Schlagwort: Sexarbeit

  • Piratenpartei fordert Selbstbestimmung auch im Sexgewerbe

    Piratenpartei fordert Selbstbestimmung auch im Sexgewerbe

    Seit 2003 wird am 17. Dezember der „Internationale Tag gegen Gewalt an SexarbeiterInnen“ begangen. An diesem Tag wird auf die Ursachen von Gefahren und physischer Gewalt gegen Sexworker hingewiesen und mögliche Lösungsansätze für ein menschenwürdiges und sicheres Leben für alle in der Sexarbeit tätigen Menschen diskutiert. Einer der wichtigsten Punkte ist hierbei ein Ende der Diskriminierung und der gesellschaftlichen Marginalisierung sowie Stigmatisierung. Die Piratenpartei schließt sich dieser Forderung an.

    In diesem Jahr fällt der Tag in eine Zeit, in der allen Ernstes alle Parteien im Bundestag an Gesprächen über eine Strafbarkeit des Kaufs von sexuellen Dienstleistungen teilnehmen. Dass damit das Selbstbestimmungsrecht der in diesem Gewerbe freiwillig Tätigen quasi abgeschafft würde, scheint wenig zu interessieren, wo es doch einer Stärkung bedürfte, um Zwangslagen zu vermeiden. Die Piratenpartei setzt auch hier auf das Konzept der sexuellen Selbstbestimmung. Die Entscheidung für oder gegen Prostitution soll jeder Mensch individuell und nur für sich selbst treffen. Wenn die Politik der Ansicht ist, dass SexarbeiterInnen besser geschützt werden sollen, dann muss sie diesen Schutz gemeinsam mit den in der Sexarbeit tätigen Menschen konzipieren und nicht gegen deren einhelligen Protest. Das gilt nicht nur für das so genannte Prostituiertenschutzgesetz, sondern auch für alle Überlegungen in Richtung des unter dem Namen „nordisches Modell“ firmierenden Sexkaufverbots, wie es in Schweden eingeführt wurde. Damit würde in der Folge ein ganzer Berufszweig einem faktischen Berufsverbot unterworfen. Das erinnert an die fehlgeschlagene Prohibitionspolitik im Drogenbereich, Es verunmöglicht vor allem eine sichere und selbstorganisierte Berufsausübung. Illegale Strukturen werden gestärkt. SexarbeiterInnen sehen sich gezwungen, alleine und isoliert zu arbeiten, dürfen beispielsweise keine gemeinsamen Wohnungen etc. mehr betreiben und werden somit in die Illegalität getrieben. Der Zugang zu unvoreingenommenen Beratungsstellen, zu ärztlicher Vorsorge sowie sicheren sexuellen Praktiken wird erschwert.

    Ganz außer Acht gelassen wird, dass es Bevölkerungsgruppen gibt, die kaum eine andere Chance haben, ihre sexuellen Bedürfnisse im gegenseitigen Einverständnis zu befriedigen. Gerade in diesem Bereich gibt es Dienstleister, die unter den Begriff der Prostitution fallen, obwohl sie mit der klassischen Prostitution überhaupt nichts zu tun haben. Sexualbegleitung, Pornodarstellungen, Callboys und -girls, Tantra-Massage – all das ist Bestandteil der Sexarbeit.

    Hinsichtlich eines Sexkaufverbots wird immer wieder argumentiert, dass sich das Angebot überwiegend aus ökonomischen Notlagen ergibt und es somit keine Selbstbestimmung sei, dieses Angebot zu machen.

    Hier möchten wir ergänzen, dass jegliche Form der Arbeit immer nur so freiwillig ist, wie die ökonomische Situation auch Alternativen zulässt. Will man den Menschen, die aus rein wirtschaftlichen Notsituationen heraus diese Tätigkeit ausüben und sich dabei in ihrer Selbstbestimmung verletzt sehen, wirklich helfen, muss man ihnen eine ökonomische Alternative bieten. Und da es illusorisch ist, dass für jeden Menschen problemlos sofort eine andere, bezahlte Tätigkeit gefunden werden kann, ist hier ein Bedingungsloses Grundeinkommen die Lösung. Denn nur wer dies erhält, kann wirklich frei entscheiden, welcher Beschäftigung er nachgehen möchte. Das gilt nicht nur für die Sexarbeit, sondern für alle Tätigkeiten.

  • Tag der Sexarbeiter: Mehr Respekt wagen!

    Tag der Sexarbeiter: Mehr Respekt wagen!

    Sexarbeit: Für viele Menschen ist das Thema immer noch ein Tabu. Begriffe aus dem Bereich Sexarbeit dürfen häufig nur als Mittel der Abwertung, der Beleidigung, der Diskriminierung oder gar als Begründung für Gewalt herhalten. Um die Situation von Sexarbeitern zu verbessern, wurde bereits 1975 in Frankreich der International Sex Worker’s Day ins Leben gerufen. 2003 wurde nach einer Mordserie an insgesamt 48 Sexarbeiterinnen der „International Day to End Violence Against Sex Workers“ unter anderem von der New Yorker Organisation PONY, dem Sexarbeiterprojekt des Urban Justice Center und der Aktivistin Annie Sprinkle ausgerufen.

    Wir schreiben immerhin schon fast das Jahr 2017. An der Lage von Sexarbeitern hat sich weltweit so gut wie nichts geändert, wenn man von den gelegentlichen Versuchen absieht, mit der Begründung „Zwangsprostitution“ sämtliche Sexarbeiter und auch ihre Kunden in die Illegalität abzudrängen.

    Fangen wir einmal ganz von vorne an. Das Wort „Sexarbeiter“ mit den meisten Synonymen ist wohl als Beleidigung bekannt. Dabei scheint vielen gar nicht bewusst zu sein, dass es vollkommen okay ist, wenn jemand sich freiwillig dazu entscheidet, Sex als Dienstleistung anzubieten. Solange Angebot und Nachfrage frei von Zwang sind, darf unter gar keinen Umständen ein gesellschaftliches oder moralisches Problem daraus gemacht werden. Zunächst einmal ist das ein Geschäft zwischen dem Dienstleister und demjenigen, der diese in Anspruch nimmt, wie bei jeder anderen Dienstleistung auch. Bei anderen Dienstleistungen interessieren sich Staat und Gesellschaft ja auch nicht gerade brennend dafür, wie es um die Freiwilligkeit der Gewerbetreibenden bestellt ist und ob oder wie stark sie ausgenutzt werden. Dennoch herrschen immer noch Diskriminierungen und Probleme im Zusammenhang mit Sexarbeit vor.

    Weiterhin gibt es sehr viele Vorurteile gegenüber Sexarbeitern. Ganz vorne mit dabei: alle Sexarbeiter sind weiblich. Das stimmt nicht. Nur weil viele und sicherlich auch die meisten Personen in dieser Berufsgruppe weiblich sind, heißt das nicht, dass alle das sind. Es gibt Sexarbeiter aller Geschlechtsidentitäten.

    Außerdem herrscht das Klischee vor, dass Sexarbeiter meist leicht bekleidet sind. Sexarbeiter sind Menschen wie jeder andere auch. Da kann es gut sein, dass manche in ihrer Freizeit freizügig gekleidet sind, andere dafür aber eben nicht. Das kann man gar nicht pauschalieren, und es ist wohl für jeden Menschen anders. In vielen Köpfen ist daneben das Bild, dass Motivationen für Sexarbeit eigentlich nur sozialer Abstieg, Menschenhandel oder generell Zwang bzw. psychiatrische Störungen zugrundeliegen können, die mit einem gesteigerten Geschlechtstrieb einhergehen. Dass Menschen einfach nur Spaß an diesem Beruf haben, bleibt dabei vollkommen außen vor. Es rutschen definitiv auch nicht alle Sexarbeiter in die Drogenszene ab.

    Im Mittelpunkt sollte also allem voran Aufklärung stehen. Auch wenn es gesellschaftlich bei vielen Menschen immer noch nicht angekommen zu sein scheint: Freiwillige Sexarbeit ist nichts Schlimmes. Menschen, die diesen Beruf ergreifen wollen und der Meinung sind, damit glücklich zu werden, sollten die Möglichkeit entsprechender Beratungsstellen haben, um eben nicht im schlimmsten Fall in kriminelle Kreise zu geraten. Wie bei jedem Beruf weiss man nicht direkt von Anfang an, wie Konventionen sind, wie etwas funktioniert und auf was man besonders achten muss. Die Einvernehmlichkeit muss in den Vordergrund gerückt werden, aber auch die Möglichkeit zum Ausstieg aus dem Beruf muss zu jeder Zeit gegeben sein, um die Gefahr zu minimieren, dass Menschen in ein Abhängigkeitsverhältnis geraten. Mindestens eine gewisse Beratung, was bei diesem Beruf alles zu beachten ist und inwiefern jemand selbst überprüfen kann, ob er dafür geeignet ist, muss gewährleistet sein, um eine möglichst sichere und vor allem freiwillige Ausübung des Berufs zu garantieren.

    Zwangsprostitution ist in jedem Falle abzulehnen und zu bekämpfen. Das darf aber nicht mit der freiwilligen Wahl zur Sexarbeit vermischt werden.

    Was definitiv keine Verbesserung wäre, ist das Verbot der Sexarbeit. Denn das würde genau das Gegenteil dessen bewirken, was der heutige Aktionstag eigentlich fordert. Letztlich würde durch ein Verbot immer eine Nachfrage existieren, das Angebot hingegen wäre illegal, aber dennoch beständig. Genau das würde Menschenhandel fördern und bisher freiwillige Sexarbeiter noch mehr tabuisieren. Wenn Sexarbeit insgesamt illegal wäre, könnte Zwangsprostitution nicht mehr effektiv bekämpft werden, weil der Staat dadurch jegliche Form der Kontrolle aufgibt. Desweiteren würde es Menschen, die freiwillig den Beruf des Sexarbeiters wählen, kriminalisieren. Exakt dadurch würden diese Personen erst in die entsprechenden Situationen geraten, die in Zwangsprostitution, Drogenszene und Menschenhandel münden können. Abgesehen davon ist es eine gewisse Form der Freiheit, sich selbst einen Beruf zu wählen, der glücklich macht. Sexarbeit ist nur eine Dienstleistung unter vielen, für deren Anerkennung und Stellung gekämpft werden muss, weil sie letztlich auch nur eine Dienstleistung ist. Nicht mehr und nicht weniger.

    Der Staat hat sich in das Berufsfeld Sexarbeit nicht mit Verboten einzumischen, sondern sollte im Gegenteil dafür sorgen, dass auch Sexarbeiter die allen Bürgern dieses Landes zugesicherte Freiheit der Berufswahl endlich ohne Stigmatisierung, Diskriminierung und Gewalt leben können.

    https://www.youtube.com/watch?v=PTnIwwrn_Lc