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  • Ist die Störerhaftung wirklich gekippt?

    Die Meldung schlug ein: Die Bundesregierung will die Störerhaftung in Deutschland abschaffen. Damit werde es möglich, offenes WLAN anzubieten, ohne dem Risiko einer Abmahnung ausgesetzt zu sein. Doch stimmt das wirklich?

    Dank des Verfahrens des PIRATEN Tobias McFadden vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) und der Stellungnahme des Generalanwalts scheint die Bundesregierung einzusehen, dass die Störerhaftung im neuen Telemediengesetz (TMG) abgeschafft werden muss. So lesen sich die Meldungen der vergangen Tage, seit Angela Merkel angeblich vergangene Woche ein Machtwort gesprochen haben soll.

    Wie allerdings der Rechtsanwalt Thomas Stadler feststellt, wird es die Störerhaftung im Prinzip weiter geben. Die Frage ist aber, unter welchen Umständen kein Anspruch auf Unterlassung bei der Rechtsverletzung durch einen Nutzer eines WLAN besteht.

    Im bisher vorliegenden Entwurf steht, dass Anbieter zumutbare Maßnahmen zur Verhinderung von Rechtsverletzungen vornehmen müssen, um von der Störerhaftung ausgenommen zu werden. Dies kann geschehen, indem das WLAN gegen „unberechtigten Zugriff“ gesichert ist und Nutzer erklären müssen, dass sie keine Rechtsverletzung begehen.

    Wie dieser Passus in der nächsten Fassung des Entwurfs aussehen wird, kann aktuell niemand sagen. Er könnte auch so umformuliert werden, dass es für gewerbsmäßige Anbieter Ausnahmeregelungen gibt, nicht jedoch für privat aufgebaute offene Netze. Solange noch kein Gesetzentwurf vorliegt, kann noch keine Entwarnung gegeben werden.

     

    Es gibt jedoch noch ein weiteres Problem: Die Bundesregierung reagiert auf rechtlichen Druck, nicht aus Einsicht, dass etwas geschehen muss. Bislang scherte sie sich nicht darum, dass Deutschland beim Angebot von offenem WLAN anderen Ländern weit hinterherhinkt. Die Regierung will die digitale Gegenwart nicht gestalten, geschweige denn den digitalen Wandel und die Zukunft.

    Das zeigt sich auch im grün-schwarzen Koalitionsvertrag für Baden-Württemberg. Dort findet sich tatsächlich folgender Abschnitt:

    „Genauso wichtig wie Straßen sind uns die Datenautobahnen. Deshalb bauen wir das Breitbandnetz flächendeckend aus. Dies ist eine wesentliche Grundlage für die nachhaltige, digitale Mobilität der Zukunft. So schaffen wir die Voraussetzungen dafür, dass das Autoland Baden-Württemberg zum Weltmarktführer bei Produkten und Dienstleistungen rund um die Mobilität der Zukunft wird.“

    Das wäre schon vor 20 Jahren keine Zukunftsplanung gewesen, heute wirkt schon die Wortwahl anachronistisch: „Datenautobahn“. Da fehlen nur noch „Surfen“ und „Multimedia“.

    Auch der Fokus auf den Ausbau des mobilen Internets für den Autoverkehr ist zu kurz gegriffen: Mobilität besteht nicht nur aus Autos, sondern auch aus anderen Verkehrsmitteln. Zukunftsvisionen sehen anders aus.

     

  • Terroranschläge und die Nutzung von Social Media

    THOMAS MAYER - VORSITZENDER PIRATEN MUENCHEN-STADT - FOTO-PRIVAT- BLOGInnerhalb von wenigen Tagen kam es zu zwei Terroranschlägen in Europa, bei denen an belebten öffentlichen Orten Bomben zwischen Zivilisten gezündet wurden: In Istanbul sprengte sich am Samstag ein Selbstmordattentäter in die Luft, am Dienstag zündeten Terroristen in Brüssel am Flughafen und in der U-Bahn Bomben. Die jeweiligen Regierungen gingen nach den Anschlägen unterschiedlich mit dem Internet um.

    Die türkische Regierung ließ direkt nach den Anschlägen die Geschwindigkeit der sozialen Netzwerke Facebook, Twitter und Instagram drosseln. Damit sollte vorgeblich verhindert werden, dass die Bevölkerung durch Falschmeldungen verunsichert wird. Genau das Gegenteil war der Fall: Da keine unabhängigen Informationen verfügbar waren, verlor die Bevölkerung das Vertrauen in die Regierung.

    In ersten Meldungen teilte die türkische Regierung mit, dass es sich um einen Anschlag einer PKK-nahen Organisation handele. Am Sonntag war dann der Wissensstand, dass es sich um einen Selbstmordattentäter aus den Reihen des Daesh handelte.

    In Belgien war die Reaktion auf die Anschläge eine andere: Es gibt bereits seit 2009 mehrere Social-Media-Kanäle, die für Krisenfälle eingerichtet wurden. Auf dem offiziellen Twitter-Account Crisiscen-terBE wurde u.a. darauf hingewiesen, dass Informationen besser über die Social-Media-Kanäle als über allgemeine Hotlines verfügbar wären.

    Die belgische Polizei nutzte ebenfalls die Social Media, um Fahndungsfotos eines weiteren Terrorverdächtigen zu verbreiten.

    Die belgischen Behörden hielten keine Informationen zurück, sondern informierten aktiv die Bevölkerung über das Internet. Durch diese Informationspolitik wurde keine Panik geschürt, sondern im Gegenteil konnten sich alle selbst ein Bild von der Lage machen und sich auf die Situation einstellen. Eine offene Informationspolitik trägt dazu bei, dass die Bevölkerung eben nicht verunsichert wird.

    Da das öffentliche Leben in Brüssel zum Erliegen kam und die Menschen dazu aufgefordert wurden, den öffentlichen Nahverkehr nicht zu benutzen, fand spontan durch die Einwohner eine wirklich soziale Nutzung von Social Media statt: Unter den Hashtags #OpenDoors bzw. #PorteOuverte wurden Übernachtungsmöglichkeiten für gestrandete Personen angeboten.

    Gerade Letzteres zeigt, dass freie und unzensierte soziale Medien den Menschen Möglichkeiten bieten, sich spontan zu organisieren, gerade auch in Krisen- und Ausnahmesituationen.