Schlagwort: Pflege

  • Deutscher Pflegetag 2018 – Netzwerken für eine menschenwürdige Pflege

    Deutscher Pflegetag 2018 – Netzwerken für eine menschenwürdige Pflege

    Die Pflege von kranken oder älteren Menschen ist bereits aktuell eines der bedeutendsten Themen der Sozial- und Gesundheitspolitik. Zukünftig wird sich diese Thematik weiter verschärfen.
    Sandra Leurs, Krefelder Kommunalpolitikerin der Piratenpartei und Expertin für Pflege, besuchte vom 15. bis 17.03.2018 den Deutschen Pflegetag in Berlin. Dort nutzte sie die Gelegenheit, mit wichtigen politischen Akteuren und engagierten Profis im Bereich Pflege in Kontakt zu kommen und auf programmatische Inhalte der Piratenpartei aufmerksam zu machen.

    Spahn erntet verhaltenen Applaus

    Während der Rede des neuen Bundesgesundheitsministers Jens Spahn (CDU) herrschte überwiegend Stille im Saal. Spahn hatte bereits kurz nach Bekanntwerden seiner Berufung durch kontroverse Äußerungen, beispielsweise zu Hartz-IV-Empfängern und dem §219a StGB, für Aufsehen gesorgt. Auch sein Redebeitrag während des Pflegetages wurde nur mit verhaltenem Applaus der Anwesenden quittiert. Insbesondere über die sozialen Medien äußerten sich viele Mitglieder der Pflegecommunity sehr negativ über das von Jens Spahn Gesagte.

    Immerhin ein sachkundiger Bundesbeauftragter für die Pflege ist in Sicht: Die beste Nachricht des ersten Tages aus Sicht der Piratenpartei war die Nominierung von Andreas Westerfellhaus zum Bundesbeauftragten für die Pflege. Auf Grund seiner jahrelangen Erfahrung als Vorsitzender des Deutschen Pflegerates weiß Westerfellhaus, wovon er redet, und setzt sich für die Belange der Pflegenden und Gepflegten ein.
    Sandra Leurs wurde im Vorfeld von Andreas Westerfellhaus um ein Treffen in Berlin gebeten. Diese Einladung zeigt, dass die Meinung der Piratenpartei in Sachen Pflege sehr gefragt ist. Beide trafen sich am Freitag zu einem Gespräch in der Messehalle.

    Während eines gemeinsamen Besuches der dortigen Ausstellung von Initiativen für Pflege, Digitalisierung, Robotik und E-Health mit Angeboten von verschiedenen Unternehmen, zeigte Westerfellhaus sich erfreut über die neue Aufgabe. Zugleich mahnte er jedoch auch zu Geduld, da nicht alle Probleme von heute auf morgen gelöst werden könnten. Aber er versprach, Notwendiges anzupacken; vor allem die heißen Eisen wie Personalschlüssel, Entlohnung und Arbeitsbedingungen. Sandra Leurs erzählte ihm von den pflegepolitischen Inhalten der Piratenpartei im Bundestagswahlprogramm, welches bei ihm auf großes Interesse stieß. Beide werden für weiteren Austausch in Kontakt bleiben.

    Interessante Gespräche und wichtige Kontakte

    Vertiefende Gespräche führte Sandra Leurs unter anderem mit Elisabeth Scharfenberg, ehemalige Ministerin des Bundes der Grünen und Pflegepolitikerin. Scharfenberg freute sich sehr über das persönliche Treffen mit Sandra Leurs. Im Gespräch zu den Problematiken der Pflege in Deutschland konnten beide schließlich jedoch nur konstatieren, dass der Kampf um Verbesserungen weiterhin ein mühsamer sein wird. Parteiübergreifende Zusammenarbeit ist daher dringend erforderlich, um zuallererst die zum Teil gravierenden Missstände abzubauen, die derzeit in der Pflege herrschen.

    Den Donnerstag verbrachte Sandra Leurs überwiegend mit Mitgliedern des „Pflege in Bewegung e.V.“. Der Gedankenaustausch mit diesen Engagierten war für sie sowohl interessant als auch aufschlussreich.
    Persönlich lernte sie zudem die Initiatorin vom „CareSlam!“, Yvonne Falkner, kennen, welche regelmäßig Slam-Abende rund um das Thema Pflege veranstaltet und es mit einer Sequenz aus ihrem Programm sogar bis in die Kabarettsendung „Die Anstalt“ (ZDF) schaffte.
    Zudem sprach Sandra Leurs mit Marcus Jogerst-Ratzka. Er betreibt eine kleine Senioreneinrichtung in der Nähe von Offenburg und hat am Buch „Jeder pflegt allein“ von correctiv.org mitgearbeitet, welches 2016 erschien und sensationelle Kritiken erntete. Auch Sandra Leurs hat es gelesen und kommentierte als Pflege-Expertin: „Ich habe nichts gefunden, das als geschönt oder übertrieben negativ dargestellt wurde.“

    Neben vielen anderen traf Leurs zudem Jörg Benter. Er betreibt eine Beratungsfirma für Dienstplanung, Zeitmanagement und kollegiale Beratung. Darüber hinaus hält er Seminare, bietet Fachberatung zu Themen wie systemische Beratung und systemisches Coaching an.
    Beide tauschten sich zu Arbeitszeitmodellen aus. Sandra Leurs‘ Idee, sechs Stunden als Vollzeit in der Pflege zu etablieren, in einer Fünf-Tage-Woche im Rollsystem bei vollem Lohnausgleich, hielt Benter für schwer umsetzbar. Dies würde mehr Personal erfordern und höhere Gehälter bedeuten. Auch wenn er damit wohl recht hat, ist eine Überarbeitung des Arbeitszeitmodells im Pflegesektor und eine Entlastung der Pflegenden bei besserer Bezahlung dringend notwendig und steht daher weit oben im Programm der Piratenpartei Deutschland.

    Benter stellte Leurs auch seine eigene Idee vor, wie Pflegekräfte aus dem sogenannten „Pflexit“ zurückgeholt werden könnten. Sie sollen so arbeiten dürfen, wie sie wollen: zwei Stunden am Tag oder 24 Stunden, anschließend einen Tag frei. Kurz und knapp gesagt plädiert er für einen selbstbestimmten Dienstplan. Diesen Ansatz findet zwar auch Sandra Leurs interessant, jedoch sei diese Idee zumindest im aktuellen Pflegesystem schwer bis unmöglich umsetzbar – schon allein, weil es am nötigen Personal mangele.

    Sehr erfreut war Sandra Leurs auch, dass sie Corinna Seegert persönlich kennenlernen konnte. Die beiden Frauen kannten sich bislang nur über soziale Netzwerke. Als Krankenschwester absolvierte Seegert eine erfolgreiche Zusatzausbildung zur Diplombetriebswirtin (VWA) und ist Dozentin für Pflegeberufe, Qualitätsmanagerin, Case-Managerin und Pflegeberaterin nach § 7a, SGB XI. Ebenfalls spannend waren Gespräche mit der Pflegehistorikerin und Bloggerin Monja Schünemann sowie Diana Leisering von „Pflege am Boden Köln“. Leisering engagiert sich ebenfalls bei der Initiative „Pflege in Bewegung e. V.“ Leurs und Leisering kennen sich schon länger aus Köln.

    Pflege, Piraten und Robotik

    Am Stand des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (Referat 524, Technik, Interaktionen mit demografischem Wandel) konnte unter anderem der Roboter „Pepper“ besichtigt werden. Da Sandra Leurs sich unter anderem mit dem Thema Robotik in der Pflege beschäftigt, welches in Zukunft stark an Bedeutung gewinnen wird, führte dies sofort zu sehr anregenden Gesprächen und Freude auf beiden Seiten. Als Leurs den Ausstellenden zudem von Matthias Melcher berichtete, der mit einem etwas kleineren, selbst gebauten Roboter in einer Krefelder Senioreneinrichtung für Furore gesorgt hatte, war die Freude umso größer.

    Im Bereich der digitalen Dokumentationssysteme für die Pflege hat sich in den vergangenen Jahren ebenfalls eine rasante Entwicklung vollzogen. An einem Infostand zu Dokumentationssystemen konnte Leurs feststellen, dass das neue SIS-System inzwischen auch bei Senso Verwendung findet. Mit Senso hatte sie bereits zwischen 2002 und 2010 gearbeitet. Ein Mitarbeiter des Infostandes würdigte die Arbeit der Piratenpartei als sehr wichtig und freute sich, mit Sandra Leurs eine überaus engagierte, piratige Pflegeexpertin getroffen zu haben.

    Fazit

    In der Pflege stehen wir in Deutschland aktuell vor großen Herausforderungen, aber viele engagierte Menschen gehen die bestehenden Schwierigkeiten an, benennen die herrschenden Probleme, vernetzen sich und erarbeiten Lösungsansätze, um gemeinsam einen Weg aus der Pflegemisere zu finden. Eine Veranstaltung wie der Deutsche Pflegetag ist aus diesem Grund nicht nur eine hervorragende Informationsquelle über die neuesten Entwicklungen im Bereich der Pflege sondern für alle engagierten Besucher auch eine hervorragende und dringend nötige Möglichkeit sich zu vernetzen und für die Behebung der bestehenden Herausforderungen neue Kraft und Mut zu schöpfen.
    Die politisch Verantwortlichen dürfen nicht länger davor zurückschrecken, unsere Gesellschaft aufzuwerten, indem sie mehr Geld für die Bedürfnisse und Versorgung der Schwächsten der Gesellschaft in die Hand nehmen.

    Den ausführlichen Bericht zum Deutschen Pflegetag 2018 finden Sie im Blog von Sandra Leurs.

  • Frauenpolitik: viel Luft nach oben

    Frauenpolitik: viel Luft nach oben

    „Unsere Leistungsgesellschaft ist eine Gesellschaft, in der nicht nur Leistung gilt, sondern eine, welche bestimmt, was Leistung ist und wer sie leisten darf.“
    Gerhard Uhlenbruck

    Frauenpolitisch ist in den letzten Jahren sehr viel erreicht worden. So ist es heute eine weitgehende Selbstverständlichkeit, dass Frauen einer Erwerbsarbeit nachgehen können. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte lautet: Frauen müssen fast ausnahmslos arbeiten gehen, weil sie entweder alleinerziehend sind oder ein Einkommen nicht ausreicht, um eine Familie mit Kindern zu versorgen. Allein die Mietpreise in den Ballungsgebieten sind horrend.

    Die politische Ausrichtung der derzeitigen Frauenpolitik ist absolut einseitig. Sie sieht fast ausschließlich vor, dass Frauen einer Erwerbsarbeit nachgehen können und müssen. Alternativen dazu sind eher nicht vorgesehen. „Lebe wie ein Mann“ lautet das Motto, Karriere und 60- bis 80-Stunden-Woche inklusive.

    Nur damit keine Missverständnisse aufkommen: Jede Frau, die wie ein Mann leben möchte, muss das tun können. Weder ein geringeres Einkommen bei gleicher Leistung noch eine gläserne Decke sind auch nur ansatzweise akzeptabel. Doch was ist mit den Frauen (und auch Männern), die kein solches Arbeitspensum leisten können oder wollen, weil sie – gerade auch als Eltern – ihrer erzieherischen Verantwortung nachkommen möchten?

    Zu viele Frauen, die Kinder haben, werden von dieser politischen Einseitigkeit enorm unter Druck gesetzt. Mit Konsequenzen, die für die Gesellschaft auf Dauer nicht gut sein können. So häufen sich in letzter Zeit Berichte, in denen Personal von KiTas und Schulen davon erzählt, dass immer öfter kranke Kinder – selbst mit hohem Fieber – morgens in den Einrichtungen abgeliefert werden. Rufen Lehrer oder Erzieher bei den Erziehungsberechtigten an und teilen ihnen mit, dass ihr Kind krank ist und abgeholt werden muss, müssen sie immer öfter diesen Umstand mit den Verantwortlichen diskutieren. Und meist bekommen sie folgende Antwort zu hören: „Ich bin auf der Arbeit und kann hier nicht so einfach weg.“

    Sicher, man kann es sich jetzt sehr leicht machen und vermeintlich „verantwortungslose“ Eltern dafür schelten. Dies ist allerdings viel zu kurz gegriffen. Die Frage muss eigentlich lauten: Was treibt Eltern dazu, ihre kranken Kinder nicht zu Hause zu lassen, sondern in die Einrichtungen zu schleppen?
    Die Antwort liegt auf der Hand. Aktuelle Studien zeigen, dass sich immer mehr Menschen krank zu ihrer Arbeitsstelle zwingen aus Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Und es ist genau diese Angst, die die Erziehungsberechtigen dazu bringt, mit ihren kranken Kindern genauso zu verfahren.

    Was bedeutet es für die Kinder, wenn sie – krank wie sie sind – nicht zu Hause bleiben können und gepflegt werden? Welches Weltbild wird ihnen vermittelt und wie werden sie als Erwachsene mit dieser Erfahrung umgehen?

    Der ökonomische Druck, der insbesondere auf der Gruppe der Alleinerziehenden lastet, ist aus kinder- und jugendpolitischer Sicht vollkommen inakzeptabel geworden und führt zu genau solchen Auswüchsen. Denn ein Verlust des Arbeitsplatzes würde insbesondere für diese Gruppe ein soziales Desaster führen. Da die meisten von ihnen (mit weit über 80%) Frauen sind, ist das auch aus frauenpolitischer Sicht ein Irrweg.

    Frauenpolitik bedeutet seit einigen Jahren nur noch, möglichst viele Frauen in Arbeit zu bringen. Unbestritten: Jede Frau, die Kinder hat, aber dennoch einer Erwerbstätigkeit nachgehen möchte, muss dies tun können. Dazu müssen entsprechende Einrichtungen zur Verfügung stehen.
    Aber wir müssen weg von dem Zwang, dass Frauen grundsätzlich um jeden Preis arbeiten und ihre Kinder in Einrichtungen abgeben, nur um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Denn bei der Grundhaltung „Frauen müssen grundsätzlich wie Männer arbeiten“ wird übersehen, dass nicht jede Frau so leistungsstark ist, den Balanceakt Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Statt dessen agiert sie oft am Rande ihrer Leistungsfähigkeit. Für diese Frauen gibt es keine Politik Lobby. Sie werden von allen Seiten allein gelassen.

    Zu oft ist zu hören, dass Frauen sehr viel lieber zumindest die ersten drei Lebensjahre mit ihren Kindern verbringen würden, sich dies aber finanziell nicht erlauben können. Auch gibt es Frauen, die sich dem ökonomischen Verschleißprozess ausgeliefert fühlen und ihrem selbst gestellten Anspruch als Mutter aus ihrer Sicht nicht mehr gerecht werden können. Das Gefühl des Ausgebranntseins und der permanenten Überforderung steigt häufig mit der Anzahl der Kinder.

    Seit Jahren ist der Umstand bekannt, dass besonders Frauen mit Kindern unter extremer Altersarmut leiden. Viele Frauen können nur eine Teilzeittätigkeit ausüben. Aber auch hier gibt es ausschließlich die neoliberale Antwort: Frauen müssen mehr arbeiten – vollkommen egal, ob sie das tatsächlich auch leisten können oder nicht. Nur Leistung in ökonomisch verwertbarer Form lohnt sich!

    Es wirkt geradezu wie ein Hohn, dass selbst die linken Feministinnen nichts anderes predigen als diese neoliberale Lösung. Als ob Gleichberechtigung alternativlos erst dann erreicht wäre, wenn auch die letzte Frau dem alles überlegenen ökonomischen Verschleißprozess unterworfen wurde.

    Denn – das wird neuerdings so gerne vollkommen ausgeblendet – auch Frauen, die sich ausschließlich ihrer Familie widmen wollen, können durchaus emanzipiert sein. Nur weil sie andere Lebensentwürfe und -wünsche haben, sind sie weder dümmer oder unselbstständiger oder gar ‚Maskulinistinnen‘, wie der wenig intelligente Vorwurf von ausschließlich arbeitsmarktorientierten Feministinnen lautet. Aber sie werden durch die derzeit einseitig ausgelegte Politik in eine Unselbstständigkeit getrieben – weil es für sie keine finanzielle Unabhängigkeit gibt.

    Es braucht endlich einen vollkommen neuen sozial-, familien- und frauenpolitischen Ansatz, der nicht einseitig neoliberal ausgelegt ist, sondern allen Frauen gerecht wird. Dieser Ansatz muss im übrigen auch eine gleichberechtigte Komponente enthalten – in dem er nicht nur für Frauen, sondern für jeden gilt, der in erster Linie die Hauptlast der erzieherischen und familiären Arbeit tragen möchte. Offensichtlich ist es doch so, dass Arbeit nur dann wertvoll ist, wenn diese einen ökonomischen Wert besitzt. Da Kinder durchaus einen ökonomischen Wert haben, muss diesem Wert endlich Rechnung getragen werden.

    Dies könnte dadurch erfolgen, dass der daheimbleibende Elternteil sozial abgesichert ist. Damit würde vor allem der enorme Druck, der auf Alleinerziehenden und Angehörigen der unteren Einkommensschichten lastet, deutlich vermindert werden. Diese Frauen und Männer müssten dann nicht mehr gezwungenermaßen ihre kranken Kinder in KiTas und Schulen abliefern, weil ein Verlust des Arbeitsplatzes nicht mehr den sozialen Totalabsturz beinhalten würde.

    Diese Männer und Frauen können arbeiten, wenn sie dies wünschen, aber sie sind nicht mehr dazu gezwungen. Sie wären frei und unabhängig und könnten von Situation zu Situation ihre Kapazitäten neu bewerten und einordnen. Sie könnten sich, wenn es erforderlich ist, ganz ihrer Familie widmen oder einer Erwerbstätigkeit in Teilzeit nachgehen. Leistungsstarke Frauen können nach wie vor in Vollzeit arbeiten – aber ohne den permanenten Druck, dies zu müssen.

    Alleinerziehende, die derzeit einen großen Teil der Hartz-IV-Empfänger stellen (die weitaus größte Gruppe auch hier: Frauen), würden endlich aus dieser Gruppe herausfallen und würden nicht weiter von Amts wegen drangsaliert. Letztlich würde diese Gruppe damit auch nicht mehr in die Altersarmut fallen. Dieser Ansatz sollte im übrigen auch für die Menschen gelten, die sich dazu entschließen, pflegebedürftige Angehörige angemessen zu versorgen und nicht in ein Pflegeheim versorgen zu lassen.

    Die Lösung für die aktuellen Probleme in der Frauenpolitik sollte also nicht lauten: „Lebe wie ein Mann“, sondern „Lebe selbstbestimmt“. Auch wenn das bedeutet, sich nicht einem neoliberalen Verwertungsprozess zu unterziehen, sondern statt dessen einen anderen gesellschaftlichen Beitrag in Form von Erziehung oder Pflege zu leisten. Erst wenn Männer und Frauen sich tatsächlich individuell und vollkommen frei entscheiden können, welchen Lebensweg sie gehen wollen, wird es tatsächlich echte Gleichberechtigung geben. Denn nur eine Gesellschaft, die individuelle Entscheidungen ihrer Mitglieder – egal ob Mann oder Frau, Mutter oder Vater – als gleichwertig akzeptiert, kann sich tatsächlich als modern und aufgeklärt bezeichnen.

  • Martin Schulz liegt daneben: Fachkräfte müssen Fachkräfte bleiben!

    Martin Schulz liegt daneben: Fachkräfte müssen Fachkräfte bleiben!

    Die dreijährige Ausbildung zur Pflegefachkraft in der Altenpflege ist in Nordrhein-Westfalen im Landesaltenpflegegesetz (AltPflG NRW) geregelt und umfasst mindestens 2.100 Stunden theoretischen Unterricht sowie einen praktischen Ausbildungsteil von mindestens 2.500 Stunden. Das Bildungszentrum Nordrhein hat seit dem 8. Februar 2011 einen Kurs zur Demenzbetreuung nach § 53c SGB XI um ein paar Module Grund- und Behandlungspflege erweitert und erlaubt den Absolventen, im Anschluss die Bezeichnung „Fachkraft“ zu tragen. Zusätzlich werden bei einem Fortbildungsanbieter in Siegburg in nur 911 Unterrichtseinheiten sogenannte Fachkräfte Alten-/Krankenpflege ausgebildet. Dies wird sogar vom Arbeitsamt gefördert.

    Die Piratenpartei Deutschland sieht darin ein Ungleichgewicht und eine Verzerrung des Begriffs „Fachkraft“, der langfristig den ausgebildeten Pflegekräften und der Qualität in der Pflege schadet. Piratenpolitiker fordern, dass dieser Zustand dringend durch den Schutz des Begriffes „Fachkraft“ behoben werden muss.

    Fachliche Qualifikation wird unterwandert

    Mehrere Pflegefachkräfte in der Piratenpartei beschweren sich, dass hier mangels gesetzlich klarer Regelungen ihre erworbene Qualifikation unterwandert wird. Wird eine so genannte „Fachkraft Alten-/Krankenpflege“, die in wenigen Unterrichtsstunden ausgebildet wurde, eingestellt, läuft der Arbeitgeber Gefahr, bei Fehlern dieser sogenannten Fachkräfte zur Verantwortung gezogen zu werden. Verantwortlich wären zudem die staatlich examinierten Pflegekräfte, die man ebenso zur Rechenschaft ziehen kann, wenn sie zulassen, dass die Hilfskräfte Vorbehaltsaufgaben wie z.B. die Steuerung des Pflegeprozesses übernehmen.

    Die Heimaufsicht des Rhein-Sieg-Kreises beispielsweise hat bereits signalisiert, dass diese Fachkräfte nicht den gesetzlichen Anforderungen des Wohn- und Teilhabegesetzes NRW genügen. Sie sieht sich aber nicht in der Lage, dem Etikettenschwindel einen Riegel vorzuschieben. Die Mandatsträgerin der Piratenpartei im Kreistag Rhein-Sieg, Anja Moersch bohrt aktuell bei der Kreisverwaltung nach.

    Martin Schulz (SPD) fordert Verschärfung der Situation

    Entgegengesetzt dazu fordern Lobbyisten wie Bernd Meurer vom BPA das Absenken der Fachkraftquote. Skurril: der SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz merkt nicht einmal, dass er ins gleiche Horn bläst, wenn er fordert, dass mehr Hilfskräfte ausgebildet werden. Damit liegt er leider daneben.

    Sandra Leurs, Kandidatin für die Bundestagswahl und Pflegepolitikerin aus Krefeld, ist sauer: „Ich habe im Jahr 2000 mein Examen gemacht. Im Rechtskundeunterricht bekamen wir vermittelt, dass wir uns erst Altenpfleger/in nennen dürfen, wenn wir das Examen bestanden haben. Für dieses Examen bin ich in Teilzeit ausgebildet worden. Das heißt, ich habe eine 25%ige Arbeitstelle in der Pflege wahrgenommen und bin die restlichen 75% zur Schule gegangen. In den 3,5 Jahren habe ich über 2.500 Unterrichtseinheiten absolviert und bin anschließend vom Land NRW geprüft worden. In meinen Augen ist dies Betrug an den professionell Pflegenden und an den zu Pflegenden. Es ist für die Personen irreführend, die nicht offen darüber informiert werden, dass ihre Qualifikation höchstens zu Helfertätigkeiten ausreicht. Und dabei nicht einmal das Niveau des geschützten Berufsbildes Altenpflegehelfer erreicht.“

    Patrick Schiffer, Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland und Spitzenkandidat in NRW, ergänzt: „Langfristig wird dieser Weg über die Rekrutierung von Hilfskräften nicht helfen, mehr ausgebildete Fachkräfte in die Altenpflege zu bekommen. Die nach Recht und Gesetz ausgebildeten Fachkräfte werden nicht ihre Köpfe hinhalten wollen für nur unzureichend geschultes Personal. Und damit werden erneut wirkliche Fachkräfte den Bereich Altenpflege verlassen. Die Politik muss dieser Entwicklung entgegenwirken und hier Klarheit schaffen. Schulz sollte sich vorher informieren, bevor er solche Forderungen vertritt. Das hat mit sozialer Gerechtigkeit nichts zu tun.“

    Piraten: Für menschliche Pflege

    Piraten stehen für menschenwürdige Pflege und haben weitreichende, konkrete und praxisnahe Pläne, wie die Pflege insgesamt gestärkt und die Situation der Pflegenden verbessert werden kann.

  • Helft den Helfenden!

    Helft den Helfenden!

    Am heutigen Tag der Ersten Hilfe ist es Zeit, Danke zu sagen. Ein Dank an die professionellen Lebensretter wie Rettungsassistenten, Sanitäter, Not- und Durchgangsärzte, Pflegekräfte oder Feuerwehrleute, die tagtäglich da draußen sind und ihren Job machen. Danke an die betrieblichen und ehrenamtlichen Ersthelfer, die bei Unfällen sofort zur Stelle sind. Vor allem aber denjenigen, die beherzt helfen, wenn plötzlich direkt vor ihnen ein Fremder jetzt sofort Hilfe braucht. Danke, einfach Danke!

    Warum ist Erste Hilfe so wichtig? Aus dem Wahlprogramm der Piratenpartei:

    „Die Überlebenschancen von Patientinnen und Patienten hängen in Notfallsituationen unmittelbar von der Reaktion beteiligter Bürgerinnen und Bürger ab.“

    Genau diese Bürgerinnen und Bürger müssen wir in die Lage versetzen, das Richtige zu tun. Man gehört ja nicht einfach so zum #TeamRettungsgasse und schüttelt die lebensrettenden Sofortmaßnahmen aus dem hochgekrempelten Ärmel. Viele Leute haben Scheu und trauen sich nicht. Das ist erst einmal nicht verwerflich. Aber statt zu helfen, wird leider oft gegafft oder das Smartphone gezückt. Das gefährdet Menschenleben. Hier braucht es also Bürgerinnen und Bürger mit Zivilcourage, die den Umstehenden klare Ansagen machen. Auch so wird geholfen, Leben zu retten.

    Kannst Du das sein? Bringst Du die bewusstlose Person in die stabile Seitenlage und hast die Herz-Lungen-Wiederbelebung ebenso drauf wie den Heimlich-Handgriff, den Rautek-Rettungsgriff oder die Schocklage?
    Wie lange ist Dein Erste-Hilfe-Kurs her?

    Die Politik darf nicht darauf vertrauen, dass Erste Hilfe einfach so passiert. Sie muss die Rahmenbedingungen schaffen, damit sie selbstverständlich bleibt. Es reicht nicht aus, den Kurs zur Bedingung für den Führerschein zu machen – insbesondere weil immer mehr junge Menschen gar kein Auto mehr brauchen und wir ohnehin bald in autonomen Fahrzeugen sitzen werden. Im gesundheitspolitischen Programm der Piratenpartei haben wir ganz konkrete Vorschläge dazu, die notfallmedizinische Versorgung zu verbessern:

    • Programme zur Förderung von Ersthelfermaßnahmen in allgemein- und weiterbildenden Schulen,
    • Einrichtung und Förderung von Schulsanitätsdiensten auf freiwilliger Basis in Schulen,
    • Förderung der Verbreitung von Defibrillatoren im öffentlichen Raum,
    • Erprobung eines Faches „Gesundheitsbildung“ in Schulen,
    • bessere personelle Ausstattung der Pflegekräfte, für die Erste Hilfe zum pflegerischen Alltag gehört.

    Neben technischen Maßnahmen setzen wir also vor allem auf Bildung und frühzeitigen Bezug zum Thema. Zahlreiche Kommunalpiraten setzen sich zudem vor Ort in den Gemeinderäten und Ausschüssen dafür ein, dass Ersthelferkurse an den Schulen stattfinden, Maßnahmen zum Katastrophenschutz überprüft oder die Zeiten bis zum Eintreffen der Rettungskräfte verkürzt werden. Wir helfen den Helfenden. Mach mit! Denn jede Sekunde ist kostbar, wenn es darum geht, Leben zu retten.

  • Was hat die CDU je für die Pflege getan?

    Was hat die CDU je für die Pflege getan?

    Nach all den Jahren des Nichtstuns geht die Pflege unter der Federführung der Union vor die Hunde. Trotzdem feiern sich die Christdemokraten in einem am 23.06.2017 auf ihrer Webseite geposteten Artikel für ihre angeblich auf diesem Gebiet erreichten Errungenschaften. Diese Jubelproklamation können wir so nicht stehen lassen.

    Punktgenaue Pflege…

    …sei jetzt möglich. Weil endlich ein Pflegebedürftigkeitsbegriff eingeführt worden sei, bei dem der Grund für die Pflegebedürftigkeit keine Rolle mehr spielt. Funfact: Das war bereits seit der Einführung der Pflegeversicherung der Fall.
    Es war immer schon das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit relevant – früher definiert über die Anzahl der Minuten für notwendige Pflegeleistungen. Seit dem 1.1.2017 gilt das Ausmaß der Selbständigkeit als Grundlage für die Pflegegrade. Somit gibt es mehr Leistung, je unselbständiger man ist. Das darf man natürlich nicht als Anreiz verstehen, auf aktivierende Pflege zu verzichten.

    Und noch ‚lustiger‘: Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff war schon 2013 fertig, dem Jahr, das der damalige Gesundheitsminister Phillip Rösler zum „Jahr der Pflege“ ausrief. Es blieb beim Ausruf. Außer einigen Veranstaltungen zum Thema Pflege fanden auf politischer Ebene keine Maßnahmen statt, die die Pflege weiter gebracht hätten. Wer saß damals gleich im Kanzleramt? Eine gewisse Angela Merkel sammelte weitere Erfahrung im Aussitzen des Pflegenotstands.

    Bessere Leistungen für Demenzkranke?

    Aber zurück ins Jetzt: Die CDU habe sogar dafür gesorgt, dass demente Menschen Leistungen der Pflegeversicherung erhalten könnten. Als wäre das vorher unmöglich gewesen! Immer schon konnten Menschen mit Demenz Leistungen nach SGB XI erhalten, wenn sie entsprechende Einschränkungen der Selbständigkeit in den Bereichen Körperpflege, Ernährung und Mobilität hatten. Geändert hat sich lediglich, dass nun auch die Bereiche kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen sowie die Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte als pflegebegründend ergänzt wurden. Zudem wird neuerdings das Ausmaß der medizinisch-therapeutischen Leistungen individuell ermittelt. Wenn man aber durch die Auswirkungen der Demenz nicht ausreichend eingeschränkt ist, erhält man trotz vorliegender Demenz weiterhin keinen Pflegegrad. Und die Demenz muss schon sehr stark ausgeprägt sein, wenn ausschließlich über das Modul 2 (kognitive und kommunikative Fähigkeiten) ein Pflegegrad begründet werden soll.

    Stationäre Pflege weiter auf der Verliererstraße

    Es wird gesagt, dass mehr Geld für gute Pflege ausgegeben würde. Dieses Geld wurde jedoch fast ausschließlich in die ambulante Pflege gesteckt. In der stationären Pflege kommt so gut wie nichts davon an. Ohnehin sorgen die mit dem PSG 2 eingeführten neuen Personalschlüssel defacto für Personalkürzungen. Da die Mittel für die ambulante Pflege, insbesondere für den Pflegegrad 3, massiv aufgestockt wurden, entsteht dort ein zusätzlicher finanzieller Anreiz, um zu Hause zu bleiben. Auch die Umwidmung der Pflegestufen in Pflegegrade hat daran nichts geändert. Sicher, die Idee entspricht dem Grundsatz ambulant vor stationär, führt aber in der Folge dazu, dass Menschen mit geringer und mittlerer Pflegebedürftigkeit, die bisher die stationäre Pflege querfinanziert haben, kaum noch oder gar nicht mehr in die Altenheime kommen. Dies führt zu einer weiteren Arbeitsverdichtung in einem Umfeld, in dem die Akteure ohnehin schon total überlastet sind. Auch bei schwerster Demenz, die immer mit zahlreichen herausfordernden Verhaltensweisen einhergeht, und dabei vorhandener Mobilität des Pflegebedürftigen bleibt aufgrund der zu geringen Anzahl medizinischer Interventionen Pflegegrad 5 de facto unerreichbar.

    Zusätzliches Personal – Wunschdenken vs. Fakten

    Es sei zusätzliches Personal vorhanden. Richtig – immerhin sind 20.000 Betreuungskräfte neu eingestellt worden, die laut CDU Pflegekräfte entlasten und eine persönlichere Betreuung ermöglichen sollen. Betreuungskräfte, denen es nach der Betreuungskräfte-Richtlinie verboten ist, regelmäßig Tätigkeiten zu übernehmen, die zur Grundpflege oder zur Hauswirtschaft gehören. Betreuungskräfte, die nach einem Schlüssel von 1:20 eingestellt werden dürfen, die also nur durch den Nachtdienst bezüglich der Zahl der ihnen zugewiesenen Menschen übertroffen werden. Bei dem bisschen Dienstzeit sind eigentlich nur Personen erreichbar, die an Gruppenangeboten teilnehmen können. Menschen mit dem Lebensmittelpunkt im eigenen Zimmer und fehlender Gruppenfähigkeit drohen da schnell übersehen zu werden. Sehr persönlich, diese Betreuung.

    Die CDU log bei der Änderung der Zuständigkeit von Betreuungsassistenten sogar mit der Behauptung, dass davon Demente besonders profitieren würden. Wie das gehen soll, wenn Leistungen, die bis dahin ausschließlich Menschen mit eingeschränkter Alltagskompetenz (also überwiegend Menschen mit Demenz) vorbehalten waren, seit dem 1.1.2015 auch alle anderen Pflegebedürftigen erhalten, weiß wohl nicht mal Gesundheitsminister Gröhe selbst. Handwerklich schlechter Journalismus führt übrigens fortgesetzt dazu, dass in Meldungen und Artikeln aus den Betreuungsassistenten Pflegekräfte gemacht wurden und werden. Die CDU lässt es zu, dass damit der Bevölkerung Sand in die Augen gestreut wird.

    Kunstgriffe bei der Bestimmung des Pflegegrades

    Was bei dem vielen Gerede um die tolle Versorgung der Demenzkranken außerdem ständig vergessen wird: Das Modul 2, in dem die typischen Einschränkungen einer Demenz abgehandelt werden, macht gerade einmal 15 von 100 maximal erreichbaren Punkten aus. Zudem wird es mit Modul 3, in dem es um psychische Problemlagen und Verhaltensweisen geht, zusammengefasst. Am Ende wird nur das Modul gewertet, das die meisten Punkte bekommt. Bei schweren dementiellen Verläufen kommen häufig die in Modul 3 genannten herausfordernden Verhaltensweisen hinzu. Es gibt bereits bei zwei von 13 genannten Verhaltensweisen, die täglich auftreten, die maximale Punktzahl von 15 Punkten für dieses Modul. Und jetzt der Haken: Kommen weitere Verhaltensweisen hinzu, die besonders personalintensive Betreuung notwendig machen, ändert sich nichts an den Punkten für einen Pflegegrad. Nebenbei wollen einige Gutachter zum Nachweis dieser Verhaltensweisen jede Menge Berichte lesen, die den nötigen Personalaufwand belegen, was dem Gedanken der Entbürokratisierung zuwiderläuft. Es sollen nur Abweichungen in den Pflegebericht eingetragen werden; wenn aber ein Verhalten täglich auftritt, handelt es sich nicht mehr um eine Abweichung.

    Hier rächt es sich zudem, dass nicht, wie vom GKV-Spitzenverband selbst ursprünglich empfohlen, die ausgeprägten motorischen Verhaltensauffälligkeiten mit Selbst- und Fremdgefährdung als besondere Bedarfskonstellation übernommen wurden. Dies würde nämlich wenigstens dort, wo durch das Verhalten schwerstdementer Menschen Gefahren für sie selbst oder andere entstehen, automatisch Pflegegrad 5 bedeuten. Bisher gilt nur, dass Menschen, bei denen ein vollständiger Verlust der Funktion von Armen und Füßen vorliegt, auch dann Pflegegrad 5 erreichen, wenn sie keine psychischen Defizite haben, z.B. bei einer hohen Querschnittslähmung.

    Pflegeausbildung

    Dann wäre da noch die angeblich so moderne Ausbildung. Nach dem Hauen und Stechen um die Generalistik – also die gemeinsame Ausbildung von Gesundheits- und Krankenpflegern, Altenpflegern und Kindergesundheits- und -krankenpflegern – wurde das neue Pflegeberufegesetz so hanebüchen umgesetzt, dass nun Altenpfleger um die Zukunft ihres Berufsbildes fürchten. weil außer ein wenig Schnuppern kaum Einblick in die situationstypischen Gegebenheiten der einzelnen Arbeitsfelder möglich sein wird. Wer als ausgebildeter Altenpfleger die Umstände der eigenen Ausbildung noch vor Augen hat, die unter dem Druck massiver Arbeitsverdichtung stand und kaum in den tariflich vorgesehenen Wochenarbeitszeiten angemessen leistbar war, ahnt, was auf die künftigen Pflegeazubis zukommen wird. Aus den oben beschriebenen Gründen wird der Zeitmangel eher zunehmen.

    Liebe CDU, Eure pflegepolitische Selbstbeweihräucherung ist nichts weiter als plumpe Wählertäuschung. Pflegende, wählt das nicht! Es bleibt dabei: Wer wirkliche Verbesserungen für Pflegebedürftige und Pflegende will, kommt an der Piratenpartei nicht vorbei: Das Programm der Piraten zur Gesundheits- und Pflegepolitik  ist allein deswegen deutlich näher an der Wirklichkeit als die realitätsfernen Beschlüsse der amtierenden Regierung, weil es aktive Pflegende verfasst haben. Diese kennen die Probleme aus leibhaftiger Erfahrung und haben pragmatische Lösungsvorschläge entwickelt. Für eine menschenwürdige und nicht kostenoptimierte Pflege.

     

  • Schützt die Schutzlosen – zum Welttag gegen Diskriminierung und Misshandlung älterer Menschen

    Diskriminierung und Misshandlung haben in Pflege und Seniorenarbeit nichts zu suchen. Da gibt es keine zwei Meinungen. Und doch stößt man immer wieder auf Anzeichen. Menschen werden allein gelassen, nötige Hilfeleistungen werden vorenthalten, Rufe nach Hilfe werden überhört. Diese alarmierenden Zeichen des Pflegenotstands sind Alltag in vielen Häusern, in denen hilfs- und pflegebedürftige Senioren leben.

    Die Gewalt fängt nicht an, wenn einer einen erwürgt.
    Sie fängt an, wenn einer sagt: „Ich liebe Dich: Du gehörst zu mir.“
    Die Gewalt fängt nicht an, wenn Kranke getötet werden.
    Sie fängt an, wenn einer sagt, „Du bist krank, du musst tun, was ich sage.“
    Erich Fried: „Die Gewalt“ in „Um Klarheit“, Berlin 1985

    Dies können Alten- und Pflegeeinrichtungen sein, Häuser des betreuten Wohnens oder ganz normale Wohnhäuser. Denn gepflegt wird überall. Und jeder, der pflegt, fühlt lebhaft, wie schnell man an Grenzen stößt. An die eigenen, wenn körperliche und seelische Belastung überhand nehmen. An die Grenzen der Pflegebedürftigen, zum Beispiel wenn diese sich unvermutet gegen Pflegehandlungen wehren. An die Grenzen des Möglichen, wenn die Finanzierung der Pflegeplätze für so knappes Personal sorgt, dass Notrufklingen minutenlang unbeantwortet rot bleiben müssen. Das alles sind bedenkliche Grenzüberschreitungen. Eine aktuelle Studie des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) zeigt, dass Diskriminierung und Misshandlung nicht nur die Spitzen dieses Eisbergs, sondern relevante Probleme sind. Und dennoch hat das Bundesverfassungsgericht die Klage des Augsburger Heimleiters Armin Rieger gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen der Verletzung der Schutzpflicht Pflegebedürftiger abgewiesen. Weil er selbst nicht betroffen sei und deshalb kein Klagerecht habe.

    Anlässlich des heutigen Welttags gegen Diskriminierung und Misshandlung älterer Menschen stellt die Piratenpartei fest: Das bisherige System stellt eine schreiende strukturelle Ungerechtigkeit dar. Ungerecht gegenüber den Menschen, die mit Grundsicherung auskommen müssen und denen gesellschaftliche Teilhabe verwehrt bleibt, weil sie sich von dem bisschen Geld das Busticket zum Kaffeekränzchen nicht mehr leisten können. Ungerecht gegenüber den Pflegebedürftigen, die durch die politisch bewusst in Kauf genommene Unterfinanzierung der Pflege die Folgen dieser Unzulänglichkeiten am eigenen Leib spüren. Ungerecht gegenüber Pflegenden, die zuhause oder im Heim viel zu wenig Zeit für den einzelnen Pflegebedürftigen haben und darüber hinaus zu wenig Entlastung bekommen – keine ungestörten Pausen, zu wenig Erholung, zum Teil nicht einmal Urlaub.

    Wir fordern eine menschenwürdige Existenz für jeden – ohne Abstriche! Wir stehen für das Recht auf sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe. Um dies für alle sicherzustellen, müssen wir auch für ältere Menschen die Rahmenbedingungen ändern. Als Prävention vor Altersarmut wollen wir ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen. Wir wollen die Rentenkassen dadurch stärken, dass das Solidarprinzip wieder umgesetzt wird und alle Menschen einzahlen. Zur Verbesserung der Situation von Pflegebedürftigen und Pflegekräften haben wir ein Programm für eine menschenwürdige Pflege beschlossen. Wir fordern Pflege- und Betreuungsschlüssel, die Menschenwürde ermöglichen und nicht höchstens eine Versorgung nach dem Motto „satt und sauber“, wobei oft nicht mal das sichergestellt ist. Und nicht zuletzt wollen wir, dass die Praxis der freiheitsentziehenden Maßnahmen in der Pflege weiter wirksam bekämpft wird. Denn Fixierungsgurte und ruhigstellende Medikamente sind nicht nur maßlose Einschränkungen der Freiheit, sondern richten meist auch noch mehr Schaden an, als sie vermeintlich nützen. All dies dient der Gewaltprävention und damit dem Schutz vor Diskriminierung und Misshandlung.

    Die Probleme sind da. Wir dürfen die Augen davor nicht verschließen. Sie werden nicht von alleine weggehen, und irgendwann sind wir alle alt.

    Klarmachen zum Ändern!

  • Menschliche Pflege statt kalter Schulter

    Die eingeführten Änderungen durch die Pflegestärkungsgesetze 2 und 3 lassen die Pflegefachkräfte weiterhin im Regen stehen. Statt der versprochenen Verbesserungen führen reduzierte Personalschlüssel in der stationären Pflege sogar zu Personalkürzungen.

    Am heutigen Tag der Pflege warten Pflegefachkräfte in ganz Deutschland weiterhin auf die immer wieder von der Politik versprochenen Verbesserungen. Die zu Jahresbeginn durch die Pflegestärkungsgesetze 2 und 3 eingeführten Änderungen lassen die Pflegefachkräfte auch künftig im Regen stehen. Statt der vollmundig versprochenen Verbesserungen führen reduzierte Personalschlüssel in der stationären Pflege sogar zu Personalkürzungen – in Zeiten des Pflegenotstands das völlig falsche Signal.

    Kein Wunder, dass Pflegefachkräfte in ganz Deutschland längst ihren Protest lautstark kundtun. Es gibt Pflege am Boden, Pflege in Bewegung, den Careslam, die bundesweite Gefährdungsanzeige und viele weitere kreative Formen des Protests.

    PIRATEN hören zu

    Viele von uns sind selbst Pflegefachkräfte und kennen die herausfordernden Umstände seit langem aus eigener Erfahrung. Wir reden daher nicht beschwichtigend mit den Pflegeaktivisten, sondern protestieren gleich mit. Wir haben schon länger ein Auge auf die Pflege und geben ihr eine Stimme. In zehn Videos der Reihe „Pflegefall“ zeigen wir beispielhaft auf, womit sich Pflegekräfte in ganz Deutschland herumschlagen müssen. Und weil Pflegefachkräfte am besten wissen, was in der Pflege verbessert werden muss, haben wir auch das pflegepolitische Programm für die Piratenpartei geschrieben.

    Das smarte und gerechte Programm „Für eine menschenwürdige Pflege“ aus dem Programm der NRW-PIRATEN zur Landtagswahl am 14.5.2017 wurde aus guten Gründen in das Wahlprogramm der PIRATEN zur Bundestagswahl 2017 größtenteils übernommen. Wir freuen uns, dass unsere Vorschläge für eine menschliche Pflege bei Pflegeaktivisten gut ankommen und ausdrücklich gelobt werden. Bei Podiumsdiskussionen werden u.A. Äußerungen unserer Pflegepolitikerin Sandra Leurs begeistert aufgenommen.

    Aber was fordern wir PIRATEN nun konkret?

      • Mehr Qualität in der Pflege durch adäquate Ausbildung
      • Vermeidung von Abrechnungsbetrug durch ausgeweitete Prüfungskompetenzen und Pflicht zur Gemeinnützigkeit
      • Einführung eines wissenschaftlich fundierten Personalschlüssels
      • Verringerung von Verwaltungsaufwand und Bürokratie
      • Bessere soziale Absicherung von privaten Pflegepersonen
      • Anhebung des Lohnniveaus
      • Sanktionen gegen Arbeitgeber bei Verstößen gegen die Regelungen zu maximaler Wochenarbeitszeit und Ruhezeiten
      • Pflege ohne freiheitsentziehende Maßnahmen
      • Basisdemokratisch legitimierte Pflegekammern

    Die PIRATEN werden weiter Druck machen. Wir stehen fest an der Seite der Menschen, die ihre ganze Kraft und ihr Engagement dafür verwenden, die Lebenssituation anderer Menschen zu verbessern. Für eine menschenwürdige Pflege müssen PIRATEN in die Parlamente – denn vom Reden alleine wird der Pflegenotstand nicht beseitigt.

  • Das Pflegestärkungsgesetz (PSG) – eine Verschlimmbesserung in drei Akten

    Im Januar trat die dritte Stufe des Pflegestärkungsgesetz (PSG) in Kraft. Es sollte ursprünglich dazu dienen, die Situation von Pflegebedürftigen, deren Angehörigen und Menschen, die in der Pflege arbeiten, zu verbessern. Tatsächlich aber regt sich vielerlei berechtigte Kritik, die den Lobgesang von Minister Hermann Gröhe zu übertönen beginnt. Anlässlich des deutschen Pflegetages stellen wir uns ebenfalls die Frage nach der Situation der Pflege.

    Bereits jetzt, kaum 3 Monate nach Einführung der 3. Stufe kommen die Institutionen, die mit dem Pflegestärkungsgesetz in Berührung kommen, kaum mit der Aufarbeitung nach. Sowohl Kranken- als auch Pflegekassen können den Berg an Umstellungs-Vorgängen der früheren Pflegestufen auf die neuen Pflegegrade nur schwer bewältigen. Die persönliche Begutachtung von Menschen, insbesondere auch der Demenzerkrankten kann nicht durch automatisierte Algorithmen erfolgen, sondern nur durch geeignet geschultes Personal. Dies kostet natürlich zusätzlich Zeit. Es drängt sich zudem die Frage auf, ob Menschen mit körperlichen Einschränkungen möglicherweise nun schlechter gestellt werden. Dies wird aktuell kontrovers diskutiert.

    Nach der Einstufung in einen Pflegegrad besteht der Anspruch auf geeignete Hilfs- und Betreuungsangebote. Doch sowohl Tagesklinikplätze als auch Kurzzeitpflegeplätze sind viel zu oft Mangelware. Seit der Einführung der Fallpauschalen nach Diagnose bezogener Fallgruppen (DRG) ist zu beobachten, dass ältere Patienten scheinbar auch immer schneller aus dem Krankenhaus entlassen werden. Die Anschlusspflege zu leisten ist für Angehörige oft eine kaum zu bewältigende Belastung, zeitlich, finanziell und psychisch. Der Mangel an Unterbringungsmöglichkeiten bis zur vollen Genesung ist erheblich. Sofortige Hilfe bekommen Betroffene nur, wenn sie voraussichtlich länger als 6 Monate hilfebedürftig sind.

    Der demografische Wandel sorgt dafür, dass in den nächsten 15 Jahren voraussichtlich doppelt so viele Menschen pflegebedürftig sein werden, ein großer Teil davon mit multimorbiden Krankheitsbildern. Es fehlen aber bereits jetzt Nachwuchskräfte.

    „Das Gesundheits- und vor allem das Pflegesystem brauchen deshalb schnell Veränderungen, die nachhaltig greifen. Ein Pflegenotstand, nicht nur, aber gerade in ländlich geprägten Gebieten gefährdet Menschenleben!“

    so die Altenpflegerin Sandra Leurs.

    Ein anderer großer Aspekt ist die personelle Ausstattung der Einrichtungen. Steigende Betreuungsschlüssel führen zur schleichenden Überforderung des Stammpersonals. Die Zeit für den einzelnen Patienten schrumpft und der zu pflegende Mensch verkommt zu einer abzuarbeitenden „Task-Nummer“.

    „Die Gesundheit und Pflege von Menschen darf keine Ware sein. Auf dem Rücken der Pflegekräfte Gewinnmaximierung zu betreiben, Kranke und ihren Krankheitsverlauf abrechnungskonform optimieren zu wollen, das ist einfach nur unmenschlich und zutiefst abzulehnen!“

    so Anja Hirschel.

     

    Apropos: Im Vergleich zu Schweden mit 2,2 % investiert Deutschland gerade einmal 0,15% des BIP in den Pflegesektor. Das gibt zu denken.