Schlagwort: March for Science

  • Freiheit von Forschung und Lehre

    Bereits zum zweiten Mal findet morgen der „March for Science“ statt. Das ist nötiger denn je, denn die Situation an Hochschulen und Universitäten ist alles andere als rosig. Wissenschaft ist schon lange Spielball der Mächtigen aus Industrie und Politik, da bedarf es keines Trumps. Er hat nur den Vorhang niedergerissen. Die Freiheit, die da aller Orten proklamiert wird, wurde schon lange geopfert.

    PIRATEN stehen für die Freiheit von Forschung und Lehre, für OpenData und OpenAccess. Für eine Wissenschaft, die es nicht zulässt, dass Theorien als „Verschwörungstheorien“ betitelt werden, nur weil deren Aussage nicht genehm ist. Das Wissen, das in öffentlichen Einrichtungen erlangt wird, muss offen und allen zugänglich sein – ohne Wenn und Aber. Hochschulen und Universitäten müssen wieder das werden, was sie einmal waren: die Universitäten der Ort der allgemeinen Grundlagenforschung, für das „Neue“, Fachhochschulen hingegen mit einer eher anwendungsorientierten Forschung für Handwerk, Mittelstand, Industrie, Land- und Forstwirtschaft.

    Prekäre Arbeitsplatzsituationen in Forschung und Lehre, aber auch in der Verwaltung der Hochschulen greifen immer mehr um sich. Daher liegt das Hauptaugenmerk des akademischen Mittelbaus nicht auf der Forschung, sondern ist verständlicherweise darauf ausgerichtet, wie man die nächsten Jahre übersteht. Sekretärinnen sind inzwischen eigentlich mehr akademische Assistenten – und das meist für mehrere Lehrstühle. Bei manchen ist es inzwischen gar normal geworden, mehrere Arbeitsverträge zu haben, bunt gemischt, befristet und unbefristet, und alles beim selben Arbeitgeber.

    Hochschulen dürfen keine Durchlauferhitzer mit Schnellbesohlung für verwertbares Wissen sein. Die Reformen der letzten Jahre führten jedoch genau dazu. Früher war es üblich, z.B. in Technikstudiengängen auch Philosophie, Ethik, Arbeitswissenschaften, BWL etc. zu lehren. Heute wird nur (aus)gebildet für das, was die Industrie gerade fordert– nicht mehr, nicht weniger. Umfangreiches, themenübergreifendes Wissen? Fehlanzeige.

    Verstehen wir uns nicht falsch: eine zumindest europaweite Vergleichbarkeit aller Studienangebote war und ist eine gute Idee. Dafür hätten aber die bereits bekannten ECTS-Punkte vollauf genügt. Denn dabei ist es egal, ob der Abschluss am Ende Master, Diplom oder Magister heißt. Aber unter dem Vorwand, die „nationalen Hochschulbildungssysteme aufeinander abzustimmen, unter anderem durch eine europaweite Strukturierung des Studienverlaufs“, gab es in den letzten Jahren dann einen Kahlschlag bei der Vielfalt akademischer Wissensvermittlung, der nicht mehr hinzunehmen ist.

    Statt frei zu sein, sind Forschung und Lehre inzwischen zutiefst drittmittelabhängig, also von Geldern aus Wirtschaft und Industrie, die den Universitäten für gezielte Forschung zur Verfügung gestellt werden. Diese Drittmittelförderung stammt natürlich von „potenten Partnern“ der Forschung: allseits bekannte, multinationale Konzerne aus Pharma-, Chemie-, Rüstungs-, Automobil-, Finanz- und Werbeindustrie sowie immer mehr aus dem BigData-Sektor der Internetbranche. Das ist nichts anderes als ein Zeichen für die marktkonforme Durchdringung unserer Bildung, unserer Arbeit, unserer Freizeit – einfach des ganzen Lebens.

    Wissenschaft gleicht inzwischen immer mehr dem Bild eines Kampfes um Deutungshoheit und Herrschaftswissen. Es hat sich eine Art Mainstreamwissenschaft entwickelt, die alles unterdrückt, was gerade nicht in den Kram passt. Sogenannte Elitenförderung gehört dazu – wo doch die Elite gerade diejenigen sein sollten, die statt Förderung eher Freiräume zur Entwicklung benötigen. Förderung benötigen die, die einen schwierigen Zugang zu Bildung haben.

    In Zeiten, in denen Begrifflichkeiten wie „Fake News“ oder „Hate Speech“ – die es übrigens schon immer gab – als Waffe gegen alle unliebsamen Aussagen und Meinungen, zur Unterdrückung freier Meinungsäußerung, als Begründung für unsägliche Gesetze wie das NetzDG – also schlicht und einfach für die Manifestierung eigener Deutungshoheit missbraucht werden, wünscht man sich schon lange einen Aufschrei der Gesellschaft: eine Demo, wie die „Freiheit statt Angst“ oder „Wir haben’s satt“ in ihren besten Tagen.

    Statt dessen wird nun mit dem „March for Science“ eine Demo von all jenen organisiert und unterstützt, die für die Entwicklung der letzten 30 Jahre mitverantwortlich sind oder zumindest nichts dagegen taten. Wenn man Slogans wie „Tellerrand? Da schau ich drüber!“ liest, weiß man nicht, ob lachen oder weinen. Die Praxis zeigt ein anderes Bild: interdisziplinär geht schwer.

    Wir sollten uns am „March for Science“ also mit eigenen Forderungen beteiligen – und zwar nach einer vernünftigen Wissenschaftspolitik, nach vernünftigen Arbeitsverträgen im Wissenschaftsbereich und in der Verwaltung, nach Offenheit der Forschung und kollegialer Zusammenarbeit, auch nach dem Ende von Konferenzen und Tagungen und wenn die Presse zu Hause ist.

    Ändern wir daran etwas, beenden wir den neoliberalen Weg – auf vernünftige Art und Weise.

  • March for Science

    Das Ziel des March for Science ist es, die hohe Bedeutung faktenbasierter Wissenschaft für alle Bereiche der Gesellschaft zu verdeutlichen. Die Piratenpartei steht für evidenzbasierte Politik und unterstützt diese Aktionen sowohl durch ihr Programm als auch durch direkte Teilnahme an den Demonstrationen. Wissenschaftliche Erkenntnisse sind die Grundlage für eine freie und moderne Gesellschaft.

    Ich unterstütze den ‚March for Science‘ und hoffe, dass sich möglichst viele Menschen den weltweiten Demonstrationen am Samstag anschließen. Der Wohlstand unserer modernen Gesellschaft beruht auf den vielen Erkenntnissen der Wissenschaft. Diese dürfen nicht infrage gestellt werden, nur um die eigene Ideologie diskutabel zu machen
    Philip Köngeter, Vorsitzender der Piratenpartei Baden-Württemberg

    Berlin

    In Berlin startete der Marsch an der Humboldt-Universität und führte zum Brandenburger Tor. Es geht bei dem March for Science aber um mehr als bloßen Protest gegen Maßnahmen der Trump-Regierung. Immer häufiger werden weltweit Erkenntnisse und Prinzipien der Wissenschaft geleugnet, Forschungsergebnissse zurückgewiesen oder auch durch populistische Umdeutungen infrage gestellt.

    Unliebsamer Forschung wird die finanzielle Basis entzogen, in der Türkei werden derzeit dem Regime nicht passende Forscher massenweise entlassen oder gar verhaftet und ganze Universitäten geschlossen. Ein Negativbeispiel in Europa ist die „Central European University“ (CEU) mit Sitz in Budapest. Ein vom ungarischen Parlament beschlossenes Gesetz verlangt, dass ausländische Hochschulen in Ungarn auch immer einen Sitz im Ausland (Ursprungsland) haben müssen. Das bedeutete das Aus für die CEU. Sie wurde von dem in Ungarn geborenen US-Milliardär George Soros 1991 gegründet. Mittlerweile überlegt die Freie Universität Berlin, der CEU Exil in Berlin anzubieten.

    Dr. Franz-Josef Schmitt, politischer Geschäftsführer der PIRATEN Berlin, ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Technischen Universität (TU) Berlin und dort Vorsitzender des Erweiterten Akademischen Senats. Schmitt zum March for Science:

    „Der March for Science ist nicht nur ein Aufruf zum Protest für die Freiheit der Wissenschaft, sondern betrifft die Freiheit der Menschen insgesamt. Denn wie wissenschaftliche Fakten, die im Widerspruch zu populistischen Forderungen stehen, sind natürlich auch die Meinungs- und Pressefreiheit unliebsame Errungenschaften für selbstherrliche Politiker. Gerne würde ich mit den Worten „Wehret den Anfängen“ zur Beteiligung aufrufen, gegen das Leugnen von Fakten zu protestieren, doch dazu ist es leider schon zu spät. Die genannten Beispiele zeigen, dass wir mitten in einer Welt leben, in der neue Formen der Zensur den Alltag derer bestimmen, die sich der Wahrheit verpflichtet fühlen.“

     

    Frankfurt am Main

    In Frankfurt war die @Drachenrose auf der Straße:

    In Frankfurt waren 2500 Menschen auf der Straße. Peter Feldmann, Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt, hielt die Eröffnungsrede, in der er sich für eine evidenzbasierte Wissenschaft und gegen Fake-News, alternative Fakten und postfaktische Wahrheiten aussprach. Dabei nahm er auch die Politik in die Verantwortung. Diese müsse sich viel stärker an Fakten orientieren und auch dorthin sehen, wo es weh tun würde.

    Die nachfolgenden Redner betonten nicht nur die Notwendigkeit der Freiheit der Wissenschaft, sondern legten großen Wert auf den Stellenwert von Bildung insgesamt. Besondere Priorität wurde der Evolutionstheorie eingeräumt, die in den Schulen viel zu spät (erst in der Oberstufe) oder teilweise gar nicht (in der Mittelstufe) behandelt wird. Evolutionstheorie müsse kindgerecht bereits in der Grundschule behandelt werden. Schließlich würden sich Kinder enorm für Dinosaurier begeistern, genau da wäre der Ansatzpunkt, Kindern die evolutionäre Entwicklung des Lebens zu vermitteln.

    Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der internationalen Vernetzung, ohne die in Deutschland keine Forschung funktionieren würde, da zahlreiche Projekte grundsätzlich gemeinsam mit vielen Gruppen quer über den ganzen Globus verteilt angelegt sind. Erwähnt wurden auch die Repressionen, denen derzeit türkische Wissenschaftler aus unterschiedlichen Gründen ausgesetzt sind. Hierfür reicht es aus, einfach die „falsche“ politische Einstellung zu haben oder Forschungsergebnisse zu produzieren, die der Regierung nicht genehm sind.

     

    Hamburg

    Aus Hamburg berichteten @Tischnachbar und @PirateRanger.

    Auch extremes Aprilwetter konnte Wissenschaftler aus ganz Norddeutschland nicht abhalten, sich am Hamburger March for Science zu beteiligen.

    Ca. 2500 Teilnehmer waren dem Aufruf von Imke Fiedler und Annika vom Scheidt, Doktorandinnen am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, gefolgt. Besonders auffallend war die internationale Ausprägung und die vielen weiblichen Teilnehmenden an der Demonstration. Der Protest wurde insbesondere von Studierenden und Mitarbeitern der Hamburger Universitäten und Hochschulen sowie den Mitarbeitern der großen Forschungsstandorte DESY, Bernard Nocht Institut und Helmholz Geesthacht getragen.

    Hervorgehoben wurde immer die Bedeutung der Wissenschaften für die Gesellschaft und die notwendige Stärkung dieser. Eine ebenfalls vorgebrachte Forderung richtete sich an die bedarfsgerechte Finanzierung, um die Freiheit der Forschung zu sichern. Auch „Alternative Fakten“ waren Gegenstand der Reden. Erwähnenswert war zudem der Redebeitrag von Paula Herrschel, Vertreterin des AsTA, die unter anderem G20 in Hamburg thematisierte; ein weiterer bekannter Redner war @AlexHoaxmaster Alexander Waschkau, Podcaster und Psychologe, der sich bereits seit Jahren mit seinem Hoaxilla Projekt gegen Fake-News wendet. Beendet wurde der March for Science in Hamburg passend mit einem Science Slam im Hörsaal A des Uni-Hauptgebäudes.

     

    Heidelberg

    In Heidelberg war @AlexSchestag mit dabei.

    Am March for Science in Heidelberg nahmen schätzungsweise 1800 Leute teil. Nach einer kleinen Auftaktkundgebung mit einem Science-Slammer gab es einen Demozug bis zum Universitätsplatz. 13 Rednerinnen und Redner, zu denen auch die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer und der Rektor der Universität Heidelberg gehörten, machten auf verschiedene Aspekte der Bedeutung von Wissenschaft aufmerksam.

    Bild: @AlexSchestag, March for Science HeidelbergNeben einer freien und demokratischen Gesellschaft kamen auch Punkte wie die Stärkung von kritischem Denken in der Bevölkerung, das Zusammenspiel von Wissenschaft und Politik, insbesondere in der Stadtgesellschaft, und die Notwendigkeit einer besseren Wissenschaftskommunikation zur Sprache. Ein Höhepunkt war die Rede einer türkischen Wissenschaftlerin, die beschrieb, wie ihre Kollegen in der Türkei mit der Zensur ihrer Arbeit, Entlassungen von Wissenschaftlern und Verhaftungen umgehen.

    München

    In München war @ResiduumMuc dabei:

    In München nahmen am March for Science zwischen 3.000 und 4.000 Personen teil. Von den Organisatoren und den Rednern wurde immer wieder betont, dass es sich nicht um eine Veranstaltung gegen Trump handelt, sondern grundsätzliche Fragen verhandelt werden: Welchen Stellenwert soll Wissenschaft und Forschung in der Gesellschaft haben?

    Wesentlich für viele Redner war auch, dass Geistenwissenschaften und sogenannte „Orchideenfächer“ haben, und dass diese für die Naturwissenschaften eine wesentliche Bedeutung für die Einordnung der Erkenntnisse haben.

    In meinem Redebeitrag betonte ich die Verantwortung der Politik für die Freiheit der Wissenschaft: Zum einen muss die Gesellschaft für die Sicherheit des akademischen Mittelbaus sorgen, indem die Mitarbeiter sich von befristeten halben Stellen und befristeten halben Stellen hangeln müssen, zum anderen muss auch an den Universitäten die Trennung von Staat und Religion erfolgen, indem die Konkordatslehrstühle abgeschafft und durch reguläre Lehrstühle ersetzt werden müssen. DIe katholische Kirche soll nicht mehr bei der Besetzung von Lehrstühlen der Philosophie, Pädagogik, Soziologie und Politikwissenschaften mitentscheiden können.

    Beeindruckend war besonders von Prof. Maria Kronfeldner, die Philosophie an der Central European University in Budapest lehrt. Sie schilderte die Situation in Ungarn und besonders die Angriffe der ungarischen Regierung gegen die CEU, die sich der Internationalität und der europäischen Integration verpflichtet fühlt.

    Wir danken allen, die sich am March for Science beteiligten!