Schlagwort: Erdogan

  • Syrien: Zeit für Vernunft statt Gewalt

    Syrien: Zeit für Vernunft statt Gewalt

    Die Gewaltspirale in Syrien dreht sich weiter, die Zivilbevölkerung leidet. Warum Europa jetzt handeln muss.

    Die Piratenpartei ruft die Bundesregierung auf, mäßigend auf die Türkei einzuwirken. Eine großangelegte militärische Operation seitens der Türkei ist weder vom Völkerrecht gedeckt, noch hilft es den notleidenden Kriegsflüchtlingen in der Region. Diese dürfen nicht zum Spielball expansiver Außenpolitik oder nationalistischer Innenpolitik verkommen. Neben unmittelbarer humanitärer Hilfe im Grenzgebiet und sicherer Rückzugskorridore ist der Dialog mit allen betroffenen Konfliktparteien, insbesondere auch der syrischen Regierung zu suchen. Ein militärisches Eingreifen im Rahmen der Nato lehnen wir ab.

    Sicherheitsexperte Alex Kohler macht weiter deutlich:

    „Die Lage in Syrien ist ernst und militärische Machtdemonstrationen helfen niemandem dort. Sollte die Türkei weiterhin diesen Konflikt befeuern, müssen wir Europäer klar machen, dass wir solch ein Vorgehen weder unterstützen können, noch zulassen werden. Dies kann bei Reisewarnungen anfangen und über Exportbeschränkungen für militärische Ausrüstung und Technologie, bis hin zu harten Zöllen führen. Auch eine verstärkte Sicherung der EU-Außengrenze zur Türkei muss besprochen werden. Unser vordergründiges Ziel muss es jetzt sein, eine weitere Eskalation zu verhindern und die Region zu stabilisieren.“

  • Interpol darf nicht Handlanger undemokratischer Interessen werden

    Interpol darf nicht Handlanger undemokratischer Interessen werden

    Am 24. September wurde bekannt, dass ein deutsch-türkischer Staatsbürger, Mitarbeiter der Stadtverwaltung Hannover und kurdischer Herkunft, in seinem Urlaub in Italien verhaftet wurde, weil ein durch Interpol verbreiteter Haftbefehl aus der Türkei vorliegt. Vorgeworfen wird ihm die Teilnahme an einer Demonstration in der Türkei Mitte der 1990er-Jahre.

    „Es ist jenseits aller Vorstellungskraft, dass man für die Teilnahme an einer Demonstration Ziel staatlicher Verfolgung werden kann, erst recht, wenn das Ganze über 20 Jahre zurück liegt,“

    stellt Dennis Deutschkämer, stellvertretender Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland erschüttert fest.

    „Es gibt mittlerweile Beispiele ähnlicher staatlicher Verfolgung hier in Deutschland und die Verschärfung der Polizeigesetze in nahezu jedem Bundesland lässt befürchten, dass türkische Zustände, auch hierzulande bald an der Tagesordnung sein könnten. Allerdings bleiben vor deutschen Gerichten die Chancen auf Gerechtigkeit noch immer gewahrt. Dies ist in der Türkei nur schwerlich vorstellbar, klammert sich dort doch Staatschef Erdogan an jeden Strohhalm, die Zeit auf seiner ablaufenden Uhr anzuhalten. Dass Interpol dabei behilflich ist, untergräbt massiv die Glaubwürdigkeit dieser Organisation. Ohne Sinn und Verstand politisch motivierte Haftbefehle zu vollstrecken, dürfte kaum im Sinne von Interpol liegen.“

    „Es erinnert an dunkelste Zeiten des Kalten Krieges, als geflüchtete Bürger der damaligen DDR hier im Westen von den Schergen der Ost-Geheimdienste verfolgt wurden,“

    resümiert Thomas Ganskow, Landesvositzender der Piratenpartei Niedersachsen, und fährt fort:

    „Die Bundes- und die Landesregierung Niedersachsens sind gefordert, derartige Vorkommnisse überall auf der Welt zu verurteilen und zu bekämpfen. Es ist ihr Auftrag, dafür Sorge zu tragen, dass niemand, der auf den Schutz des deutschen Staates vertraut, von diesem enttäuscht wird. Es darf nicht einmal der Anschein erweckt werden, dass auf der Grundlage von Abmachungen, die z.B. ProAsyl als menschenverachtend einstuft, Menschen der Gewalt eines inhumanen Staates auf Gedeih und Verderb ausgeliefert werden. Die Türkei und insbesondere ihr Präsident müssen in ihre Schranken verwiesen werden. Es bleibt zu hoffen, dass die italienischen Behörden den Irrwitz der Anschuldigung erkennen und keiner Auslieferung zustimmen.
    Wir sind mit unseren Gedanken bei dem Beschuldigten, seinen Angehörigen und Freunden. Wir hoffen, dass dieser unglaubliche Vorgang polizeilicher Willkür mit seiner sofortigen Freilassung beendet wird.“

  • Piratenpartei fordert deutliche Reisewarnung für die Türkei

    Piratenpartei fordert deutliche Reisewarnung für die Türkei

    Die Piratenpartei Deutschland begrüßt die verschärften Reisehinweise und die längst überfällige, klare Grenzziehung gegenüber den Provokationen des türkischen Machthabers Erdogan. Darüber hinaus fordert die Piratenpartei die Bundesregierung dazu auf, klare Signale zu setzen und sich für das sofortige Einfrieren der Beitrittshilfen durch die EU auszusprechen. Weiterhin raten die Piraten dazu, vorausschauend zu agieren, sich nicht von Präsident Recep Tayyip Erdoğan provozieren zu lassen und auf wahlkampftaktische Entscheidungen zu verzichten. Bereits seit 2014 warnt die Piratenpartei Deutschland die Außenpolitiker der Regierungsparteien vor der fortschreitenden Radikalisierung und Entdemokratisierung in der Türkei durch Erdogan und seine AKP. [1] [2] [3] [4]

    Die jetzige Ausweitung der Reisehinweise für alle deutschen Bürger ist nur die nächste Stufe in der stetigen Eskalation der Dauerkrise mit dem Land unter der Herrschaft Erdogans.

    Die Liste der Provokationen ist lang

    Die Türkei gehört zu den Ländern mit den meisten inhaftierten Journalisten weltweit. Präsident Erdogan baut derzeit starken Druck gegenüber Deutschland auf, indem er mehrere deutsche Staatsbürger – darunter den bekannten Journalisten Deniz Yücel und den Menschenrechtsaktivisten Peter Steudtner – als Geiseln genommen hat. Die Piratenpartei Deutschland weist die Bundesregierung darauf hin, dass deutsche Soldaten in Incirlik und Konya ebenfalls als Geiseln genommen werden könnten. Dadurch besteht die Gefahr einer weiteren Verschärfung der Situation.

    Björn Semrau, außenpolitischer Sprecher der Piratenpartei Deutschland und Listenkandidat Platz 7 der Piratenpartei Hessen für die Bundestagswahl, sagt dazu:

    „Die Bundesregierung und das Auswärtige Amt stehen in der Verantwortung und Pflicht, für die Türkei eine deutliche Reisewarnung auszusprechen und mithilfe diplomatischer Beziehungen noch größeren Druck auf Erdogan auszuüben. Die Einführung der Todesstrafe wäre das Ende der Verhandlungen zwischen Türkei und EU. Wir deutschen Piraten haben mit der Korsan Parti [7] eine Bruderpartei, die von der Einschränkung der demokratischen Freiheiten und Grundrechte direkt betroffen ist. Die Gesamtheit der türkischen Oppositionsparteien muss seitens der deutschen Bundesregierung stärkere Unterstützung erfahren. Die Zeiten freundlicher Worte und Deals mit Erdogan sind vorbei.“

  • PIRATEN zum Türkei-Referendum: ‚Evet‘ heisst Nein zur Freiheit

    Berlin / Istanbul / Ankara. Es sieht nicht gut aus für die freiheitliche Demokratie nach dem Referendum in der Türkei: 51,3 Prozent der Wähler – soweit das vorläufige Endergebnis der Wahlkommission – stimmten mit ‚Evet‘: Ja zu einem Präsidialsystem, das nun deutlich mehr Macht und Befugnisse auf den Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan vereint. So kann er nicht nur Präsidialverordnungen mit Gesetzeskraft erlassen, sondern hat auch große Eingriffsmöglichkeiten in die Judikative.

    „Dies bedeutet nun für Kritiker von Erdogan, Oppositionelle, Journalisten und andere Gruppen, dass sie der permanenten Gefahr ausgesetzt sind, als Terroristen angeklagt zu werden. Sich dann auf keine neutrale Rechtssprechung verlassen zu können, schafft einen Freibrief dafür, alle unbequemen Aktivisten oder Menschen, die der Staatsführung aus anderen Gründen nicht in den Kram passen, mundtot zu machen“, beklagt Patrick Schiffer, Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland.

    Dass die Berichterstattung im Vorfeld der Abstimmung nicht neutral und fair ablief, darin sind sich die internationalen Beobachter einig. Schiffer: „Dies führte unter anderem dazu, dass auch in Deutschland lebende Türken sich eine starke Führung in der Türkei und damit eine Stärkung ihres Landes erhofften. Der Arm der türkischen Regierung ist lang, diesen Eindruck zu erwecken, war das erklärte Ziel des auch bei uns aktiv wirkenden Propaganda-Apparates.“

    Die Verbote von Wahlkampfauftritten seien ebenso geschickt genutzt und umgedeutet worden, wie die Aufregung um die Inhaftierung des Journalisten Deniz Yücel. Alles habe nur dazu gedient, Stärke zu demonstrieren. Der Ablauf der Wahl selbst wirft hingegen Fragen auf. Laut Beobachtungen der OSZE wurden Manipulationen bei den Wahllokalen festgestellt. So wurden unter anderem Wahlscheine akzeptiert, die nicht den erforderlichen ‚YSK‘-Stempel aufwiesen. Es mehren sich die Proteste. Aktuell bleiben aber die Grundrechte der türkischen Bevölkerung stark eingeschränkt – der Ausnahmezustand wurde nunmehr um weitere drei Monate verlängert.

    „Die Bundesregierung muss bereits jetzt, noch vor dem Referendum über die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei, die EU-Beitrittsverhandlungen als gescheitert erklären und beenden. Gesprächsbereit zu bleiben reicht nicht aus. Jegliche Waffenexporte und der sogenannte Flüchtlingsdeal müssen mit sofortiger Wirkung gestoppt werden. Das Referendum wird langfristig der türkischen Wirtschaft schaden und eine außenpolitische Isolation bewirken. Zudem müssen wir gerade jetzt die oppositionellen demokratischen Kräfte stärken, denn das Ergebnis war knapp und nicht so, wie Erdogan es gerne erlebt hätte. Wir Piraten haben bereits Kontakt mit unseren türkischen Kollegen von der Korsanparti aufgenommen und ihnen engere Zusammenarbeit angeboten.“, so Schiffer.

    Anja Hirschel, Spitzenkandidatin der Piratenpartei Deutschland für die Bundestagswahl ergänzt:

    „Die Konzentration von politischer Macht auf eine einzelne Person ist und war schon immer gefährlich. Ein Regierungssystem, welches der Gewaltenteilung zuwider läuft, kann von freiheitlich demokratischen Kräften nie akzeptiert werden.“ Dies müsse der türkischen Staatsführung unmissverständlich klar gemacht werden. Hirschel: „Es geht nicht gegen das türkische Volk, sondern gegen eine aufkommende Diktatur am Rande Europas.“

     

    Quellen:
    [1] Süddeutsche Zeitung: Warum die Türken ihrem Präsidenten noch mehr Macht verleihen, http://www.sueddeutsche.de/politik/referendum-in-der-tuerkei-warum-die-tuerken-erdoan-noch-maechtiger-machen-1.3465771
    [2] Ergebnis in Deutschland, http://www.yenisafak.com/secim-referandum-2017/yurtdisi-almanya-secim-sonuclari-referandum
    [3] Gesamtergebnis, http://www.yenisafak.com/secim-referandum-2017/secim-sonuclari

  • Beitrittsverhandlungen der EU mit der Türkei müssen abgebrochen werden

    Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini bestätigte heute, dass die EU an der Fortführung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei festhalten wolle.

    Patrick Schiffer, Bundesvorsitzender der Piratenpartei Deutschland: »Ein machtgieriger Despot Erdoğan, der alle nur denkbaren demokratischen Freiheiten ausser Kraft setzt, hat die Türkei innerhalb weniger Monate in einen totalitären Kontrollstaat verwandelt. Der Flüchtlingsdeal mit ihm war bereits eine politische und humanitäre Katastrophe. Das jetzige Festhalten daran lässt in tiefe Abgründe des Demokratieverständnisses der europäischen Politiker blicken. Wieviele diktatorische Repressalien von Erdoğan sind noch nötig, bis die EU-Kommission endlich ihren Kurs korrigiert?

    Die EU muss nun schleunigst alle diplomatischen und wirtschaftlichen Konsequenzen in Betracht ziehen und der Türkei ihre Grenzen aufzeigen. Den türkischen Bürgern droht sonst das gleiche Schicksal wie den Menschen im nahen Osten vor dem arabischen Frühling. Den Politikern der EU-Kommission muss klar sein, dass sie Erdoğan stärken, wenn sie mit ihm ins Bett steigen.

    Die einzig mögliche Handlungsoption der EU zur jetzigen Asylpolitik muss die aktive Bekämpfung von Fluchtursachen gegenüber den Staaten sein, in denen sie entstehen. Sollte der Druck auf Ankara nicht unmittelbar erhöht werden, steht uns demnächst ein weiterer Flüchtlingszuwachs aus der Türkei bevor.«

  • Säuberungen in der Türkei und ihre möglichen Folgen

    Gastbeitrag von Björn Semrau, Themenbeauftragter der Piratenpartei Deutschland für Außen- und Sicherheitspolitik

    Kurz nach dem gescheiterten Putsch, der anders als die Staatsstreiche von 1960, 1971 und 1980 nicht die Regierung absetzte, gibt es eine groß angelegte Verhaftungswelle in der Türkei. Alleine in den ersten beiden Tagen wurden 6000 Personen verhaftet. Tendenz weiter steigend.

    Dabei handelt es sich nicht nur um putschende Militärangehörige, sondern verschiedene Personen, die schon vorher auf entsprechenden Listen gestanden haben müssen. Richter und 5000 Beamte werden entlassen, Staatsratsmitglieder und Verfassungsrichter verhaftet. Das türkische Bildungsministerium suspendiert 15.000 Beamte. Der Staat verhängt de facto ein Ausreiseverbot für Akademiker.

    Gemeinhin werden solche Aktionen als Säuberungen bezeichnet. Schon mit der Entlassung von fast 2745 Justizbeamten und 755 Richtern und Staatsanwälten aus dem Dienst führen die demokratisch gewählte Regierung und Staatspräsident Erdoğan ein Grundprinzip einer Demokratie ad adsurdum: die Gewaltenteilung. Die Staatsgewalt wird auf mehrere Staatsorgane verteilt; dies dient der Machtbegrenzung. Bei den drei Gewalten wird unterschieden zwischen Gesetzgebung (Legislative), Regierung und Verwaltung (Exekutive) und Rechtsprechung (Judikative). Mit der Entlassung missliebiger Richter wurde das Prinzip einer unabhängigen Justiz missachtet. Nun wird die aktuelle Situation in der Türkei dazu genutzt, in allen drei Gewalten entsprechende Aufräumaktionen zu betreiben und missliebige Personen entweder zu verhaften oder zu entlassen.

    Auch die sogenannte „vierte Gewalt“, wie freie Presse mitunter genannt wird, ist in der Türkei in Gefahr. Ohne Richterbeschluss werden missliebige Webseiten gesperrt. Gerade linke und kritische Jornalisten fürchten sich nun jeden Tag vor der Verhaftung. Auch die Todesstrafe für “ Verräter“ wird schon angedacht. Als Grund wird von Erdoğan das „Gottesgeschenk“ (Putschversuch) angeführt. Einen offiziellen Feiertag soll es im Gedenken an die Ereignisse auch geben, einen Demokratiefeiertag.

    Auf die Ankündung, im Zweifelsfall die Todesstrafe wieder einzuführen, haben EU-Politiker wie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini, bereits reagiert, indem sie verkündeten, dass die Beitrittsgespräche der Türkei mit der EU sofort ausgesetzt werden würden, sollte die Türkei diesen Plan in die Tat umsetzen. Ein Aussetzen der Beitrittsgespräche würde aber die Türkei nur weiter in die Arme Russlands treiben und die Entstehung eines neuen „Warschauer Paktes“ in Abgrenzung zur EU und letztlich auch zur NATO wahrscheinlicher machen. Die Welt würde sich somit weiter in zwei Machtblöcke aufteilen, die fatal an die Weltordnung zur Zeit des Kalten Krieges erinnern. An einer so instabilen, bipolaren Weltordnung kann aber kein Staat wirklich Interesse haben. Somit gilt es zu hoffen, dass die türkische Demokratie trotz der harschen Vergeltungsmaßnahmen der Regierung Erdoğan im Kern erhalten bleibt.

    Doch zur Demokratie hat der türkische Staatspräsident Erdoğan noch aus seiner Zeit als Oberbürgermeister von Istanbul ein besonderes Verhältnis. 1998 zitierte er folgende Verse aus einem Gedicht:

    „Die Demokratie ist nur der Zug, auf den wir aufsteigen, bis wir am Ziel sind. Die Moscheen sind unsere Kasernen, die Minarette unsere Bajonette, die Kuppeln unsere Helme und die Gläubigen unsere Soldaten.“

    Für das Zitieren dieser Zeilen wurde er zu zehn Monaten Haft und lebenslangem Politikverbot verurteilt. Absitzen musste er nur vier Monate und politisch betätigt hat er sich bekanntlich weiterhin. (Ein Buch geschrieben hat er nicht). Aktuell steht Erdoğan also innenpolitisch gestärkt da und kann wahrscheinlich seinen Traum eines auf ihn zugeschnittenen „Präsidialsystems“ bald ausleben. Zuletzt war er innenpolitisch unter Druck geraten; vor allem die Ankündigung, syrische Flüchtlinge einzubürgern, hatte ihn innenpolitisch geschwächt.

    Dies ist nun vorbei. Er hat nun eine politische Waffe in der Hand, jede Kritik und jeden politischen Gegner in der Türkei zu eliminieren. Aber die aktuelle Situation hat auch außenpolitische Auswirkungen: So versucht Erdoğan versucht, die Auslieferung seines ehemaligen Weggefährten und jetzigen Erzfeindes Fetullah Gülen aus den USA zu erreichen. Auch die Auslieferung von Putschisten, die nach Griechenland geflohen sind und dort Asyl beantragt haben, wird gefordert. Weiterhin wurden von türkischen Regierungsmitgliedern die USA als Drahtzieher des Umsturzes genannt.

    Von US-Seite wurde von Außenminister Kerry ein möglicher Ausschluss der Türkei aus der Nato angedeutet. Verpackt wurde dies in der Formulierung, dass Demokratie die Grundvoraussetzung für eine NATO-Mitgliedschaft sei. Innerhalb der NATO sind diverse Konflikte mit dem Mitglied Türkei am köcheln. Beispielhaft sind hier die Unterstützung von diversen radikalen Gruppen in Syrien und Irak zu sehen. Gleichzeitig gibt es seit längerer Zeit eine Neuorientierung der türkischen Außenpolitik, beispielsweise im Verhältnis zu Russland. Abgesehen vom Konflikt – ausgelöst durch den Abschuss eines russischen Kampfflugzeuges – gab es eine stetige Verbesserung der Beziehungen. So wendet sich die Türkei verstärkt der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ), einer von Russland und China dominierten Organisation zu, die sowieso bereits als Gegenentwurf zur Europäischen Union gilt.

    Wirtschaftlich könnten die jüngsten Reaktionen der von der AKP geführten Regierung ebenfalls negative Konsequenzen zeigen. Die zunehmende Instabilität der türkischen Gesellschaft und die fehlende Rechtssicherheit verunsichern viele Geldgeber, die ihre Investitionen in der Türkei dadurch gefährdet sehen. Erste Kapitalströme scheinen bereits umgeleitet zu werden und somit das für die Regierung Erdoğan so wichtige Wirtschaftswachstum abzuwürgen.

    Aufgrund der Sicherheitssituation im Land bleiben mehr und mehr die Touristen aus, die noch immer einen der bedeutendsten Wirtschaftszweige der Türkei mit Mitteln versorgen. Somit stehen die „Säuberungsaktionen“ in der Türkei mitunter am Anfang einer Reihe von umwälzenden Entwicklungen, die nicht alleine der angeschlagenen Demokratie in der Türkei oder der ebenfalls angeschlagenen Stabilität der Region schaden, sondern die gesamte Weltordnung negativ beeinflussen könnten. Nicht nur, dass sich die liberale und säkulare Demokratie, einst das Erfolgsmodell des freiheitlichen Westens, wird mehr und mehr demontiert. So scheint ihr Gegenentwurf der gelenkten oder autoritären Demokratie russischer Prägung weiter auf dem Vormarsch zu sein und gefährdet somit vielerorts die unter Opfern erkämpften Errungenschaften der Aufklärung, wie Freiheit, Mitbestimmung und Gleichberechtigung. Dies aber sind die Fundamente unserer Gesellschaften sowie der Europäischen Union und sind nicht verhandelbar.

  • PIRATEN zum Putschversuch in der Türkei – Rechtsstaatlichkeit und die Verfassung müssen bewahrt werden

    Kristos Thingilouthis, politischer Geschäftsführer der Piratenpartei Deutschland:

    „Wir bitten alle Seiten in der Türkei, die Rechtsstaatlichkeit und die Verfassung zu bewahren. Wir sind in großer Sorge um die Menschen in der Türkei und die Urlauber, die sich gerade in der Türkei befinden und von den Entwicklungen überrascht worden sind.“

    Das türkische Militär hat in den letzten Stunden gegen die türkische Regierung geputscht und erklärt eine Ausgangssperre über das ganze Land. Der türkische TV-Staatsender TRT, sowie Teile des Internets wurden laut Medienberichten abgeschaltet. Das Militär verkündet die Verhängung des Kriegsrechtes und einer Ausgangssperre. Der Generalstabschef wurde festgesetzt und der derzeitige Präsident Recep Tayyip Erdoğan befindet sich auf freiem Fuß. Die Putschisten begründen Ihren Putsch mit der Sorge um die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei und um die Verfassung.

    Thingoulithis ergänzt:

    „Wir machen uns Sorgen um die Situation der Flüchtlinge aus den Nachbarländern, die sich im Land befinden. Wir rufen auch die Militärs der Nachbarländer auf, Ruhe zu bewahren damit es nicht zu einer Eskalation der Situation kommt.“

    Im Rahmen der Nachrichtenberichterstattung in den Anrainerstaaten ist bereits die erhöhte Alarmbereitschaft der jeweiligen Militärs angezeigt wurden.

  • Erdogan auf dem Weg zur Alleinherrschaft?

    Mit der Aufhebung der Immunität von 138 Abgeordneten hat sich das türkische Parlament selbst entmachtet und Staatspräsident Erdoğan ist seinem Ziel, die Türkei von einer laizistischen, demokratischen Republik in eine bestenfalls gelenkte, islamische Demokratie umzuwandeln, ein großes Stück näher gekommen. Die Piratenpartei Deutschland verurteilt diese Entwicklung der Türkei, da sie sich von freiheitlich-demokratischen Werten wegentwickelt, hin zu einer starreren und rückwärtsgewandten Gesellschaft. Dieser Weg wird die Türkei von der Europäischen Union fortführen in eine ungewisse Zukunft. Bereits jetzt sind Repression, Intoleranz und Polizeigewalt in der Türkei auf einem nie gekannten Hoch. Die Türkei gefährdet durch diese Politik der Angst ihr Ansehen in der Welt und ihre Vertrauenswürdigkeit. Letztlich ist dieser Weg eine Gefährdung für die gute wirtschafltiche Entwicklung der Türkei der letzten Jahre.

    Die AKP benutzt ihre derzeitige Stärke, die sie sich mit Terror und Unterdrückung erschlichen hat, um die Türkei auf Wunsch eines einzigen Mannes, des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan, in ein präsidentielles System umzuwandeln. Dies dient nur den Interessen des machtbewussten Präsidenten. Aufgrund dieser Interessen hat er den Friedensprozess mit den Kurden sabotiert und sie wieder in die Rolle als angebliche Terroristen gedrängt. Mit der Angst vor Terroranschlägen wurden die Wahlen in der Türkei beeinflusst zugunsten der nationalistischen AKP, der Partei für Gerrechtigkeit und Entwicklung von Präsident Erdoğan. Trotzdem verlor die AKP in den Wahlen von 2015 die Zweidrittelmehrheit an die kurdenfreundliche HDP, die aus dem Stand mehr als 10 % der Wählerstimmen bekam und somit ins Parlament einzog.

    Von der jetzigen Aufhebung der Immunität von 138 Abgeordneten sind vor allem Abgeordnete der HDP betroffen, die über 90 % ihrer Abgeordneten verlieren wird. Mit dem Vorwurf der Korruption entfernt die AKP, auf deren Betreiben diese Abstimmung durchgeführt wurde, die ihr unliebsamen Elemente aus dem Parlament, das somit zum zahnlosen Tiger und zum willfährigen Helfershelfer von Präsident Erdoğans Plänen geworden ist.

    Die Piratenpartei fordert eine scharfe Verurteilung dieser Vorgänge von Seiten der Bundesregierung und eine klare Haltung selbiger gegenüber der Türkei in Fragen der freiheitlich-demokratischen Grundwerte unserer europäischen Gesellschaft. Sanktionen gegenüber der Türkei sollten ernsthaft erwogen werden. Es kann nicht mehr länger hingenommen werden, dass die Demokratie auf dem politischen Parkett nur noch als Verhandlungsmasse oder gar als „Standortvorteil“ angesehen wird. Europa muss wieder die Fackel der Freiheit aufnehmen und mit Beispiel in der Welt vorangehen, um somit für jene Werte einzustehen, für deren Verteidigung die Nationen Europas mehrfach durch die Hölle gegangen sind. Staaten gegenüber, die sich von der Demokratie und den freiheitlichen Grundwerten abwenden, gilt es eine klare, harte Haltung einzunehmen. Nicht alles darf unseren wirtschaftlichen Vorteilen oder in diesem Fall einer völkerrechtswidrigen Flüchtlingspolitik geopfert werden.