heute am Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung!

     

    Über den Autor:

    Wolfgang Wiese (xwolf) ist seit 1994 als Netizen (bzw. „Digital Native“) im Internet beheimatet. Er berät seit mehreren Jahren Firmen und den öffentlichen Dienst in Sachen Barrierefreiheit im Internet und moderner Webentwicklung. Seit 2006 organisiert er den Webkongress Erlangen, der inzwischen als einer der wichtigsten, nicht kommerziell ausgerichteten Kongresse im deutschsprachigen Raum für Webentwicklung und Webdesign gilt. Hauptberuflich ist er an der Universität Erlangen-Nürnberg angestellt und koordiniert und managed dort den Betrieb von über 1100 Webauftritten der Universität sowie von Kooperationen und anderen Einrichtungen des öffentlichen Dienstes in Nordbayern.
    Seit Januar 2017 ist er als ehrenamtlicher Beauftragter für die Webseite der Piratenpartei Deutschland tätig.

     

  • Offener Brief an den Bundesrat: Stoppt das Bundesteilhabegesetz!

    Am Freitag, den 16. Dezember 2016, wird der Bundesrat ab 9:30 Uhr über das Bundesteilhabegesetz beraten. Die Ausschussempfehlungen sehen vor, dem Gesetz zuzustimmen und einen Entschließungsantrag zu finanziellen Aspekten des Gesetzes zu verabschieden. Das bedeutet nichts weniger als einen Angriff auf die Grundpfeiler von Selbstbestimmung, Teilhabe und nicht zuletzt auf die Menschenwürde. (mehr …)