Schlagwort: erneuerbare Energie

  • Europäische und deutsche Wasserstoffstrategien – eine piratige Stellungnahme

    Europäische und deutsche Wasserstoffstrategien – eine piratige Stellungnahme

    Am 8. Juli 2020 wurde die Pressemitteilung „Förderung einer klimaneutralen Wirtschaft: Kommission legt Pläne für das Energiesystem der Zukunft und sauberen Wasserstoff vor“ veröffentlicht.
    Darin wurden von der Europäischen Kommission nachfolgende Strategiepapiere vorgestellt:

    Bei erster Lektüre springen hierbei viele Parallelen zur deutschen „Nationalen Wasserstoffstrategie“ ins Auge.

    Lobend hervorzuheben ist, dass beide Papiere dabei verstärkt auf den sogenannten „grünen Wasserstoff“ setzen, der mit „erneuerbarem Strom“ hergestellt wird und dabei, im Gegensatz zu den bisherigen Wasserstofferzeugungsstrategien, klimaneutral funktioniert.

    Im Unterschied zur „nationalen Strategie“ erkennt der europäische Ansatz die wichtige Eigenschaft des Wasserstoffs als Speichermedium, „um variable Energieflüsse aus erneuerbaren Energieträgern auszugleichen“.

    Aus Sicht der AG Umwelt der Piratenpartei Deutschland darf zum derzeitigen Stand der Energiewende kein erneuerbarer Strom dem Markt entnommen werden, um Wasserstoff für industrielle Prozesse zu produzieren.
    Er muss vielmehr dazu genutzt werden, um schnellstmöglich die Stromgewinnung aus Kohle zu ersetzen. (Ziel aus unserem 17-Punkte-Plan – KLIMA Kohle-Ausstieg bis 2023)
    Nur Wasserstoff aus Stromüberschüssen, die derzeit noch zu Anlagenabschaltungen führen, darf für andere Nutzung verwendet werden.
    Wobei auch hier die Nutzung als Energiespeichermedium zur Rückführung in den Strommarkt oberste Priorität haben muss.
    Statt der großindustriellen Ansätze der Wasserstoffstrategien von Bund und EU setzen wir PIRATEN deutlich stärker auf die Förderung von dezentralen Wasserstoffgewinnungsanlagen, auch in kleinerem Maßstab.
    Dadurch wird die Errichtung einer entsprechenden Anlage auch für kleinere Windmüller und Betreiber von Solaranlagen rentabel.
    Aus 6,4 TWh [Ergänzung: jährliche Ausfallarbeit durch Abregelung] lassen sich mit einem Wirkungsgrad von 70% 4,5 TWh Wasserstoff herstellen

    „Den großspurigen, großindustriellen Ansatz der Wasserstofflobby lehnen wir zum derzeitigen Stand der Energiewende klar ab. Auch bei der Wasserstoffproduktion vertreten wir, wie bei der gesamten Energiewende, klar einen dezentralen Ansatz.“

    so Martin Kollien-Glaser, Themenbeauftragter Umwelt der Piratenpartei Deutschland.

  • Warum das deutsche Stromnetz wirklich instabil ist

    Warum das deutsche Stromnetz wirklich instabil ist

    Im Juni nahmen die zur Netzstabilisierung notwendigen Regeleingriffe in das deutsche Stromnetz einen bislang nicht da gewesenen Umfang an. Wie üblich wurden von einigen Medien die erneuerbaren Energiequellen als Schuldige ermittelt. Immerhin gab es diesmal auch genügend Presseberichte, die die wahren Ursachen für die „Stromknappheit“ (jeweils mitten in der Nacht (!) des 04., 09. und 12.06.2019) benannten.

    Im Oktober 2018 trat eine Gesetzesänderung für den Regelenergiemarkt in Kraft, die noch mehr Zockerei auf Kosten der Stromkunden erlaubt. Das sogenannte „Mischpreisverfahren“ ermöglicht den Stromversorgern, weniger Regelenergie zum Ausgleich von Netzschwankungen auf Vorrat einzukaufen und dafür notwendige Kapazitäten sehr kurzfristig zu erwerben. Der Vorteil für den Stromversorger dabei: Die kurzfristigen Kapazitäten können zwar äußerst teuer werden, allerdings nicht für ihn selbst. Er kann die immensen Mehrkosten direkt an die Stromkunden weiterreichen. Wohlgemerkt: Wir reden hier von Preisunterschieden zwischen ca. 10 Euro pro MWh im Normalzustand und nahe 40.000 Euro pro MWh in einer Krisensituation!
    Erfolgt der Nachkauf notwendiger Ersatzkapazitäten zu kurzfristig, kann die Zockerei der Nutznießer dieses sehr fragwürdigen Systems durchaus in einem großflächigen, länger anhaltenden Blackout enden.

    Vor der Einführung des Mischpreisverfahrens wurde genau davor gewarnt. In diesem Artikel wird die Problematik gut und ausführlich beschrieben. Tiefergehende technische Hintergründe liefert der Blog von Herbert Saurugg, den wir aus gegebenem Anlass manchen Journalisten wärmstens ans Herz legen möchten.

    Dr. Michael Berndt, energiepolitischer Sprecher der Piratenpartei kommentiert:

    „Offensichtlich hat die Mischung aus Ahnungslosigkeit bei den Politikern und/oder die Überzeugungsarbeit der Lobbyisten einmal mehr die für die Bürger schlechteste und teuerste Lösung Realität werden lassen. Ein weiteres Beispiel dafür, wie Intransparenz und Bürgerferne in der Politik gelebt werden.“

  • Klimaziele 2020 locker erreichen: Eine Anleitung

    Klimaziele 2020 locker erreichen: Eine Anleitung

    „Schicksalstag für die SPD“ – so oder ähnlich titelten die Gazetten, als sie über die Entscheidung des SPD-Sonderparteitags über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD schrieben.

    Ja, die Entscheidung wird die weitere Entwicklung der SPD beeinflussen. Interessanter für unser Land ist jedoch, was nach einem ‚Ja‘ der SPD zur #GroKo zu erwarten ist und was den Menschen in unserem Land versprochen wird. In dieser Artikelserie gehen wir diesen Fragen auf den Grund.

    Die schlechte Nachricht zuerst: Der Ausbau der erneuerbaren Technologien zur Stromerzeugung bringt, so wie er im Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG) festgeschrieben ist, keine zusätzlichen CO2-Einsparungen. Er kompensiert lediglich den wegfallenden CO2-freien Atomstrom. Die gute Nachricht: Es ist überhaupt kein Problem, das Klimaschutzziel 2020 zu erreichen – wenn wir es denn als Gesellschaft und Politik wirklich wollen!

    Es war das Ziel aller Bundesregierungen seit dem Jahr 2002, dass Deutschland seine Treibhausgas-Emissionen bis zum Jahr 2020 um 40% gegenüber dem Jahr 1990 reduziert. Diese liegen heute bei ca. 900 Millionen Tonnen. Den größten Anteil an den Emissionen hat die Energiewirtschaft mit etwa 320 Millionen Tonnen, gefolgt vom Straßenverkehr mit 160 und jeweils 130 Millionen Tonnen durch Heizungsanlagen und das verarbeitende Gewerbe. Um das Klimaziel 2020 noch zu erreichen, muss Deutschland bis dahin die jährlichen Treibhausgas-Emissionen um 150 Millionen Tonnen senken. Wie können wir das als Gesellschaft schaffen?

    Die ersten 100 Millionen Tonnen Treibhausgase sparen wir dadurch ein, indem wir die fossilen Kraftwerke in anderer Reihenfolge für die Stromerzeugung einsetzen; an erster Stelle die Gaskraftwerke, die die geringsten Mengen CO2 ausstoßen. Reicht diese Leistung für die aktuelle Stromerzeugung nicht aus, werden Steinkohlekraftwerke zugeschaltet und erst danach Braunkohlekraftwerke. Diese Reihenfolge hätte im Jahr 2016 ca. 100 Millionen Tonnen CO2 eingespart. So ließe sich übrigens vorgehen, ohne die Stromrechnung für private Haushalte zu erhöhen. Da Erdgas als fossiler Brennstoff teurer als Stein- und Braunkohle ist, hätte sich der Preis für die Stromerzeugung um etwas weniger als 1 Cent pro Kilowattstunde erhöht. Privathaushalte zahlen 2,05 Cent pro Kilowattstunde als Stromsteuer, deren Erlöse weitestgehend in die Rentenkasse eingezahlt werden. Senken wir die Stromsteuer um 1 Cent, erhöht sich die Stromrechnung für Privathaushalte nicht. Braunkohlekraftwerke müssten bei dieser Einsatzfolge der fossilen Kraftwerke nur noch selten zur Stromerzeugung eingesetzt werden.

    Was bedeutet das für die Arbeitsplätze in der Energiewirtschaft? Für den Fall, dass „die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht“ und künftige Kurzzeitstromspeicher leer sind, muss der Strom mit Kraftwerken und deren Generatoren hergestellt werden. Gaskraftwerke sind hierbei die Technik der Wahl. Sie sind in wenigen Stunden betriebsbereit und können im Zusammenspiel mit den heutigen präzisen Wetterprognosen problemlos zugeschaltet werden. Allerdings stellen sie im aktuellen deutschen Kraftwerkspark nur etwa ein Viertel der im Rahmen der Energiewende benötigten Generatorleistung zur Verfügung. Wir müssen also anfangen, die anderen Kraftwerke umzubauen bzw. zu alte (Kohle-)Kraftwerke durch neue Gaskraftwerke zu ersetzen. Eine erste Schätzung für die Um- und Neubaukosten: etwa 30 Milliarden €. Auch diese Kosten lassen sich durch die restlichen Einnahmen aus der Stromsteuer über zehn Jahre finanzieren: Die Einnahmen aus der Stromsteuer betrugen im Jahr 2016 6,6 Milliarden €. Senken wir die Steuer um einen Cent, bleiben ca. 3,3 Milliarden € im Jahr, sprich 33 Milliarden in zehn Jahren übrig.

    Der Einsatz von Gaskraftwerken und der Umbau des Kraftwerksparks erhält alte Arbeitsplätze und schafft neue bei den Energieversorgern. Nach Daten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gab es im Jahr 2016 im Braunkohle-Bergbau und der Braunkohle-Veredelung knapp 13.000 Beschäftigte, in der Gasförderung und -versorgung mehr als 35.000. Was im Bereich der Braunkohle-Stromerzeugung wegfällt, wächst durch die erhöhte Gasstromerzeugung hinzu. Zudem sind die Braunkohlereviere durch die bereits vorhandenen Stromleitungen prädestiniert für den dringend erforderlichen und Arbeitsplätze schaffenden massiven Ausbau der erneuerbaren Energien.

    Für das Nicht-Benutzen von vier Braunkohlekraftwerken wandern bis zum Jahr 2020 aus den Bürgertaschen 1,6 Milliarden Euro in die Taschen von Energiekonzernen. Auch in den Jahren 2018 und 2019 werden für den Einsatz deutscher Steinkohle in Kraftwerken und Hochöfen sowie für Stilllegungen bei Bergbauunternehmen bis zu einer Milliarde Euro („Kohlepfennig“) gezahlt. Ab dem Jahr 2019 müssen zusätzlich 1,7 Milliarden Euro pro Jahr aus dem Bundeshaushalt aufgebracht werden, um Bergbauunternehmen in der Wahrnehmung weiterhin bestehender Verpflichtungen, die nicht von der Ruhrkohle-AG-Stiftung getragen werden, zu unterstützen. In diesem Kontext betrachtet sollten die geforderten jährlichen 240 Millionen Euro für den notwendigen Strukturwandel in der Lausitz problemlos realisierbar sein.

    Und die Einsparung der noch fehlenden 50 Millionen Tonnen?
    Die Auswahl an Möglichkeiten ist groß: Legt man für den Exportüberschuss des deutschen Stromes in Höhe von 55 Milliarden Kilowattstunden im Jahr 2016 die CO2-Emission des deutschen Strommixes zu Grunde, wurden allein hierfür 29 Millionen Tonnen CO2 ausgestoßen. Wird der Export deutlich verringert, werden damit viele Millionen Tonnen Treibhausgase eingespart. Darüber hinaus bietet der Wegfall der Ausbaubegrenzung von erneuerbaren Energien im EEG, welche die Energiewende unverantwortlich ausbremst, erhebliches Einsparungspotential. Auch wir Bürger können sofort aktiv werden, um die Treibhausgasemissionen zu verringern: Reduzieren wir unseren Fleischkonsum einhergehend mit der Verkleinerung des Viehbestandes in Deutschland um ein Fünftel – was auch unserer Gesundheit zu gute käme: 20 Millionen Tonnen. Kaufen wir langlebige oder gebrauchte Güter und beschränken die Konsumausgaben (Kleidungsstücke, technische Artikel) insgesamt auf 150 € pro Monat, sparen wir nach dem CO2-Rechner des Umweltbundesamtes drei Tonnen Treibhausgas pro Kopf gegenüber dem Durchschnittskonsumenten ein. Tun dies ab jetzt fünf Millionen weitere Bundesbürger, ergäbe sich eine Einsparung von 15 Millionen Tonnen. Fahren wir mit dem PKW etwas ruhiger und machen die eine oder andere Fahrt weniger oder mit dem Nachbarn gemeinsam, sparen wir nicht nur Spritgeld, sondern auch CO2-Emissionen ein: mindestens 10 Millionen Tonnen. Auch mit dem Austausch alter Heizungspumpen und der Erneuerung oder Optimierung alter Heizungsanlagen können wir als Bürger nicht nur Geld, sondern auch Treibhausgasemissionen reduzieren. Und es gäbe noch mehr Möglichkeiten!

  • Braunkohleausstieg in Deutschland ist sofort möglich

    Braunkohleausstieg in Deutschland ist sofort möglich

    Ist CDU-Vize Armin Laschet unter die Atom-Lobbyisten gegangen? Energiepolitische Nachhilfe für den NRW-Ministerpräsidenten zwingend notwendig.

    Deutschland kann die Stromerzeugung mit Braunkohlekraftwerken sofort einstellen. Folgende Gegenüberstellung der Piratenpartei Deutschland macht dies deutlich: Nach der aktuellen Kraftwerksliste der Bundesnetzagentur sind zur Zeit Braunkohlekraftwerke mit einer Leistung von 18 Gigawatt betriebsbereit. Deutsche Gaskraftwerke stehen mit 22 Gigawatt aktuell in der Liste. Sie können die Gesamtleistung von Braunkohlekraftwerken also mehr als nur ausgleichen. Die Umweltkosten des Braunkohlestroms sind 6 Cent höher als bei Gaskraftwerken, die Erzeugungskosten für die Stromerzeugung aber nur 1,5 bis 3 Cent pro Kilowattstunde niedriger. Der Einsatz der Gaskraftwerke und Verzicht auf Braunkohlekraftwerke erbringt folglich einen volkswirtschaftliche Gewinn von mindestens 3 Cent pro Kilowattstunde.

    In Nordrhein-Westfalen sieht es gleichsam gut gut aus: Dort steht der Braunkohlekraftwerksleistung von 7,5 Gigawatt eine genauso große Gaskraftwerksleistung gegenüber. „Die Annahme von NRW-Ministerpräsident Armin Laschet, dass auf belgischen, französischen Atomstrom oder gar Kohlestrom aus Polen zurückgegriffen werden müsste, ist also unbegründet. Und wenn er sich um Duisburger Stahlwerke sorgt, empfehle ich einen Besuch bei den Lech-Stahlwerken in Bayern. Deutsche Stahlwerke haben heute bereits eine Eigenstromerzeugung von 50%. Man erklärt ihm dort sicherlich gerne, wie das Abschalten von zwei Atomkraftwerken in der Region problemlos kompensiert wird; er muss es nur wollen“, so der energiepolitische Sprecher der Piratenpartei Dr. Michael Berndt.

    „Den Ausbau der Stromerzeugung mit Photovoltaik- und Windkraftanlagen zu verschleppen und sich nicht von der Kohleverstromung zu verabschieden, ist zugleich arbeitspolitisch ein inakzeptabler Sündenfall, an dem CDU-Vize und NRW-Ministerpräsident Laschet wahrlich nicht unbeteiligt ist. Im Kohlebergbau, in der Kohlebergbauveredelung und indirekt waren im Jahr 2016 ca. 30.000 Arbeitnehmer beschäftigt und es wurden 252 Terawattstunden Strom erzeugt. Mit den erneuerbaren Energien wurden 188 Terawattstunden erzeugt, dieses aber mit mehr als 300.000 Arbeitnehmern!“, ergänzt Dr. Berndt.