Schlagwort: Selbstbestimmung

  • Das Recht auf Selbstbestimmung

    Das Recht auf Selbstbestimmung

    Am letzten Wochenende demonstrierten erneut mehr als Hundertausend Menschen in Minsk gegen die Regierung von Präsident Lukashenko, der sich nach der umstrittenen Präsidentschaftswahl vor 14 Tagen zum Gewinner ausrief. Die Menschen rufen bei diesen friedlichen Demonstrationen nach Freiheit und fordern freie und faire Wahlen.

    Als Demokraten und Bürgerrechtler ist uns diese Sehnsucht sehr gut bekannt. Die Sehnsucht, dass das Volk darüber entscheidet, wer die Geschicke des Landes und vor allem der Menschen in ihrem Interesse leitet.

    Mittlerweile findet auch in den deutschen Medien die Lage in Belarus mehr Beachtung. Es ist bedauerlich, dass es erst ein Massenphänomen wie die Demonstrationen braucht, um auf Menschenrechtsverletzungen vor der Haustür unserer Europäischen Union aufmerksam zu machen.  Wir sollten daher mit Wachsamkeit verfolgen, was sich in Belarus tut. Gleichzeitig steht es uns nicht zu, die Opposition im Land zu bevormunden. Bereits jetzt haben sie gezeigt, dass sie wissen, was sie tun und ausgewogen vorgehen. Wir können und sollten unsere Unterstützung anbieten, aber nicht unsererseits aktiv eingreifen. Entsprechend des Grundsatzes, den wir auch für uns als Piratenpartei vertreten, nämlich den Menschen zuzuhören. Anschließend können wir, wenn nötig und gewünscht, eine angemessene und für die Betroffenen zielführende Unterstützung leisten. Unterstützung zur Stärkung grundlegender Rechte, insbesondere Menschenrechte, mit dem Ziel der Konfliktvermeidung oder -abbau, damit zwischen den Parteien ein lösungsorientierter Diskurs möglich wird. Hierbei ist der aktuelle Kurs von EU-Parlament und EU-Rat lobend hervorzuheben. Aus dem gleichen Grund ist selbstverständlich auch ein Eingreifen russischer Truppen in diesen innenpolitischen Konflikt ein No-Go und ein Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht der Menschen.

    Genauso wie die Zeit drängt, eine Lösung für die Menschen in Belarus zu finden und hier den Menschenrechten Vorschub zu leisten, gilt das gleiche für die USA. Hier ist in der europäischen Wahrnehmung die Black-Lives-Matter-Bewegung gänzlich aus der Medienöffentlichkeit verschwunden. Die Bewegung gegen Rassismus, Polizeigewalt und Diskriminierung von Afroamerikanern in den USA war nur so lange auf dem Radar der Menschen hier, wie sie aufsehenerregende Bilder produzierte. Dabei ist gerade jetzt meiner Meinung nach von hohem Interesse, wie es weitergeht. Die Bewegung erfuhr einen rasanten Anstieg in Zustimmungswerten und öffentlicher Unterstützung, von zwei Dritteln aller Amerikaner war die Rede. So sollte man daher annehmen, dass nun die Phase gemeinsamen Aushandels beginnen würde. Ein Aushandeln, mit welchen Maßnahmen eine nachhaltige Transformation der Gesellschaft beginnt, um strukturelle Ungleichheit und die Unterdrückung von Schwarzen und Minderheiten allgemein zu beenden. Doch der amerikanische Präsidentschaftswahlkampf wirft der Bewältigung einen Stock in die Speichen. Während nun dies in einem Land begann, das nicht vor unserer „europäischen Haustür“ ist, können wir dennoch Teil einer Problemlösung sein. Nicht zuletzt, weil wir selber davon lernen können. In den USA gilt es, einen Diskurs der Beteiligten zur Lösung von Rassismus und Gewalt gegen und zwischen Bevölkerungsgruppen zu unterstützen. Und was ich für Belarus sagte, gilt auch hier: Ohne jede Bevormundung oder „Instrumentalisierung“ bevölkerungsspezifischer Probleme bzw. betroffener Gruppen, um eigene politische Ziele durchsetzen zu wollen. Was haben wir als EU oder Deutschland zu verlieren, wenn wir Hilfe anbieten oder ein Angebot zur Vermittlung machen?

    Ich denke aus diesen beiden Beispielen wird deutlich, dass wir als EU oder Deutschland die Möglichkeit haben, weiterhin unsere Rolle in der Welt zu spielen. Wir sind keine Weltmacht, und ausgerechnet dies versetzt uns in die Gelegenheit, eine Vermittlerrolle anzubieten. Eine Rolle, die die Entscheidungshoheit der beteiligten Gruppen respektiert und sogar stärkt, ohne sich in innenpolitische Fragestellungen einzumischen. Denn eine nachhaltige Lösung für die Menschen kann nur von den betroffenen oder beteiligten Menschen selbst kommen. Es ist in einer solchen Situation wie in den beschriebenen Ländern nicht nur unsere Pflicht, keine eigene Interessenspolitik zu verfolgen, sondern vermittelnd aktiv zu sein. Es ist das Recht der Menschen vor Ort, ihre Konflikte selbst lösen zu dürfen, so lange eine Aussicht auf Erfolg besteht.

    Dieses gleiche Recht nehmen wir für uns auch selbst in Anspruch, wenn wir eine Einmischung in die inneren Angelegenheiten Deutschlands und Europas entschieden ablehnen, wie beispielsweise im Fall von Nord Stream 2, da es sich um eine innereuropäische Angelegenheit handelt, für die durch Gespräche zwischen den betroffenen EU-Partnern eine Lösung zu finden ist.

  • Über Melderegisterauskünfte an Parteien

    Über Melderegisterauskünfte an Parteien

    Am 13.09. sind Kommunalwahlen in NRW, und das macht sich langsam bemerkbar. Ob Infostände, Plakatierung, Flyeraktionen oder vermehrte Präsenz auf Social Media: Es ist Wahlkampf.

    Und einige von euch – gerade die Erstwähler – hatten möglicherweise einen personalisierten Brief im Briefkasten.
    Aber Moment mal? Woher haben die Parteien eigentlich diese Daten? Seitdem die Übergangszeit zur Datenschutzgrundverordnung 2018 entgültig abgelaufen ist, stieg die Sensibilität für den Datenschutz innerhalb der Bevölkerung merklich an.
    In meiner Funktion als behördliche Datenschutzbeauftragte erhalte ich immer wieder Anfragen von Bürgern, wieso und in welchem Umfang die Kommune personenbezogene Daten verarbeiten darf, und das vor allem, ohne um Erlaubnis zu bitten.
    Kurz und extrem vereinfacht: Für die meisten Aufgaben der Kommunen existiert eine Rechtsgrundlage. So auch hier.

    Auskunft über Meldedaten nach §50 BMG und §44 BMG erlaubt

    Parteien, Wählergruppen und Bewerber dürfen in den 6 Monaten vor der Wahl folgende Daten der Wähler gegen eine Gebühr anfragen:

    • Familienname,
    • Vorname,
    • Doktorgrade,
    • Anschrift,
    • sofern die Person verstorben ist, diese Tatsache.

    Es handelt sich dabei um eine sogenannte “Einfache Melderegisterauskunft”, welche durch den §50 Bundesmeldegesetz legitimiert wird.

    Wie läuft die Datenabfrage?

    Zuallererst: Allgemeine Anfragen sind ausgeschlossen. Die Anfrage muss gruppenweise nach Alter der betroffenen Wähler erfolgen. Ein Beispiel für eine Anfrage wäre: “Alle Adressen der Erstwähler zwischen 18 und 22”.
    Die Behörde entscheidet dabei nach “pflichtgemäßem Ermessen”. Das bedeutet, dass die Verwaltung im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten prüft, ob und inwieweit sie die Anfrage beantwortet. In dem konkreten Fall bezieht sich die Prüfung dann darauf, ob die Kriterien eng genug gewählt sind.

    Wofür dürfen die Parteien die Daten verwenden?

    Der Antragssteller muss die Daten einen Monat nach der Wahl löschen und darf sie auch nur zur Wahlwerbung verwenden.

    Muss ich akzeptieren, dass meine Daten herausgegeben werden?

    Der Übermittlung der Daten kann man widersprechen. Darauf müssen die Kommunen sowohl einmal jährlich durch ortsübliche Bekanntmachung und bei der Anmeldung im Bürgerbüro hinweisen.
    Das Problem dabei ist: Obwohl die Kommunen der Informationspflicht nachkommen, wissen viele Einwohner nicht Bescheid. Das führt zu Unmut und Vertrauensverlust gegenüber Politik und Verwaltung.

    Gibt es noch weitere Gründe, dass meine Daten herausgegeben werden?

    Melderegisterauskünfte können ebenfalls zu festgeschriebenen Ehe- oder Altersjubiläen, Mandatsträgern, Presse und Rundfunk, sowie Adressbuchverlage bei Bürgern ab Vollendung des 18. Lebensjahres erteilt werden.

     

    Wir PIRATEN verteidigen das Recht auf informelle Selbstbestimmung auf allen Ebenen, ob im Stadtrat oder Europaparlament.

    Zeit für Selbstbestimmung.
    Zeit für PIRATEN.

  • Piratenpartei fordert Selbstbestimmung auch im Sexgewerbe

    Piratenpartei fordert Selbstbestimmung auch im Sexgewerbe

    Seit 2003 wird am 17. Dezember der „Internationale Tag gegen Gewalt an SexarbeiterInnen“ begangen. An diesem Tag wird auf die Ursachen von Gefahren und physischer Gewalt gegen Sexworker hingewiesen und mögliche Lösungsansätze für ein menschenwürdiges und sicheres Leben für alle in der Sexarbeit tätigen Menschen diskutiert. Einer der wichtigsten Punkte ist hierbei ein Ende der Diskriminierung und der gesellschaftlichen Marginalisierung sowie Stigmatisierung. Die Piratenpartei schließt sich dieser Forderung an.

    In diesem Jahr fällt der Tag in eine Zeit, in der allen Ernstes alle Parteien im Bundestag an Gesprächen über eine Strafbarkeit des Kaufs von sexuellen Dienstleistungen teilnehmen. Dass damit das Selbstbestimmungsrecht der in diesem Gewerbe freiwillig Tätigen quasi abgeschafft würde, scheint wenig zu interessieren, wo es doch einer Stärkung bedürfte, um Zwangslagen zu vermeiden. Die Piratenpartei setzt auch hier auf das Konzept der sexuellen Selbstbestimmung. Die Entscheidung für oder gegen Prostitution soll jeder Mensch individuell und nur für sich selbst treffen. Wenn die Politik der Ansicht ist, dass SexarbeiterInnen besser geschützt werden sollen, dann muss sie diesen Schutz gemeinsam mit den in der Sexarbeit tätigen Menschen konzipieren und nicht gegen deren einhelligen Protest. Das gilt nicht nur für das so genannte Prostituiertenschutzgesetz, sondern auch für alle Überlegungen in Richtung des unter dem Namen „nordisches Modell“ firmierenden Sexkaufverbots, wie es in Schweden eingeführt wurde. Damit würde in der Folge ein ganzer Berufszweig einem faktischen Berufsverbot unterworfen. Das erinnert an die fehlgeschlagene Prohibitionspolitik im Drogenbereich, Es verunmöglicht vor allem eine sichere und selbstorganisierte Berufsausübung. Illegale Strukturen werden gestärkt. SexarbeiterInnen sehen sich gezwungen, alleine und isoliert zu arbeiten, dürfen beispielsweise keine gemeinsamen Wohnungen etc. mehr betreiben und werden somit in die Illegalität getrieben. Der Zugang zu unvoreingenommenen Beratungsstellen, zu ärztlicher Vorsorge sowie sicheren sexuellen Praktiken wird erschwert.

    Ganz außer Acht gelassen wird, dass es Bevölkerungsgruppen gibt, die kaum eine andere Chance haben, ihre sexuellen Bedürfnisse im gegenseitigen Einverständnis zu befriedigen. Gerade in diesem Bereich gibt es Dienstleister, die unter den Begriff der Prostitution fallen, obwohl sie mit der klassischen Prostitution überhaupt nichts zu tun haben. Sexualbegleitung, Pornodarstellungen, Callboys und -girls, Tantra-Massage – all das ist Bestandteil der Sexarbeit.

    Hinsichtlich eines Sexkaufverbots wird immer wieder argumentiert, dass sich das Angebot überwiegend aus ökonomischen Notlagen ergibt und es somit keine Selbstbestimmung sei, dieses Angebot zu machen.

    Hier möchten wir ergänzen, dass jegliche Form der Arbeit immer nur so freiwillig ist, wie die ökonomische Situation auch Alternativen zulässt. Will man den Menschen, die aus rein wirtschaftlichen Notsituationen heraus diese Tätigkeit ausüben und sich dabei in ihrer Selbstbestimmung verletzt sehen, wirklich helfen, muss man ihnen eine ökonomische Alternative bieten. Und da es illusorisch ist, dass für jeden Menschen problemlos sofort eine andere, bezahlte Tätigkeit gefunden werden kann, ist hier ein Bedingungsloses Grundeinkommen die Lösung. Denn nur wer dies erhält, kann wirklich frei entscheiden, welcher Beschäftigung er nachgehen möchte. Das gilt nicht nur für die Sexarbeit, sondern für alle Tätigkeiten.

  • Die TSG-Reform ist keine Verbesserung, Frau Barley

    Die TSG-Reform ist keine Verbesserung, Frau Barley

    Vor nicht ganz zwei Wochen haben Innen- und Justizministerium gemeinsam einen Entwurf zu einer Reform des „Transsexuellengesetzes“ vorgelegt. Nach heftiger Kritik von Betroffenenverbänden verteidigt Justizministerin Barley den Entwurf nun.

    Sie gibt an, sich für eine bessere Reform eingesetzt zu haben, diese sei aber am Koalitionspartner gescheitert. Das wäre auch noch nachvollziehbar, da weder CDU noch CSU für ihre progressive Einstellung zur LGBTTIQ*-Community bekannt sind. So stimmt es auch, dass die Reform Verbesserungen enthält. Aber leider sind viele davon nur Fassade, die die zahlreichen Verschlechterungen nicht kaschieren können, die in einem Gastbeitrag schon ausführlich kritisiert wurden. Diese Reform greift noch stärker in die Selbstbestimmung der Betroffenen ein, als das alte Gesetz es getan hat.

    „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit; so steht es im Grundgesetz. Die TSG-Reform ist ein Schlag ins Gesicht der Betroffenen und keine Verbesserung. Menschenrechte sind keine Verhandlungssache. Wir wollen Selbstbestimmung!“

    fordert Zoey Matthies, Queer-Themenbeauftragte der Piratenpartei Deutschland.

    „Es könnte so einfach sein, man muss nur einen Blick zu unseren Nachbarn werfen. Luxemburg hat gerade erst eine neue Regelung eingeführt, die die Namens- und Personenstandsänderung zu einem einfachen Behördengang macht, etwas wovon Betroffene in Deutschland nur träumen können“

  • Reform des Transsexuellengesetzes – Lasst mich endlich selbst bestimmen!

    Reform des Transsexuellengesetzes – Lasst mich endlich selbst bestimmen!

    Seit so vielen Jahren fordern wir eine Reform des „Transsexuellengesetzes“ (TSG) und endlich soll es soweit sein: Justiz- und Innenministerium legen einen Gesetzesentwurf vor und verschlimmbessern damit die Lage für Betroffene.

    Das TSG ist mit fast 40 Jahren massiv veraltet. Mehrere Teile wurden bereits vom Verfassungsgericht gekippt und so ist es wenig verwunderlich, dass jetzt eine Reform kommen soll … eher, dass es so lange gedauert hat. Grund für den Vorstoß von Justiz- und Innenministerium dürfte aber das Gesetz zum „dritten Geschlechtseintrag“ sein, welches Anfang des Jahres in Kraft trat.

    Das Gesetz war eigentlich dafür gedacht, lediglich Inter*Menschen, also solchen, die von Geburt an körperlich nicht eindeutig männlich oder weiblich sind, die Möglichkeit zu geben, den Geschlechtseintrag „divers“ zu erhalten. Dabei war es handwerklich aber so unsauber verfasst, dass theoretisch JEDER den eigenen Geschlechtseintrag ändern lassen könnte. Eine Chance, die speziell Trans*Menschen genutzt haben, die das bisher nur unter massiver Schikane über das TSG tun konnten.

    Für einen kurzen Zeitraum hatten wir also tatsächlich Selbstbestimmung … verrückt, ich weiß. Entsprechend liegt nun der neue Entwurf vor, der die Situation lösen soll, und statt der üblichen Wochen haben die Verbände genau 48 Stunden Zeit, zu reagieren und ihre Meinung kundzutun. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

    Die guten Seiten

    Aber kommen wir doch zum Gesetz selbst, denn tatsächlich ist nicht alles schlecht. Ein paar positive Änderungen gibt es, auch wenn diese leider sehr schnell abgehakt sind.

    Zuallererst fällt die „Unwirksamkeitsklausel“ weg. Diese besagt, dass Trans*Personen, die mehr als 300 Tage nach dem Beschluss ein Kind bekommen, ihren geänderten Namen wieder verlieren. Das Offenbarungsverbot wurde erweitert, so dass es in Zukunft einfacher wird, Zeugnisse und ähnliche Dokumente auf den neuen Namen ändern zu lassen. Zudem ist erfreulich, dass Trans*Personen ganz offiziell den Eintrag „divers“ nutzen können.

    Auch die Pflicht zu zwei psychotherapeutischen Gutachten soll wegfallen, diese mussten bisher selbst gezahlt werden und das konnte gerne mal 1000€ kosten. Das ist besonders unangenehm, wenn man bedenkt, dass der Gutachter natürlich auch ein negatives Gutachten ausstellen kann. Stattdessen wird es nun eine „Beratung“ geben, deren Kosten der Staat trägt. Genau hier wird es aber wieder schwierig:

    Bei der „Beratung“ geht es nicht, wie zu erwarten, darum, die Betroffenen über mögliche Behandlungswege und Risiken, sowie rechtliche Dinge aufzuklären, sondern darum, am Ende zu bescheinigen „ob sich die betroffene Person ernsthaft und dauerhaft einem anderen oder keinem Geschlecht als zugehörig empfindet“ … Erneute Fremdbestimmung also. Wieder einmal muss man darauf hoffen, dass die beratende Person einem gut gesinnt ist und sich nicht als transphob herausstellt.

    Das Verfahren

    Hat man nun also die Bescheinigung in der Tasche, wird es Zeit für den nächsten Schritt: Das Gericht. Ja, Ihr lest richtig! Anstatt mit der Bescheinigung einfach zum Standesamt zu gehen und den Geschlechtseintrag ändern zu lassen, muss man weiterhin durch ein Gerichtsverfahren, welches wiederum oft mehrere hundert Euro Kosten und mehrere Monate Wartezeit mit sich bringt. Nicht zu vergessen die psychische Belastung, die es mit sich bringt, vor Gericht dafür kämpfen zu müssen, endlich man selbst sein zu dürfen.

    Und damit kommen wir auch schon zu einer der schlimmsten Neuerungen: Bist du verheiratet, wird auch dein Partner angehört. Das klingt zwar erst einmal logisch, ist aber eine sehr schlechte Idee. Der Umgang mit der Transidentität des Partners ist nicht immer einfach und leider gibt es auch so manch extreme Reaktionen, um die Transition zu verhindern. Zum Beispiel der Versuch, das gemeinsame Sorgerecht zu entziehen. Dieser Extremfall wird jetzt noch massiv verschärft. So kann eine Aussage, die jener der betroffenen Person entgegensteht, im Zweifel dazu führen, dass das Gerichtsverfahren verloren wird.

    Besonders unangenehm: Das neue Gesetz sieht drei Jahre Wartezeit nach einem abgelehnten Antrag vor. Wenn man also das Pech hat, einen Gutachter oder Richter zu erwischen, der ein Problem mit Trans*Menschen hat, bedeutet das im schlimmsten Fall weitere drei Jahre verschenkte Lebenszeit.

    Offiziell will man damit verhindern, dass man Namen und Personenstand zu häufig ändert. Es wirkt aber eher wie der Versuch, Menschen davon abzuhalten, es überhaupt zu versuchen. Viele Betroffene werden sich zweimal überlegen, ob sie denn schon „bereit“ für das Verfahren sind oder nicht doch noch warten, bis sich das Passing weiter verbessert. Wertvolle Zeit, die verloren geht.

    Es gibt noch zahlreiche weitere Probleme, (so ist die Definition des Innenministeriums von „trans“ völlig realitätsfern und Verwandtschaft wird vom Offenbarungsverbot ausgenommen), aber dann würde der Artikel vermutlich zehn Seiten lang werden. Stattdessen möchte ich ein paar Verbesserungsvorschläge einbringen:

    Was braucht ein neues Trans*Gesetz

    Wie gehts weiter mit dem Geschlechtseintrag? Hier sehe ich zwei sinnvolle Optionen. Entweder jeder Mensch bekommt die freie Wahl und kann den Eintrag auf Wunsch ändern lassen, oder wir schaffen ihn einfach gleich ab. Schließlich leben wir in einer Zeit, in der die Gesellschaft immer weniger nach Geschlechtern trennt und die Grenzen ohnehin verschwimmen.

    Eine Beratung halte ich für sinnvoll, aber bitte eine echte Beratung, kein verstecktes Gutachten. Hier sollte über die medizinischen Vorgänge, die rechtlichen Änderungen und alle Aspekte rund um die Transition aufgeklärt werden. Meinetwegen auch über mehrere Sitzungen. Das Entscheidende: Die beratende Person bescheinigt nur die Teilnahme an der Beratung, nicht ob sie die betroffene Person als trans sieht. Dadurch ist sichergestellt, dass umfassend informiert wurde, ohne jedoch in die Selbstbestimmung einzugreifen.

    Als dritten Punkt sollte das Gerichtsverfahren wegfallen. Gerichtsverfahren kosten Unmengen an Geld, Zeit und Nerven, nur damit man am Ende für knappe 10 Minuten vor dem Richter steht. Stattdessen sollte ein einfacher Gang zur zuständigen Behörde genügen. Zu dieser bringt man dann die oben genannte Beratungsbescheinigung mit und die Sache ist erledigt.

    Depressionen und psychische Belastung

    Ich bin selbst betroffen und spreche teilweise aus persönlicher Erfahrung, teilweise aus Berichten anderer. Viele Menschen in meinem Freundeskreis sind ebenfalls trans* und nicht zuletzt durch meine Mitgliedschaft im Diversity-Jugendzentrum in München erlebe ich häufig aus nächster Nähe, wie belastend die aktuelle Situation für manche Menschen ist. Viele Betroffene leiden unter Depressionen, da sie oft weder von der Gesellschaft, noch der eigenen Familie akzeptiert werden.

    Eine Umfrage aus den USA gibt an, dass 41% der teilnehmenden Trans*Personen schon einmal versucht haben, sich umzubringen, der Durchschnitt in den USA liegt bei 4,6%. Es ist nicht einfach, belastbare Zahlen für Deutschland zu finden, aber man kann mit Sicherheit sagen, dass Trans*Menschen überproportional vertreten sind. Der neue Gesetzesentwurf wird die Lage für Betroffene sicher nicht verbessern. Im Gegenteil, er wird Leben kosten.

    Anmerkung: Depressionen
    Depressionen sind eine ernstzunehmende Krankheit, aber man muss da nicht alleine durch. Wenn Du Hilfe brauchst, wendest Du Dich am besten direkt an Deinen Hausarzt oder die Deutsche Depressionshilfe. Immer erreichbar ist die TelefonSeelsorge unter 0800/111 0 111.

    Anmerkung: Trans*Hilfe
    Bist du selbst trans* oder glaubst es sein zu können? Dann gibt es einige Vereine, die Dir helfen können. So bietet der TransInterQueer e.V. eine umfassende Liste mit lokalen Angeboten an und auch TransMann e.V. ist bundesweit aktiv.

  • Mein Bauch gehört mir!

    Mein Bauch gehört mir!

    Wir schreiben das Jahr 2017. Als junge Frau bin ich wie selbstverständlich mit dem Gedanken aufgewachsen, dass mein Körper mir gehört und ich frei bin. Mein durchaus offenes, liberales und progressives Elternhaus hat mir schon früh mit auf den Weg gegeben, dass ich mein Leben und mich selbst so gestalten kann, wie ich möchte, insbesondere als Mensch weiblichen Geschlechts.
    Und jetzt? Jetzt haben wir dank der Verurteilung nach §219a einer Ärztin zu einer Geldstrafe, die auf ihrer Webseite darüber informierte, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführt, eine neue Diskussion über Abtreibungen und das Werbeverbot dazu. Eigentlich dachte ich, wir sind mittlerweile zu der gesellschaftlichen Erkenntnis gelangt, dass eine Frau selbst über ihren Körper entscheiden kann und zu einer Entscheidung auch eine fundierte Grundlage an Informationen gehört.

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    Natürlich, die Entwicklung der Paragraphen zum Schwangerschaftsabbruch ist definitiv eine lange und eine, die mit vielen Streitigkeiten zusammenhängt. Sie war ein Kompromiss und in einer Gesellschaft, die sich seitdem immer mehr öffnet und progressiver wird, ist es nur eine notwendige Konsequenz, eine neue Regelung zu finden.

    Der Abbruch einer Schwangerschaft ist in Deutschland noch immer nicht legal, er ist in den meisten Fällen nur straffrei. Doch ist das heutzutage überhaupt noch angebracht? Wir haben mittlerweile die Ehe unabhängig vom Geschlecht der beiden Partner, Vergewaltigung innerhalb der Ehe ist inzwischen illegal und die allermeisten Menschen denken nicht im Traum daran, dass Frauen zur Ausübung eines Berufes vorher mal lieber die Erlaubnis ihres Ehemannes einholen sollten. All dies war nur schwer vorstellbar in einer Zeit, in der der Slogan „Mein Bauch gehört mir“ bekannt wurde.

    Und inzwischen? Jetzt debattieren wir darüber, ob es Medizinern nicht doch lieber verboten bleiben sollte, neutrale Informationen zum Schwangerschaftsabbruch anzubieten. Einerseits bin ich froh, dass es einen gewissen gesellschaftlichen Aufschrei nach diesem Urteil gibt. Andererseits finde ich es schockierend, dass wir überhaupt aufschreien und uns darüber Gedanken machen müssen. Eigentlich sollte es eine Selbstverständlichkeit sein, dass Ärzte neutral, auch auf ihrer Internetpräsenz, Informationen darüber geben können, ob sie diesen Eingriff anbieten oder nicht. Informationen dazu und wissenschaftliche Fakten sind in meinen Augen eine der wichtigsten Grundlagen, um als schwangere Person eine fundierte Entscheidung treffen zu können. Insofern ist es eine unverhältnismäßig große Einschränkung, diese Informationen in irgendeiner Art und Weise zu verwehren, denn es ist ein massiver Eingriff in die dem Schwangerschaftsabbruch zugrunde liegende Selbstbestimmung. Indem wir schwangeren Menschen diese Informationen vorenthalten, führen wir das ad absurdum, was die Frauenbewegung gefordert hat: das Recht, dass der Bauch und insbesondere der Körper einer Frau ihr selbst gehören und sonst niemandem.

    Der ursprüngliche Sinn hinter diesem Paragraphen sollte eigentlich sein, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht glorifiziert werden. Aber kann diese eine Prozedur wirklich glorifiziert werden? Vom durchaus erniedrigenden Ablauf eines Beratungsgesprächs über den noch immer verpönten Abbruch bis hin zu den potentiellen psychischen Folgen, die gerne einmal mit einem „Tja, wenn man auch abtreiben muss…“ kommentiert statt ernst genommen zu werden – an dieser Prozedur, die abtreibungswillige Schwangere durchlaufen müssen, ist nichts, was auch nur ansatzweise glorifiziert werden könnte. Abbrüche gelten noch immer als Tabuthema, welches – sobald es überhaupt einmal angesprochen wird – gerne mit einem gewissen negativen Unterton behandelt wird. Da werden wohl die wenigsten Menschen die Person, die dies durchgestanden hat, mit bewunderndem Neid anblicken.

    Das können wir nur ändern, indem auch Ärzte Informationen über Schwangerschaftsbrüche bereitstellen dürfen. Wissenschaftlich fundierte Fakten, Grundlagen über die Abläufe, mögliche Folgen und Konsequenzen für sämtliche Fälle – all dies möchte jemand, der schwanger ist, vielleicht schon ohne ein Beratungsgespräch, das oftmals wie eine Pflichtveranstaltung wirkt, in Erfahrung bringen – und zwar nicht nur auf sich allein gestellt vor der Suchmaschine seines Vertrauens. Vorbereitet und informiert in ein solches Gespräch zu gehen und auf dieser Grundlage wirklich über die eigene Zukunft zu entscheiden, kann eine fördernde Maßnahme für die Selbstbestimmung sein – sei es nun mit oder ohne Abbruch.

    Wenn wir gerade dabei sind: warum diskutieren wir eigentlich nicht über Sinnhaftigkeit eines solchen Beratungsgesprächs? Beibehaltung, Abschaffung, eine Zwischenlösung, eine größere Auswahl an Stellen, die solch ein Gespräch anbieten? Eine stärkere Konzentration auf die ärztliche Aufklärung? Denken wir mehr in Richtung Selbstbestimmung. Selbstbestimmung kann nur dann wirklich existieren, wenn ein Schwangerschaftsabbruch nicht nur straffrei, sondern auch wirklich legal und damit entkriminalisiert ist.
    Es ist dringend Zeit für Änderungen und das Recht auf Information auch durch Ärzte und Selbstbestimmung.

  • Privatsphäre wahren, Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung stärken

    Privatsphäre wahren, Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung stärken

    PIRATEN setzen sich für einen starken Datenschutz und das Prinzip der informationellen Selbstbestimmung ein. „Dies umfasst nicht nur die sparsame Erhebung, zweckgebundene Verarbeitung und Nutzung sowie die eingeschränkte Weitergabe von personenbezogenen Daten, sondern ebenso die Stärkung der Rechte des Einzelnen, grundsätzlich selbst über die Preisgabe und Verwendung personenbezogener Daten zu bestimmen“, betont Patrick Schiffer, Bundesvorsitzender der Piratenpartei Deutschland. Im Sinne des Prinzips der Informationssicherheit muss die Vertraulichkeit bei Übertragung und Zugriff sowie die Integrität der gespeicherten Daten gewährleistet sein.

    Piratenpartei lehnt verdachtsunabhängige Durchleuchtung ab

    „Wir lehnen die verdachtsunabhängige Durchleuchtung der Bürgerinnen und Bürger und die gläsernen Kundinnen und Kunden ab. Im digitalen Zeitalter liegen immer mehr personenbezogene Informationen in elektronischer Form vor, werden automatisiert verarbeitet und verknüpft oder weitergegeben – auch über Ländergrenzen hinweg und zwischen den öffentlichen und nichtöffentlichen Bereichen“, ergänzt Anja Hirschel, Sprecherin für Digitalisierung und Spitzenkandidatin zur Bundestagswahl der Piratenpartei Deutschland, mit einem Zitat aus dem Bundestagswahlprogramm.

    Ohne Wissen der Betroffenen kann die wachsende Datenflut automatisiert zu Persönlichkeitsprofilen zusammengefügt und im schlimmsten Fall gegen sie verwendet werden – z. B. durch das sogenannte Kreditscoring oder die Erstellung von Surf- und Bewegungsprofilen.

    Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung sind zentrale Themen der PIRATEN und ihrer Wahlkampfkampagne ‚Piraten. Freu Dich aufs Neuland.‘ Der passende Hastag der #PIRATEN dazu lautet: #FreuDichAufsNeuland.

     

  • PIRATEN kritisieren: NRW-Finanzminister will Bargeldobergrenze – Fadenscheinige Argumente

    NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans hat sich gestern für eine Bargeldobergrenze in Deutschland ausgesprochen. In anderen Staaten betrage sie um die 1.000 Euro, den bargeldfreundlichen Deutschen gesteht der NRW-Finanzminister allerdings bis zu 3.000 Euro zu.

    Stefan Körner, Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland:
    »Die freiheitsbeschneidenden Politiker von Union und SPD versuchen es immer wieder und auf allen Ebenen! Sie wollen die Abschaffung eines weiteren Stückchens Freiheit der Bürger. Der Freiheit, anonym und selbstbestimmt mit Bargeld einkaufen zu können, ohne dass sie gleich auf Schritt und Tritt von ihrem Staat gegängelt werden. Wenn die Bürger nicht mal mehr das Taschengeld ihrer Kinder ohne staatliche Einmischung weitergeben können, dann ist es mit der Freiheit in Deutschland nicht mehr weit her. Unter Anführung fadenscheiniger Gründe wird hier versucht, ein weiteres Überwachungsinstrument einzuführen. Natürlich nur zu unser aller Bestem. Verbrecher sollen so angeblich an ihren Straftaten gehindert und besser überführt werden. Als wenn diese Leute sich nicht ganz anderer Wege ihrer Geldflüsse bedienen würden! Hier sollen unbescholtene Menschen unter Generalverdacht gläsern werden; das lehnen wir PIRATEN ab. Wem dient das? Alleine den Überwachungsfetischisten. Dem großen Bruder Staat. Dem Finanzminister. Und den pathologischen Verdächtigern in Polizei und Justiz. Bargeld ist Freiheit! Diese muss erhalten bleiben!«

    Patrick Schiffer, Vorsitzender der Piratenpartei NRW:
    »Die PIRATEN NRW haben auf ihrem letzten Landesparteitag für ihr Wahlprogramm zur Landtagswahl 2017 mit klarer Mehrheit beschlossen, jegliche Bargeldobergrenze abzulehnen. Der Versuch von Norbert Walter-Borjans ist ja nicht der erste in der letzten Zeit. Ich habe die Vermutung, dass er immer mal wieder kleine Testballons aufsteigen lässt, um zu prüfen, ob sich Widerstand in der Bevölkerung zeigt. Wir PIRATEN fordern ganz klar, dass es Wahlmöglichkeiten geben muss und sind damit in prominenter Gesellschaft mit dem Bundesbank-Vorstand Carl Ludwig Thiele, der in einem Interview sagte: „Für die Bürger bedeutet jede Einschränkung der Bargeldnutzung einen Verlust an persönlicher wirtschaftlicher Freiheit“. Freies Bargeld, keine Überwachung, selbstbestimmte Zahlungsmethoden!«