Schlagwort: Polizei

  • Server-Beschlagnahmung: Piratenpartei legt Beschwerde ein

    Server-Beschlagnahmung: Piratenpartei legt Beschwerde ein

    +++ Justiz missachtet Parteienschutz des Grundgesetzes +++ PIRATEN vermuten Verstoß gegen gesetzliche Kontrollpflicht +++

    Im Zuge der Ermittlungen zum G7-Leak wurden die Daten von zwei Servern der Piratenpartei beschlagnahmt. Die Partei verurteilte das Vorgehen von Polizei und Staatsanwaltschaft auf das Schärfste und geht nun juristisch dagegen vor.

    „Das Vorgehen ist in vielen Hinsichten skandalös. Die Ermittlungsbehörden und das Amtsgericht München haben sich unseres Erachtens eine Menge eklatanter Fehler geleistet. Der Beschluss und die folgende Beschlagnahme sind extrem fragwürdig – sowohl inhaltlich als auch formell. Unter anderem wurden Daten beschlagnahmt, welche eindeutig nichts mit den Ermittlungen zu tun haben,“

    kritisiert Anne Herpertz, Bundesvorsitzende der Piratenpartei Deutschland.

    „Die gesamte Aktion ist unverhältnismäßig. Am schlimmsten ist jedoch, dass das Gericht nicht berücksichtigte, dass bestimmte Daten besonders schützenswert sind und die Piratenpartei unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes steht – besonders gegenüber Organen der Exekutive! Die politische Dimension dieses Vorgangs ist immens, das Gleiche könnte jeder anderen politischen Partei jederzeit passieren. Deshalb fordern wir die Aufhebung des Beschlagnahmebeschlusses sowie das Löschen der erhobenen Daten.“

    Die Staatsanwaltschaft selbst kommentiert die Vorwürfe laut Medienberichten nicht. Aufgrund von bestimmten Formulierungen im Beschluss drängt sich zudem der Verdacht auf, dass das Gericht den Antrag der Staatsanwaltschaft inhaltlich ungeprüft übernommen hat. Damit hätte das Gericht gegen seine gesetzliche Kontrollpflicht verstoßen.

    Für Herpertz und die PIRATEN besonders alarmierend:

    „Die fehlende Berücksichtigung unseres besonderen Schutzes als demokratische Partei ist ein fatales Zeichen. Unser Fall ist bereits ein Skandal an sich; doch bleibt darüber hinaus zu befürchten, dass es sich um die Spitze des Eisbergs tiefgreifender Missstände im Justizsystem und den Ermittlungsbehörden handelt.“

    Die Piratenpartei hat Beschwerde (§ 304ff StPO) gegen den Beschluss des Amtsgerichts München bezüglich der Hausdurchsuchung eingelegt. Der betreffende Beschluss darf derzeit sowohl aus strafrechtlichen (§353d StGB) als auch verfahrenstaktischen Gründen leider nicht veröffentlicht werden. Die Piratenpartei wird aber über das Ergebnis des Verfahrens informieren.

  • Nach G7-Leak: Polizei legt öffentliche Piratenpartei-Infrastruktur lahm

    Nach G7-Leak: Polizei legt öffentliche Piratenpartei-Infrastruktur lahm

     

    Nachdem als vertraulich eingestufte Dokumente der Polizei zum G7-Einsatz von 2015 und dem damaligen Sicherheitskonzept auf der Plattform Indymedia geleakt wurden [1], hat die Polizei im Auftrag der Staatsanwaltschaft München am Mittwoch zwei Server der Piratenpartei Deutschland zur Beweissicherung beschlagnahmt und dadurch einen öffentlichen Dienst lahmgelegt.

    Zur Veröffentlichung der geheimen Dokumente wurde unter anderem die CryptPad-Instanz der Piratenpartei genutzt, über die öffentlich und kostenfrei Dokumente geteilt werden können. Der Serverhoster Hetzner wurde ebenfalls über die Ermittlungen in Kenntnis gesetzt und nahm daraufhin die Server vom Netz. Im Vorfeld dieser Maßnahme, in der die Piratenpartei als Dritte benannt wird, gab es keine Anfrage zur Kooperation und Herausgabe der gesuchten Daten, sondern direkt einen Beschlagnahmungsbeschluss. Damit die Server nicht physisch beschlagnahmt werden und ein langer Ausfall verschiedener Dienste vermieden wird, entschied sich der Bundesvorstand der Piratenpartei notgedrungen, eine Kopie der Server zur Verfügung zu stellen. 

    Anne Herpertz, Vorsitzende der Piratenpartei, kritisiert das Vorgehen: 

    „Die Härte dieses Vorgehens ist für uns unverständlich. Statt auf uns zuzugehen hat uns die Polizei direkt die „Pistole auf die Brust“ gesetzt: die Server mussten vom Netz genommen und uneingeschränkt alle Daten herausgegeben werden – oder die Server wären mitgenommen worden.“

    In Folge der Beweissicherung waren die Dienste auf den Servern mehrere Stunden nicht erreichbar. Die Piratenpartei betreibt die zweitgrößte CryptPad-Instanz direkt nach CryptPad selbst.

    „Bei dieser Größe verlassen sich nicht nur Parteimitglieder, sondern auch viele Privatpersonen und NGOs darauf, dass der Dienst zuverlässig angeboten wird.“

    Der Beschluss betrifft jedoch nicht nur den Server, auf dem das beanstandete CryptPad lag, sondern auch einen weiteren Web-Server der Piratenpartei.

    „Es ist überhaupt nicht nachvollziehbar, warum die Staatsanwaltschaft veranlasst hat, die Daten von dem unbetroffenen Web-Server abzugreifen. Dort liegen unter anderem sensible Mitglieder-Daten. Für uns ist das anlassloses Datensammeln der Strafverfolgungsbehörden in verheerendem Ausmaß!“

     so Herpertz weiter. 

    Derzeit überlegt die Partei, gegen den Beschluss Beschwerde einzulegen und informiert in Kooperation mit dem Datenschutzbeauftragten die Betroffenen über den Abfluss der Daten.

    Doch der Irrsinn hinter der Aktion geht noch weiter:

    Der Generalsekretär der Piratenpartei, Stephan Erdmann erklärt:

    „Durch die Verschlüsselung der einzelnen CryptPads kann die Polizei mit den gesicherten Daten faktisch nichts anfangen. CryptPad ist ein mit EU-Fördermitteln entwickeltes Zero-Knowledge-Projekt. Grundsätzlich ist es so konzipiert, dass Informationen bezüglich Nutzerdaten und Inhalten auch von administrativer Seite aus nicht festgestellt werden können. Das hätte die Polizei auf Nachfrage in wenigen Minuten erfahren können.“

    Dr. Patrick Breyer, Europaabgeordneter der Piratenpartei ergänzt:

    „Die nicht zielführende Beschlagnahmeaktion passt ins Bild allgemein tiefer Grundrechtseinschränkungen am Ort des Gipfels. Ein Ort wird lahmgelegt, friedliche Demonstrationen weitestgehend verboten, Grenzkontrollen wieder eingeführt, vermutlich massenhaft Kfz-Kennzeichen gespeichert und mit Überwachungstechnologie wie Drohnen und fehleranfälliger Gesichtserkennung gearbeitet. Auf der Grundlage des maximal repressiven bayerischen Polizei- und Versammlungsrechts wird ein Ausnahmezustand geschaffen, der Grundrechte missachtet. In einer Demokratie sollten wir den Mächtigen mit einem gesunden Misstrauen begegnen, nicht der Staat seinen Bürgern mit Generalverdacht.“

    In den kommenden Tagen wird die Piratenpartei weitere Informationen veröffentlichen und dazu Stellung beziehen, in welchem Umfang Daten von den Ermittlungsbehörden abgegriffen wurden und welche weiteren Maßnahmen daraus folgen.

     

    Quellen:

    [1] Artikel der Tagesschau zum Leak: https://www.tagesschau.de/inland/g7-gipfel-leak-101.html

  • PIRATEN kritisieren Stammbaumforschung der Stuttgarter Polizei

    PIRATEN kritisieren Stammbaumforschung der Stuttgarter Polizei

    Die Stuttgarter Polizei überprüft nach Angaben des Polizeipräsidenten Franz Lutz im Rahmen der Ermittlungen zu den Ausschreitungen am 21. Juni in Stuttgart auch die Stammbäume der Tatverdächtigen.
    Dieses Vorgehen trifft nicht nur im Gemeinderat der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart auf Kritik. Auch der Landesdatenschutzbeauftragte Stefan Brink hält diese Art der Ermittlungen zumindest für fragwürdig.

    Jens Lauer, der Sprecher des Polizeipräsidiums Stuttgart, begründet das Vorgehen mit dem öffentlichen Interesse an den Ausschreitungen. Es würden Fragen gestellt wie: Wer waren die Täter? Politische Gesinnung, Geschlecht, Nationalität, Migrationshintergrund oder nicht? Letzteren sähe die Polizei per Definition bei „einem Elternteil ohne deutsche Staatsbürgerschaft“ erfüllt.

    „Dieses Vorgehen der Polizei ist ungeheuerlich. Inmitten der Debatte über ein Rassismusproblem der Polizei wird hier in Stuttgart gezeigt, wie verfestigt Vorurteile gegen Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft bei Ermittlungen sind.“

    kommentiert der Landesvorsitzende der Piratenpartei Baden-Württemberg und Generalsekretär der Piratenpartei Deutschland Borys Sobieski.

    „Und wenn, wie von Herrn Lutz angegeben, ebenfalls die Stammbäume der Tatverdächtigen mit deutschem Pass geprüft werden, so muss man sich fragen, was dies zur Aufklärung beitragen kann. Die Zeiten, in denen in Deutschland Menschen nach ihrem Stammbaum beurteilt wurden, sind vorbei. Wer das nicht versteht, kann nicht länger Polizeipräsident bleiben.“

    so Sobieski weiter.

  • Kriminalpolizei speichert EU-Spitzenkandidaten wegen Demonstrationsanmeldung gegen Rassismus und Sexismus in der Polizei

    Kriminalpolizei speichert EU-Spitzenkandidaten wegen Demonstrationsanmeldung gegen Rassismus und Sexismus in der Polizei

    Die Kieler Kriminalpolizei hat den damaligen Landtagsabgeordneten und heutigen Spitzenkandidaten der Piratenpartei zur Europawahl Patrick Breyer wegen einer Demonstrationsanmeldung kriminalpolizeilich erfasst und jahrelang gespeichert. Nach Mitteilung des Landeskriminalamts wurde Breyers Anmeldung einer Demonstration gegen Rassismus und Sexismus in der Landespolizei von dem für politisch motivierte Kriminalität zuständigen Staatsschutz-Kommissariat eingetragen.

    Breyer hatte 2016 aufgedeckt, dass das Kieler Innenministerium frauenfeindliches und rassistisches Verhalten von Polizeianwärtern vertuscht hatte. Weibliche Polizeianwärterinnen sollen u.a. mit Worten und Gesten sexuell beleidigt, Polizeianwärter mit Migrationshintergrund als “Kanacke” und “Kümmeltürke” bezeichnet worden sein. Per Whatsapp hatte ein Polizeianwärter geäußert, er hätte Lust, „mit der MP auch mal in eine Moschee reinzustürmen“. Weil die verantwortlichen Polizeianwärter 2016 trotz dieser Verfehlungen in den Polizeidienst übernommen werden sollten, meldete Breyer vor dem Ort der geplanten Ernennungsfeier eine „Demo gegen Rassismus und Sexismus in der Landespolizei“ an. Dies führte zu seiner kriminalpolizeilichen Erfassung durch das für politisch motivierte Kriminalität zuständige Kieler Staatsschutz-Kommissariat mitsamt Angaben zu der angemeldeten Demonstration.

    Nachdem der wachsende öffentliche Druck zur Verschiebung der Ernennung führte, wurde die Demonstration wenige Tage später abgesagt. Gelöscht wurde Breyers Eintrag aber erst, als dieser Ende 2018 Auskunft über zu seiner Person gespeicherte Daten verlangte. Nur dadurch erfuhr der Bürgerrechtler von dem Vorgang. Er hat nun eine Beschwerde darüber beim Landesdatenschutzzentrum eingereicht.

    „Ich erwarte eine Erklärung dafür, warum das für politisch motivierte Kriminalität zuständige Staatsschutz-Kommissariat 5 mich erfasst hat. Es hat mit der Begleitung von Versammlungen nichts zu tun“

    kritisiert Breyer.

    „Wegen der Versammlungsfreiheit halte ich die jahrelange kriminalpolizeiliche Speicherung der Anmelder einer Demonstration für hochproblematisch. Das kann Personen davon abschrecken, Demos anzumelden. Spätestens nach Absage der Demo hätte die weitere Speicherung in dieser LKA-Datei nicht erfolgen dürfen. Da ich als Bürgerrechtler im Landtag damals die polizeiliche Überwachung in vielerlei Hinsicht kritisch begleitet habe, ist diese Registrierung besonders fragwürdig. Das Landeskriminalamt hat in jener Zeit beispielsweise schon zum Anlass für Ermittlungen genommen, dass ich einen polizeikritischen Artikel des BILD-Blattes verlinkt hatte.“

    Breyer empfiehlt, Datenauskünfte bei Polizei und Verfassungsschutz einzuholen, beispielsweise mithilfe eines im Internet verfügbaren „Auskunftsgenerators“.

    Datenauskunft des Landeskriminalamts vom Dezember 2018

  • Digitaler Ermittlungsnotstand bei der Polizei

    Digitaler Ermittlungsnotstand bei der Polizei

    Die Initiative Nachrichtenaufklärung e.V. hat die unzureichenden polizeilichen Kapazitäten bei der Ermittlung von Cyber-Kriminalität in die „Top Ten der vergessenen Nachrichten 2019“ gewählt. Während polizeiliche Lobbyverbände für verfassungsrechtlich umstrittene Befugniserweiterungen und Zugriffsmöglichkeiten auf Rechner von Verdächtigen plädierten, deuteten parlamentarische Anfragen auf personelle Engpässe und Mängel in der Alltagsaustattung der Ermittlungsbehörden hin. Die Folge: Ermittlungen beispielsweise wegen Kinderpornografie würden aus Mangel an Beweisen eingestellt, Delikte verjährten und die Täter kämen ohne Strafe davon.

    Die Initiative Nachrichtenaufklärung bezieht sich auf Recherchen, die Dr. Patrick Breyer, der heutige Spitzenkandidat der Piratenpartei zur Europawahl, als Landtagsabgeordneter über die teils jahrelange Dauer der Auswertung von Datenträgern angestellt hat.

    Breyer kommentiert:
    „Während Innenpolitiker mithilfe einer Flut von Überwachungsgesetzen immer mehr über uns wissen wollen, kommen Ermittler dem Vernehmen nach schon mit der Auswertung der Datenträger, die aufgrund eines konkreten Verdachts sichergestellt worden sind, teils nicht hinterher. Mitunter müssen wegen des Verdachts auf Kinderpornografie beschlagnahmte Datenträger wegen Verjährung sogar unausgewertet zurückgegeben werden. Statt immer weiter an der Überwachungsschraube zu drehen, müssen die Innenminister das Know-How, die Technik und das Personal für gezielte Ermittlungen im Netz bereitstellen.“

    Meldung der Initiative Nachrichtenaufklärung

    Wie konkret Abhilfe geschaffen werden könnte, beschreibt Breyer in einem Beitrag für den Richter- und Staatsanwaltstag 2014.

    Überwachung, Nachrichtenaufklärung e.V., Polizei

  • PIRATEN demonstrieren gegen die Verschärfung der Polizeigesetze

    PIRATEN demonstrieren gegen die Verschärfung der Polizeigesetze

    Am kommenden Samstag demonstrieren PIRATEN in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gegen die neuen Polizeigesetze in den Ländern.

    In Düsseldorf gehen die PIRATEN NRW gemeinsam mit allen Unterstützern des Bündnisses „Polizeigesetz NRW stoppen“ auf die Straße.

    wann: 08. Dezember ab 13:00 Uhr
    wo: DGB Haus in Düsseldorf, Friedrich-Ebert-Str. 34

    Bereits im Juli demonstrierten über 20.000 Menschen in der Landeshauptstadt gegen die geplanten Verschärfungen der schwarz-gelben Regierung. Die von Innenminister Reul versprochenen Verbesserungen beinhalten nach wie vor die Überwachung von Handys und Laptops mit Trojaner-Software, Schleierfahndung und permanente Überwachung im öffentlichen Raum, Taser-Einsatz, Kontaktverbote, Hausarrest und wochenlanges Einsperren ohne Rechtsbeistand, nur auf Grund von Vermutungen.

    Auch in Niedersachsen wurde die Verabschiedung des neuen Polizeigesetzes verschoben – aufgrund der massiven Bedenken des juristischen Dienstes des Landtages, der weite Teile des Gesetzes als verfassungsrechtlich problematisch oder gar verfassungswidrig einstuft. Hier waren es rund 15.000 Kämpfer für die Freiheit, die sich vor drei Monaten in Hannover versammelten. Die Probleme sind ausgesprochen ähnlich zum NRW-Gesetz, man könnte sagen, die Regierenden haben voneinander abgeschrieben.
    Deshalb ruft das „Bündnis #noNPOG – Nein zum niedersächsischen Polizeigesetz“ zu einer weiteren Großdemonstration in Hannover auf.

    wann: 08. Dezember ab 13:00 Uhr
    wo: Opernplatz, Hannover

    Die Piratenpartei tritt seit ihrer Gründung als Verteidigerin der Grundrechte auf. Mit unseren fortgesetzten Aufrufen, gegen die in vielen Bundesländern verschärften Polizeigesetze zu demonstrieren, verteidigen wir gemeinsam in Bündnissen mit vielen anderen Organisationen unsere Freiheit gegen Gesetzentwürfe, die unter dem Deckmantel der „Terrorismusgefahr“ weitreichende Einschnitte in die Grundrechte vorsehen.

    Weitergehende Informationen:
    Bündnisseite Polizeigesetz NRW stoppen: https://polizeigesetz-nrw-stoppen.de/
    Bündnisseite #noNPOG – Nein zum niedersächsischen Polizeigesetz: https://nonpog.de/

  • PIRATEN starten Petition gegen Polizeigesetz Baden-Württemberg

    Baden-Württemberg hat eines der schärfsten Polizeigesetze Deutschlands – und die CDU möchte es noch weiter verschärfen. Bereits jetzt dürfen intelligente Videoüberwachung sowie Telekommunikationsüberwachung durch Trojaner eingesetzt werden. Innenminister Strobl will dies noch um Online-Durchsuchung und Unendlichkeitshaft ergänzen.
    PIRATEN fordern: Keine weitere Verschärfung des Polizeigesetzes! Rücknahme der Änderungen aus der Verschärfung 2017!

    Petition unterzeichnen

    Die Piratenpartei Baden-Württemberg kritisiert die Landesregierung für das 2017 eingeführte Polizeigesetz, sowie die geplante Verschärfung und der damit verbundenen weiteren Aushöhlung der Grundrechte. Die Piraten verlangen nun einen Richtungswechsel der Landesregierung, wollen die geplanten Änderungen kippen und das Polizeigesetz rückabwickeln. Für diese Zwecke haben sie unter www.bw-trojaner.de eine entsprechende Petition gestartet. Mit einem passenden Video soll die Problematik verständlich erläutert werden.

    „Die drei großen Probleme sind die sogenannte ‚Intelligente Videoüberwachung‘, der Einsatz von Trojanern und die verdachtsbasierte Inhaftierung. Diese tiefen Grundrechtseingriffe sorgen für ein nie dagewesenes Ausmaß der Überwachung!“Michael Knödler, Landesvorsitzender der Piratenpartei Baden-Württemberg.

    Bereits im aktuellen Polizeigesetz ist die Überwachung der Telekommunikation verankert, ein neuer Entwurf aus dem Innenministerium beinhaltet jetzt auch die Erweiterung auf die Online-Durchsuchung.

    „So darf nicht mehr nur die laufende Kommunikation mitgelesen werden, sondern auch alle dauerhaft auf dem Gerät gespeicherten Daten . Hierfür werden Sicherheitslücken der Hersteller gezielt ausgenutzt, um ein Schadprogramm einzuschleusen. Der Staat informiert die Hersteller nicht über Probleme und geht so das Risiko ein, anderen Schadprogrammen ebenfalls den Weg in das System zu ebnen,“ führt Knödler genauer aus.

    Der Innenminister plant weiterhin, auch die intelligente Videoüberwachung auszubauen und flächendeckend einzusetzen. Wie kürzlich erst berichtet, wird in Baden-Württemberg Mannheim hierbei als Pilotprojekt dienen.

    „Ein Algorithmus wird nach den Wünschen Strobls zukünftig verdächtige Personen automatisch erfassen, markieren und unter Beobachtung setzen. Das ist ein massiver Eingriff in unsere Freiheit, denn die vollautomatischen Systeme werden kein Auge mehr von einem lassen, wenn sie nur einen Ansatz an Verdacht erkennen.“

    Die Fehleranfälligkeit solcher Analysen zeigte sich bereits bei einem Test am Berliner Südkreuz. Erkennungsraten von 20% und Fehlalarme von 0,1% führen zu tausenden falschen Verdächtigungen und nicht erkannten Personen bei flächendeckendem Ausbau. Die großflächige Videoüberwachung lehnt die Piratenpartei schon seit ihrer Gründung ab, eine angeblich intelligente Auswertung dieser Aufnahmen verschärft die Problematik aber ungemein .

    Zusammenfassend zeigt sich der Gesetzentwurf laut der Piratenpartei nicht nur als Angriff auf die Grundrechte der Bürger, sondern auch als Versagen der Politiker, uns vor eben diesen Angriffen zu schützen.

    „Wir überlassen dem Staat das Gewaltmonopol, damit er uns schützt, und nicht unsere Freiheit durch pauschale Überwachung einschränkt. Genausowenig sorgt der Staat für unsere Sicherheit, wenn er Sicherheitslücken in unseren elektronischen Systemen nicht schließt, sondern sogar absichtlich Löcher in unserer digitalen Infrastruktur offenhält. Das ist nicht nur für uns privat ein Risiko, sondern auch für Verkehrsbetriebe, Stadtwerke und Krankenhäuser, wo es um Menschenleben geht. Wir fordern daher die Regierung auf, unsere Grundrechte nicht weiter zu beschneiden. Wir verurteilen dies aufs schärfste. Sollte es tatsächlich zu einer Ausweitung des Maßnahmenkatalogs kommen, so werden wir eine Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht veranlassen“Sebastian Alscher, Bundesvorsitzender der Piratenpartei

    Weitergehende Informationen

  • Psychisch krank in Bayern – dreht der Gesetzgeber durch?

    Psychisch krank in Bayern – dreht der Gesetzgeber durch?

    Gestern wurde im bayrischen Landtag mit 90 zu 68 Stimmen in dritter Lesung die Neufassung des Polizeiaufgabengesetzes (PAG) verabschiedet. Es gilt als Blaupause für die Verschärfung vieler weiterer Polizeigesetze in den einzelnen Bundesländern (u.a. Nordrhein-Westfalen und Sachsen).
    Unsere Gastautorin Andrea Martina hat sich eingehend mit dem PAG, aber auch mit dessen „Schwestergesetz“ beschäftigt:

    Nach der Kreuzigung folgt doch eigentlich die Auferstehung? Dem scheint nicht so im „christlichen“ Bayern…

    Als ersten Streich überraschte der neue Ministerpräsident Markus Söder seine Landesbürger mit einer Wiederbelebung der doch eigentlich längst abgehakten Kreuzesdebatte in öffentlichen Räumen. Nun tritt er in der Gesetzgebung das Erbe seines Vorgängers Horst Seehofer an: geplant sind die Installierung eines rigorosen Polizeiaufgabengesetzes (PAG) sowie die Neuauflage des Bayerischen Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes (BayPsychKHG).

    Nach Bekanntwerden der geplanten Änderungen der Staatsregierung im BayPsychKHG im April schlugen die Wellen hoch. Man soll immer mit dem Positiven beginnen, also sei hier der einzige ausgesprochen positive Bestandteil des Gesetzentwurfes zuerst genannt: ein rund um die Uhr erreichbarer Krisendienst für Betroffene von psychischen Erkrankungen soll flächendeckend ausgebaut werden.

    Erste Pläne, die zwischenzeitlich etwas abgemildert wurden, sahen die Einführung einer Unterbringungsdatei vor, in der wesentliche medizinische Daten aller Patienten in psychiatrischen Kliniken Bayerns fünf Jahre lang gespeichert werden. Diese Datei sollte der bayerischen Polizei zugänglich gemacht werden. Nach den ersten großen Protesten sollen Patientendaten nun „nicht mehr für Jahre gespeichert werden“, unklar bleibt aktuell jedoch, für welchen konkreten Zeitraum. Klar ist im Gegensatz dazu, dass der Polizei nur noch Informationen zugeteilt werden über Menschen, die zwangsweise in einer Psychiatrie untergebracht wurden oder nachweislich als gefährlich gelten [3]. Fraglich ist im Moment jedoch auch, nach welchen Kriterien eine Person als „nachweislich gefährlich“ gilt.

    Zudem wurde im ersten Entwurf der Umgang mit psychisch Erkrankten ähnlich gestaltet wie im Maßregelvollzug. Diese drohende Stigmatisierung kann wohl abgewendet werden; denn mehrfach wurde im gesellschaftlichen Diskurs darauf hingewiesen, dass eine psychische Erkrankung nie und nimmer dem Charakter eines kriminellen Straftäters gleichgesetzt werden darf. Das ist kontraproduktiv und führt nicht zu einem gewünschten offeneren Umgang mit Depressionen & Co., welcher in unserem gemeinschaftlichen Zusammenleben so dringend notwendig ist! Eine Online-Petition, die von mehr als 106.000 Personen unterzeichnet wurde, bringt diesen Sachverhalt auf den Punkt: „Psychisch kranke Menschen brauchen Hilfe, jemanden, dem sie vertrauen können, nicht die Angst im Nacken (- nur weil jemand meint, man wäre auffällig -) weggesperrt zu werden„.

    Knappe zwei Wochen nach Bekanntmachung des BayPsychKHG-Entwurfs erfolgte eine Anhörung von mehreren Experten im Bayerischen Landtag. Diese öffentliche Veranstaltung sorgte für reges Interesse und zahlreiche Besucher lauschten den Ausführungen diverser Sachverständiger u.a. aus der Bereichen: Psychiatrie-Erfahrene und Angehörige von Betroffenen, Ärzteschaft, Polizei, Justiz, Datenschutz und Politik.

    Im Ohr geblieben ist die Formulierung eines Experten – ein Polizeidirektor, der leider immer wieder von „psychisch Gestörten“ sprach. „Gestört“ ist eine Abwertung und wird einem respektvollen Umgang mit psychisch beeinträchtigten bzw. erkrankten Menschen nicht gerecht. Anhand der Wortwahl des Polizeidirektors zeigt sich die große Gefahr: wenn es wirklich so weit kommt und die bayerische Polizei gesetzlich wesentlich mehr uneingeschränkte Befugnisse erhält, Betroffene zu stigmatisieren und systematisch abzuwerten.
    Sei es nun im BayPsychKGH oder auch in Bezug auf das Polizeiaufgabengesetz – die Polizei ist immer nur der ausführende Arm der Gewaltenteilung innerhalb eines demokratischen Rechtssystems. Damit dürfen ihr nicht zu viele Kompetenzen übertragen werden. Am Beispiel von psychischen Erkrankungen wird hier klar, dass auch schon sprachlich ein äußerst sensibler Umgang mit heiklen Problematiken erforderlich ist. Im Allgemeinen dürfte das auch jeden noch so verantwortungsbewussten Polizisten wohl überfordern.

    Die bayerische Polizei darf und soll für Sicherheit im Freistaat sorgen. Doch auf gar keinen Fall ist es angebracht, Polizisten zuzumuten, bei der Warnung „drohende Gefahr“ aus irgendeiner Quelle im absoluten Alleingang legal tätig zu werden. Die Polizei ist für konkrete Gefahren zuständig. Für alle anderen Möglichkeiten und Eventualitäten soll sich die bayerische Staatsregierung doch bitte die Mühe machen, detailliert und differenziert abzuwägen, welche anderen Stimmen und Interessensvertreter wichtige Informationen zur Klärung eines bestimmten Sachverhaltes beitragen können.
    Eine Hau-Drauf-Politik mit Polizeigewalt in Eigenregie kann nicht sein, was den Bedingungen und Erfordernissen eines christlich aufgeklärten sowie postmodernen Freistaat Bayern gerecht wird.

    Vielleicht hilft es, mal einen Blick in die Gesetzeslage des benachbarten Baden-Württemberg zu werfen. In der Regel geht Qualität zwar über Quantität, aber im Vergleich der PsychKHG’e beider Bundesländer bzw. des bayerischen Entwurfes mögen zuletzt schon die Zahlen für sich sprechen: im 15 Seiten langen baden-württembergischen Gesetzesbeschluss wurden fast die Hälfte der Seiten auf die Ausführungen zu Hilfen im psychiatrischen Bereich verwendet. Der bayerische Gesetzesentwurf hingegen zählt ca. 60 Seiten, wobei die wichtigen Schwerpunkte Krisendienst, Zusammenarbeit und Prävention, Beteiligung der Selbsthilfeorganisationen sowie Psychiatrieberichterstattung genau eine magere Seite wert sind, die Unterbringung psychisch Erkrankter aber auf 55 Seiten detailliert ausgewalzt wird – ein Armutszeugnis!

    Offensichtlich ist es der bayerischen Regierung bis dato weitaus wichtiger, sich mit kontrollierter Unterbringung zu beschäftigen – anstelle das Augenmerk auf Hilfe und größere Akzeptanz gegenüber dem psychiatrischen Bereich zu legen. Es bleibt zu hoffen, dass der nächste Entwurf des BayPsychKHG – das dann wohl so verabschiedet wird? – die Stärkung der psychiatrischen Versorgung tatsächlich stärker in den Blick nimmt. Bis dahin: auf die Straße gehen, wann immer sich die Gelegenheit zur Demonstration bietet, und so viele Mitbürger wie möglich zum Überlegen bringen, wo sie denn ihr Kreuz im Oktober setzen wollen.