Schlagwort: Lobbyinteressen

  • Korruptionsskandal Kaili – Zeit für Transparenz und Konsequenzen

    Korruptionsskandal Kaili – Zeit für Transparenz und Konsequenzen

    Der Korruptionsskandal um die europäische Vizepräsidentin Eva Kaili hat das Ansehen der europäischen Institutionen schwer beschädigt. Zeitgleich sollte die Energie und Empörung genutzt werden, um die nötige Transparenz im europäischen Parlament zu schaffen. Korruption und allen voran verdeckte Einflussnahme passieren auch jenseits dieses nun prominenten Falls. Anne Herpertz, Vorsitzende der Piratenpartei und Sven Bechen, stellv. Politischer Geschäftsführer beziehen Stellung.

    „Die gravierenden Entwicklungen rund um den Korruptionsskandal wecken überall Besorgnis. Doch auch weniger offensichtliche, aber nichtsdestotrotz systematische Formen der Einflussnahme gefährden dauerhaft demokratische Entscheidungsfindungen. Geheime Treffen und Absprachen mit Lobbyisten sowie versteckte Jobs und Nebeneinkünfte beeinflussen Entscheidungsträger maßgeblich zum Nachteil demokratischer Spielregeln – und zum Nachteil von uns allen. Dagegen gibt es Mittel: Klare Regeln und gnadenlose Transparenz. Wir als Piratenpartei fordern schon lange eine konsequente Offenlegung der Einflussnahme von Interessengruppen und Zuverdiensten – einen sogenannten „legislativen Fußabdruck“ sowie Karenzzeiten für Politiker:innen“

    erklärt Anne Herpertz, Vorsitzende der Piratenpartei Deutschland.

    Sven Bechen, stellv. Politischer Geschäftsführer, führt aus:

    „Es müssen geeignete Regeln aufgestellt werden, um sicherzustellen, dass Abgeordnete in keine Interessenkonflikte geraten. Dafür müssen die Verhaltensregeln des europäischen Parlaments und der EU-Kommission reformiert werden. Gerade in Arbeitsgruppen, in denen Abgeordnete und Lobbyisten aktiv sind, braucht es umfassende Transparenz- und Ethikregeln. Auch muss eine unabhängige Stelle installiert werden, die genau diese Prozesse zwischen Abgeordneten überwacht und gegebenenfalls sanktioniert. Ein Übertritt von Abgeordneten zu den Lobbyverbänden muss vermieden werden. Spätestens jetzt muss das EU-Parlament beweisen, dass diese Regeln gegen korruptes Verhalten der Abgeordneten nicht nur leere Floskeln sind. Es steht in der Verantwortung, die eigenen Regeln zu schärfen und konsequent umzusetzen.“

    Die Piratenpartei Deutschland zeigt klare Kante gegen Intransparenz und Korruption. Politik muss nachvollziehbar sein und das Vertrauen der Menschen genießen. Ein solches Verhalten und intransparente Lobbymechanismen schaden langfristig einer gesunden Demokratie.

    „Wir wollen keine weiteren Fälle dieser Art. Jetzt haben sich die Regelungen als überholt gezeigt, also braucht es auch jetzt eine Veränderung!“

    erklärt Sven Bechen abschließend.

  • CETA – Wortbruch und Schummelpackung

    CETA – Wortbruch und Schummelpackung

    Freihandel, hört sich doch gut an? Keine Behinderungen im Warenverkehr, keine unnötigen Zölle, Handel auf Augenhöhe.

    Leider erinnern Freihandelsabkommen oft an Hundekuchen, der bellt nicht und Hund ist auch nicht drin. So ist es auch mit CETA. Da ist jede Menge drin, verteilt auf 1600 Seiten Vertrag findet sich ein bunter Bauchladen von Themen aus dem Bereich Laissez-Faire-Economy, aber ganz wenig Freihandel.

    Die Tatsache, dass die Grünen jetzt der Ratifizierung zugestimmt haben, kann man nur als kompletten Ausverkauf der eigenen Werte bezeichnen. Die Absenkung von Umweltstandards und die Einrichtung eines privaten Schiedsgerichts sind weithin bekannt, aber der Vertrag geht noch deutlich darüber hinaus.

    Alleine schon die Einrichtung des Schiedsgerichts wird zu massiven Behinderungen im Bereich von Umwelt- und Klimaschutz führen. Da ist beispielsweise die kanadische Ölproduktion aus Ölsand. Dagegen ist der Braunkohletagebau in Deutschland eine Oase des Naturschutzes. Der Abbau von Ölsand hinterlässt vergiftete Ödlande und die Abscheidung des Öls ist energetisch enorm ineffizient. Trotzdem hat die EU, vor der ursprünglichen Verabschiedung von CETA, Produkte aus Ölsand als kaum CO2-intensiver als konventionell geförderte Petrorohstoffe eingestuft. Natürlich könnte man jetzt auf die Idee kommen, das wieder zu ändern, aber dummerweise gibt es dann das Schiedsgericht.

    Weniger bekannt sind z. B. die Regelungen im Bereich des Urheberrechts. Da hat man vorgeblich ja „nur“ die Berner Konvention umgesetzt. Eine Regelung aus dem Jahr 1974, die komplett aus der Zeit gefallen ist. Sie ist bis dato nicht mehr ansatzweise anwendbar und dennoch wurde sie in massiv verschärfter Form in den Vertrag aufgenommen.

    Im Prinzip wurde die Beweislast bei Copyrightstreitigkeiten umgekehrt. Wer sein Copyright „hinreichend“ belegen kann, darf dafür sorgen, dass Waren im Zoll beschlagnahmt werden. Witzig dabei ist, dass es als hinreichend gilt, ein vermeintliches Original mit Namen darauf vorweisen zu können. Die Autoren dieser Klauseln dachten wohl an das auf Büttenpapier handgeschriebene Original und weniger an die heutige Realität digitaler und damit leicht manipulierbarer Dokumente, Bilder, usw. (CETA Vertrag Seite 168, Art. 20.42).

    Auch sehr hilfreich als Waffe ist die Option, dass bei Copyrightstreitigkeiten nicht etwa der normale Rechtsweg gilt. Es ist vorgesehen, dass strafrechtliche Prozesse und Maßnahmen eingesetzt werden (CETA Vertrag Seite 165, Art. 20.35).

    Meint ihr, dass diejenigen, die derzeit laut über den angeblichen Freihandel jubeln, das auch noch tun werden, wenn ein Mitbewerber einen Copyright-Streit auf der Basis von Ideen aus dem Jahr 1974 vom Zaun bricht? Ein leicht bearbeitetes digitales Dokument kann man doch recht schnell zur Hand haben und schon verursacht der Zoll für eine kleine Einfuhr-Verzögerung und vielleicht sorgt er noch für eine Hausdurchsuchung.

    Auch sehr nett ist, dass man sich darauf verständigt hat, dass öffentliche Dienstleistungen insbesondere dann, wenn sie eine natürliche oder zugesprochene Monopolstellung haben, nach kommerziellen Maßgaben erfolgen müssen (CETA Vertrag 124 ff Kapitel 18.5). Also Schluss mit unter Wert verkaufter kommunaler Wasserversorgung, Müllentsorgung und dem ganzen anderen Zeug, das nur den Gewinnabsichten von Konzernen im Weg steht. Praktischerweise gibt es das Schiedsgericht, vor dem kann man dann klagen, wenn kommunale Betriebe im Weg sind.

    Ein Thema, an dem ganz viele Firmen interessiert sind, die nach Kanada exportieren wollen, sind die sogenannten „nicht tarifären Handelshemmnisse“. Das sind hauptsächlich Standards, die dafür notwendig sind ein Produkt auf den Markt bringen zu können. Hier hat man sich auf eine gegenseitige Anerkennung der Produktzulassung geeinigt.

    Klingt toll, oder?
    Aber nur, solange man nicht weiß, wie das in der EU und in Kanada funktioniert.

    Kanada ist mit seinen Standards mit den USA harmonisiert, zumindest so weit das chaotische Standardisierungs-System der USA das zulässt. In Kanada ist es zumindest formal staatlich organisiert, in den USA primär durch Versicherungen vorgegeben. In Kanada funktionieren Standards für die Sicherheit von Produkten so, dass es akkreditierte Prüflabore gibt, die Produkte auf die Einhaltung der Standards überprüfen. Dummerweise hat aber jedes Labor seine eigenen, spezifischen Standards. So kann es vorkommen, dass es für einen Sachverhalt mehr als ein Dutzend Standards gibt, die eigentlich qualitativ gleichwertig sind, aber leicht voneinander abweichen.

    Eine kanadische Firma, die ihr Produkt so hat testen lassen, kann dieses dann nach CETA auch in der EU auf den Markt bringen.

    Umgekehrt wird es spannend. In der EU müssen die meisten Produkte nicht zertifiziert werden. Das trifft nur für kritische Produkte zu, beispielsweise Medizinprodukte und Fahrzeuge. Bei den meisten Produktkategorien gibt es einen Satz eindeutiger Standards, die eingehalten werden müssen. Der Hersteller ist dafür verantwortlich dies entweder durch eigene Tests oder mit externen Labor sicherzustellen und erklärt dann die Konformität der Produkte.

    Also hat eine europäische Firma für die meisten Fälle keinen Vorteil durch CETA, es ist weiterhin die Zertifizierung notwendig, zusätzlich zur CE-Konformitätserklärung in Europa. 1:0 für Kanada?

    Sehr spannend ist auch die Frage, was das für Folgen für das europäische Standardisierungssystem und die CE-Kennzeichnung haben wird. Bisher gilt die Regel, dass es für einen Sachverhalt genau einen verbindlichen Standard gibt. Diesen Zustand zu erreichen, hat Jahrzehnte gedauert. Angefangen hat die EU mit ca. 1,4 Millionen nationalen Standards, bis heute wurden diese auf 160.000 EU-weit geltende Standards reduziert.

    Damit in der EU ein Produkt auf den Markt gebracht werden darf, muss es das CE-Zeichen tragen und eine Konformitätserklärung dazu existieren. Mit CETA bedeutet das jetzt, dass ein kanadisches Prüfzeichen dazu berechtigen würde, die CE-Konformität zu erklären. Also eigentlich müssten damit die Vorgaben für die jeweiligen Produktarten erweitert werden, so dass das Produkt den europäischen Standards, oder einer Auswahl aus dem Bündel der kanadischen Standards entsprechen muss.

    Offensichtlich fehlte bei der Verhandlung von CETA an vielen Stellen der Sachverstand, an anderen haben sich Lobbyinteressen von Konzernen durchgesetzt. Insgesamt ist dieser Vertrag kein Freihandelsvertrag, sondern eine Mogelpackung, die mal wieder zum Nachteil der Bürger und der kleinen und mittleren Unternehmen ausgeht.

    Die Kehrtwende der Grünen, diesem Vertrag zuzustimmen ist um so weniger verständlich, da dieselbe Regierung grade den Ausstieg aus der Energiecharta beschlossen hat, einem Vertrag mit genau so toxischen Elementen wie CETA. Leider ist dennoch kein Lerneffekt zu sehen.

    Der CETA Vertrag in komplettem Umfang:
    https://trade.ec.europa.eu/doclib/docs/2014/september/tradoc_152806.pdf