Schlagwort: Polizei

  • PIRATEN zum Prostitutionsschutzgesetz – Beschluss verbessert die Lage von Opfern des Menschenhandels nicht

    Die PIRATEN im Landtag des Saarlandes kritisieren das heute (7. Juli 2016) im Bundestag verabschiedete Prostitutionsschutzgesetz. Entgegen dem Ziel, künftig einen besseren Schutz von Opfern des Menschenhandels zu erlauben, stigmatisiere es freiwillige Prostituierte und es gebe darüber hinaus verfassungsrechtliche Bedenken.

    Seit 2014 arbeitet der Bund an einem neuen Gesetz, welches Prostituierte künftig besser vor Gewalt schützen und es ermöglichen soll, Zwangsprostitution leichter aufzudecken. Das heute verabschiedete Gesetz sieht sich aber starker Kritik gegenüber. Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes e. V. bezeichnet das Gesetz als ungeeignet, solch menschenrechtswidriges Gebaren aufzudecken. Zudem wünschten sich die freiwlligen Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter im Vorfeld eine andere Ausgestaltung des Gesetzes.

    „Dass die Kritik von Fachleuten und im Beruf Tätigen hier einfach übergangen und trotz ausführlicher Diskussion heute ein Gesetz verabschiedet wurde, welches völlig an der Lebensrealität der Prostituierten vorbei geht, ist unglaublich«, kritisiert Jasmin Maurer, frauenpolitische Sprecherin der PIRATEN im Landtag des Saarlandes, den Beschluss, und weiter: »Besonders absurd ist die Einführung der Kondompflicht, die sicher nicht überprüfbar ist durch die Exekutive. Aber auch bei den Überwachungsrechten, die sich der Staat hier selbst einräumt, kann man nur den Kopf schütteln.“

    Zukünftig soll es so möglich sein, dass die Polizei jederzeit unangemeldet eine Wohnung eines Sexarbeiters oder einer Sexarbeiterin betreten darf – alleine aufgrund der Annahme, dass dort der Prostitution nachgegangen wird Der Bundesrat äußerte bereits im Vorfeld dazu verfassungsrechtliche Bedenken.

    Kritisch sieht Maurer auch die Neuerung, dass künftig nach der Anmeldung unter Klarnamen das Mitführen eines sogenannten Hurenpasses erforderlich wird. Dieser soll den Behörden als Meldenachweis für Gewerbstätige dienen:

    „Dass der Klarname erforderlich ist, ist ein unglaublicher Affront vor dem Hintergrund der sozialen Ächtung dieses Berufes. Die Anmeldung über einen Alias wäre auch praktikabel gewesen und hätte so vor weiterer Stigmatisierung bewahrt. Zudem ist die Einführung der verpflichtenden Gesundheitsberatung eine reine Schaufenstermaßnahme. Keine der Neuerungen verschafft eine Verbesserung der Lage für Zwangsprostituierte, aber eine deutliche Verschlechterung der Lage für freiwillig in diesem Gewerbe tätige Frauen und Männer. Hier hätte der Gesetzgeber mit sinnvolleren Maßnahmen zur unbedingt notwendigen Ahndung der Opfer von Menschenhandel aufwarten müssen“

    sagt Maurer.

  • PIRATEN kritisieren: NRW-Finanzminister will Bargeldobergrenze – Fadenscheinige Argumente

    NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans hat sich gestern für eine Bargeldobergrenze in Deutschland ausgesprochen. In anderen Staaten betrage sie um die 1.000 Euro, den bargeldfreundlichen Deutschen gesteht der NRW-Finanzminister allerdings bis zu 3.000 Euro zu.

    Stefan Körner, Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland:
    »Die freiheitsbeschneidenden Politiker von Union und SPD versuchen es immer wieder und auf allen Ebenen! Sie wollen die Abschaffung eines weiteren Stückchens Freiheit der Bürger. Der Freiheit, anonym und selbstbestimmt mit Bargeld einkaufen zu können, ohne dass sie gleich auf Schritt und Tritt von ihrem Staat gegängelt werden. Wenn die Bürger nicht mal mehr das Taschengeld ihrer Kinder ohne staatliche Einmischung weitergeben können, dann ist es mit der Freiheit in Deutschland nicht mehr weit her. Unter Anführung fadenscheiniger Gründe wird hier versucht, ein weiteres Überwachungsinstrument einzuführen. Natürlich nur zu unser aller Bestem. Verbrecher sollen so angeblich an ihren Straftaten gehindert und besser überführt werden. Als wenn diese Leute sich nicht ganz anderer Wege ihrer Geldflüsse bedienen würden! Hier sollen unbescholtene Menschen unter Generalverdacht gläsern werden; das lehnen wir PIRATEN ab. Wem dient das? Alleine den Überwachungsfetischisten. Dem großen Bruder Staat. Dem Finanzminister. Und den pathologischen Verdächtigern in Polizei und Justiz. Bargeld ist Freiheit! Diese muss erhalten bleiben!«

    Patrick Schiffer, Vorsitzender der Piratenpartei NRW:
    »Die PIRATEN NRW haben auf ihrem letzten Landesparteitag für ihr Wahlprogramm zur Landtagswahl 2017 mit klarer Mehrheit beschlossen, jegliche Bargeldobergrenze abzulehnen. Der Versuch von Norbert Walter-Borjans ist ja nicht der erste in der letzten Zeit. Ich habe die Vermutung, dass er immer mal wieder kleine Testballons aufsteigen lässt, um zu prüfen, ob sich Widerstand in der Bevölkerung zeigt. Wir PIRATEN fordern ganz klar, dass es Wahlmöglichkeiten geben muss und sind damit in prominenter Gesellschaft mit dem Bundesbank-Vorstand Carl Ludwig Thiele, der in einem Interview sagte: „Für die Bürger bedeutet jede Einschränkung der Bargeldnutzung einen Verlust an persönlicher wirtschaftlicher Freiheit“. Freies Bargeld, keine Überwachung, selbstbestimmte Zahlungsmethoden!«

  • Warum Strafrechts- und Sexismusdebatten die falsche Reaktion auf Köln sind

    Seit die Straftaten in Köln an Silvester bekannt geworden sind, ist viel über Lösungen diskutiert worden. Und das, obwohl valide Zahlen noch nicht einmal vorlagen. Aktuell gibt es zwar ca. 600 Anzeigen, aber noch keine rechtskräftigen Verurteilungen. Seltsam wirken auch die ersten Beschreibungen von Männern, die „nordafrikanisch“ aussehen – wie sieht denn ein Nordafrikaner aus? Nichtsdestoweniger gab es unmittelbar politische Forderungen nach einer Strafrechtsverschärfung sowie einen lauten Aufschrei seitens der Feminismus-Community, die beide im Gesamtbild völlig haltlos wirken.

    Die einzig richtige Reaktion darauf kam bisher vom Landesvorstand und der Piratenfraktion in Nordrhein-Westfalen, die unmissverständlich den Rücktritt von Innenminister Ralf Jäger fordern. Bereits kurz nach Bekanntwerden der Ereignisse von Silvester hatte Monika Pieper, MdL der Piraten in Nordrhein-Westfalen, auf einen Minibericht des Focus hin Jägers Verbleib im Amt in Frage gestellt, falls sich der Bericht bewahrheiten würde, dass dieser trotz Warnungen keine weiteren Einsatzkräfte mobilisiert habe. Für den morgigen Donnerstag ist eine Sondersitzung des Landtags anberaumt, nachdem Jäger am Montag im Innenausschuss nicht die geringsten Fehler einräumen wollte und stattdessen der Polizei die Schuld gegeben hatte.

    Diese Sitzung wird genau zu verfolgen sein, denn gerade hier liegen die politischen Fehler, die dazu führen konnten, dass die Übergriffe in Köln nicht verhindert wurden.

    Das Versagen liegt nicht in einer angeblich sexualisierten Gesellschaft. Die These, dass Übergriffe zum „Machtwerkzeug des Patriarchats“ gehören, findet sich leider sogar innerhalb der Piratenpartei. Es gibt jedoch keinerlei Beleg dafür, dass die Ereignisse von Köln ihre Ursachen in einer generell sexistischen Haltung der Gesellschaft haben, selbst wenn man unterstellen würde, dass es diese überhaupt gäbe. In der Berichterstattung wurde vielmehr deutlich, dass die Belästigungen (auch wenn sie als schwerwiegenderes Delikt in den Vordergrund gerückt sind) wohl in erster Linie zur Tarnung dienten, Menschen zu überrumpeln und dann auszurauben. Natürlich macht das den Schock eines sexualisierten Angriffs nicht weniger schlimm. Aber wenn dieser reines Mittel zum Zweck ist, erübrigt sich die Sexismusdebatte.

    Auch sollte man an dieser Stelle mit „#eineArmlaenge“ aufräumen: Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker hatte auf einer Pressekonferenz auf die ausdrückliche Frage, wie Frauen sich denn schützen könnten, geantwortet, die Frauen sollten eine Armeslänge Abstand halten. Daraus nun den Vorwurf zu basteln, Reker hätte Frauen die Verantwortung zugeschoben, ist schlicht blanker Unsinn. Hätte Reker gesagt, es sei nicht Aufgabe von Frauen, sich zu schützen, hätte die Internetgemeinde ihr vermutlich vorgeworfen, sie wolle Frauen schutzlos ihren Peinigern ausliefern.

    Die Ursachen lagen auch nicht in zu geringen Strafen, wie Heiko „Vorratsdatenspeicherung“ Maas meinte und gleich ein Gesetz ankündigte, mit dem angebliche Lücken im Strafrecht geschlossen werden sollen. Einige Regelungen davon mögen grundsätzlich sinnvoll sein, aber sie gehen zu weit. Nehmen wir die geplante Änderung von § 179 StGB, mit der künftig auch das überrumpelte und daher widerstandsunfähige Opfer geschützt werden soll. Das klingt erstmal sinnvoll, weil Herr Maas dabei an die Opfer in Köln denkt. Juristen sollten aber an die Grenzfälle denken: Was ist, wenn jemand beim Flirten irgendwann die Hand des Gegenübers nimmt? Oder die Hand auf dessen Knie legt? Oder jemanden küsst? Will sagen: Der neue § 179 StGB differenziert nicht zwischen dem aggressiven Räuber auf der Straße und dem Teenager, der vor lauter Aufregung die Signale seines Partners falsch deutet.

    Wie BGH-Richter Fischer zudem bereits 2015 betont hatte, liegt das Problem einer Strafrechtsverschärfung darin, dass diese auch ein Stück weit freiheitsraubend ist. Selbstverständlich ist es theoretisch möglich, absolut jede sexuelle Handlung, in die nicht ausdrücklich eingewilligt wurde, unter Strafe zu stellen. Dies ist aber gerade in einem so persönlichen Bereich wie dem Sexualleben problematisch, zumal Menschen in privatem Kreis auch mal uneindeutige Signale an Flirtpartner senden. War die entspechende Reaktion nicht erwünscht, kann sie nach dem neuen Strafrecht zur Strafbarkeit führen. Dass für jegliche Handlung, die man im weitesten Sinne als „sexuell“ betrachten kann, eine ausdrückliche Einwilligung vorliegen müsse, ist lebensfremd und Ausdruck einer Politik, die auch noch die intimsten Lebensbereiche ihrer Bürger kontrollieren will. Jeder Mensch hat das Recht, „Nein“ zu sagen, aber solange das Gegenüber dazu in der Lage ist, muss man in gewissen Situationen auch ein „Nein“ verlangen können.

    Und – leider muss man auch das betonen – selbstverständlich liegt das Problem erst recht nicht in der Zuwanderung. Dass sich syrische Flüchtlinge in Köln über Flugblätter sofort von den Ereignissen distanziert hatten, hinderte Politiker quer durch den Bundestag nicht daran, auf den Zug von AfD und Pegida aufzuspringen. Kanzlerin Merkel unterwarf sich dem Populismus ihrer eigenen Partei ebenso wie die LINKE-Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht, die vom „Verwirken des Gastrechtes“ sprach. Man muss es deutlich sagen: Die Flüchtlinge sind nicht als Gäste hier; sie sind als Menschen in Not hier. Wir gewähren ihnen Asyl, weil es eine Frage von Menschlichkeit ist, einen Mitmenschen nicht an einer Grenze hängenzulassen, auf deren anderen Seite er sterben würde. Menschlichkeit kann aber nicht verwirkt werden, auch nicht durch einen Handtaschendiebstahl.

    Übrig bleibt also die ganz banale Frage: Warum bekommt in Köln die Polizei Randalierer nicht in den Griff, obwohl ihnen die volle Macht der Staatsgewalt einschließlich Platzverweisen, Festnahmen und ggf. Waffengewalt zur Verfügung steht? Warum kam niemand den Menschen zu Hilfe, als diese belästigt wurden? Die Antwort ist die übliche: zu wenig Polizei. Dabei geht es nur begrenzt darum, dass die Polizei zu wenig Leute in der Kölner Innenstadt hatte, wie sie selbst eingeräumt hat.

    Es geht darum, dass die Polizei seit Jahren generell personell nicht ausreichend ausgestattet ist. Es geht darum, dass Politiker seit Jahren versuchen, Polizeibeamte durch Überwachungskameras und Gesetzesverschärfungen zu ersetzen. Aber weder Kameras noch neue Gesetze werden verhindern, dass sich Raubüberfälle wiederholen, denn Kameras steigern eben doch nur die „gefühlte Sicherheit“. Wirklich verhindert werden kann ein Verbrechen nur durch die Anwesenheit von genug Polizisten vor Ort, und Jäger wird Rede und Antwort stehen müssen, warum das in Köln nicht der Fall war. Deswegen sollten wir uns nicht in Strafrechts- und Sexismusdiskussionen vertiefen, sondern vor allem genau hinschauen, was der nordrhein-westfälische Innenminister zu diesem Thema sagt. Diskussionen in andere Richtungen laufen nur darauf hinaus, von einer einfachen Tatsache abzulenken: Mehr Überwachung bringt keine Sicherheit. Deswegen ist Jäger nach den Ereignissen von Köln nicht mehr tragbar.

  • Zivilcourage und Polizeipräsenz gegen sexualisierte Gewalt

    Eine Woche nach den abscheulichen Übergriffen in Köln ist sexalisierte Gewalt das öffentlich diskutierte Thema, das es schon seit Jahrzehnten hätte sein müssen. Auffälligerweise wird allerdings vor allem von den Menschen ein schärferes Vorgehen gegen die Täter gefordert, die vor drei Jahren im Rahmen der #aufschrei-Diskussionen die Frauen, die von selbst erlebten Übergriffen berichtet haben, als hysterisch oder Tugendfurien bezeichnet haben.

    Tatsache ist, dass sexuelle Übergriffe im Rahmen von Großveranstaltungen wie dem Oktoberfest oder dem Kölner Karneval schon immer passiert sind, sie aber nicht öffentlich diskutiert wurden. Das liegt einerseits daran, dass unsere Sexualmoral tief in uns verankert hat, dass Opfer sexueller Gewalt selbst schuld sind, weil sie sich zu aufreizend angezogen hatten oder sich gar anmaßten, sich nachts einfach so alleine durch die Stadt zu bewegen – obwohl doch klar sein müsste, dass dies ein männliches Privileg ist, wie uns diejenigen klarmachen wollen, die jetzt wieder „Verhaltensregeln“ für Frauen aufstellen wollen. Andererseits sind sexuelle Übergriffe ein unverzichtbares und kaum hinterfragtes Machtwerkzeug des Patriarchats, die Hierarchie zwischen Männern und Frauen jederzeit neu zu vermitteln.

    Jetzt leben wir aber in einer Zeit, in der geflüchtete Menschen als Sündenböcke für alles von Kaufhausdiebstahl bis hin zur parlamentarischen Schnellübergehung von Volksgesetzgebung herhalten müssen. Die neue Qualität ist, dass die Übergriffe dadurch das Klima dafür geschaffen haben, unseren kulturellen Disrespekt vor sebstbestimmten Handlungen von Frauen auf imaginierte Zerrbilder anderer Kulturen, die die Geflüchteten angeblich mitgebracht haben sollen, zu projizieren.

    Die Kölner Polizei, die Angst hatte, sich in eine eskalierende Massensituation einzumischen, obwohl sie genau für diese Situationen mit dem staatlichen Gewaltmonopol ausgestattet ist, ging davon aus, dass nichts passieren würde, wenn sie die Übergriffe der Nacht einfach ignorieren und in ihrem Bericht übergehen würde, weil das schon immer so war. Wie ein Polizeipräsident, der als politisch Verantwortlicher für diese Lügen gerade stehen müsste, sich im Rahmen der aktuellen Diskussion als Aufklärer statt als Teil des Problems darstellen kann, ist mir völlig unverständlich.

    Die meisten Vergewaltigungen und sexualisierten Übergriffe werden deswegen nicht angezeigt, weil es den Betroffenen klar ist, dass sie mit einer Anzeige nicht nur selbst zum Ziel weiterer Angriffe werden, sondern auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Täter angezeigt oder gar verurteilt werden, mikroskopisch ist. Wie Bundeskanzlerin Merkel im Hinblick darauf einen Gesetzesentwurf von Justizminister Maas, der viele momentan völlig legale Fälle von Vergewaltigung strafbar machen würde, seit Monaten blockieren kann, ist mir ebenso unverständlich.

    Und warum nach den Vorfällen in Köln 82% der Befragten in einer aktuellen dimap-Umfrage für eine Ausweitung der Videoüberwachung sind, ist mir auch unverständlich. Immerhin war Köln auch in der Silvesternacht bereits eine der Städte in Deutschland mit der höchsten Kameradichte. Videoüberwachung ist vor allem ein Vorwand, Wach- und Sicherheitspersonal noch weiter zurückzufahren, sodass Verbrecher noch freiere Bahn haben. Eine Videokamera hat noch nie ein Verbrechen verhindert oder ein Opfer geschützt.

    Insgesamt bleibt die Hoffnung, dass sexualisierte Übergriffe jetzt endlich als die abscheulichen Verbrechen dargestellt werden, die sie schon immer waren, ohne so zu tun, als seien sie ein Importprodukt, das mit uns nichts zu tun hätte. Ich rufe alle gesellschaftlichen Akteur_innen dazu auf, diese Verantwortung zu tragen.