Schlagwort: Meinungsfreiheit

  • Twitter Overblocking: PIRATEN sprechen sich für Deaktivierung der neuen Meldefunktion aus

    Twitter Overblocking: PIRATEN sprechen sich für Deaktivierung der neuen Meldefunktion aus

    Im Zuge der Europawahlen hat der amerikanische Mikrobloggingdienst Twitter im April neue Regeln für Beschwerden gegen unzulässige Tweets eingeführt. Nun zeigen sich die ersten absurden Auswirkungen. Ein Anwalt wird wegen eines drei Jahre alten Tweets gesperrt, eine SPD-Poltikerin wegen Erwähnung eines arabischen Vornamens, ein Aktivist wegen Zitierens einer an ihn gerichteten Drohung.

    Daniel Mönch, politischer Geschäftsführer der Piratenpartei kritisiert:

    „Die neue Funktion, Twitterbeiträge zu melden, die den Eindruck machen „irreführend in Bezug auf Wahlen“ zu sein, ist ein Problem. Wir PIRATEN begrüßen, dass Plattformen unterschiedliche Schritte unternehmen, um die Möglichkeiten der Beeinflussung von Wahlen über Social Media zu begrenzen. Leider bietet diese neue Funktion erhebliches Missbauchspotential. So wurden in den letzten Tagen vermehrt Accounts von Nutzern gesperrt, die sich entweder kritisch zu einer Partei geäußert haben oder die Wahlen satirisch begleiten. Ein klares Zeichen für Overblocking, also über das Ziel hinaus schießender Filter- und Zensurmaßnahmen.
    Wenig verwunderlich ist, dass dieses Angebot von Twitter, insbesondere aus dem AfD-nahen Spektrum dazu verwendet wird, um unliebsame Accounts organisiert zu melden und so von der Debatte auszuschließen. Wir PIRATEN sehen darin eine gefährliche Verschiebung der öffentlichen Diskussion der Wahl in die rechte politische Szene.
    Daher möchten wir Twitter bitten, diese Funktion zu deaktivieren, zumindest bis Missbrauch ausgeschlossen werden kann. Wir hoffen, dass sich andere Parteien dieser Bitte anschließen.“

    Der Bundesvorsitzende der Piratenpartei Sebastian Alscher ergänzt:

    „Jedem ist vermutlich klar, dass vor Wahlen ein erhöhtes Risiko von Manipulation besteht. Die Antwort darauf sollte aber nicht das Ausschließen von Benutzern sein, die möglicherweise irreführende Textschnipsel veröffentlicht haben.
    Noch vor wenigen Jahren war jedem klar, dass die Person am anderen Ende des Computers auch Unwahrheiten mitteilen kann, z.B. nicht wirklich so aussehen muss, wie sie sich selbst beschreibt. Dieses Wissen scheint verloren gegangen zu sein. Schlimmer noch – wir verlangen von Plattformen, ihr Angebot so zu gestalten, dass Menschen sich das Wissen um diese Möglichkeit nicht aneignen müssen und Plattformen eine „wahre Welt“ suggerieren.
    Der Ausweg im angemessenen Umgang mit Manipulation muss in der Aufklärung und Bildung der Anwender liegen. Und diese Aufgabe fällt nicht den Plattformen alleine zu. Den Schuh müssen sich Politiker endlich anziehen.“

  • Zuckerberg-Vorschläge: Meinungsfreiheit, Privatsphäre und Wettbewerb im Netz gehen anders

    Zuckerberg-Vorschläge: Meinungsfreiheit, Privatsphäre und Wettbewerb im Netz gehen anders

    Patrick Breyer, Bürgerrechtler und Spitzenkandidat der Piratenpartei zur Europawahl 2019, kritisiert die vier am Wochenende veröffentlichten Vorschläge von Facebook-Chef Zuckerberg zur Internetregulierung:

    „Erstens: Internetkonzerne entscheiden heute nach Art einer Privatpolizei willkürlich, welche Inhalte und Konten sie löschen oder ausfiltern. Solche Entscheidungen gehören in die Hand einer unabhängigen öffentlichen Stelle wie der Justiz oder eines Beauftragten für Meinungsfreiheit. Die von Zuckerberg vorgeschlagene vermeintlich unabhängige Überprüfung durch ein von Facebook eingesetztes Gremium ist nicht der richtige Weg. Wer fordert, unzulässige Inhalte auf ein Minimum zu reduzieren, redet übermäßiger Zensur und Uploadfiltern das Wort.“

    „Zweitens: Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist nicht Gefahr sondern Voraussetzung für die demokratische Meinungsbildung. Welche Informationen wahr und welche falsch sind, muss letztlich jeder für sich einschätzen. Der Manipulation von Internetnutzern durch Durchleuchtung ihrer Persönlichkeit und zugeschnittene Werbebotschaften muss allerdings ein Ende gesetzt werden – doch gegen einen wirksamen Datenschutz im Netz wehrt sich Facebook mit Händen und Füßen.“

    „Drittens: Ein weltweites Datenschutzübereinkommen im Sinne eines Mindeststandards ist überfällig. Wenn Zuckerberg aber einzig und allein den weltweit kleinsten gemeinsamen Nenner anerkennen will, will er den Schutz unserer Privatsphäre im Netz in Wahrheit abbauen. Europa braucht ein Internet-Datenschutzgesetz, das anonyme Internetnutzung garantiert und eine Aufzeichnung unseres Surfverhaltens verbietet.“

    „Viertens: Mit unseren Daten zur Facebook-Konkurrenz umzuziehen – die sog. Daten-Portabilität -, ist Illusion, solange alle unsere Freunde und Kontakte auf Facebook bleiben. Wir brauchen ein Recht auf Interoperabilität für Messenger und Soziale Netzwerke: Nutzer datenschutzfreundlicher Alternativen müssen mit den Nutzern der Quasi-Monopolisten kommunizieren und diesen plattformübergreifend folgen können. Diese Netzzusammenschaltung, die bei den Telefonnetzen vor Jahrzehnten erfolgt ist, steht im Internet aus.“

  • „Hate Speech“: Einschränkung der Meinungsfreiheit unter neuem Etikett

    „Hate Speech“: Einschränkung der Meinungsfreiheit unter neuem Etikett

    Seit längerer Zeit geistert der Begriff „Hate Speech“ – zu Deutsch „Hassrede“ – durch Politik, Medien und Gesellschaft. Oft wird er ganz selbstverständlich verwendet, dabei existiert keine eindeutige und verbindliche Definition des Begriffs. In Verbindung damit wird auch gerne analog der Begriff Hasskriminalität verwendet, der allerdings einen im juristischen Sinne sehr speziellen Bereich von u.a. rassistisch motivierten Gewalttaten umfasst. So wirkt es sehr seltsam, dass sich Parteien und Gruppierungen explizit dem Kampf gegen „Hate Speech“ widmen. Es drängt sich unweigerlich die Frage auf, gegen wen oder was dabei eigentlich genau gekämpft werden soll. Beim genauen Blick auf die einzelnen Akteure und deren Aussagen zu „Hate Speech“ fällt schnell auf, dass ganz unterschiedliche Dinge im Fokus stehen, gegen die vorgegangen werden soll. Überwiegend lässt sich das in drei Bereiche einteilen:

    1. Im Strafgesetzbuch definierte Straftaten, die an vielen Stellen im Internet, besonders sozialen Netzwerken, aktuell nur langsam oder unzureichend verfolgt werden.
    Hier wird der Begriff „Hate Speech“ nur als Zusammenfassung für die zahlreichen Straftatbestände genutzt, wie beispielsweise Volksverhetzung (§130 StGB), Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen (§166 StGB), Beleidigung (§185 StGB), Üble Nachrede (§186 StGB) und Verleumdung (§187 StGB).

    An dieser Stelle wäre es hilfreicher, diese Straftaten konkret zu benennen, statt dafür den vagen Begriff „Hate Speech“ zu benutzen. Für schnellere und effizientere Ermittlungen und zeitnahe Verfahren müssen die Ermittlungsbehörden und Gerichte personell und technisch besser ausgestattet werden.

    2. In den letzten Jahren scheinbar zunehmende persönliche Anfeindungen und Angriffe, vor allem in sozialen Netzwerken.
    Subjektiv ist in den letzten Jahren die Menge an Konflikten zwischen einzelnen Personen und Gruppen stark angestiegen. Anscheinend immer öfter werden Menschen in unwürdiger Weise diffamiert und mit Ausdrucksweisen „unter der Gürtellinie“ massiv beleidigt. Gerne werden zweifelhafte Informationen genutzt, um den eigenen Standpunkt zu untermauern. Das alles findet zudem in einem sehr rauen Ton statt, weshalb, wenn es sich im Rahmen des rechtlich Erlaubten abspielt, in diesem Fall die Verrohung des Diskurses und des Umgangs miteinander gemeint ist.

    Hier helfen keine Gesetze, denn dies ist alles durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Als Lösung braucht es Wege, um eskalierte Diskussionen von der persönlichen wieder auf die sachliche Ebene zu lenken, ohne die Meinungsfreiheit zu beschneiden. Außerdem sollten Fehlinformationen kenntlich gemacht werden können, vielleicht sogar in Verbindung mit der Möglichkeit einer Richtigstellung. Dabei wird es vor allem auf das zivile Engagement der Diskussionsteilnehmer ankommen, aber auch auf die Netzwerke, die Möglichkeiten zur Richtigstellung anbieten müssen. Gleichzeitig sollte in der Bildung stärker auf die Entwicklung einer gesunden Diskussionskultur und einer verbesserten Medienkompetenz hingearbeitet werden. Diese sind im heutigen Informations- und Diskussionszeitalter notwendige Kernkompetenzen.

    3. Weltanschauungen, die der eigenen Ansicht widersprechen.
    Bei dieser letzten Definition muss leider von „Hate Speech“ als Kampfbegriff gesprochen werden. Der Begriff wird dazu verwendet, um Menschen mit einer anderen Weltanschauung als der eigenen abzuwerten und schlichtweg mundtot zu machen. Es geht nicht mehr darum, ein Thema zu diskutieren, sondern darum, Recht zu haben und allein die Deutungshoheit zu besitzen. Dazu wird die Gegenseite zum Feind erklärt, den es zu bekämpfen gilt. An dieser Stelle wird die Meinungsfreiheit eingeschränkt und eine offene Diskussion im Keim erstickt. Frei nach dem Motto: „Wer nicht meiner Meinung ist, der hat gefälligst keine Meinung zu haben.“

    Dies ist unter keinen Umständen zu tolerieren. Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gilt für jeden, ob er nun meiner Meinung ist oder nicht. Das gilt es immer wieder zu betonen und schlicht zu akzeptieren.

    Wie soll also am besten mit dem Begriff „Hate Speech“ umgegangen werden? Weil verschiedene Definitionen in einen Topf geworfen werden und diese zusätzlich noch sehr schwammig sind, sind bei der Diskussion um den Bekämpfung von „Hate Speech“ Missverständnisse vorprogrammiert. Wir benötigen eine klare Sprache, um wirkliche Straftaten von unangenehmen Äußerungen abzugrenzen. Sonst führt der Kampf gegen den Hass im Netz schrittweise zu einem Angriff auf unsere Meinungsfreiheit. Den Begriff „Hasskriminalität“ als Begründung für das NetzDG von Justizminister Heiko Maas zu nutzen zeigt dies klar auf.

    Die Piratenpartei lehnt die Verwendung den Begriffes „Hate Speech“ strikt ab. Für bereits klar abgegrenzte Sachverhalte braucht es keinen neuen Namen.

    Zum Weiterhören:
    Vortrag im Rahmen des „Dicken Engel“ zum NetzDG vom 15.01.2018

  • Barbara, Satire und Zensur

    Barbara, Satire und Zensur

    Dieser Beitrag zur aktuellen Löschpraxis in sozialen Medien wurde von „Barbara“, einer Künstlerin, auf Facebook veröffentlicht. Da der Text sehr gut darstellt, was momentan bei dem Versuch, die sozialen Medien zu regulieren, schief läuft, veröffentlichen wir ihn hier.

    Hi Leute, ich bin wieder zurück im Netz, die kleine Auszeit hat gut getan.
    Leider gibt es ein „Aber“:
    In den letzten Wochen haben Facebook und Instagram zahlreiche Beiträge von mir gelöscht, weil sie angeblich gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen. Dabei wurde mir gedroht, dass mein Account gelöscht wird, wenn das nochmal passiert.
    Es waren (aus meiner Sicht) völlig harmlose Beiträge, die sich gegen rechtsradikale Schmierereien und diskriminierende Schilderbotschaften gerichtet haben, ihr kennt meine Arbeit.
    Leider kann ich die betreffenden Fotos hier nicht zeigen, sonst löschen die tatsächlich meinen Account.
    (Es geht zum Beispiel um das Foto „Mein kleiner, grüner Kaktus“, das Foto mit dem Aufruf, einen Tanz-Flashmob vor einem beleidigenden Schild zu machen, den Brief von Bernd H. mit dem AfD-Kugelschreiber, ein Foto von einem Verkehrsschild, dem ich einen Bikini hinzugefügt habe. Und weitere Beiträge, die meines Erachtens gegen kein Gesetz der Welt verstoßen.)
    Über das Löschen von Beiträgen entscheiden irgendwelche Angestellte von privaten Firmen im Auftrag von Facebook und Instagram, die im Schnellverfahren entscheiden und nicht einmal irgendwelche Gründe für das Löschen nennen.
    Ich sehe die Freiheit im Internet dadurch mehr als nur bedroht, sie wird aus meiner Sicht dadurch ruiniert.
    Wie soll Satire im Internet funktionieren, wenn die Satiriker dem Urteil von privaten Firmen ausgesetzt sind, die sich als Richter aufspielen?
    Um das klar zu sagen: Ich bin auch der Meinung, dass etwas unternommen werden musste, um Hass und Gewaltandrohungen im Internet einzudämmen. Wenn zum Beispiel etwas strafrechtlich relevant ist, dann gibt es dafür das Strafrecht.
    Aber Satire kann in den sozialen Netzwerken unter den gegebenen Umständen nur noch zensiert stattfinden.
    Es beginnt schon mit der Zensur im Kopf. Ich muss mir jetzt gut überlegen, ob ich einen Beitrag poste oder nicht, denn die Gefahr, dass meine Seite komplett gelöscht wird, ist allgegenwärtig.
    Das war auch vorher schon so, bezog sich aber meistens auf die Darstellung von Nacktheit, dem prüden amerikanischen Verständnis davon, dass ein weiblicher Nippel etwas Schreckliches ist, nicht einmal eine stillende Mutter durfte gezeigt werden. Auch der weltberühmte David von Michelangelo durfte nicht gezeigt werden, weil man seinen Pipimann sehen konnte. (Stand sogar in den FB-Gemeinschaftsstandards.)
    Damit musste und konnte ich irgendwie leben, aber willkürliche Zensur meiner Arbeit durch Privatfirmen, die offensichtlich nicht die geringste Ahnung von Satire haben, empfinde ich als unwürdig und es erstickt meinen Schaffenswillen im Hinblick auf die sozialen Netzwerke.
    Ich kann und werde auf der Straße weiterhin meine kleinen Zettelbotschaften kleben, aber ich werde mir genau überlegen, wie ich mit dem Veröffentlichen von Fotos auf Facebook und Instagram umgehe. Beuge ich mich der Zensur und poste nur noch völlig unverfängliche Love-Messages, die keinen möglicherweise verfänglichen Interpretationsspielraum offen lassen und sende damit ein verfälschtes Gesamtbild meiner Arbeit in die Welt oder lasse ich es ganz und konzentriere mich auf die Straße, wo ich wirklich frei bin?
    Ich werde die Entwicklungen beobachten, bewerten und irgendwann eine Entscheidung dazu fällen.
    Ich habe ständig versucht, dem Hass im Internet mit meinen Botschaften etwas entgegenzusetzen, habe dafür super viel positives Feedback bekommen, nicht zuletzt sogar den Grimme Online Award. Dass ich jetzt von den Plattformen Facebook und Instagram dafür abgestraft werde, fühlt sich schrecklich und unwürdig an. Ich liebe die Freiheit und kann auf Dauer nur dort agieren, wo ich sie leben kann.
    Facebook war mal so ein Ort und ich werde genau hinschauen, in welche Richtung sich das alles entwickelt.
    In Liebe und der Hoffnung, dass sich die Sache zum Guten wendet,
    Eure Barbara.
    PS: Sorry für den langen Text.
    Falls irgendjemand von der Presse daran interessiert sein sollte, um welche gelöschten Fotos es hier geht, dann schreibt mir eine Nachricht, ich schicke sie Euch.

    Update 15.01.2018: Wir wir inzwischen erfahren haben, wurden die Beiträge von Barbara laut einer Sprecherin von Facebook „versehentlich“ entfernt und inzwischen wieder hergestellt. Das mag unter anderem auch der medialen Berichterstattung zu verdanken sein.

  • Wie dank NetzDG Kritik verstummt

    Wie dank NetzDG Kritik verstummt

    Wer am Vormittag des 3. November versuchte, das Profil des renommierten Publizisten und Politikwissenschaftlers Hamed Abdel-Samad beim Kurznachrichtendienst Twitter aufzurufen, erhielt lediglich die Meldung, dass der Account gesperrt sei und dessen Inhalte folglich nicht abgerufen werden könnten. Dem mit Twitter vertrauteren Benutzer sind derlei Meldungen inzwischen bereits bekannt. Denn immer häufiger werden dort inzwischen Benutzerkonten wegen vermeintlichem oder tatsächlichem „Hatespeech“ gesperrt oder zumindest in Deutschland blockiert. Nur hatte sich der von Fanatikern bedrohte Islamkritiker in der Vergangenheit eben nicht als praktizierender Hassprediger hervorgetan. Ohnehin war Hamed Abdel-Samad auf Twitter zuletzt kaum noch aktiv in Erscheinung getreten, sondern nutzte das Profil eher zur automatischen Verbreitung seiner parallel im sozialen Netzwerk Facebook veröffentlichten Beiträge. Sein dortiges Profil war jedoch durchgängig zu erreichen und auf diesem Wege informierte der gebürtige Ägypter über die Hintergründe seiner Sperrung. So hatte Abdel-Samad Bilder und Beiträge eines algerischen Islamisten veröffentlicht, der in seiner Heimat wegen Gewalt gegen religiöse Minderheiten inhaftiert war und nun in Deutschland Asyl beantragt habe. Dieser hatte den Autor anschließend im Internet attackiert und damit möglicherweise die Sperre ausgelöst. „Islamisten werden in Schutz genommen und sie dürfen weiterhin gegen den Westen [hetzen], aber Kritiker des Islamismus werden gesperrt. Wir bewegen uns definitiv in die falsche Richtung“, beklagte sich Abdel-Samad. Aufgehoben wurde die Sperre nur, weil dessen Anwalt bei Twitter insistierte und einige Medien auf den Fall aufmerksam machten. Zu Gute kam dem 45-jährigen dabei vermutlich auch seine Popularität.

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    Der Fall Abdel-Samad ist dabei in vielerlei Hinsicht interessant. Zum einen bestätigt er die Befürchtung unzähliger Kritiker, die im Zusammenhang mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz von Noch-Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) auf die Gefahren des „Overblockings“ – eines vorauseilenden Löschens auch legaler Inhalte – hinwiesen. Zum anderen wirft er die Frage auf, wie viele weniger bekannte Nutzer für ähnliche „Vergehen“ bereits dauerhaft und unwiderruflich gesperrt wurden.

    Rückblick: Bereits vor einiger Zeit hatte Heiko Maas der „Hassrede“ im Internet den Kampf angesagt und gemeinsam mit dem ebenfalls SPD-geführten Familienministerium Projekte, die sich dem Kampf gegen „Hatespeech“ verschieben hatten, unterstützt. Staatlich geförderte NGOs sollten im Rahmen einer Taskforce den Betreibern sozialer Netzwerke dabei helfen, unangemessene Beiträge zu entfernen. Kritiker bemängelten bereits damals, dass gar nicht verbindlich definiert wurde, was eigentlich unter „Hassrede“ zu verstehen sei. Als diese Initiative die gewünschte Wirkung verfehlte, zog man finanzielle Sanktionen gegen die Plattformanbieter in Betracht. Um dem Kampf gegen „Hatespeech“ zusätzlich Ausdruck zu verleihen, wurde eigens ein Gesetz erarbeitet, statt lediglich das bereits vorhandene Telemediengesetz anzupassen. Mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) werden seither Twitter, Facebook und Co. enge Fristen zur Löschung unangemessener Beiträge gesetzt. Für den Fall, dass diese der Löschung nicht umgehend nachkommen, sieht das NetzDG Strafzahlungen in nicht unerheblicher Höhe vor. Die Betreiber sollen dabei binnen kürzester Zeit und weitestgehend eigenverantwortlich – d. h. ohne Hinzuziehung ordentlicher Gerichte – über mögliche Löschungen entscheiden. Spätestens hier sahen weite Teile der Zivilgesellschaft die in Artikel 5 des Grundgesetzes garantierte Meinungsfreiheit erheblich in Gefahr. Das NetzDG wurde dennoch im Eiltempo mit den Stimmen der Großen Koalition beschlossen; wohl auch weil der bis dahin eher glücklose Justizminister dringend eine Möglichkeit zur Profilierung im anstehenden Bundestagswahlkampf benötigte.

    Seit 1. Oktober ist das umstrittene Gesetz nun in Kraft und seine Kritiker – zu denen die Piratenpartei von Beginn an gehörte – dürften sich nicht erst seit dem Fall Abdel-Samads bestätigt sehen. Der bereits jetzt entstandene Eindruck ist verheerend und das NetzDG erweist sich in zunehmendem Maße als ernste Gefahr für das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Dieses Recht dient auch und gerade dem Schutz kritischer, unbequemer, bisweilen sogar unsachlicher oder gar bewusst provozierender Äußerungen. Und von diesem Recht waren auch die Beiträge von Hamid Abdel-Samad und zahlreichen anderen namenlosen, inzwischen blockierten Kommentatoren zweifelsohne gedeckt. Auch wenn wir vermutlich nie erfahren werden, ob sich Twitter bei seiner umstrittenen Löschung tatsächlich auf das NetzDG von Heiko Maas berief: mit diesem Gesetz hat der Justizminister den Boden für willkürliche, intransparente Löschungen missliebiger Meinungen im Internet bereitet. Als Piraten fordern wir daher die künftige Bundesregierung auf, dieses in seiner Wirkung unberechenbare Gesetz umgehend wieder abzuschaffen, die Privatisierung der Rechtsdurchsetzung zu beenden und damit dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit wieder die für eine funktionierende Demokratie unerlässliche Achtung zu verschaffen.

  • UN-Menschenrechte ausgehebelt – Meinungsfreiheitsbekämpfungsgesetz

    UN-Menschenrechte ausgehebelt – Meinungsfreiheitsbekämpfungsgesetz

    Am 23. Juni hat die Bundesregierung das neue Netzwerkdurchsetzungsgesetz verabschiedet. Das Gesetz sorgt nicht nur bei Datenschützern, sondern auch bei Menschenrechtlern der EU und sogar der UN für Aufregung.

    Das Gesetz ist nicht nur ein Verstoß gegen Artikel 5 (Meinungs-, Medien-, Kunst-, Wissenschafts- und Pressefreiheit) unseres Grundgesetzes, sondern verstößt auch gegen die Menschenrechtscharta der Vereinten Nationen (UN) und der europäischen Union (EU). Darüber hinaus wird durch das Gesetz die Gewaltenteilung ausgehebelt. Experten befürchten zusätzlich, dass das Gesetz eine Steilvorlage für weniger demokratische Staaten liefert, die Meinungen noch gezielter zu beschneiden.

    Die Hamburger Justiz hatte mich, als Vertreterin von Digitalcourage e.V. zu einer Expertenrunde geladen. Natürlich interessiert mich das Thema auch als Piratin. Es waren 18 Experten anwesend. Darunter ein Referent des NetzDG, ein Justiziar von Google Deutschland und Europa, Peter Schaar (Guru der Datenschutzwelt) und ein Anwalt mit Mandanten aus dem Dating- und Pornobusiness.

    Die anwesenden Experten für Datenschutz und Informationsfreiheit waren mit dem Justiziar von Google einer Meinung. Nur der Referent des NetzDG versuchte mit fadenscheinigen Argumenten das Gesetz zu verteidigen.

    Für das Gesetz wurden von der Regierung angeblich zehn soziale Netzwerke unter die Lupe genommen. Es ist aber immer nur die Rede von Youtube bzw. Google, Facebook und Twitter. Auch auf Nachfrage bekamen wir keine Auskunft, welche weiteren Netzwerke überprüft wurden. Als der oben genannte Anwalt gezielt nachfragte, welche Plattformen aus dem Dating- und Pornobusiness analysiert wurden, teilte der Referent uns mit, dass unter den zehn analysierten Netzwerken weder eine Datingplattform noch eine Plattform aus der Pornobranche war.

    Warum aber sind die Änderungen so gefährlich? Die Plattformbetreiber sollen rechtswidrige Inhalte in so kurzer Frist löschen, dass eine ordentliche Prüfung auf Rechtswidrigkeit gar nicht möglich ist. Darüber hinaus können sich Plattformen ohne Gewinnabsichten (non profit), gar nicht so viele Juristen leisten. Davon abgesehen sollen in Deutschland eigentlich stets nur Richter über Rechtswidrigkeiten urteilen und nicht Unternehmen der Privatwirtschaft.

    Hier sollen jetzt Google, Facebook, Twitter, Tinder, Parship und andere zu Richtern werden. Da eine ordentliche Prüfung der Inhalte in so kurzer Zeit nicht möglich ist, ist es absehbar, dass die Plattformen zukünftig bei eingehenden Beschwerden die Inhalte umgehend aus dem Netz nehmen, selbst wenn sie legal sind. Es wird ein Kollaps von Artikel 5 des Grundgesetzes (Meinungs-, Medien-, Kunst und Pressefreiheit) befürchtet.

     

  • EuGH entscheidet über Ausspionieren von Internetnutzern

    Am 19. Oktober wird das oberste EU-Gericht sein lange erwartetes Urteil über die Verfolgung und das Surfverhalten von Internetnutzern (auch Surfprotokollierung oder Tracking genannt) verkünden (Az. C-582/14). Der PIRATEN-Abgeordnete Patrick Breyer klagt gegen die Bundesregierung, weil sie – wie viele private Anbieter auch – die Nutzung ihrer Internetportale mitprotokolliert und drei Monate lang auf Vorrat speichert.

    »Dieses Urteil wird Internetgeschichte schreiben. Solange wir uns schon wegen des Lesens von Internetseiten verdächtig machen können, gibt es keine echte Informations- und Meinungsfreiheit im Internet«, begründet Breyer seine Klage. »Niemand hat das Recht, alles, was wir im Netz sagen und was wir tun, aufzuzeichnen. Als Generation Internet haben wir das Recht, uns im Netz ebenso unbeobachtet und unbefangen informieren zu können, wie es unsere Eltern aus Zeitung, Radio oder Büchern tun konnten.«

    Der EU-Generalanwalt empfahl dem Gerichtshof im Mai einerseits, den Datenschutz auf die beim Surfen hinterlassenen Spuren (IP-Adressen) anzuwenden. Andererseits soll der EuGH das deutsche Telemediengesetz kippen, das eine Surfprotokollierung bisher verbietet.

    »Die EU kann nicht einerseits das Datenschutzrecht europaweit nivellieren und andererseits das Surfverhalten von Millionen von Internetnutzern ausspionieren lassen«, fordert Breyer. »Ein europaweites Verbot jeglicher Vorratsspeicherung unserer Internetnutzung ist überfällig. Wir brauchen sichere IT-Systeme, keine Totalaufzeichnung unseres digitalen Lebens.«

  • PIRATEN zum Tag der Pressefreiheit

    Die Piratenpartei sieht die Pressefreiheit im Rahmen der Verhandlungen mit der Türkei über die Rückführung von Geflüchteten auch in Deutschland unter Beschuss.

    Ihr Verhalten in der „Böhmermann-Affäre“ ist kein Ruhmesblatt für Kanzlerin Merkel und ihre Regierung. Eine „Feier der Pressefreiheit“ würde angesichts der hiesigen und weltweiten Einschränkungen eher klein ausfallen.

    Wie aus der Weltkarte von „Reporter ohne Grenzen“ hervorgeht, ist die Presse- und Medienfreiheit in aller Welt zunehmend bedroht.
    Auch in den sogenannten „zivilisierten“ Ländern, den gefestigteren demokratischen Staaten, wird sie zunehmend durch Ausnahmeregelungen und Ausweitung geheimdienstlicher Überwachung eingeschränkt.

    Nicht nur die Angriffe auf Journalisten bei Pegida-Demos mit den Rufen „Lügenpresse“ und der Fall Böhmermann ließen Deutschland auf der Weltkarte von „Reporter ohne Grenzen“ auf Platz 16 zurückfallen.

    Jürgen Asbeck, verantwortlicher Redakteur der Bundespresseabteilung der PIRATEN: „Nur mit der Pressefreiheit haben demokratische Systeme ein wirksames Korrektiv gegen intransparente Politik und korrupte Politiker. Eine freie Presse kann man daher gar
    nicht hoch genug einschätzen. Wir PIRATEN stehen für unsere im Grundgesetz verbrieften Grundrechte ein und werden uns mit aller Kraft für die Presse- und Meinungsfreiheit einsetzen. Da gibt es keine Kompromisse.“