Schlagwort: Grundgesetz

  • Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz beenden

    Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz beenden

    Die Piratenpartei lehnt die verfassungswidrige Cannabis-Prohibition ab. Der Schaden, der sowohl den Menschen, als auch der Wirtschaft sowie der Bundesrepublik Deutschland insgesamt entsteht, steht in keinem Verhältnis. In einem besonders delikaten Fall wurde kürzlich der Jugendrichter Andreas Müller, der sich seit langem für eine Entkriminalisierung von Cannabis einsetzt, einem Befangenheitsantrag ausgesetzt.

    Andreas Grätsch, Koordinator der AG Drogen- und Suchtpolitik der Piratenpartei Deutschland kommentiert:

    „Wir fordern, derartige Schädigungen der Unabhängigkeit der Judikative zu beenden. Ehrenamtliches Engagement oder die legitime verfassungsrechtliche Prüfung des bestehenden Betäubungsmittelgesetzes dürfen kein Grund sein, Richter*innen von bestimmten Fällen auszuschließen.“

    Wir PIRATEN schließen uns damit der Forderung der rechtspolitischen Sprecherin der DIE LINKE im Brandenburger Landtag, Marlen Block, an.

    Zum Hintergrund, Ende letzten Jahres hat die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) einen Befangenheitsantrag gegen den Bernauer Jugendrichter Andreas Müller gestellt. Die Staatsanwaltschaft begründet ihren Antrag mit dessen jahrelangem Wirken gegen das Cannabis-Verbot, sowie Äußerungen in seinem 2015 erschienenen Buch „Kiffen und Kriminalität. Ein Jugendrichter zieht Bilanz“. Die zuständige Richterin hingegen lehnte den Befangenheitsantrag ab, begründet mit Müllers über Jahre hinweg beanstandungsfreier Rechtsprechung insbesondere in Cannabis-Fällen, und dessen Recht auf Privatmeinung – die zudem der Justiz seit Jahren bekannt sei.

    Müller, der sich seit vielen Jahren für die Entkriminalisierung und Legalisierung der Hanf-Pflanze (Cannabis) einsetzt, hatte im Zuge der „Justizkampagne 2019“ des Deutschen Hanfverbandes im April 2020 eine Normenkontrollklage gemäß Artikel 100 Abs. 1 Grundgesetz (GG) beim Bundesverfassungsgericht eingereicht. Dieses soll den seines Erachtens nicht rechtmäßigen Sachverhalt des Betäubungsmittelgesetzes (BtmG) in Bezug auf Cannabis überprüfen. Nach Artikel 100 GG ist es die Pflicht eines Richters, im Zweifel eine solche Überprüfung zu beantragen, um Unsicherheiten zu klären anstatt womöglich Menschen aufgrund eines verfassungswidrigen Gesetzes zu verurteilen.

  • Tag des Grundgesetzes – PIRATEN fordern bundesweiten Feiertag

    Tag des Grundgesetzes – PIRATEN fordern bundesweiten Feiertag

    Der 23. Mai ist der Tag des Grundgesetzes. Dieses wurde vor 71 Jahren vom Parlamentarischen Rat auf der Grundlage des Entwurfs eines Sachverständigenausschusses (Herrenchiemseer Entwurf) am 8. Mai 1949 beschlossen, von den Alliierten genehmigt und am 23. Mai 1949 unterzeichnet.

    „Das Grundgesetz ist unser Kompass, es beschreibt die Leitlinien, nach denen unsere Gesellschaft heute funktioniert. Auf dieser Basis sichert es die Freiheit jedes Einzelnen und schützt uns vor einem Einschnitt unserer Grund-, Freiheits- und Bürgerrechte durch den Staat,“

    erklärt Sebastian Alscher, Bundesvorsitzender der Piratenpartei Deutschland.

    „Das Grundgesetz gibt uns immer wieder Aufgaben mit, über die wir zu diskutieren haben. Es fordert uns heraus abzuwägen. Sei es in Fragen von Hatespeech oder beispielsweise derzeit, zwischen dem Schutz des Einzelnen oder der Gruppe auf der einen Seite, und der Freiheit auf der anderen Seite abzuwägen. Es ist also ein überaus lebendiges Werk, das an Aktualität nicht eingebüßt hat,“

    ergänzt Alscher.

    Bereits in ihrem Wahlprogramm 2017 hat die Piratenpartei Deutschland die Forderung aufgenommen, den 23. Mai als „Tag des Grundgesetzes“ zum bundeseinheitlichen Feiertag zu erklären.

  • Hartz-4-Urteil lässt Fragen offen – und Schlimmes erwarten

    Hartz-4-Urteil lässt Fragen offen – und Schlimmes erwarten

    Am Dienstag fällte das Bundesverfassungsgericht ein Urteil zur Zulässigkeit von Sanktionen bei Beziehern von Leistungen nach dem ALG2 (Hartz-4). Es stellte u.a. fest, dass Kürzungen von bis zu 30% nach Einzelfallprüfung weiterhin zulässig seien.

    „Auch wenn sich dieses Urteil erst mal nach einem Sieg gegen ein unmenschliches System anfühlt, es ist doch ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen. Leistungen nach Hartz-4 stellen per Definition das Existenzminimum dar, welches zur Wahrung der Würde des Menschen nach Artikel 1 des Grundgesetzes notwendig ist. Wenn man schon von einem Existenzminimum spricht, darf man dieses dann nicht unterschreiten, wenn die Existenz dadurch gesichert werden soll; weder um zehn und erst recht nicht um 30%,“

    kritisiert Thomas Ganskow, Vorsitzender der Piratenpartei Niedersachsen und ergänzt:

    „Weil Hartz-4 niemals nur der Existenzsicherung diente, sondern vielmehr als Instrument staatlicher Sanktionierung, lehnen wir PIRATEN das System generell ab. Als Sofortmaßnahme verlangen wir den Verzicht auf jegliche Art von Leistungskürzungen.“

    Adam Wolf, Politischer Geschäftsführer der PIRATEN Niedersachsen, beschreibt die zu erwartenden Folgen des Urteils.

    „Dass der aus Niedersachsen stammende Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, dieses Urteil als „sehr weise“ bezeichnet, deutet auf einen Pyrrhussieg hin. Denn die von ihm bisher verteidigte übliche Praxis der Kürzungen wird damit nicht grundsätzlich geändert. Bedenkt man, dass es bei Klagen in vielen Fällen um Kürzungen von weniger als 30% geht, ist klar, dass auch die Verwaltungsgerichte durch dieses höchste Urteil nicht wirklich weniger Arbeit haben werden. Viel mehr ist zu erwarten, dass die 30%-Schwelle jetzt schneller erreicht wird, die Betroffenen also in Zukunft vielfach noch schlechter gestellt sind. Zu hoffen bleibt, dass dieses Urteil nicht der Weisheit letzter Schluss ist. Sowieso ist es an der Zeit, das Bedingungslose Grundeinkommen als Ersatz für das aktuelle System in Betracht zu ziehen. Schritte dorthin sind längst überfällig. Mit uns PIRATEN wären sie möglich, mit Minister Heil und der SPD nicht.“

  • 70 Jahre Grundgesetz – brauchen wir ein neues?

    70 Jahre Grundgesetz – brauchen wir ein neues?

    Am 1. September 1948 trat der Parlamentarische Rat, ein von den Länderparlamenten der westlichen Besatzungzonen gewähltes, aus 61 Männern und 4 Frauen bestehendes Gremium, zusammen und begann seine Beratungen über eine neue deutsche Verfassung. Am 23. Mai 1949 wurde diese Verfassung nach einem Mehrheitsbeschluss der Länderparlamente verkündet. Dieser Tag gilt damit gleichzeitig als Geburtsstunde der (alten) Bundesrepublik. Mit Rücksicht auf die drohende Teilung Deutschlands sprach man damals aber noch nicht von einer deutschen Verfassung, sondern von einem Grundgesetz, das zunächst für den westlichen Teil Deutschlands gelten sollte.
    Über vierzig Jahre später ging der Plan der Gründer der Bundesrepublik endlich auf. Mit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 erlangte das als Interimslösung gedachte Grundgesetz dann tatsächlich den Status einer Verfassung für alle in Deutschland lebenden Menschen.
    In seiner Entstehung vor 70 Jahren war es dennoch ein Provisorium, aber eines von der Sorte, denen man gemeinhin nachsagt, dass sie lange halten. Das hat augenscheinlich sehr viel mit der Qualität seiner Aussagen zu tun. Die meisten Artikel des Grundgesetzes haben bis heute im Originaltext Bestand und das ist gut so.

    Es stellt sich allerdings immer mehr die Frage, ob das Grundgesetz in unserer gesellschaftlichen Realität tatsächlich noch die Rolle spielt, die ihm als allgemeingültige Verfassung definitiv zusteht. Insbesondere müssen sich unsere führenden Politiker fragen lassen, ob sie das Grundgesetz vielleicht doch irgendwie falsch verstanden haben, obwohl sie sich doch so gerne darauf berufen.

    Aussagen, die tief blicken lassen

    Kanzlerin Merkel (CDU) gab am 1. September 2011 auf einer Pressekonferenz in einem der bei ihr nur sehr selten auftretenden Momente, in denen sie Dinge klar benennt, ihr etwas seltsames Demokratieverständnis zu Protokoll. Sie findet Demokratie ja gar nicht schlecht, aber marktkonform sollte sie schon sein.

    Frau Merkel – wir haben uns das Grundgesetz in seiner aktuellen Fassung als PDF-Datei herunter geladen und es nach dem Wort „Markt“ durchsucht. Das Ergebnis ist schier unglaublich: Es kommt dort nicht ein einziges Mal vor. „Systemrelevant“ auch nicht. „Demokratie“ taucht als Wort im Übrigen ebenfalls nicht auf; als Adjektiv hingegen häufiger. Besonders gut gefiel uns in diesem Zusammenhang der Artikel 20, der mit dem Satz beginnt: „Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.“ Aber um das Soziale kümmert sich ja zum Glück die SPD; seit gefühlt 30 Jahren mit ständig nachlassendem Erfolg und entsprechend zurecht sinkenden Wählerstimmen.

    Christian Lindner (FPD) geht in seinem ebenso steten wie vehementen Bemühen, den „freien Markt“ zu verteidigen, noch einen Schritt weiter als unsere Noch-Kanzlerin. In der aktuellen Debatte um Enteignungen, die in Artikel 15 geregelt sind, entblödet er sich nicht einmal, Änderungen am Grundgesetz selbst zu fordern: „Artikel 15 passt nicht zur sozialen Marktwirtschaft. Er ist ein Verfassungsrelikt und wurde aus gutem Grund nie angewandt. Ihn abzuschaffen, wäre ein Beitrag zum sozialen Frieden und würde die Debatte wieder auf das Wesentliche lenken.“
    Jetzt mal Butter bei die Fische, Herr Lindner: Wenn Sie schon solche Sprechblasen von sich geben, sollten Sie wenigstens bei der Wahrheit bleiben. Enteignungen hat es nicht nur in der gerne als Schreckgespenst beschworenen DDR gegeben, sondern sehr wohl auch in der alten Bundesrepublik. Betroffen waren allerdings selten Personen oder Unternehmen, von denen die FDP Parteispenden kassiert, sondern meist Privatleute oder kleinere Firmen, deren Grundstücke dem Bau einer Autobahn oder – höchst aktuell – einer Stromtrasse im Wege standen. Viele Grüße an dieser Stelle an Herrn Altmaier (CDU) und sein NABEG (Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz), das sehr deutlich die doppelten Standards entlarvt, die beim Thema Enteignung für die einen gelten und für die anderen eben nicht.

    Zurück zum Artikel 15

    Er lautet: „Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden…“ Das geht in den Augen von Marktradikalen wie Lindner natürlich gar nicht, weil es den „sozialen Frieden“ und vor allem den gigantischen Wohlstand ihres Klientels ganz erheblich gefährden würde.
    Ich empfehle Herrn Lindner in diesem Zusammenhang dringend, Artikel 14, Absatz (2) nachzulesen. Dort steht nicht: „Eigentum ist nur sich selbst und seiner Mehrung verpflichtet. Sein Gebrauch dient ausschließlich dem Wohl seiner Besitzer.“

    In der Auslegung des Grundgesetzes geht die sogenannte „Alternative für Deutschland“ besonders selektiv zu Werke. Stephan Brandner hielt vor ein paar Tagen eine flammende Rede zur Verteidigung unserer Verfassung. Er behauptete allen Ernstes, die „AfD sei die einzige Partei der Rechtsstaatlichkeit“ und bezichtigte die „Altparteien“ recht pauschal, diese ständig zu verletzen.
    Hauptthema der AfD ist und bleibt die Asylpolitik. In Artikel 16a, Absatz (1) heißt es zunächst: „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“. Die folgenden Absätze 2 bis 5, die erst in den 1990iger Jahren eingefügt wurden, schränken dieses Asylrecht erheblich ein, worauf sich die AfD sehr gerne beruft. Tatsächlich verstößt das AfD-Parteiprogramm gerade in der Asylfrage komplett gegen das Grundgesetz; Stichwort Obergrenze. Jeder, der eine solche fordert (Grüße auch nach Bayern bzw. ins Heimatministerium), hebelt Artikel 16a grundsätzlich aus. Dass die AfD das individuelle Asylrecht an sich abschaffen will, sprich, sich in dieser Frage am Grundgesetz selbst vergreift, machten Weidel und Gauland bereits 2017 deutlich und äußerten auch ganz konkrete Vorstellungen, wie die Alternativen dazu aussehen könnten.

    Bezug nehmend auf diese menschenverachtenden Aussagen blättern wir mal ganz an den Anfang des Textes des Grundgesetzes:

    „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ – Artikel 1 (1)
    Nicht dagegen: „Die Würde des Deutschen ist unantastbar.“

    „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.“ – Artikel 2 (2)
    Jeder, nicht nur die Deutschen in Deutschland. Deshalb darf es uns auch nicht gleichgültig sein, wenn Menschen, die aus Verzweiflung vor Krieg oder Perspektivlosigkeit aus ihrer Heimat geflüchtet sind, im Mittelmeer ertrinken.

    „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ – Artikel 3
    Die nicht nur von der AfD betriebene, wenig subtile Vorab-Differenzierung in „kriminelle Ausländer“ und „brave Deutsche“ halte ich daher für definitiv unzulässig.

    Brauchen wir ein neues Grundgesetz?

    Da sich die PIRATEN konsequent auf dem Boden der Verfassung bewegen, beantworte ich diese Frage mit einem ganz klaren Nein. Es bedarf aus gegebenen Anlässen sicherlich einiger Ergänzungen; denken wir z.B. an die Festschreibung der Lenkung der Digitalisierung oder der konsequenten Durchsetzung dringend notwendiger Maßnahmen zur Erhaltung unserer Umwelt.
    Wir PIRATEN wollen den vorhandenen Text des Grundgesetzes nicht ändern oder gar Passagen streichen. Uns geht es vielmehr darum, diesen Text und unsere gesellschaftliche Realität wieder in größere Übereinstimmung zu bringen. Zuviel davon ist uns in den letzten Jahren verloren gegangen. Wir werden uns auch weiterhin mit allen demokratischen Mitteln gegen den aktuell immer weiter voranschreitenden Abbau bürgerlicher Rechte zur Wehr setzen.

    Freiheit. Würde. Teilhabe.
    Dafür stehen wir und dafür brauchen wir eure Stimme bei der Europawahl 2019.

  • Grundrechte verpflichten – 70 Jahre Grundgesetz

    Grundrechte verpflichten – 70 Jahre Grundgesetz

    Das Grundsatzprogramm der Piratenpartei Deutschland stellt die Verteidigung und Weiterentwicklung der Grundrechte in den Mittelpunkt. Deshalb ist der 70. Jahrestag des Grundgesetztes für uns von besonderer Bedeutung.

    Am 23. Mai laden wir in Berlin zu einer Demonstration mit anschließender Kundgebung und Diskussion ein. Wir wollen an die Entwicklung der Grundrechte in den letzten 70 Jahren erinnern. Wo sie bedroht wurden und verteidigt werden müssen, wo sie noch nicht verwirklicht sind und wo sie weiterentwickelt werden können.

    Dr. Patrick Breyer, Spitzenkandidat der deutschen Piratenpartei zu den Europawahlen 2019 mahnt:

    „70 Jahre nach Verkündung des Grundgesetzes erleben wir einen rapiden Abbau von Grundrechten durch die Parlamente, eine Grundrechtsignoranz überwachungskapitalistischer Digitalkonzerne und einen Generalangriff auf die liberale Demokratie durch autoritäre nationalistische Kräfte. Es liegt an uns, die Grund- und Menschenrechte einzufordern und mit Leben zu füllen. Geh mit uns auf die Straße und entwickele Strategien zur Verwirklichung unserer Grundrechte im 21. Jahrhundert!“

    „Das Grundgesetz ist auf seine Weise ein Meisterwerk, es formuliert eine Balance zwischen der Freiheit, die es uns einräumt, gleichzeitig aber in der Verbindung mit der Verantwortung, die es uns für unsere Gesellschaft aufträgt.
    Die meisten von uns kennen nur ein Leben im Schutz dieses Grundgesetzes. Das bringt die Gefahr mit sich, die Bedeutung und den Wert erst wieder zu erinnern, wenn diese Freiheit eingeschränkt wird und wir unsere Verantwortung zum Schutz dieser Freiheit vernachlässigen. Diesen Bestrebungen müssen wir wachsam und wehrhaft entgegentreten. Heute und in Zukunft.“

    ergänzt Sebastian Alscher, Bundesvorsitzender der Piratenpartei Deutschland.

    Die Demonstration startet um 16 Uhr am Brandenburger Tor, Kundgebung und Diskussionen finden ab 17 Uhr am Bebelplatz statt.
    Weitere Details zur Veranstaltung finden Sie hier.

  • „Dann gehen wir nach Karlsruhe!“

    „Dann gehen wir nach Karlsruhe!“

    Der Ausspruch „Dann gehen wir nach Karlsruhe!“ ist längst zum geflügelten Wort all jener geworden, die das Bundesverfassungsgericht um Recht und Gerechtigkeit ersuchen wollen. Er ist aber zugleich auch Ausdruck dafür, wie gut es den Müttern und Vätern des Grundgesetzes gelungen ist, diesen universellen Anspruch in der Verfassung zu verwirklichen. Denn auch 69 Jahre nach seinem Inkrafttreten wirkt das Grundgesetz keineswegs aus der Zeit gefallen. Vielmehr liefert es in seinen grundlegenden Aussagen stets Antworten auf aktuelle politische und gesellschaftliche Fragen. Es beeindruckt dabei stets aufs Neue, mit welcher Weitsicht die Abgeordneten des Parlamentarischen Rates die damals 146 Artikel formulierten.

    Die größte Errungenschaft des Grundgesetzes bleibt jedoch der Umstand, dass in ihm die universellen und unveräußerlichen Grundrechte eine derart exponierte Stellung einnehmen. Sie bilden das erste Kapitel der Verfassung und stehen damit noch vor allen anderen Vorschriften zum Staatsaufbau. So beginnt das Grundgesetz mit dem unmissverständlichen Bekenntnis zur Würde des Menschen, welche unantastbar sein soll. „Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“ Diesen Appell erachteten die Verfasser als so essenziell, dass sie ihn zugleich mit einer Ewigkeitsklausel für alle Zeit festschrieben. Ähnliches gilt auch für den darauf folgenden Katalog an Grundrechten, die ihrem Wesensgehalt nach nicht angetastet werden dürfen. Sie schützen unter anderem das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Gleichheit vor dem Gesetz, das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie die Pressefreiheit.

    Auch wenn die Verfassung ursprünglich nur als Abwehrrecht gegenüber dem Staat gedacht war, setzte sich nach und nach die Erkenntnis durch, dass unsere Grundrechte als allgemeinverbindliches Wertesystem fungieren, welches für alle Bereiche des Rechts bindend ist. In diesem Geiste sind im Laufe der Jahre durch das Bundesverfassungsgericht – „Hüter des Grundgesetzes“ – Urteile gefällt und Präzisierungen getroffen worden, die wegweisend sind. Prägnantestes Beispiel hierfür ist das sogenannte Volkszählungsurteil von 1983, mit dem die Karlsruher Richter ein „Recht auf informationelle Selbstbestimmung“ aus den bestehenden Grundrechten auf Menschenwürde und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht ableiteten.

    Doch auch wenn diese Grundrechte auf alle Ewigkeit festgeschrieben scheinen, so gilt es, sie im Alltag stets aufs Neue zu verteidigen und aktiv mit Leben zu füllen. Diesem Auftrag sehen gerade wir Piraten uns in besonderem Maße verpflichtet. Unser Grundsatzprogramm leitet sich in vielerlei Hinsicht direkt aus der Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ab. Daher heißt es auch für uns bei jedem zukünftigen Angriff auf das Grundgesetz: wir sehen uns in Karlsruhe!

  • Zehn Jahre danach: Bildungsrepublik Deutschland?

    „Schicksalstag für die SPD“ – so oder ähnlich titelten die Gazetten, als sie über die Entscheidung des SPD-Sonderparteitags über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und SPD schrieben.

    Ja, die Entscheidung wird die weitere Entwicklung der SPD beeinflussen. Interessanter für unser Land ist jedoch, was nach einem ‚Ja‘ der SPD zur #GroKo zu erwarten ist und was den Menschen in unserem Land versprochen wird. In dieser Artikelserie gehen wir diesen Fragen auf den Grund.

    „Wohlstand für alle heißt heute Bildung für alle.“ sagte Angela Merkel bei ihrer Rede zum 60. Geburtstag der sozialen Marktwirtschaft am 12. Juni 2008, rief die „Bildungsrepublik Deutschland“ aus und erklärte Bildung zu der Zukunftsfrage der nächsten Jahre.

    Passiert ist seitdem in drei Regierungenkoalitionen unter Angela Merkel nicht viel in dieser Bildungsrepublik. Der Ausbau der Kindertagesstätten aufgrund des Rechtsanspruchs lief ja schon und wurde weiter betrieben. Es wurden an einigen Universitäten dank der Exzellenz-Initiative besondere Rahmenbedingungen geschaffen. Ansonsten herrschte auf Regierungsebene stilles Desinteresse. Parolen ohne Taten.

    Für eine vierte Regierung Merkel haben CDU/CSU und SPD das Thema Bildung wieder einmal als Zukunftsthema verhandelt. Wie sehen die Ergebnisse der Koalitionsverhandlungen aus bildungspolitischer Sicht aus?

    „Wir wollen die Bildungschancen in Deutschland im gemeinsamen Schulterschluss von Bund und Ländern verbessern. Dafür wollen wir einen nationalen Bildungsrat einrichten.“
    Mit der Einrichtung eines nationalen Bildungsrats will die Koalition der Bedeutung des Themas Bildung gerecht werden, nachdem die letzten drei Regierungen dies vernachlässigten. Hoffentlich wird aus diesem Bildungsrat mehr als ein Feigenblatt. Wie ein solcher nationaler Bildungsrat neben der Kultusministerkonferenz und den einzelnen Ministerien in eine Entscheidungslandschaft eingebunden wird, bleibt genauso nebulös wie die Frage, wer diesen Rat bildet, aus welchen Mitgliedern er bestehen wird und welche Aufgaben er haben wird.

    +/-0 für diesen nicht substantiierten Bildungsrat

    „Wir werden eine Investitionsoffensive für Schulen in Deutschland auf den Weg bringen. Diese umfasst zusätzlich zum laufenden Schulsanierungsprogramm die Unterstützung der Länder bei ihren Investitionen in die Bildungsinfrastruktur, insbesondere Ganztagsschul- und Betreuungsangebote, Digitalisierung und berufliche Schulen.“
    Es ist allerhöchste Zeit für eine angemessene Finanzierung der Bildungslandschaft abseits von Exzellenzinitiativen. Die Ausgaben im Bildungssektor liegen, gemessen am Bruttoinlandsprodukt, in der Bundesrepublik Deutschland seit Jahren unter dem OECD-Durchschnitt. Zu Recht wird diese Sparsamkeit an der falschen Stelle von der OECD gerügt. Die Piratenpartei fordert daher seit Jahren eine Anhebung mindestens auf den OECD-Durchschnitt.
    Die jetzt vereinbarten 10 Milliarden Euro sind, obwohl sie teilweise im Sozialhaushalt verausgabt werden (SGB VIII), ein großer Schritt in die richtige Richtung. Sie bedeuten jedoch für jeden Schüler und Studenten in der kommenden Regierungsperiode nur knapp 15 Euro/Monat. Davon muss neben anderen Dingen die Infrastruktur verbessert und in Teilen erst geschaffen, (mehr) Lehrer ausgebildet und beschäftigt, Ganztagsstrukturen erweitert und teilweise erst geschaffen werden. Diese zusätzliche Finanzierung durch den Bund steht allerdings unter dem Vorbehalt der Grundgesetzänderung.

    +0,5 für die zusätzliche Finanzierung durch den Bund

    „Dazu werden wir die erforderliche Rechtsgrundlage in Art. 104c GG anpassen.“
    Eine langjährige Forderung der Piratenpartei wird nun endlich aufgegriffen:

    „Bildung ist nicht nur Ländersache, sondern eine Aufgabe für die gesamte Gesellschaft. Wir setzen uns für eine Aufhebung des Kooperationsverbotes ein. Der Bund muss öffentliche Bildungseinrichtungen finanzieren dürfen.“

    Im Koalitionspapier ist vereinbart, dass die Kultushoheit bei den Ländern verbleibt. Das ist vermutlich der Preis dafür, dass die Länder die nötige Grundgesetzänderung mittragen. Nach unserer Auffassung ist das leider nur der halbe Schritt hin zu einer Bildungslandschaft, in der Ländergrenzen keine hohen Hürden für Lehrende und Lernende mehr darstellen.

    +1 für die Anpassung des Grundgesetzes

    „Das Ausbildungsförderungsgesetz des Bundes (BAföG) wird ausgebaut und die Leistungen werden deutlich verbessert. […] Die Berufliche Bildung werden wir mit einem Berufsbildungspakt modernisieren und stärken.“
    Die Stärkung des BAföG und anderer Förderinstrumente begrüßen wir genauso wie eine Modernisierung der beruflichen Bildung. Wir werden die konkrete Ausgestaltung dieser Punkte beobachten.

    +0,5 für den Bereich der Förderinstrumente

    „Deutschland muss ein Innovationsland bleiben. Deshalb vereinbart der Bund gemeinsam mit den Ländern und der Wirtschaft, bis 2025 mindestens 3,5 Prozent des BIP für Forschung und Entwicklung aufzuwenden.“
    Die OECD attestiert der Bundesrepublik Ausgaben in Höhe von knapp 3% (Stand 2015). Hier wird eine leichte Steigerung vereinbart.

    +1 für die Finanzierung von Forschung und Entwicklung

    „Für strukturschwache Regionen […] werden wir zielgenaue Förderinstrumente entwickeln. […] Die Hightech-Strategie wird weiterentwickelt und auf die großen gesellschaftlichen Herausforderungen fokussiert.“

    Inhaltsleer, daher ohne Wertung.

    Insgesamt vermissen wir in der Vereinbarung einiges. Wo bleibt die Verbesserung der Lehramtsausbildung insbesondere im Bereich Digital- und Medienkompetenz? Wo bleibt die Einbindung von offenen Bildungsquellen (open educational resources)? Was ist mit der Vergleichbarkeit von Abschlüssen in der hochschulischen und der beruflichen Bildung? Kommt was zur Verbesserung der Master-Studienplatzangebote für Bachelor-Absolventen? Und die Förderung des internationalen Austauschs von Lernenden?

    -1 für die fehlenden Vereinbarungen

    Fazit
    Anscheinend sind die möglichen Koalitionspartner aus ihrem jahrelangen Tiefschlaf erwacht und haben nun endlich den Willen zu einer besser finanzierten Bildungslandschaft. In vielen Punkten bleibt das Ergebnis jedoch unter den Möglichkeiten. Was die Koalitionäre vergessen haben und wie zukunftsorientierte Bildungspolitik neben rein finanziellen Erwägungen aussehen kann, zeigen wir in unserem Programm.

  • Demokratie – sind kleine Parteien noch gewünscht?

    Demokratie – sind kleine Parteien noch gewünscht?

    Nach Artikel 21 (1) des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland wirken Parteien bei der politischen Bildung des Volkes mit.  Das Parteiengesetz bezeichnet Parteien als „einen verfassungsrechtlich notwendigen Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung. Sie erfüllen mit ihrer freien, dauernden Mitwirkung an der politischen Willensbildung des Volkes eine, ihnen nach dem Grundgesetz obliegende und von ihm verbürgte öffentliche Aufgabe. Die Parteien wirken an der Bildung des politischen Willens des Volkes auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens mit, indem sie insbesondere auf die Gestaltung der öffentlichen Meinung Einfluss nehmen, die politische Bildung anregen und vertiefen, die aktive Teilnahme der Bürger am politischen Leben fördern …“

    Die Demokratie missrät zur Telekratie mit beklatschten Vorurteilen.
    Peter Boenisch

    Doch wird diese Möglichkeit auch kleinen Parteien gegeben? Nicht nur der aktuelle Bundestagswahlkampf offenbart, wie dies kleinen Parteien gesetzlich erschwert wird und wie sie teilweise von der politischen Diskussion im Bundestagswahlkampf ausgegrenzt werden:

    Hürde Nr. 1 – Die Sammlung von Unterstützerunterschriften

    Parteien, die 97 Tage vor der Wahl nicht im Bundestag oder einem Länderparlament mit mindestens fünf Sitzen vertreten sind, müssen sogenannte „Unterstützerunterschriftensammeln.  Wahlberechtigte Bürger dokumentieren mit der Angabe ihrer Meldeanschrift und der eigenhändigen Unterschrift auf einem Formular der Landeswahlleitung die „Unterstützung“ der Landesliste einer Partei für die Zulassung zur Bundestags- oder Landtagswahl. Für eintausendstel der Wahlberechtigen eines Bundeslandes ist dabei eine Unterstützerunterschrift erforderlich, maximal jedoch zweitausend. Dabei darf ein Wahlberechtigter mit seiner Unterschrift nur die Landesliste einer Partei unterstützen. Unterschreibt er die Formulare mehrerer Parteien, macht er sich nach § 108d in Verbindung mit § 107a des Strafgesetzes strafbar. Allein die Möglichkeit, sich strafbar zu machen, schreckt bereits Bürger von der Unterstützerunterschrift ab. Und was spricht eigentlich dagegen, mehr als eine Partei zu unterstützen? Wenn die Meinungsvielfalt in der Demokratie gewünscht wird, wäre es nur logisch, als Bürger mehreren Parteien beim Überwinden dieser Hürde helfen zu dürfen.

    Hürde Nr. 2 – Die 5% – Sperrklausel

    Seit 1953 gilt für Bundestagswahlen eine 5%-Sperrklausel, die auch für Landtagswahlen und sogar einige Kommunalwahlen angewendet wird. Eine Partei muss mindestens fünf Prozent der abgegebenen Zweitstimmen erhalten, um Bundestagsmandate zu erhalten. Parteien mit geringerem Stimmenanteil werden bei der Verteilung der Mandate nicht berücksichtigt, außer sie erringen mindestens drei Direktmandate. So soll verhindert werden, dass sehr kleine Parteien im Bundestag vertreten sind und „es so zu einer allzu starken Zersplitterung kommt.“ Doch die Fünf-Prozent-Hürde ist seit je her umstritten. Kritiker bemängeln, „dass etablierte Parteien begünstigt und kleineren Parteien der Einzug in das Parlament zu sehr erschwert würde. Diese würden seltener gewählt, da viele Bürger nicht riskieren wollen, dass ihre Stimme wegen der Sperrklausel verloren geht. Außerdem widerspreche sie dem dem grundgesetzlich verankerten Gebot, nach dem jede Stimme gleich viel wert sein müsse.“

    Andere europäische Parlamente und Demokratien halten eine Zersplitterung offensichtlich aus: In den Niederlanden gibt es keine Sperrklausel, in anderen europäischen Staaten liegt sie deutlich niedriger.  Für Europawahlen hat das Bundesverfassungsgericht eine Sperrklausel von 3% sogar als verfassungswidrig erklärt: „Die Sperrklausel verstoße gegen die Grundsätze der Chancengleichheit der politischen Parteien und der Wahlrechtsgleichheit“, sagten die Richter bei der Bekanntgabe des Urteils.

    Hürde Nr. 3 – Die Staatliche Parteienfinanzierung

    Um den Vorteil auszugleichen, den bereits etablierte und in einem Parlament vertretene Parteien gegenüber neuen kleineren Parteien haben, erhalten Parteien derzeit für die ersten 4 Millionen der für sie abgegebenen Stimmen1,00 Euro. Für die weiteren Stimmen je 0,83 Euro. Zusätzlich erhalten sie 0,45 Euro für jeden Euro, den sie als Zuwendung (Mitglieds- oder Mandatsträgerbeitrag oder rechtmäßig erlangte Spende) erhalten haben. Dabei werden jedoch nur Zuwendungen bis zu 3.300 Euro je natürlicher Person berücksichtigt. Wegen des aus Art. 21 Abs (1) GG abgeleiteten Verbots einer überwiegenden staatlichen Parteienfinanzierung darf diese gemäß § 18 Abs. 5 Satz 1 PartG nicht höher sein als die von den Parteien erwirtschafteten Eigeneinnahmen des Vorjahres. Parteien müssen sich daher mindestens zur Hälfte selbst finanzieren.  Da kleine Parteien oft nur verhältnismäßig geringe Einnahmen haben, können sie den ihnen nach den erhaltenen Stimmen zustehenden Betrag nicht ausschöpfen. Eine weitere Benachteiligung der kleinen Partein besteht darin, dass sie nur dann Anspruch auf staatliche Mittel haben, wenn sie nach dem endgültigen Wahlergebnis der jeweils letzten Europa- oder Bundestagswahl mindestens 0,5% oder einer Landtagswahl 1% der für die Listen abgegebenen gültigen Stimmen erreicht haben.

    Hürde Nr. 4 – Die Ausgrenzung von öffentlichen Wahlkampfveranstaltungen

    Diese Hürde lässt sich von kleinen Parteien nicht überwinden: Immer mehr Verbände und Organisationen laden im Wahlkampf als Diskutanten auf Podiumsdiskussionen nur Kandidaten von Parteien ein, die im Bundestag vertreten sind. Da über diese Veranstaltungen in den Print- und digitalen Medien berichtet wird, bedeutet dies sowohl eine Begrenzung der Meinungsvielfalt und eine Benachteiligung kleiner Parteien außerhalb des Bundestages. Eine Begründung wie zum Beispiel „mit zu vielen Teilnehmern lässt sich keine konstruktive, informative Diskussionsrunde durchführen“ sind unter dem Aspekt der in einer Demokratie gewünschten Meinungspluralität nicht stichhaltig: Für jede Anzahl von Teilnehmern lässt sich ein geeignetes Diskussionsformat finden.

    Wie sagte Altbundeskanzler Helmut Kohl einst?

    „Die freiheitliche Demokratie braucht mehr als jede andere Staatsform die Überzeugungskraft, die Leidenschaft ihrer Bürger.“

    Auch die Leidenschaft der Bürger, die sich in und für kleine Parteien engagieren!