Schlagwort: CETA

  • CETA – Wortbruch und Schummelpackung

    CETA – Wortbruch und Schummelpackung

    Freihandel, hört sich doch gut an? Keine Behinderungen im Warenverkehr, keine unnötigen Zölle, Handel auf Augenhöhe.

    Leider erinnern Freihandelsabkommen oft an Hundekuchen, der bellt nicht und Hund ist auch nicht drin. So ist es auch mit CETA. Da ist jede Menge drin, verteilt auf 1600 Seiten Vertrag findet sich ein bunter Bauchladen von Themen aus dem Bereich Laissez-Faire-Economy, aber ganz wenig Freihandel.

    Die Tatsache, dass die Grünen jetzt der Ratifizierung zugestimmt haben, kann man nur als kompletten Ausverkauf der eigenen Werte bezeichnen. Die Absenkung von Umweltstandards und die Einrichtung eines privaten Schiedsgerichts sind weithin bekannt, aber der Vertrag geht noch deutlich darüber hinaus.

    Alleine schon die Einrichtung des Schiedsgerichts wird zu massiven Behinderungen im Bereich von Umwelt- und Klimaschutz führen. Da ist beispielsweise die kanadische Ölproduktion aus Ölsand. Dagegen ist der Braunkohletagebau in Deutschland eine Oase des Naturschutzes. Der Abbau von Ölsand hinterlässt vergiftete Ödlande und die Abscheidung des Öls ist energetisch enorm ineffizient. Trotzdem hat die EU, vor der ursprünglichen Verabschiedung von CETA, Produkte aus Ölsand als kaum CO2-intensiver als konventionell geförderte Petrorohstoffe eingestuft. Natürlich könnte man jetzt auf die Idee kommen, das wieder zu ändern, aber dummerweise gibt es dann das Schiedsgericht.

    Weniger bekannt sind z. B. die Regelungen im Bereich des Urheberrechts. Da hat man vorgeblich ja „nur“ die Berner Konvention umgesetzt. Eine Regelung aus dem Jahr 1974, die komplett aus der Zeit gefallen ist. Sie ist bis dato nicht mehr ansatzweise anwendbar und dennoch wurde sie in massiv verschärfter Form in den Vertrag aufgenommen.

    Im Prinzip wurde die Beweislast bei Copyrightstreitigkeiten umgekehrt. Wer sein Copyright „hinreichend“ belegen kann, darf dafür sorgen, dass Waren im Zoll beschlagnahmt werden. Witzig dabei ist, dass es als hinreichend gilt, ein vermeintliches Original mit Namen darauf vorweisen zu können. Die Autoren dieser Klauseln dachten wohl an das auf Büttenpapier handgeschriebene Original und weniger an die heutige Realität digitaler und damit leicht manipulierbarer Dokumente, Bilder, usw. (CETA Vertrag Seite 168, Art. 20.42).

    Auch sehr hilfreich als Waffe ist die Option, dass bei Copyrightstreitigkeiten nicht etwa der normale Rechtsweg gilt. Es ist vorgesehen, dass strafrechtliche Prozesse und Maßnahmen eingesetzt werden (CETA Vertrag Seite 165, Art. 20.35).

    Meint ihr, dass diejenigen, die derzeit laut über den angeblichen Freihandel jubeln, das auch noch tun werden, wenn ein Mitbewerber einen Copyright-Streit auf der Basis von Ideen aus dem Jahr 1974 vom Zaun bricht? Ein leicht bearbeitetes digitales Dokument kann man doch recht schnell zur Hand haben und schon verursacht der Zoll für eine kleine Einfuhr-Verzögerung und vielleicht sorgt er noch für eine Hausdurchsuchung.

    Auch sehr nett ist, dass man sich darauf verständigt hat, dass öffentliche Dienstleistungen insbesondere dann, wenn sie eine natürliche oder zugesprochene Monopolstellung haben, nach kommerziellen Maßgaben erfolgen müssen (CETA Vertrag 124 ff Kapitel 18.5). Also Schluss mit unter Wert verkaufter kommunaler Wasserversorgung, Müllentsorgung und dem ganzen anderen Zeug, das nur den Gewinnabsichten von Konzernen im Weg steht. Praktischerweise gibt es das Schiedsgericht, vor dem kann man dann klagen, wenn kommunale Betriebe im Weg sind.

    Ein Thema, an dem ganz viele Firmen interessiert sind, die nach Kanada exportieren wollen, sind die sogenannten „nicht tarifären Handelshemmnisse“. Das sind hauptsächlich Standards, die dafür notwendig sind ein Produkt auf den Markt bringen zu können. Hier hat man sich auf eine gegenseitige Anerkennung der Produktzulassung geeinigt.

    Klingt toll, oder?
    Aber nur, solange man nicht weiß, wie das in der EU und in Kanada funktioniert.

    Kanada ist mit seinen Standards mit den USA harmonisiert, zumindest so weit das chaotische Standardisierungs-System der USA das zulässt. In Kanada ist es zumindest formal staatlich organisiert, in den USA primär durch Versicherungen vorgegeben. In Kanada funktionieren Standards für die Sicherheit von Produkten so, dass es akkreditierte Prüflabore gibt, die Produkte auf die Einhaltung der Standards überprüfen. Dummerweise hat aber jedes Labor seine eigenen, spezifischen Standards. So kann es vorkommen, dass es für einen Sachverhalt mehr als ein Dutzend Standards gibt, die eigentlich qualitativ gleichwertig sind, aber leicht voneinander abweichen.

    Eine kanadische Firma, die ihr Produkt so hat testen lassen, kann dieses dann nach CETA auch in der EU auf den Markt bringen.

    Umgekehrt wird es spannend. In der EU müssen die meisten Produkte nicht zertifiziert werden. Das trifft nur für kritische Produkte zu, beispielsweise Medizinprodukte und Fahrzeuge. Bei den meisten Produktkategorien gibt es einen Satz eindeutiger Standards, die eingehalten werden müssen. Der Hersteller ist dafür verantwortlich dies entweder durch eigene Tests oder mit externen Labor sicherzustellen und erklärt dann die Konformität der Produkte.

    Also hat eine europäische Firma für die meisten Fälle keinen Vorteil durch CETA, es ist weiterhin die Zertifizierung notwendig, zusätzlich zur CE-Konformitätserklärung in Europa. 1:0 für Kanada?

    Sehr spannend ist auch die Frage, was das für Folgen für das europäische Standardisierungssystem und die CE-Kennzeichnung haben wird. Bisher gilt die Regel, dass es für einen Sachverhalt genau einen verbindlichen Standard gibt. Diesen Zustand zu erreichen, hat Jahrzehnte gedauert. Angefangen hat die EU mit ca. 1,4 Millionen nationalen Standards, bis heute wurden diese auf 160.000 EU-weit geltende Standards reduziert.

    Damit in der EU ein Produkt auf den Markt gebracht werden darf, muss es das CE-Zeichen tragen und eine Konformitätserklärung dazu existieren. Mit CETA bedeutet das jetzt, dass ein kanadisches Prüfzeichen dazu berechtigen würde, die CE-Konformität zu erklären. Also eigentlich müssten damit die Vorgaben für die jeweiligen Produktarten erweitert werden, so dass das Produkt den europäischen Standards, oder einer Auswahl aus dem Bündel der kanadischen Standards entsprechen muss.

    Offensichtlich fehlte bei der Verhandlung von CETA an vielen Stellen der Sachverstand, an anderen haben sich Lobbyinteressen von Konzernen durchgesetzt. Insgesamt ist dieser Vertrag kein Freihandelsvertrag, sondern eine Mogelpackung, die mal wieder zum Nachteil der Bürger und der kleinen und mittleren Unternehmen ausgeht.

    Die Kehrtwende der Grünen, diesem Vertrag zuzustimmen ist um so weniger verständlich, da dieselbe Regierung grade den Ausstieg aus der Energiecharta beschlossen hat, einem Vertrag mit genau so toxischen Elementen wie CETA. Leider ist dennoch kein Lerneffekt zu sehen.

    Der CETA Vertrag in komplettem Umfang:
    https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/september/tradoc_152806.pdf
     

  • CETA-Abkommen – Fahrlässig, unverantwortlich und intransparent

    CETA-Abkommen – Fahrlässig, unverantwortlich und intransparent

    Lange wurde bereits über das europäisch-kanadische Handelsabkommen CETA diskutiert – jetzt hat der Bundestag es ratifiziert. Bereits zu Beginn der Verhandlungen gab es Kritik an diesem Freihandelsabkommen und breite Proteste der Zivilgesellschaft. Mangelnde Integration von Klima- und Umweltfragen, Intransparenz und Ignoranz gegenüber den Anliegen der Menschen und demokratischen Interessen, sind nur einige der vielen Kritikpunkte am Handelspakt. Am kritikwürdigsten ist jedoch der Investitionsschutz, das sieht auch Sven Bechen, stellv. Politischer Geschäftsführer der Piratenpartei Deutschland so:

    „Durch den Investitionsschutz können Investoren Staaten vor einem internationalen Schiedsgericht verklagen. Dies ermöglicht ausländischen Investoren und globalen Konzernen gegen staatliche Regulierungen vorzugehen und diese langfristig aufzuweichen. CETA schützt im Kern einseitig die Interessen der Großkonzerne. Es untergräbt demokratische Willensbildung, wirksame Umweltpolitk und gefährdet unsere Arbeitnehmerschutzrechte. Die Bundesregierung hat die letzten fünf Jahre nicht genutzt, diese fehlerhaften Punkte nachzubessern – die „Protokollerklärungen“ und „Interpretationsauslegungen“ der Bundesregierung werden nicht reichen und den internationalen Konzernen genau die Klagemöglichkeiten beschaffen, die wir befürchten. Dass dies unter dem Deckmantel der Fußball Weltmeisterschaft und den Protesten zu Qatar passiert ist typisch und intransparent.“

    Eine Verfassungsbeschwerde gegen CETA wurde zwar bereits abgewiesen, doch auch das Verfassungsgericht sah einige Teile des Handelsabkommens als kritisch an, darunter vor allem die sogenannten Schiedsgerichte. Auch müsste Deutschland dafür Hoheitsrechte an die EU übertragen. Dabei ist sich das Bundesverfassungsgericht nicht sicher, ob ein solcher Übertrag an Hoheitsrechten überhaupt mit dem Grundgesetz vereinbar wäre.

    „Wir PIRATEN stellen uns weiterhin gegen die Ratifizierung des CETA Handelsabkommen. Ein solches Abkommen zu unterzeichnen , in welchem Bürgerrechts-, Umwelt-, und Grundgesetzfragen nicht geklärt sind, halten wir für fahrlässig und unverantwortlich. Auch kritisieren wir die Intransparenz der Bundesregierung. Ein solches Abkommen, was durch Sonderjustiz den Lebensalltag, die Bürgerrechte und die Daseinsvorsorge beeinflussen könnte, MUSS im öffentlichen Diskurs stehen und vor der Ratifizierung behandelt werden,“

    so Bechen.

  • DIN wird 100 Jahre alt, PIRATEN gratulieren

    DIN wird 100 Jahre alt, PIRATEN gratulieren

    Das Deutsche Institut für Normung (DIN) wurde am 22.12.1917 als „Normenausschuss der deutschen Industrie“ gegründet und ist die bedeutendste Normungsorganisation in Deutschland. Wir gratulieren herzlich zu diesem runden Jubiläum!

    Bei dem Begriff „Normen“ werden die meisten desinteressiert abwinken. Normen gelten ja als langweilig oder schlimmstenfalls hinderlich dafür, neue Wege zu gehen. Doch das ist ein verzerrtes Bild von dem, was Normen wirklich bedeuten. Denn ohne Normen würde unsere moderne, technische Welt schlichtweg nicht funktionieren.

    Hätten wir keine internationalen Normen für digitale Kommunikation, dann gäbe es diesen Artikel nicht. Ohne Norm für Stecker wäre die Inbetriebnahme jedes elektrischen Gerätes ein Abenteuer. Der Versuch, ein Auto zu betanken ohne genormte Einfüllstutzen und Zapfpistolen, wäre ziemlich gefährlich. Immer wenn Dinge in großer Menge hergestellt werden, helfen Normen, damit wir sie auch wirklich einsetzen können.

    Am Anfang der Industrialisierung musste deutlich umgedacht werden. Zuvor hatten alle Hersteller ihre Produkte in Handarbeit quasi als Einzelstücke angefertigt. Mit der Serienfertigung wurde es notwendig, die Teile eines Produktes immer gleich anzufertigen, um eine Austauschbarkeit zu gewährleisten. Die Fabriken begannen also, ihre Produkte und deren Einzelteile zu standardisieren. Das Resultat waren höhere Produktivität, fallende Preise und damit zunehmende Verfügbarkeit von Produkten.

    Das löste aber noch nicht das Problem, dass Produkte verschiedener Hersteller nicht zusammen passten. Sehr deutlich wurde das beim Militär. Große Mengen Material, alles mit speziellen Einzelteilen, das ergab ein riesiges Problem bei Wartung und Nachschub.

    Selbst aus heutiger Sicht so triviale Teile wie Schrauben waren ein Problem. Jeder Hersteller verwendete Gewinde und Abmessungen, für die gerade Werkzeuge vorhanden waren. 1918 begann DIN, das Chaos bei der Befestigungstechnik zumindest in Deutschland abzuschaffen: die erste veröffentlichte Norm war „DIN 1 – Kegelstifte“.

    Neben der Verbesserung militärischer Produkte wurde Normung in der Anfangszeit auch häufig zur Abschottung von Märkten verwendet. Gezielt inkompatibel entwickelte Normen sollten ausländische Konkurrenten aus dem eigenen Markt fern halten. Die Erkenntnis, dass man sich damit auch selber den Zugang zu diesem ausländischen Markt erschwerte, kam erst später.

    Der wachsende Welthandel nach dem 2. Weltkrieg und die zunehmende Öffnung innerhalb Europas brachte eine Umorientierung in der Normung hin zu internationaler Kooperation. Heute arbeitet das DIN nicht mehr isoliert als deutsches Normungsinstitut, sondern über die europäischen Dach-Institute CEN, CENELEC und ETSI mit den anderen Instituten in ganz Europa zusammen. CEN, CENELEC und ETSI wiederum arbeiten mit den internationalen Instituten IEC, ISO und ITU. Normung ist heute in Deutschland und der EU keine nationale Angelegenheit mehr sondern etwas, das zusammen mit fast der ganzen Welt passiert.

    Fast der ganzen Welt, weil ein großer Staat nicht mitmacht: die USA. Dort gibt es keine klare Normungsstruktur, sondern über 600 Institute, die miteinander konkurrieren. Die USA sind weit weg von dem europäischen Prinzip „Ein Sachverhalt, eine Norm“ und haben ihren Nachbarn Kanada teilweise in ihre chaotische Normenschwemme eingebunden.

    Darum ist es auch so gefährlich, was die EU mit den Abkommen CETA und TTIP treibt. Diese drohen nämlich das europäische Normungssystem zu zerstören, indem die nordamerikanischen Standards auch hier gültig werden. DIN und die anderen europäischen Institute haben mit vielen Jahren Arbeit dafür gesorgt, dass die meisten Normen in der EU in allen Ländern einheitlich sind; CETA gefährdet dies jetzt und könnte uns wieder zum Anfang des Binnenmarktes zurückkatapultieren. Wir wollen hoffen, dass CETA noch aufgehalten wird, bevor solcher Schaden entsteht.

    Auf jeden Fall: Danke, liebes DIN, für 100 Jahre Arbeit daran, letztlich unser aller Leben einfacher zu machen. Wenn auch manch einem beim Anblick einer Norm das Leben sehr kompliziert erscheint, ohne Normen würde ganz viel nicht funktionieren – ohne DIN hätten wir nicht einmal einheitliche Schrauben.

  • Frei(drehender)Handel

    Eigentlich geht man ja davon aus, dass Menschen in verantwortlichen Positionen ihre Umwelt wahrnehmen und darauf reagieren, wenn sich Dinge ändern. Die Generaldirektion Handel der EU Kommission und insbesondere die Unterhändler für Handelsabkommen scheinen aber resistent gegen die störende Beeinflussung durch Fakten zu sein. Die Proteste gegen TTIP und CETA, speziell gegen die Schiedsgerichte, sind offensichtlich ohne Folgen an der Kommission vorbei gegangen. Wie man den von Greenpeace veröffentlichten Teilen der Verhandlungstexte entnehmen kann, ist das klassische ISDS Schiedsgerichtsverfahren in JEFTA ebenfalls vorgesehen. Nicht die leicht abgemilderte Variante, die für CETA erdacht wurde, sondern die volle Ausführung wie in TTIP.

    Wie aktuell und komplett der Leak von Greenpeace ist, lässt sich leider nicht so leicht überprüfen, denn auf der Website der Kommission findet sich zu JEFTA nichts, zumindest nichts Konkretes. Der Stand der Kapitel ist von Ende 2016/Anfang 2017. Es könnte also noch einiges hinzu gekommen sein. Das, was vorliegt, lässt aber nichts Gutes erahnen.

    Ursprungsregeln sind im Exportgeschäft relativ wichtig, entscheiden sie doch darüber, ob eine Ware als tatsächlich aus dem Exportland stammend behandelt wird. Damit soll verhindert werden, dass Waren aus einem Drittland nur minimal bearbeitet werden (z.B. umgepackt) und dann als aus dem Partnerland stammend deklariert werden. Leider sind diese Regeln meistens aufwändig und für jeden Handelspartner anders. Mit Japan wurden besonders schlechte Bedingungen ausgehandelt – maximal 10% Anteil von nicht-Ursprungsmaterial, um ein Produkt als Ursprungsprodukt deklarieren zu können, schließen praktisch alle technischen Produkte aus.

    Bei der Zulassung von Produkten ist wieder mal ein grandioser Fehltritt gelungen. Statt sich darauf zu einigen, die Konformitätsanforderungen und die zugehörigen Standards zu vereinheitlichen, ist eine gegenseitige Anerkennung bei Gleichwertigkeit vereinbart worden. Hört sich harmlos an, bedroht aber das europäische CE-System, da dies darauf basiert, dass für jeden Sachverhalt nur genau ein technischer Standard gültig ist. Mit JEFTA müssten dann japanische Standards irgendwie in CE eingebaut werden, statt sich gleich auf die Verwendung der ISO/IEC/ITU etc. Standards zu einigen.

    Würde all dies nicht wieder einmal heimlich hinter verschlossenen Türen verhandelt werden, dann könnten Verbände und sachkundige Bürger bei solch groben Fehlern konstruktive Kritik anbringen. Aber es wird darauf vertraut, dass die Unterhändler allwissend sind, auch nachdem sie bereits gezeigt haben, dass eine solche Einschätzung garantiert nicht auf sie zutrifft. Dazu passt es dann gut, dass die Kommission plant, auf dem G20 Gipfel mit lautem Gackern die Ablage dieses faulen Handelseis zu verkünden. Auch diese Information kam nur durch einen Leak an die Öffentlichkeit.

    Mittlerweile gibt es Bestrebungen, das tot geglaubte TTIP wieder auferstehen zu lassen. Wahrscheinlich hat man in Washington bemerkt, wie sehr sich das Verhandlungsteam der EU bei technischen Standards und öffentlicher Beschaffung über den Tisch hat ziehen lassen.
    Es wird Zeit für eine andere Handelspolitik. Aber dazu müssen offensichtlich die Leute weg, die bisher diese unsäglichen Abkommen konstruieren und in die Wege leiten.

     

  • Wissenschaftlicher Dienst: Kein Vetorecht jedes Bundeslands gegen CETA

    Die PIRATEN haben den Wissenschaftlichen Dienst des schleswig-holsteinischen Landtags prüfen lassen, ob CETA in ausschließliche Zuständigkeiten der Bundesländer eingreift und deshalb der Zustimmung jedes einzelnen Bundeslands bedarf.

    In ihrem 18-seitigen Gutachten verneinen die Parlamentsjuristen diese Frage. Begründung: Die der EU übertragene Handelspolitik umfasse auch den Handel mit Kulturgütern, Dienstleistungen im Bildungswesen und das Pressewesen. Allerdings bestätigt das Gutachten, dass CETA die Handlungsspielräume der Länder in den Bereichen Unterhaltungsdienstleistungen (z.B. Filmförderung) und Erwachsenenbildung einschränkt.

    Patrick Breyer, Vorsitzender der schleswig-holsteinischen Piratenfraktion, erklärt dazu:

    „Es ist seltsam, dass Parlamente durch CETA entmachtet werden, ohne dass sie ein Vetorecht haben. Umso wichtiger ist es, eine Bundesratsmehrheit gegen CETA zu organisieren. Da sich Schleswig-Holsteins rot-grün-blaue Landesregierung bis heute offen hält, wie sie abstimmen wird, muss der Bürger ein Machtwort sprechen. Schon 20.000 Bürger haben die Volksinitiative ‚Schleswig-Holstein stoppt CETA‘ unterschrieben.“

    Michele Marsching, Vorsitzender der nordrhein-westfälischen Piratenfraktion ergänzt:

    „CETA ist umstritten wie wenige andere internationale Verträge. Was in die Landesgesetzgebung eingreift, muss auch dem Vetorecht der Länder unterliegen. CETA sollte offen und fair verhandelt werden, um diese Umgehung demokratischer Strukturen gar nicht erst notwendig zu machen. Wenn die Politik nicht die richtigen Schritte geht, muss die Bevölkerung in einem Volksentscheid über die Ablehnung von CETA entscheiden.“

    Download CETA-Gutachten

  • Europas Milchmädchenrechnung: Warum uns CETA alle zu Verlierern macht

    Ein Gastbeitrag von Guido Körber.

    Ein fairer und transparenter Freihandel auf Grundlage hoher Umwelt- und Sozialstandards, dafür setzt sich die Arbeitsgemeinschaft „Unternehmen für gerechten Handel“ – ein Zusammenschluss von kleinen und mittelständischen Unternehmern – ein. Als Unternehmer in der Elektrotechnik-Branche bin ich Mitglied des Beirats der Arbeitsgemeinschaft und verdankte dieser Position eine Einladung für das Arbeitsfrühstück des Mittelstandsverbandes der konservativen Parteien im Europäischen Parlament (SME Europe)  am 7. Februar.

    Das Thema war CETA, das Comprehensive Economic and Trade Agreement zwischen der Europäischen Union und Kanada.

    Im Parlamentsgebäude sprachen dazu vor etwa sechzig Anwesenden der kanadische Botschafter Daniel J. Costello, Iuliu Winkler (Vizepräsident des Handelsausschusses des EP), Viviane Reding, weitere Europa-Abgeordnete und ich – nicht nur Unternehmer sondern auch PIRAT.

    Mir fiel dabei also im doppelten Sinne die Rolle der kritischen Stimme zu; doch wie sich bald herausstellte, war diese Rolle genau einmal vergeben worden. Alle anderen Referenten – Dr. Heitz, der Geschäftsführer von SME Europe, der Botschafter und die anwesenden EU-Parlamentarier – fanden nur gute Worte zu CETA.

    Betont wurde dabei, wie lange die Verhandlungen sich hingezogen hätten, dass noch nie ein Abkommen so transparent verhandelt worden sei und welch große Vorteile sich insbesondere für die kleinen und mittleren Unternehmen daraus ergäben.

    Gern wäre ich auf all diese Aspekte im Detail eingegangen, doch leider hatte ich keine Stunde Zeit für meinen Vortrag, sondern nur etwa 10 Minuten. Ich betonte also, dass ich nicht generell etwas gegen internationale Handelsverträge hätte – schließlich habe ich mehr als 25 Jahre Handelserfahrung mit Nordamerika und meine Branche ist hochgradig global orientiert- aber fair müssten sie sein.
    Ich konzentrierte mich bei meinem Vortrag also auf die Kritik an der Produktzulassung und technischen Standards. Hier versagt CETA völlig und erweckt den Anschein, dass den Unterhändlern nicht bewusst sein dürfte, wie diese Verfahren in den jeweiligen Märkten funktioniert. Auch wenn meine Ausführungen interessiert zur Kenntnis genommen wurden, schienen die anwesenden Europaparlamentarierer trotzdem sehr überzeugt von CETA zu sein. Änderungen könnten ja später noch vorgenommen werden, hieß es.

    Ein solches Vorgehen kenne ich aus meiner Branche, wir nennen es „Qualität ins Produkt testen“. Man produziert etwas Minderwertiges und testet und verändert das Ergebnis anschließend so lange, bis die Qualität der Produkte den eigenen Ansprüchen genügt. In der Produktion sprengt so etwas „nur“ die Kostenkalkulation; bei internationalen Handelsverträgen richtet eine derartige Herangehensweise massive Schäden an. Wird etwa öffentliche Infrastruktur durch Privatisierung erst einmal heruntergewirtschaftet, ist der Weg zurück häufig verbaut. Auch kleine und mittelständische Unternehmen, die durch Wettbewerbsverzerrungen zugunsten größerer Konzerne pleite gegangen sind, kommen hinterher häufig nicht mehr auf die Beine. Es ist also sehr zweifelhaft, dass sich die vielen Fehlleistungen in CETA später rückgängig machen lassen.

    Es geht bei einem Handelsvertrag nicht um Sympathie, es geht um’s Geschäft. Und CETA ist leider ein Geschäft, bei dem beide Seiten nur verlieren können.

    Deshalb ist meine Forderung an das Europa-Parlament eindeutig: CETA ablehnen!

     

  • TTIP – Game Over?

    Nachdem Donald Trump zum neuen Präsidenten der USA gewählt worden war, wurde TTIP für so gut wie tot erklärt. Bereits im Wahlkampf hatte sich Trump lautstark gegen Freihandelsabkommen positioniert und angekündigt, auch das seit 1994 bestehende nordamerikanische Freihandelsabkommen NAFTA verändern oder aufkündigen zu wollen. Die Frage ist nun, was nach Trumps Amtseinführung von diesen Ankündigungen übrig bleiben wird. Immerhin sind die Gewinner solcher Abkommen Personenkreise, die man getrost als Trumps Peergroup bezeichnen kann: Milliardäre, die skrupellos ihren Vorteil suchen.

    Campact hat dazu bemerkt, dass Trump mit dem Ende von TTIP nicht viel zu tun habe: Dies sei primär ein Erfolg der internationalen Öffentlichkeit gewesen, die dagegen aufgestanden sei. Das ist mit Sicherheit zu einem erheblichen Teil richtig. Es ist für Politiker schon ziemlich unangenehm, wenn gegen eines ihrer Lieblingsprojekte mehr als 3,6 Millionen Unterschriften gesammelt werden und mehrfach Hunderttausende auf die Straße gehen. Dazu kommt, dass „die Wirtschaft™“ keineswegs so geschlossen hinter derartigen Projekten steht, wie die beteiligten Politiker der Öffentlichkeit gerne vorgaukeln würden: Bereits 2014 sprach sich der mittelständische Verband AMA gegen die intransparenten Verhandlungen zu TTIP und CETA aus. In 2015 begannen sich kleine und mittelständische Firmen in mehreren europäischen Ländern gegen TTIP zu positionieren, in Deutschland wurde KMU-gegen-TTIP gegründet.

    Nachdem immer mehr Details zu den unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelten Abkommen ans Licht gelangten, führte das Schwergewicht unter den deutschen Wirtschaftsverbänden, der Bundesverband mittelständische Wirtschaft BVMW, eine Befragung unter seinen Mitgliedern durch. Das Ergebnis kam einer roten Karte für die Freihandelspolitik gleich: Über 80 Prozent der Unternehmen versprechen sich keine Vorteile, und immerhin noch 60 Prozent befürchten Nachteile durch die Abkommen. Das Kalkül der neoliberal orientierten Wirtschaftsabteilung in der EU-Kommission scheint nun in die Richtung zu gehen, dass man hofft, CETA durchgeboxt zu haben und dann erst mal unter der Wahrnehmungsgrenze mit kleineren Abkommen weiter zu machen. TTIP offiziell (vorerst) zu Grabe zu tragen passt da gut als Ablenkungsmanöver. Ob und wie TTIP später wieder auftaucht, werden wir dann sehen.

    Ähnliches war schon zu beobachten, als ACTA 2012 im Europaparlament scheiterte. Massiver Widerstand der Öffentlichkeit hatte den Parlamentariern klar gemacht, dass sie mit ACTA gegen die Interessen der Bevölkerung handeln würden. Statt dessen tauchten erste Teile des Vorhabens in CETA wieder auf.  Die restlichen Bausteine von ACTA werden wir dann vermutlich im TISA-Abkommen und in anderen Handelsabkommen finden, also, wenn wir die Vertragstexte dann irgendwann mal lesen dürfen. Bis zu zwanzig weitere Freihandelsabkommen bereitet die EU-Kommission derzeit vor, wie die Welt kürzlich berichtete, davon am weitesten fortgeschritten ist das Abkommen mit Japan. Einsicht in Vertragstexte? Fehlanzeige. Vielleicht gibt es bald wieder Leseräume. Doch aus der Übersicht zum derzeitigen Stand der Verhandlungen ist zumindest zu entnehmen, dass erneut alle Zutaten enthalten sind, die Freihandelsabkommen so unbekömmlich machen: Investorenschutz, geistiges Eigentum, Standards für Lebensmittel und so weiter.

    Gerne verweist die EU-Kommission auf das Freihandelsabkommen mit Südkorea, das in der Verhandlungsphase wenig öffentliche Aufmerksamkeit erhielt, erfolgreich abgeschlossen werden konnte und von dem alle Seiten profitieren. Vergessen wird dabei dann gerne, zu erwähnen, dass dieses Abkommen viele der strittigen Zutaten nicht, oder in sehr viel verträglicherer Form enthält. Es ist die übliche Salamitaktik: Wenn sich die Bürger nicht wehren, zieht man die Daumenschrauben langsam aber sicher weiter an. TTIP ist also wahrscheinlich weg, CETA wird möglicherweise demnächst noch durchgeboxt und die nächsten Abkommen sind schon in Vorbereitung.

    Das grundlegende Problem all dieser Freihandelsabkommen ist, dass die Bürger der beteiligten Wirtschaftsräume erst gar nicht an ihrem Zustandekommen beteiligt werden sollen. Dabei sollte der massive Widerstand eigentlich ein klares Zeichen gewesen sein, dass Abkommen dieser Art nicht gewünscht sind. Freihandel nach neoliberalem Rezept erzeugt immer eine Menge Verlierer, beginnend mit all denjenigen, die nicht daran beteiligt sind. Gerade Entwicklungs- und Schwellenländer haben häufig das Nachsehen, wenn wohlhabendere Länder die Handelsbedingungen untereinander regeln. Die Folgen bekommt die Welt anschließend in Form von Verteilungskämpfen, Unruhen, regionalen Konflikten, Kriegen und demzufolge auch Flüchtlingen zu spüren. Zudem finden sich in Abkommen neuerer Art zunehmend Mechanismen, die rechtsstaatliche Mechanismen auszuhebeln sowie soziale und Umweltstandards zu senken drohen.

    Echter Freihandel kann nur weltweit, also über die WTO organisiert werden, doch das ist natürlich aufwändiger, weil mehr Beteiligte mit am Verhandlungstisch sitzen. So wurden in 2015 die Zölle auf über 200 Produktgruppen im Bereich Hightech gestrichen. Davon profitieren alle Staaten gleichermaßen und es ist ein Produktbereich, in dem keine Region einen besonderen Schutzbedarf hat, wie das zum Beispiel bei der Landwirtschaft der Fall ist.

    Was bleibt also zu tun? TTIP ist zwar vorläufig vom Tisch, es besteht aber die Gefahr, dass es unter anderem Namen wieder aufersteht. CETA ist im Prozess der Inkraftsetzung, hat aber noch etliche Hürden zu nehmen. Wenn auch nur einer der EU Staaten nicht zustimmt, hat sich das ganze Abkommen erledigt.  Die Initiativen gegen TTIP und CETA haben Wirkung gezeigt, daraus sollten wir das Selbstvertrauen ziehen, dass wir etwas ändern können. Es gilt also vor allem, den öffentlichen Druck aufrecht zu erhalten, sobald wieder einmal bekannt wird, dass die EU-Kommission beabsichtigt, ein neues oder altbekanntes Freihandelsabkommen nach neoliberalem Rezept aufzukochen.

    Eine Lösung des grundsätzlichen Problems ist aber nur möglich, wenn die konservativen und wirtschaftsfreundlichen Politiker der EU-Kommission abgewählt werden. Dazu wird es noch ein langer Weg sein, aber das Ziel sollten wir nicht aus den Augen verlieren. Auch weil das ein wichtiger Faktor dafür ist, bei den Bürgern wieder Vertrauen in die EU zu schaffen.

    Ein Gastbeitrag von Guido Körber

  • PIRATEN jubeln über Scheitern von CETA: Europa braucht demokratischen Neustart!

    Zu den Konsequenzen aus dem möglichen Scheitern des Handels- und Investitionsschutzabkommens CETA erklärt Carsten Sawosch, stellvertretender Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland:

    »Nach dem Brexit musste auch bei dem Konzernabkommen CETA wieder die Notbremse gezogen werden, weil die EU nicht auf ihre Bürger hören wollte. Wer jetzt wie die Grünen das belgische Nein als ‚Effizienzproblem‘ für die ‚Handlungsfähigkeit‘ der EU diskreditiert, hat nichts verstanden. Nicht Belgien ist das Problem, sondern dass alle anderen einen Bückling vor Konzerninteressen machen und unsere Demokratie ausverkaufen.

    Die EU braucht einen demokratischen Neustart. Erstens: Vertragsverhandlungen müssen künftig transparent, auf der Grundlage eines parlamentarischen Mandats und unter Beteiligung der Öffentlichkeit geführt werden. Zweitens: Die EU muss Volksabstimmungen darüber einführen, um Vertrauen zurückzugewinnen. Und drittens brauchen wir faire Welthandelsregeln anstelle unzähliger Regionalabkommen.«