Schlagwort: Satire

  • Twitter Overblocking: PIRATEN sprechen sich für Deaktivierung der neuen Meldefunktion aus

    Twitter Overblocking: PIRATEN sprechen sich für Deaktivierung der neuen Meldefunktion aus

    Im Zuge der Europawahlen hat der amerikanische Mikrobloggingdienst Twitter im April neue Regeln für Beschwerden gegen unzulässige Tweets eingeführt. Nun zeigen sich die ersten absurden Auswirkungen. Ein Anwalt wird wegen eines drei Jahre alten Tweets gesperrt, eine SPD-Poltikerin wegen Erwähnung eines arabischen Vornamens, ein Aktivist wegen Zitierens einer an ihn gerichteten Drohung.

    Daniel Mönch, politischer Geschäftsführer der Piratenpartei kritisiert:

    „Die neue Funktion, Twitterbeiträge zu melden, die den Eindruck machen „irreführend in Bezug auf Wahlen“ zu sein, ist ein Problem. Wir PIRATEN begrüßen, dass Plattformen unterschiedliche Schritte unternehmen, um die Möglichkeiten der Beeinflussung von Wahlen über Social Media zu begrenzen. Leider bietet diese neue Funktion erhebliches Missbauchspotential. So wurden in den letzten Tagen vermehrt Accounts von Nutzern gesperrt, die sich entweder kritisch zu einer Partei geäußert haben oder die Wahlen satirisch begleiten. Ein klares Zeichen für Overblocking, also über das Ziel hinaus schießender Filter- und Zensurmaßnahmen.
    Wenig verwunderlich ist, dass dieses Angebot von Twitter, insbesondere aus dem AfD-nahen Spektrum dazu verwendet wird, um unliebsame Accounts organisiert zu melden und so von der Debatte auszuschließen. Wir PIRATEN sehen darin eine gefährliche Verschiebung der öffentlichen Diskussion der Wahl in die rechte politische Szene.
    Daher möchten wir Twitter bitten, diese Funktion zu deaktivieren, zumindest bis Missbrauch ausgeschlossen werden kann. Wir hoffen, dass sich andere Parteien dieser Bitte anschließen.“

    Der Bundesvorsitzende der Piratenpartei Sebastian Alscher ergänzt:

    „Jedem ist vermutlich klar, dass vor Wahlen ein erhöhtes Risiko von Manipulation besteht. Die Antwort darauf sollte aber nicht das Ausschließen von Benutzern sein, die möglicherweise irreführende Textschnipsel veröffentlicht haben.
    Noch vor wenigen Jahren war jedem klar, dass die Person am anderen Ende des Computers auch Unwahrheiten mitteilen kann, z.B. nicht wirklich so aussehen muss, wie sie sich selbst beschreibt. Dieses Wissen scheint verloren gegangen zu sein. Schlimmer noch – wir verlangen von Plattformen, ihr Angebot so zu gestalten, dass Menschen sich das Wissen um diese Möglichkeit nicht aneignen müssen und Plattformen eine „wahre Welt“ suggerieren.
    Der Ausweg im angemessenen Umgang mit Manipulation muss in der Aufklärung und Bildung der Anwender liegen. Und diese Aufgabe fällt nicht den Plattformen alleine zu. Den Schuh müssen sich Politiker endlich anziehen.“

  • Barbara, Satire und Zensur

    Barbara, Satire und Zensur

    Dieser Beitrag zur aktuellen Löschpraxis in sozialen Medien wurde von „Barbara“, einer Künstlerin, auf Facebook veröffentlicht. Da der Text sehr gut darstellt, was momentan bei dem Versuch, die sozialen Medien zu regulieren, schief läuft, veröffentlichen wir ihn hier.

    Hi Leute, ich bin wieder zurück im Netz, die kleine Auszeit hat gut getan.
    Leider gibt es ein „Aber“:
    In den letzten Wochen haben Facebook und Instagram zahlreiche Beiträge von mir gelöscht, weil sie angeblich gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen. Dabei wurde mir gedroht, dass mein Account gelöscht wird, wenn das nochmal passiert.
    Es waren (aus meiner Sicht) völlig harmlose Beiträge, die sich gegen rechtsradikale Schmierereien und diskriminierende Schilderbotschaften gerichtet haben, ihr kennt meine Arbeit.
    Leider kann ich die betreffenden Fotos hier nicht zeigen, sonst löschen die tatsächlich meinen Account.
    (Es geht zum Beispiel um das Foto „Mein kleiner, grüner Kaktus“, das Foto mit dem Aufruf, einen Tanz-Flashmob vor einem beleidigenden Schild zu machen, den Brief von Bernd H. mit dem AfD-Kugelschreiber, ein Foto von einem Verkehrsschild, dem ich einen Bikini hinzugefügt habe. Und weitere Beiträge, die meines Erachtens gegen kein Gesetz der Welt verstoßen.)
    Über das Löschen von Beiträgen entscheiden irgendwelche Angestellte von privaten Firmen im Auftrag von Facebook und Instagram, die im Schnellverfahren entscheiden und nicht einmal irgendwelche Gründe für das Löschen nennen.
    Ich sehe die Freiheit im Internet dadurch mehr als nur bedroht, sie wird aus meiner Sicht dadurch ruiniert.
    Wie soll Satire im Internet funktionieren, wenn die Satiriker dem Urteil von privaten Firmen ausgesetzt sind, die sich als Richter aufspielen?
    Um das klar zu sagen: Ich bin auch der Meinung, dass etwas unternommen werden musste, um Hass und Gewaltandrohungen im Internet einzudämmen. Wenn zum Beispiel etwas strafrechtlich relevant ist, dann gibt es dafür das Strafrecht.
    Aber Satire kann in den sozialen Netzwerken unter den gegebenen Umständen nur noch zensiert stattfinden.
    Es beginnt schon mit der Zensur im Kopf. Ich muss mir jetzt gut überlegen, ob ich einen Beitrag poste oder nicht, denn die Gefahr, dass meine Seite komplett gelöscht wird, ist allgegenwärtig.
    Das war auch vorher schon so, bezog sich aber meistens auf die Darstellung von Nacktheit, dem prüden amerikanischen Verständnis davon, dass ein weiblicher Nippel etwas Schreckliches ist, nicht einmal eine stillende Mutter durfte gezeigt werden. Auch der weltberühmte David von Michelangelo durfte nicht gezeigt werden, weil man seinen Pipimann sehen konnte. (Stand sogar in den FB-Gemeinschaftsstandards.)
    Damit musste und konnte ich irgendwie leben, aber willkürliche Zensur meiner Arbeit durch Privatfirmen, die offensichtlich nicht die geringste Ahnung von Satire haben, empfinde ich als unwürdig und es erstickt meinen Schaffenswillen im Hinblick auf die sozialen Netzwerke.
    Ich kann und werde auf der Straße weiterhin meine kleinen Zettelbotschaften kleben, aber ich werde mir genau überlegen, wie ich mit dem Veröffentlichen von Fotos auf Facebook und Instagram umgehe. Beuge ich mich der Zensur und poste nur noch völlig unverfängliche Love-Messages, die keinen möglicherweise verfänglichen Interpretationsspielraum offen lassen und sende damit ein verfälschtes Gesamtbild meiner Arbeit in die Welt oder lasse ich es ganz und konzentriere mich auf die Straße, wo ich wirklich frei bin?
    Ich werde die Entwicklungen beobachten, bewerten und irgendwann eine Entscheidung dazu fällen.
    Ich habe ständig versucht, dem Hass im Internet mit meinen Botschaften etwas entgegenzusetzen, habe dafür super viel positives Feedback bekommen, nicht zuletzt sogar den Grimme Online Award. Dass ich jetzt von den Plattformen Facebook und Instagram dafür abgestraft werde, fühlt sich schrecklich und unwürdig an. Ich liebe die Freiheit und kann auf Dauer nur dort agieren, wo ich sie leben kann.
    Facebook war mal so ein Ort und ich werde genau hinschauen, in welche Richtung sich das alles entwickelt.
    In Liebe und der Hoffnung, dass sich die Sache zum Guten wendet,
    Eure Barbara.
    PS: Sorry für den langen Text.
    Falls irgendjemand von der Presse daran interessiert sein sollte, um welche gelöschten Fotos es hier geht, dann schreibt mir eine Nachricht, ich schicke sie Euch.

    Update 15.01.2018: Wir wir inzwischen erfahren haben, wurden die Beiträge von Barbara laut einer Sprecherin von Facebook „versehentlich“ entfernt und inzwischen wieder hergestellt. Das mag unter anderem auch der medialen Berichterstattung zu verdanken sein.

  • Pressefreiheit, Meinungsfreiheit und warum das wichtig ist!

    Aus der Affäre um das Gedicht des bekannten ZDF-Satirikers Jan Böhmermann auf den türkischen Präsidenten Erdogan hat sich inzwischen eine bundesweite Debatte über die Freiheit der Presse, unsinnige Gesetze wie dem § 103, „Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten“, dem sogenannten Schah-Gesetz und der Einmischung der Politik in die Kunst entwickelt.

    Auffällig ist in dieser Hinsicht auch das Verhalten des ausstrahlenden öffentlich-rechtlichen TV-Senders ZDF.

    Foto: Bernhard Hanakam

    Bruno Kramm, Themenbeauftragter der Piratenpartei für Urheberrecht, erklärt:

    »Ein öffentlich-rechtlicher Sender, dessen Intendant sich in vorauseilendem Gehorsam bei dem türkischen Botschafter für Satire entschuldigt, ist bezeichnend für den Staatsfunk in Deutschland.
    Er erfüllt so die Wünsche der Regierung und hilft ihr aus der politischen Zwickmühle heraus, die dem halbgaren türkischen EU-Flüchtlingsdeal mit dem Despoten Erdogan zu verdanken ist. Der Einfluss von Regierenden via Rundfunkräten und direktem Intendantendraht ist ja nicht erst seit bayerischen Zensurbemühungen immer wieder an der Tagesordnung. Ein Staat, der seine Bürger mittels Gebühr zu eigenem Programm zwangsverpflichtet, begibt sich auf die Stufe mit dem untergegangenen Unrechtsstaat DDR, der seinen Bürgern verbot, das Programm der anderen zu sehen. In diesem Zusammenhang stellt sich auch wieder die berechtigte Frage nach der Abschaffung der GEZ-Zwangsgebühr. Wer einem Despoten wie Erdogan die Hand reicht, sich mit ihm auf eine Stufe stellt und seinen Wünschen nach Zensur nachkommt, billigt den Dammbruch gegenüber Meinungs- und Pressfreiheit und insgeheim auch die ständigen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei.«

     

    Stefan Körner, Bundesvorsitzender der Piratenpartei Deutschland, erläutert:

    »Die Bundesregierung hat sich in unserem Rechtsstaat nicht um solche Dinge wie Satire zu kümmern, in unserem Land gibt es eine freie und unabhängige Justiz. Die Gerichte werden, wenn es denn zu einer Anklage wegen Beleidigung kommen sollte, nach Recht und Gesetz und ohne Ansehen der Person entscheiden, wie es sich gehört.

    Überraschend ist für uns PIRATEN im Jahr 2016, dass es bisher keiner Regierung in den Sinn gekommen ist, diesen altmodischen Paragrafen 103 abzuschaffen. Das ist mit unserem Rechtsverständnis vollkommen unvereinbar. Liebe Frau Merkel, tun Sie uns allen etwas Gutes und lassen Sie Ihre Regierung sinnvollerweise die Aufhebung dieses Unsinns in den Bundestag einbringen. Sie schaffen das!«

    Die Piratenpartei demonstriert am 15.4. um 17:00 Uhr vor der türkischen Botschaft gegen den „Unrechtsstaat“ Türkei und die Zensurversuche Erdogans.