Schlagwort: Dr. Patrick Breyer

  • Massenüberwachung zum Schutz von Kindern? Gegenwind für neue Uploadfilter-Pläne der EU-Kommission

    Massenüberwachung zum Schutz von Kindern? Gegenwind für neue Uploadfilter-Pläne der EU-Kommission

    Die EU-Kommission will die verdachtslose Durchleuchtung und Überwachung sämtlicher privater elektronischer Kommunikation zur Suche nach möglichen kinderpornografischen Inhalten, die bislang nur von US-Diensten wie GMail, Facebook Messenger und outlook.com praktiziert wird, legalisieren. Im nächsten Jahr soll der Einsatz entsprechender Uploadfilter für alle E-Mail-, Messenger- und Chatanbieter verpflichtend werden. An dem Vorhaben wird zunehmend Kritik laut, zuletzt aus dem Mund eines Missbrauchsopfers.

    Alexander Hanff, selbst Opfer sexuellen Missbrauchs, kritisiert die Nachrichtendurchleuchtung in einem emotionalen Blogbeitrag mit den Worten:

    “Das wird nicht verhindern, dass Kinder missbraucht werden. Es wird den Missbrauch einfach weiter in den Untergrund drängen und seine Aufklärung erschweren.”[1]

    Dem Europäischen Datenschutzbeauftragten (EDSB) zufolge habe die EU-Kommission weder die Notwendigkeit noch die Verhältnismäßigkeit der Gesetzgebung nachgewiesen.[2] Die Bürgerrechtsorganisation „Access Now“ kritisierte, das Vorgehen gegen schwere Straftaten, einschließlich der Ausbeutung von Kindern oder terroristischer Inhalte, könne nicht an private Akteure delegiert werden.[3]

    Der Zusammenschluss von Wissenschaftlern „Global Encryption Coalition“ warnt, die von der EU-Kommission geplante Durchleuchtung auch verschlüsselter Kommunikation würde ein Ende sicherer Verschlüsselung oder den Einbau von Hintertüren bedeuten.

    „Unsichere Kommunikation macht Nutzer anfälliger für die Verbrechen, die wir gemeinsam zu verhindern versuchen. Diese Anforderungen würden Dienstleistungsanbieter dazu zwingen, die Sicherheit ihrer verschlüsselten Ende-zu-Ende-Dienste auszuhöhlen und damit die Sicherheit von Milliarden von Menschen zu gefährden, die täglich auf diese Dienste angewiesen sind. Einfach ausgedrückt: Es gibt keine Möglichkeit, Verschlüsselung zu brechen, ohne alle, auch Kinder, verwundbarer zu machen.“[4]

    Der Europaabgeordnete und Schattenberichterstatter Patrick Breyer (Piratenpartei) hat gestern für seine Fraktion Grüne/EFA die Ablehnung des Vorhabens, mindestens aber die Beschränkung der Durchleuchtung auf die Kommunikation Verdächtiger mit richterlicher Anordnung beantragt:

    “Wie die steigende Zahl der Anzeigen von US-Unternehmen zeigt, wird mit Massenüberwachung und Massenanzeigen die Weitergabe illegalen Materials nicht eingedämmt, sondern allenfalls weiter in verschlüsselte Kanäle gedrängt, was die Strafverfolgung zusätzlich erschwert oder sogar unmöglich macht. Hier wird ein gefährlicher Mechanismus zur Massenüberwachung und eine Denunziationsmaschinerie ungekannten Ausmaßes geschaffen, was weitere Begehrlichkeiten wecken wird. Wird als Nächstes unsere elektronische Post auch nach Urheberrechtsverstößen, Beleidigungen und für Geheimdienste beobachtungsbedürftige Inhalte durchleuchtet? In China wird schon heute mit derselben Technologie im Netz nach Dissidenten gesucht. Soll die Post auch bei uns wieder in einer ‚schwarzen Kammer‘ verdachtslos unsere Briefe öffnen, um sie auf vermeintliche verbotene Inhalte zu überprüfen? Werden Abhöreinrichtungen in alle Wohnungen installiert, die bei vermeintlicher Gewalt die Polizei alarmieren?

    Schon heute bringt die Denunziationsmaschinerie der US-Konzerne immer wieder Menschen zu Unrecht in Verdacht, beispielsweise wem unverlangt verbotene Inhalte zugesandt werden. Wer sich Zugang zu einem fremden E-Mail-Postfach verschafft, kann unliebsame Personen dem falschen Verdacht von ‚Kinderpornografie‘ aussetzen und sie so diskreditieren. Der Schweizer Bundespolizei zufolge sind 90% der von den US-Unternehmen angezeigten Inhalte nicht strafbar, beispielsweise Urlaubsfotos am Strand. Und in Deutschland werden 40% der Ermittlungsverfahren wegen ‚Kinderpornografie‘ gegen Minderjährige eingeleitet.

    Das digitale Briefgeheimnis steht auf dem Spiel. Unter ständiger Überwachung kann eine unbefangene Kommunikation, auf die beispielsweise auch Kinder und Missbrauchsopfer angewiesen sind, nicht stattfinden.“

    Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist die dauerhafte automatisierte Analyse privater Kommunikation nur dann verhältnismäßig, wenn sie auf Verdächtige beschränkt ist.[5] Breyer hat deswegen die US-Unternehmen Facebook und Google wegen Verletzung der Datenschutz-Grundverordnung beim Kieler Landesdatenschutzzentrum angezeigt. Die Datenschutzbeauftragte von Schleswig-Holstein Marit Hansen hat letzte Woche den Hamburger Datenschutzbeauftragten eingeschaltet, bei dem die deutsche Niederlassung von Facebook und Google liegt, und deutliche Kritik geäußert: „Vor diesem Hintergrund ist eine Bereichsausnahme für solche Dienste, die quasi gerade erst in den Schutzbereich gezogen worden sind, außerhalb der eigentlich einschlägigen Regelung (ePrivacy-Richtlinie) meines Erachtens problematisch. Es muss sichergestellt werden, dass der Schutz des Kommunikationsgeheimnisses nicht ausgehöhlt wird.“

    Das Europäische Parlament soll sich in einem Schnellverfahren noch Anfang Dezember positionieren.

     

    Quellen/Fußnoten:

    [1] https://www.linkedin.com/pulse/why-i-dont-support-privacy-invasive-measures-tackle-child-hanff/
    [2] https://edps.europa.eu/data-protection/our-work/publications/opinions/opinion-proposal-temporary-derogations-directive_en
    [3] https://www.euractiv.com/section/digital/opinion/the-fundamental-rights-concerns-at-the-heart-of-new-eu-online-content-rules/
    [4] https://www.globalencryption.org/2020/11/breaking-encryption-myths
    [5] http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=232084&pageIndex=0&doclang=EN&mode=req&dir=&occ=first&part=1

  • Sicherheit statt Abhören: ‘Ein bisschen Hintertür’ gibt es nicht!

    Sicherheit statt Abhören: ‘Ein bisschen Hintertür’ gibt es nicht!

    Der Österreichische Rundfunk hat am 9.11.2020 den geheimen Entwurf einer geplanten Erklärung des EU-Ministerrats veröffentlicht, derzufolge sichere Verschlüsselung eingeschränkt werden soll. Messenger-Dienste sollen einen Generalschlüssel zur Verfügung stellen, mit dem verschlüsselte Nachrichten entschlüsselt werden können. [1] Regelmäßig gibt es Attacken seitens der Regierungen der Mitgliedsstaaten auf die Verschlüsselung von Inhalten unter dem Deckmantel des Kampfes gegen Organisierte Kriminalität und Terrorismus.

    Sebastian Alscher, Bundesvorsitzender der Piratenpartei Deutschland, erklärt:

    „Es ist eine große Errungenschaft, dass es heute deutlich mehr Messengerdienste gibt, bei denen eine Ende-zu-Ende-verschlüsselte Kommunikation möglich ist. Sie ist wichtig, um beispielsweise abhörsichere Kommunikation zu gewährleisten, Whistleblowern Schutz zu bieten oder Oppositionellen in diktatorischen Regimes den Kontakt untereinander zu ermöglichen. Was die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten hier planen, ist nichts anderes als ein Angriff auf die digitale Unversehrtheit unserer Kommunikation. Wir haben alle die Bilder aus Hongkong und Belarus im Kopf und wissen, wie schnell ein gut gemeinter Vorschlag sich ins Gegenteil verkehrt und damit die Mittel zur Verfügung stehen, für Überwachung und Unterdrückung verwendet zu werden. Wir brauchen mehr digitale Sicherheit nicht weniger! Jegliche Pläne zur Umgehung von Verschlüsselung müssen geächtet werden.“

     

    „Wir haben keine Lust mehr auf Euphemismen, dass man eine „bessere Balance“ schaffen wolle, wenn es den Regierungen schlichtweg darum geht, die Möglichkeit zu haben, jede Kommunikation mitlesen zu können. Es gilt immer der Grundsatz: „Erlaube deiner liebsten Regierung nur das, was du auch der am schlimmsten denkbaren Regierung erlauben würdest!“,

    so Anja Hirschel, Themenbeauftragte Digitaler Wandel der Piratenpartei Deutschland.

    Patrick Breyer, Europaabgeordneter der Piratenpartei erklärt zu dem Vorhaben:

    “Anders als Regierungen uns glauben machen wollen, müssen wir uns entscheiden zwischen Abhörbarkeit und Sicherheit. Wer sichere Verschlüsselung opfert, um abhören zu können, der zerstört den Schutz privater Geheimnisse, den Schutz von Geschäftsgeheimnissen und auch von Staatsgeheimnissen, der öffnet massenhaftem Ausspähen durch ausländische Geheimdienste und auch Hackerangriffen Tür und Tor. Nur ‘ein bisschen Hintertür’ gibt es schlichtweg nicht. Die Sicherheit unser aller Kommunikation muss Vorrang haben. Das ist die klare Position des Europaparlaments seit 2017. [4]”

    Anlass für diesen neuerlichen Vorstoß war der Anschlag in Wien. Dass der Täter bereits behördlich bekannt war und die etwaige Verschlüsselung von Kommunikation zur Verhinderung der Tat keinerlei Rolle gespielt hätte, wird geflissentlich verschwiegen.

    Quellen/Fußnoten:

    [1] files.orf.at/vietnam2/files/fm4/202045/783284_fh_st12143-re01en20_783284.pdf

    [2] www.heise.de/hintergrund/EU-Regierungen-planen-Verbot-sicherer-Verschluesselung-4951415.html

    [3] fm4.orf.at/stories/3008930

    [4] www.europarl.europa.eu/doceo/document/A-8-2017-0324_DE.html

  • Verdachtslose Durchleuchtung privater Kommunikation wird Fall für Datenschutzbeauftragte

    Verdachtslose Durchleuchtung privater Kommunikation wird Fall für Datenschutzbeauftragte

    Jede Kommunikation soll ohne Anlass überwacht werden. Dagegen hat der Kieler Europaabgeordnete Patrick Breyer (Piratenpartei) beim Unabhängigen Landeszentrum für Datenschutz in Schleswig-Holstein Beschwerde eingelegt. Große US-Konzerne wie Facebook (Facebook Messenger) und Google (GMail) sollen den Inhalt sämtlicher privater Nutzernachrichten unterschiedslos und ohne Anlass oder Verdacht nach möglichen illegalen Inhalten (“Kinderpornografie”) durchsuchen. 

    Patrick Breyer kommentiert:

    „Die Totaldurchleuchtung unserer privaten Kommunikation bei US-Anbietern kann dazu führen, dass deren Algorithmen private und intime Bilder über unsere Gesundheit oder Sexualität fälschlich melden und die zuständigen Mitarbeiter sie illegal weiter verbreiten. Da Jugendliche nicht selten intime Fotos untereinander teilen, könnten Konzernmitarbeiter sogar zusätzliche ‚Kinderpornografie‘ in Umlauf bringen. Dieser Zensursula-Plan gefährdet Sicherheit und Privatsphäre von Kindern und Erwachsenen gleichermaßen und gehört gestoppt!”

    “Vermeintliche Treffer der Suchvorgänge werden von Unternehmen wie Facebook und Google an die US-Nichtregierungsorganisation NCMEC übermittelt, obwohl in den USA kein adäquates Datenschutzniveau besteht.“

    so Breyer weiter.

    „Insgesamt sehe ich in dem Verfahren einen Übergriff auf sensible private Kommunikation, der ebenso wenig zu rechtfertigen ist, wie wenn die Post rein vorsorglich alle Briefe öffnen und durchsuchen würde. Gezielte Ermittlungen gegen Verdächtige, einschließlich verdeckter Ermittlungen und ausreichende Kapazitäten für die Strafverfolgungsbehörden sowie vorbeugende Kinderschutzmaßnahmen wären der richtige Weg.“

    Breyers Beschwerde zufolge verstoßen sowohl die verdachts- und anlasslose Inhaltsdurchsuchung in privater Hand als auch die Übermittlungen an NCMEC gegen die Datenschutz-Grundverordnung. Gerade erst hat der EuGH im Fall La Quadrature du Net (C‑511/18 and C‑512/18) entschieden, dass eine automatisierte Kommunikationsanalyse allenfalls bei akuter Bedrohung der nationalen Sicherheit oder sonst bei Personen verhältnismäßig sein kann, die dazu Anlass gegeben haben (Leitsatz 2).

    Breyer bittet die Landesbeauftragte für Datenschutz Schleswig-Holstein Marit Hansen in seinem Schreiben um eine vorläufige rechtliche Einschätzung. Eine Antwort wird in den kommenden Wochen erwartet. 

    Hintergrund:

    Die EU will in einem Eilverfahren innerhalb weniger Wochen die verdachtslose Durchleuchtung privater Kommunikation legalisieren, im nächsten Jahr sogar zwingend vorschreiben. Da sichere Ende-zu-Ende-Verschlüsselung eine Durchsuchung von Nachrichten unmöglich macht, wird das Vorhaben als Angriff auf die Sicherheit der Internetkommunikation im Allgemeinen kritisiert. Vertrauliche Kommunikation wird so auch für die Kinder und Jugendlichen, die das Gesetz zu schützen vorgibt, unmöglich. Die flächendeckende Nachrichtendurchsuchung wird bisher von den Diensten Facebook Messenger, Gmail, Yahoo Messenger, Kik Messenger and Microsoft Xbox praktiziert. Die EU-Kommission will sich nicht dazu äußern, ob dies im Einklang mit der Datenschutz-Grundverordnung steht. Breyers Beschwerde soll nun für Klärung sorgen.

  • PIRATEN fordern den Schutz von Landschaft, Klima und biologischer Vielfalt sowie Tierschutz bei der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik

    PIRATEN fordern den Schutz von Landschaft, Klima und biologischer Vielfalt sowie Tierschutz bei der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik

    Diese Woche stimmt das Europäische Parlament über eine Reform der gemeinsamen Agrarpolitik ab, die ein Drittel des EU-Haushalts ausmacht. Die PIRATEN werden wichtige Änderungen unterstützen:
    einen obligatorischen Schutz von Landschaft, Klima, Tieren und biologischer Vielfalt;
    Begrenzung der Subventionen für große Oligarchen wie Orbán;
    wirksame Unterstützung für Kleinbauern.

    „Wir müssen sicherstellen, dass Lebensmittel in der EU nachhaltig produziert werden und die Umwelt geschützt wird. Die PIRATEN werden für Änderungen stimmen, die eine nachhaltige Landwirtschaft, den Schutz der biologischen Vielfalt und den Tierschutz unterstützen „,

    erklärt der Europaabgeordnete der Piratenpartei Patrick Breyer.

    „Der Kampf gegen die gegenwärtige Dürre gehört zu den Prioritäten der PIRATEN. Wir wissen, dass die EU mit der Klimakrise fertig werden muss. Wir werden daher strenge Beschränkungen für Pestizide und Düngemittel, eine nachhaltige Landbewirtschaftung und umweltbewusste, landwirtschaftliche Praktiken unterstützen“,

    fügt Breyer hinzu.

    „Es ist nicht hinnehmbar, dass die EU öffentliche Mittel an große Unternehmen, die die Landschaft plündern, überweist. Deshalb fordern wir für jedes einzelne Unternehmen eine Obergrenze für Direktzahlungen von 60 000 € pro Jahr. Diese Maßnahme wird die Geldpipeline aus Europa für landwirtschaftliche Oligarchen wie Orbán stoppen. „,

    sagt PIRATEN-Europaabgeordneter und Vorsitzender der European Pirate Party Mikuláš Peksa.

    Die gemeinsame Agrarpolitik der EU zielt darauf ab, die Landwirte zu unterstützen und die landwirtschaftliche Produktivität zu steigern. Darüber hinaus soll sie für eine stabile Lebensmittelversorgung zu vernünftigen Preisen sorgen, so das Versprechen. Die Reform der gemeinsamen Agrarpolitik ist mit dem Europäischen Green Deal verbunden, der die EU auf die Bekämpfung des Klimawandels vorbereitet, indem sie konsequent auf eine emissionsfreie europäische Industrie umstellt. Vor kurzem hat das Europäische Parlament ein Klimagesetz mit einem ehrgeizigen Emissionsminderungsziel verabschiedet – 60% bis 2030. Die nötige grundlegende Reform der gemeinsamen Agrarpolitik wird diese Woche wahrscheinlich keine Mehrheit finden.

  • Europaabgeordneter Patrick Breyer fordert: Der Digital Services Act muss ein Bollwerk gegen Überwachungskapitalismus und Internetzensur werden

    Europaabgeordneter Patrick Breyer fordert: Der Digital Services Act muss ein Bollwerk gegen Überwachungskapitalismus und Internetzensur werden

    Das Europaparlament verabschiedet diese Woche drei Berichte zum geplanten Digitale Dienste-Gesetz (engl. Digital Services Act) und positioniert sich damit gegenüber der Kommission, die einen ersten Gesetzesentwurf im Dezember 2020 vorlegen will. Mit dem Gesetzespaket will die EU einen klaren Rechtsrahmen schaffen, um die Macht der großen Internetplattformen und die Monopole der amerikanischen Tech-Industrie zu regulieren. 

    Patrick Breyer (Piratenpartei), Berichterstatter der Stellungnahme des Rechtsausschusses, kommentiert: 

    „In sämtlichen Stellungnahmen fordert das Europäische Parlament die Kommission auf, unsere Privatsphäre online endlich wirksam zu schützen. Das Digitale-Dienste-Gesetz muss strenge sektorspezifische Vorgaben enthalten, um den Missbrauch persönlicher Daten und Identitätsdiebstahl zu verhindern. Jeder Bürger und jede Bürgerin soll das Recht erhalten, Internetdienste anonym zu nutzen. Die permanente Aufzeichnung unseres digitalen Lebens muss ein Ende haben. Mit dem Digital Services Act muss Europa gegenüber globalen Technologiekonzernen Meinungsfreiheit statt Zensurmaschinen, Privatsphäre statt Überwachungskapitalismus und Selbstbestimmung statt technologischer Bevormundung durchsetzen!”

    Breyers zweite Priorität ist die Durchsetzung der Meinungsfreiheit im Netz angesichts des weit verbreiteten Einsatzes fehleranfälliger Uploadfilter durch viele Plattformen:

    “Nach der aktuellen Gesetzeslage sind Plattformen nicht verpflichtet, Nutzer online auf potenziell rechtswidriges Verhalten zu überwachen. Aber wir müssen diesen Ausschluss erweitern, um auch eine generelle Filterung von Nutzerinhalten auszuschließen. Diese unzuverlässigen Zensuralgorithmen unterdrücken zahllose legale Äußerungen (“Overblocking”). Unterbezahlte Plattformmoderatoren können dies nicht kompensieren. Strafverfolgung ist die Kernaufgabe des Staates!”

    Des weiteren sollen Quasi-Monopolisten wie Facebook oder Twitter verpflichtet werden, künftig einen Nachrichtenaustausch mit Nutzern alternativer Plattformen zuzulassen, um einen Wechsel unter Beibehaltung der bestehenden Kontakte zu ermöglichen (Interkonnektivität).

    Der Digital Services Act hat fundamentale Auswirkungen auf die Zukunft von digitalen Diensten und Online-Plattformen

    Der geplante Digital Services Act (DSA) gilt nach der Datenschutzgrundverordnung und ePrivacy-Verordnung als nächstes Großprojekt zur Regulierung der Digitalisierung auf EU-Ebene. Das Gesetzgebungsvorhaben soll die seit 2000 bestehende e-Commerce-Richtlinie ablösen und so grundlegende neue Regeln für kommerzielle Internetdienste festlegen.

  • Die geheimen Verhandlungen zum EU-Terrorfilter enthüllt

    Die geheimen Verhandlungen zum EU-Terrorfilter enthüllt

    Im Jahr 2018 präsentierte die Europäische Kommission dem Europäischen Parlament ihren Gesetzesvorschlag “zur Verhinderung der Verbreitung terroristischer Inhalte online” (TERREG). Die Initiative zielt darauf ab, terroristische Aktivitäten im Internet zu bekämpfen. Dazu ist die Einführung von automatisierten Uploadfiltern zur Identifizierung angeblich terroristischer Inhalte sowie die Ermöglichung grenzüberschreitender Löschanordnungen vorgesehen.

    Bereits im Jahr 2019 hat das Europaparlament den Gesetzesvorschlag als zu ungenau kritisiert. Die Abgeordneten befürchteten eine Aushebelung der Bürgerrechte im Internet, insbesondere des Rechts auf freie Meinungsäußerung und der Privatsphäre online. Während die Uploadfilter alle Online-Inhalte wahllos auf angeblich terorristische Inhalte durchleuchten sollen, würden die grenzüberschreitenden Löschanordnungen es jedem EU-Mitgliedsstaat ermöglichen, Anbieter digitaler Dienste europaweit zur Entfernung von Inhalten zu verpflichten. Und dies ohne vorausgehende unabhängige Prüfung der Inhalte. Zwei Jahre später gehen die Verhandlungen in die finale Phase, und zwar in nichtöffentlichen Hinterzimmergesprächen, dem sogenannten Trilog zwischen Parlament, Mitgliedstaaten und Kommission. Bis Ende dieses Jahres soll ein Kompromiss gefunden werden. 

    Darum ist es höchste Zeit, den Stand der geheimen TERREG-Verhandlungen mit der Öffentlichkeit zu teilen. Wir laden Sie daher herzlich zum Webinar zum Thema “Terroristische Inhalte Online – der aktuelle Stand der TERREG-Verhandlungen” mit MdEP Dr. Patrick Breyer ein, bei dem über die Gesetzesinitiative, ihre Gefahren und mögliche Handlungsoptionen für Bürgerinnen und Bürger informiert wird.  

    Wann: Donnerstag, 15. Oktober, 19:00 – 20:00 (CET)

    Wo: https://meet.piratensommer.de/b/dan-vc9-upr

    Live-Stream: https://youtu.be/gXkNUJlHu84

    Aufzeichnung des Live-Streams: https://youtu.be/2FKDQ3twLLI

  • PIRATEN zu Vorratsdatenspeicherungs-Urteilen: Gezielt ermitteln statt total erfassen!

    PIRATEN zu Vorratsdatenspeicherungs-Urteilen: Gezielt ermitteln statt total erfassen!

    Gestern hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) erneut zur pauschalen Vorratsdatenspeicherung geurteilt: Eine anlasslose Speicherung von Telefon-Verbindungs- und Standortdaten, wie sie im deutschen Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung vorgesehen ist, bleibt unzulässig[1].

    Sebastian Alscher, Bundesvorsitzender der Piratenpartei Deutschland, begrüßt dies:

    „Wir begrüßen die Entscheidung des Gerichtshofs, die allgemeine und unterschiedslose, flächendeckende und pauschale Speicherung von Telefon-Verbindungs- und Standortdaten erneut für unzulässig zu erklären. Das Urteil macht sehr deutlich, dass niemals alle Bürger in Generalverdacht genommen werden dürfen, wie dies bei einer solchen Speicherpflicht der Fall wäre. Es darf keine allgemeine Speicherpflicht aller unserer kommunikativen Verbindungen geben. Solche Datenberge zu schaffen, birgt große Risiken für eine freie Gesellschaft und liberale Demokratie. Ich hoffe, dass dieses Urteil eine entsprechende Wirkung auch auf die Diskussionen in Deutschland haben wird, wo unter dem Deckmantel der Bekämpfung der organisierten Kriminalität die Diskussion um eine solche Speicherpflicht wieder begonnen wird.“

    Patrick Breyer, Bürgerrechtler und Europaabgeordneter der Piratenpartei, erklärt:

    “Unter dem massiven Druck der Regierungen und Eingriffsbehörden haben die Richterinnen und Richter unseren Schutz vor verdachtsloser Kommunikationserfassung in Teilen aufgegeben: Die zugelassene IP-Vorratsdatenspeicherung ermöglicht es, die private Internetnutzung von Normalbürgern auf Monate hinaus zu durchleuchten. Straftäter können diese Totalerfassung mit Anonymisierungsdiensten leicht umgehen, aber den Normalnutzer macht sie gläsern. Auch die heute eingeschränkt zugelassene Vorratsspeicherung persönlicher Kontakte und Bewegungen hat einer aktuellen Studie[1] zufolge keinerlei messbare Wirkung auf die Aufklärung schwerer Straftaten, verhindert aber vertrauliche Beratung etwa durch Anwälte und bedroht die freie Presse, die auf anonyme Whistleblower angewiesen ist.“ 

    An die Politik richtet Breyer daher den Appell:

    „Die gestrigen Urteile beschreiben nur die äußersten Grenzen des rechtlich Machbaren und sind keine Handlungsanweisung. Ich warne die EU-Kommission davor, die mangelnde Wirksamkeit und die schädlichen Wirkungen einer Vorratsdatenspeicherung zu ignorieren und mit einem neuen Vorstoß 450 Mio. EU-Bürger unter Generalverdacht zu stellen! Stattdessen gilt es, Spuren Verdächtiger schnell und gezielt aufzubewahren (Quick Freeze) und eine schnelle europaweite Zusammenarbeit zu organisieren.“

    Zu den drohenden Auswirkungen einer vollständigen und verdachtsunabhängigen Vorratsspeicherung der IP-Daten aller Internetnutzer erklärt Breyer:

    „In Verbindung mit anderen Informationen, die Anbieter wie Google, Twitter oder Youtube speichern, würde so potenziell jede unserer Eingaben, jeder unserer Klicks, jeder unserer Downloads, jeder unserer Beiträge/Posts im Netz nachvollziehbar werden – also die Inhalte unserer Internetnutzung.“

    In Deutschland ist weder eine schwere Straftat noch eine richterliche Anordnung Voraussetzung der Rückverfolgung von Internetnutzern. „Es droht das Ende der anonymen Information und Kommunikation im Internet für Normalbürger. Eine IP-Vorratsdatenspeicherung hätte unzumutbare Folgen, wo Menschen nur im Schutz der Anonymität überhaupt bereit sind, sich in einer Notsituation beraten und helfen zu lassen (z.B. Opfer und Täter von Gewalt- oder Sexualdelikten), ihre Meinung trotz öffentlichen Drucks zu äußern oder Missstände bekannt zu machen (Presseinformanten, anonyme Strafanzeigen).“

    Breyer verweist darauf, dass die Aufklärungsquote von Internetdelikten in Deutschland mit 58,6% schon ohne IP-Vorratsdatenspeicherung überdurchschnittlich hoch ist und nach Einführung des ersten Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung gesunken ist – vermutlich wegen verstärkter Nutzung von Anonymisierungsdiensten.

    „Um sich vor dem ständigen Risiko eines falschen Verdachts, missbräuchlicher Offenlegung oder versehentlichen Datenverlusts zu schützen, empfehle ich allen Internetnutzern einen vertrauenswürdigen Anonymisierungsdienst zu verwenden.“

    Studie belegt, dass Strafverfolgung auch ohne Vorratsdatenspeicherung funktioniert

    Gestern hat der Europaabgeordnete eine Studie des Wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments veröffentlicht, der zufolge Gesetze zur flächendeckenden Vorratsspeicherung der Telefon-, Mobiltelefon- und Internetnutzung in keinem EU-Land einen messbaren Einfluss auf die Kriminalitätsrate oder die Aufklärungsquote haben.[1] 

    Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass es “nicht möglich zu sein [scheint], einen direkten Zusammenhang zwischen der Tatsache, ob Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung bestehen oder nicht, und der Kriminalitätsstatistik herzustellen”. 

    Hintergrund der Gerichtsurteile

    Die EU hatte 2006 per Richtlinie beschlossen, dass Verbindungs- und Standortdaten sämtlicher Telefon- und Internetnutzer auf Vorrat gespeichert werden solten, damit die Polizei Zugriff darauf hat. Diese Richtlinie hatte der EuGH 2014 für unverhältnismäßig und grundrechtswidrig erklärt.[2] 2016 folgte dann die Entscheidung des EuGH, auch nationale Gesetze von Großbritannien und Schweden zur Vorratsdatenspeicherung für unverhältnismäßig und nichtig zu erklären.[3]

    Die Rechtsprechung des EuGH wurde von vielen EU-Staaten nicht akzeptiert. Zahlreiche Staaten weigerten sich, ihre nationalen Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung abzuschaffen. Die EU-Kommission sah darin jedoch keinen Grund, Vertragsverletzungsverfahren gegen die Staaten einzuleiten. 

    Daraufhin haben drei nationale Gerichte den EuGH erneut mit dem Thema befasst. Das englische Investigatory Powers Tribunal, der französische Conseil d’Etat und der belgische Verfassungsgerichtshof stellten Fragen zur Zulässigkeit der nationalen Gesetze. Angestoßen wurden die Verfahren durch die Datenschutz- und Bürgerrechtsorganisationen „Privacy International“ und „La Quadrature du Net“. Auch in Deutschland wird gegen das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung geklagt, u.a. von Breyer und der Datenschutzorganisation Digitalcourage.

    Quellen/Fußnoten:

    [1] Studie zur mangelnden Wirksamkeit einer Vorratsdatenspeicherung: https://www.patrick-breyer.de/wp-content/uploads/2020/10/EPRS_103906-_General_data_retention___effects_on_crime_FINAL.docx  

    [2] http://curia.europa.eu/juris/liste.jsf?language=de&num=C-293/12 

    [3] http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?docid=186492&doclang=DE 

  • Piratenpartei begrüßt den BigBrotherAward für die Vorratsspeicherung aller Autofahrten in Brandenburg

    Piratenpartei begrüßt den BigBrotherAward für die Vorratsspeicherung aller Autofahrten in Brandenburg

    Bei den BigBrother Awards zu gewinnen bedeutet eigentlich, dass man verloren hat. Verloren in der Kategorie „Bewahrung von Bürgerrechten“. Ausgezeichnet werden mit dem Award die Personen oder Institutionen, die sich besonders negativ gegen die Privatsphäre der Bürger verdient gemacht haben.

    In diesem Jahr erhielt den Award u.a. der Brandenburger Innenminister Michael Stübgen (CDU), und sein Vorgänger, Karl-Heinz Schröter (SPD) für das Kennzeichenerkennungssystem KESY. Eine wirklich verdiente Auszeichnung, wie wir finden. Immerhin wurden mit diesem System über einen langen Zeitraum alle Kennzeichen von vorbeifahrenden Autos an mehreren Stellen der Autobahn aufgezeichnet. Und das unter völliger Ignoranz aller Regeln oder auch nur Einhaltung von Speicherfristen. Die Piratenpartei führt seit Jahren den Protest gegen den Kfz-Massenabgleich an.

    Gegen das System klagt der Brandenburger Pirat Marko Tittel vor dem Brandenburger Verfassungsgericht.

    Marko Tittel:

    „Ich gratuliere dem Innenminister Michael Stübgen und seinem Vorgänger Karl-Heinz Schröter zum Gewinn des BigBrotherAward 2020. Sie haben ihn wahrlich verdient. Obwohl es in letzter Zeit um das Thema KESY corona-bedingt ruhiger geworden ist, zeigt diese Preisverleihung, dass das Thema immer noch aktuell ist. Diese Verzögerung ermöglicht ein noch längeres Erfassen und Abspeichern von tausenden von Kfz-Kennzeichendaten stündlich. Und das darf nicht sein!“

    Patrick Breyer Europaabgeordneter der Piratenpartei ergänzt:

    „Das System KESY könnte direkt aus einer orwellschen Überwachungsdystophie stammen. Die ständige Überwachung durch automatische Scanner kommt dem Generalverdacht gegen alle Autofahrer gleich – und führt in Brandenburg sogar zu einer Vorratsspeicherung jeglicher Autofahrten auf der Autobahn. Hier wird ein Überwachungszombie geschaffen, der sich von den Daten der Autofahrer ernährt. Der Big Brother Award ist also mehr als gerechtfertigt. „

    Die Piratenpartei lehnt solche anlasslosen Datensammlungen grundsätzlich ab. Der tatsächliche Nutzen ist fraglich, aber das Potenzial zum Missbrauch ist hoch. KESY stellt einen Baustein zu einer flächendeckenden Erfassung von Bürgern dar und ist inakzeptabel. Wir hoffen, dass das Verfassungsgericht diese Auffassung in Kürze mit Nachdruck bestätigen wird.

    Themenseite der Piratenpartei zum Kfz-Massenabgleich mit Karte der Scannerstandorte:
    https://redesign.piratenpartei.de/kfzscan/