Schlagwort: Pandemie

  • Demokratie in Zeiten der Pandemie

    Demokratie in Zeiten der Pandemie

    „Es liegt jetzt an uns allen. Wir müssen im privaten Bereich und in der Freizeit unsere Kontakte reduzieren. Das ist hart, aber das ist eine gemeinsame Kraftanstrengung – und das ist machbar.“ [1] appellierte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bereits am 28. Oktober 2020 im Interview mit @swr2.

    In der darauf kommenden Woche folgte der „Lockdown light“, der uns allen diese Aufgabe stellt.

    Parteien, in unserer Demokratie ein wichtiger Bestandteil, sind aber auf ständigen Kontakt mit ihren Mitgliedern und den Bürgern angewiesen. Die PIRATEN haben bei Kontakten für parteiinterne Gespräche bereits seit Anbeginn auf digitale Kommunikation gesetzt und hatten in diesem Bereich wenig pandemiebedingten Änderungsbedarf.

    Aber Aufstellungsversammlungen für Wahlen, Vorstandswahlen und Satzungsänderungen sind nach wie vor vom Gesetzgeber an Präsenzveranstaltungen gebunden, die derzeit nicht stattfinden können. Die Piratenpartei hat gerade erst am 3. November – wie viele andere Parteien auch – ihren für den 14. & 15. November geplanten Bundesparteitag abgesagt ohne zu wissen, wann dieser nachgeholt werden kann. In diesem Bereich ist bei den im Bundestag vertretenen Parteien inzwischen Bewegung zu erkennen, da sie auch selbst betroffen sind.

    Nicht betroffen sind diese Parteien jedoch von Wahlvorschriften, die nicht in Parlamenten vertretenen Parteien zusätzliche Hürden für das Antreten bei Wahlen stellen. Eine der größten Hürden dabei (neben der 5%-Hürde) ist das Sammeln sogenannter Unterstützerunterschriften, ganz old-school auf Totholz durch persönliche Ansprache der Bürger. Fast 30.000 Unterschriften müssen die Parteien zum Beispiel zur Bundestagswahl sammeln, wollen sie in allen Bundesländern antreten. Für 1 Unterschrift sind schnell mal um die 10-20 Bürger angesprochen, sammeln müssen allein für die Bundestagswahl 15 – 20 Parteien, da gehen die Bürgerbegegnungen schnell in die Millionen.

    Wie also gehen die Regierungsparteien mit diesem Problem um, das ja nicht ihres ist?

    In Rheinland-Pfalz hat die dortige Koalition nach langem Druck über die Medien, zusammen mit Teilen der Opposition beschlossen, die notwendige Zahl der Unterschriften für die dortige Landtagswahl von 2080 auf 520 zu reduzieren [2] [3], sie hatten aber diese Reduzierung zuvor schon für z.B. vorzeitige Neuwahlen im Wahlgesetz stehen.

    In Baden-Württemberg, auch dort sind Anfang 2021 Landtagswahlen, hat sich der Landtag bisher um diese Frage gekonnt gedrückt. Anfragen mehrerer Parteien an den Petitionsausschuss werden vom einen „zuständigen Fachausschuss“ zum anderen verschoben[4]. Gemeinden, wie zum Beispiel die Landeshauptstadt Stuttgart, untersagen Infostände zur Wahl, bei denen diese Unterstützerunterschriften gesammelt werden könnten[5]. Inzwischen hat der baden-württembergische Landesverfassungsgerichtshof am 9.11.2020 entschieden, dass die Hürde der Unterstützerunterschriften für Pandemie-Zeiten zu hoch sei und dem Landtag als Hausaufgabe aufgegeben, diese mindestens zu halbieren.[6]

    Für Aufstellungsversammlungen (für Listen und Direkt-Kandidaten) und Parteitage entwickeln die Parteien in den Parlamenten nun langsam Möglichkeiten diese alternativ online durchführen zu können, wenn auch teilweise kombiniert mit Briefwahl, die für kleine Parteien eine enorme logistische und finanzielle Herausforderung darstellt. Für das Sammeln der Unterstützerunterschriften wird diese Möglichkeit nach wie vor nicht angedacht, auch wenn einzelne, kleinere Parteien diese bereits länger fordern [7] und es bei der „Europäischen Bürgerinitiative“ (EBI) bereits längst als legitime Unterstützungsform implementiert ist.[8][9].

    „Um gemeinsam gut durch die Krise zu kommen, sind nicht in erster Linie die staatlichen Anordnungen entscheidend. Entscheidend ist vielmehr, dass jede und jeder Einzelne den Ernst der Lage erkennt und sich entsprechend verhält. Es geht nicht um Loyalität gegenüber dem Staat, sondern um Solidarität gegenüber der Gesellschaft und um die Sorge jedes Einzelnen um die Gesundheit aller. Jeder muss sich bewusst sein: Nun kommt es auf sein ganz persönliches Verhalten an.“ heißt es im Bericht des bayerischen Kabinett vom 9. Oktober 20. [10]

    „Wir PIRATEN sind uns dieses Anspruchs wohl bewusst und verhalten uns entssprechend, indem wir z.B. derzeit keine Infostände abhalten und nicht aktiv – wie es eigentlich dringend notwendig wäre – Unterstützerunterschriften sammeln und dafür die Bürger ansprechen. Noch versuchen wir „nur“ online für Unterstützung zu werben [11], aber um auch 2021 wieder an der Bundestagswahl teilnehmen zu können, brauchen wir PIRATEN und andere Kleinparteien hier ein klares Entgegenkommen der „großen Parteien“ und entsprechende staatliche Anordnungen. Pandemiebedingte Anordnungen dürfen nicht zu Einschränkungen der Demokratie führen.“

    so Martin Kollien-Glaser, Landesvorsitzender und Spitzenkandidat der PIRATEN Bayern

    Thomas Ganskow, Landesvorsitzender der PIRATEN Niedersachsen und deren Spitzenkandidat zur Bundestagswahl ergänzt:

    „Wenn es möglich ist, Unterschriften für Landtags-, Bundestags- oder Petitionen der Europäischen Bürgerinitiative [12 – 14] rechtsverbindlich abzugeben, dann sollte es auch möglich sein, Unterschriften für die Zulassung zu Wahlen rechtsverbindlich zu sammeln. Die ohnehin anachronistischen Wahlgesetzte, die auf einer Zementierung der vorhandenen Strukturen abzielen, gehören schleunigst modernen Gegebenheiten angepasst. Gerade in einer Nation, die sich ihrer technischen Kompetenzen lobt müsste es ein Anspruch sein, dies in allen gesellschaftlichen Feldern zum Wohle der Allgemeinheit einzusetzen.“

    Quellen/Fußnoten:

    [1] https://twitter.com/BMG_Bund/status/1321433644414763012
    [2] https://www.piraten-rlp.de/2020/11/piratenpartei-begruesst-geplante-absenkung-der-zulassungshuerden-fuer-die-landtagswahl/
    [3] https://www.gruene-fraktion-rlp.de/wp-content/uploads/2020/11/Gesetzentwurf-SPD-CDU-FDP-GRUeNE-Landeswahlgesetz.pdf
    [4] https://www.landtag-bw.de/home/aktuelles/pressemitteilungen/2020/oktober/1082020.html
    [5] https://www.stuttgart.die-linke-bw.de/start/meldungen/detail/news/die-linke-stuttgart-beklagt-massive-einschraenkung-demokratischer-rechte/
    [6] https://piratenpartei-bw.de/2020/11/09/verfassungsgerichtshof-entscheidet-fuer-kleinparteien-wahlteilnahme-muss-durch-landesregierung-sichergestellt-werden/
    [7] e-petition die-humanisten https://www.openpetition.de/petition/online/ein-faires-zulassungsverfahren-zur-bundestagswahl-trotz-corona-digital-statt-gesundheitsgefaehrdend
    [8] https://www.ebi-grundeinkommen.de/
    [9] https://freesharing.eu/de
    [10] Bericht des BY Kabinett 29.10.20 https://www.bayern.de/bericht-aus-der-kabinettssitzung-vom-29-oktober-2020/#a-1
    [11] https://piratenpartei-bayern.de/2020/10/05/hilf-deutschlands-demokratie-auf-die-beine-unterstuetzerunterschriften-bundestagswahl-2021/
    [12] https://www.landtag-niedersachsen.de/mitgestalten/petitionen/online-petitionen-oeffentliche-petitionen/
    [13] https://epetitionen.bundestag.de/
    [14] https://europa.eu/citizens-initiative/online-collection-system_de

  • Eine eigene Pandemie-Behörde, eingerichtet von der EU?

    Eine eigene Pandemie-Behörde, eingerichtet von der EU?

    Die EU-Kommission will eine eigene Behörde, die künftig für Europa den Notstand in z.B, pandemischen Lagen, ausrufen kann.

    Health Emergency Response Agency – kurz HERA
    HERA soll die Entwicklung von ansteckenden Krankheiten beobachten und den Notstand ausrufen können.
    Dabei geht es um Unabhängigkeit von der Weltgesundheitsorganisation. Wir haben bereits viel Versagen im Umgang mit einer Pandemie erlebt und es wird deutlich, dass wir in Europa besser vorbereitet sein müssen.
    Die bestehenden Gesundheitsagenturen sollen gestärkt werden und die zentrale EU-Arzneimittelagentur EMA [1] in Amsterdam soll nicht mehr nur für die Zulassung von Impfstoffen und Medikamenten zuständig sein, sondern auch Engpässe bei Medikamenten und medizinischer Ausrüstung beobachten und Gegenmaßnahmen einleiten. In diesem Frühjahr hatte die EU ad hoc reagiert und improvisiert, als sie die Bevorratung und Verteilung an sich zog, aber diese Arbeit soll jetzt auf eine geregelte Basis gestellt werden.
    Auch die Behörde zur Beobachtung von Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) [2] in Stockholm soll verstärkt werden, alle Daten aus den Mitgliedsländern sollen künftig ausgewertet werden und die entsprechenden Empfehlungen kommuniziert. Ein Beispiel dafür ist die Bewertung des Nutzens von Gesichtsmasken – hier gab es monatelang widersprüchliche Meinungen, wie wichtig das Tragen der Masken in der Öffentlichkeit sei.
    Das Chaos in der ersten Corona-Phase gab Hinweis darauf, dass es in dieser Frage Regelungsbedarf auf europäischer Ebene gab. Die Staatengemeinschaft benötigt hier endlich mehr Kompetenzen im Gesundheitsbereich, um harmonisch und abgestimmt reagieren zu können.

    Der Mangel an Schutzmasken und -kleidung war für viele Ärzte und Pflegekräfte z. B. in Italien das Todesurteil, weil sie deshalb an COVID-19 erkrankten und starben, so etwas darf nie wieder geschehen.
    Die Produktion medizinischer Materialien muss über kurz oder lang wieder in europäischer Herstellung entstehen.
    Medizinische Materialien sind Medikamente, Schutzkleidung, Impfstoffe und vieles mehr.

    Jedes einzelne Mitgliedsland hat seine eigenen Entscheidungen zur Bekämpfung von Corona-Infektionen auf nationaler Ebene getroffen, und Reisen in die europäischen Nachbarländer waren im Sommer erlaubt.
    Somit wurde der Virus wieder europaweit in die europäischen Länder verteilt.
    Hier muss eine gemeinsame Strategie erarbeitet werden.
    Auch die Lockdowns die in den europäischen Staaten durchgeführt wurden, waren nicht einheitlich.
    In England und Italien durften die Menschen nur zum Einkaufen das Haus verlassen oder sich im 500 m Radius des Wohnumfeldes bewegen.
    Wo es möglich war, wurde die arbeitende Bevölkerung ins Homeoffice geschickt, Schulen und Kindergärten wurden geschlossen wie bei uns in Deutschland.
    Aber es gab in Deutschland weniger Einschränkungen als in anderen europäischen Ländern.
    Nun soll durch eine neue Behörde alles besser koordiniert werden und auch ein gemeinsamer Pandemieplan soll entstehen.

    „Es ist ein guter und richtiger Weg europaweit gemeinsam gegen die Pandemie vorzugehen, es könnte Europa mehr zusammenschweißen.“

    so Sandra Leurs, Themenbeauftragte für Gesundheit und Pflege der Piratenpartei Deutschland.

    Sie befürwortet dieses Vorgehen.
    Die Entscheidung liegt bei den Mitgliedsstaaten, ob sie aus den Fehlern der letzten Monate lernen und künftig „europäischer“ handeln wollen.

     

    Quellen/Fußnoten:

    [1] https://www.ema.europa.eu/en/about-us/contact/how-find-us

    [2] https://www.ecdc.europa.eu/en

  • 200. Geburtstag von Florence Nightingale: „Bochumer Bund“ gründet Pflegegewerkschaft

    200. Geburtstag von Florence Nightingale: „Bochumer Bund“ gründet Pflegegewerkschaft

    Heute vor 200 Jahren, am 12. Mai 1820, wurde Florence Nightingale, die Begründerin der modernen Krankenpflege, geboren. Ihren runden Geburtstag hat die WHO zum Anlass genommen, das Jahr 2020 als das Jahr der „Pflegenden und Hebammen“ auszurufen (Year of the Nurses and Midwifes).

    Der heutige Internationale Tag der Pflegenden ist auch der große Tag des „Bochumer Bundes“, der an diesem Tag als Spartengewerkschaft für professionell Pflegende im Internet gegründet wird, weil die im Bochumer Langendreer geplante Gründungsveranstaltung wegen des Coronavirus abgesagt werden musste.

    Sandra Leurs, Bundesthemenbeauftragte für Gesundheit und Pflege der Piratenpartei Deutschland kommentiert:

    „Als Themenbeauftragte der Piratenpartei sehe ich die Gründung einer Spartengewerkschaft als sehr positiv an. Wir brauchen eine starke Gewerkschaft für Pflegekräfte, um unsere Ziele wie mehr Anerkennung, bessere Arbeitsbedingungen, familienfreundliche Dienstpläne und vieles mehr zu erreichen.

    Wie in vielen Städten der Welt, sollte auch u.a. in Berlin und Aachen wieder „The Walk of care“ stattfinden, den es schon seit einigen Jahren gibt. Öffentliche Beachtung fand dies in der Vergangenheit kaum, was in diesem Jubiläumsjahr anders hätte werden können. Wir hoffen, das passiert trotzdem, auch wenn in diesem Jahr die Pflegenden und Hebammen die Demonstrationen aufgrund ihrer speziellen Verantwortung abgesagt haben.

    Durch die Pandemie wird Pflege stärker wahrgenommen, manchmal zum Heldentum hochstilisiert, was die Pflegenden gar nicht möchten. Helden zahlen selten Miete und Brot. Das wird auch nicht mit dem gutgemeinten Applaus vergolten. Ein Neustart für die Arbeitsbedingungen und Löhne der Pflegenden ist dringend notwendig. Es zeigt sich jedoch, dass selbst in diesen Zeiten eher Personal eingespart und bis aufs Äußerste belastet wird. Um diese Situation, die ihren Ursprung in einer quasi nicht vorhandenen Vertretung des Berufsstandes gegenüber der Politik hat, zu verbessern, benötigen wir ein Drei-Säulen-Prinzip in der Plege!“

    Das Drei-Säulen-Prinzip:

    1. die Pflegekammer Deutschland
      Beispiele sind die Landespflegekammern (Beispiel: Pflegekammer Rheinland-Pfalz) oder der Pflegering in Bayern
    2. die Berufsverbände
      Zum Beispiel der Deutsche Berufsverband für Krankenpflege DbfK und der Deutsche Berufsverband für Altenpflege DBVA
    3. die Gewerkschaft
      Bis dato kommt nur ver.di in Frage, durch die der Berufszweig Pflege nur in geringem Maße vertreten wird, weil viele Pflegende in kirchlichen Einrichtungen arbeiten

    „Es ist wichtig, dass Berufpolitisches in „Berufsverbänden“ diskutiert wird. Zuständig für die Qualität in der Pflege, Weiterbildungsverpflichtung und politisches Mitwirken ist die „Pflegekammer“ und die „Gewerkschaft“ übernimmt eben die Tarifverträge. Damit hofft die professionelle Pflege auf mehr Anerkennung,“

    ergänzt Leurs.