Schlagwort: Überwachungsmaßnahmen

  • „Reclaim Your Face“: Europaweite Bürgerinitiative gegen Biometrische Massenüberwachung startet heute

    „Reclaim Your Face“: Europaweite Bürgerinitiative gegen Biometrische Massenüberwachung startet heute

    Der Europaabgeordnete Dr. Patrick Breyer (Piratenpartei) ruft zur Unterstützung der europaweiten Bürgerinitiative „Reclaim Your Face“ auf. Diese heute startende Bürgerinitiative setzt sich für ein Verbot von biometrischer Massenüberwachung an öffentlichen Plätzen innerhalb der Europäischen Union ein. Aktuelles Ziel der von über 35 Organisationen unterstützten Initiative ist es, in einem halben Jahr eine Million Unterschriften zu sammeln, um die Europäische Kommission offiziell zur Vorlage eines gesetzlichen Verbots biometrischer Massenüberwachung zu bewegen.

    Breyer fordert die Ächtung dieser Überwachungstechnologie innerhalb der EU:

    „Die Identifizierung und Nachverfolgung von Bürger*innen anhand biometrischer Erkennungsmerkmale hebt Massenüberwachung im öffentlichen Raum auf ein neues Niveau, dessen dystopische Ausmaße wir heute nur erahnen können. Überwachungstechnologien, die auf der Auswertung unserer individuellen Körpermerkmale, wie Gesichtszügen oder Bewegungsmustern, basieren, verwandeln uns in laufende Barcodes, die jederzeit und überall ausgelesen werden können. Auch erzeugt die automatisierte Erkennung und Meldung auffälligen Verhaltens einen ständigen Überwachungs- und Anpassungsdruck, der mit unseren Grundrechten nicht vereinbar ist. Mit ‚Reclaim Your Face‘ haben die Bürger*innen nun die Möglichkeit, die untätige EU-Kommission unter Druck zu setzen und eine europaweite Ächtung einzufordern. Damit das gelingt, brauchen wir sehr, sehr viele Unterstützer*innen.“

    Einige Mitgliedstaaten der EU experimentieren bereits mit dem Einsatz biometrischer Überwachungstechnologien, wie etwa der Anwendung von Gesichtserkennungssoftware auf öffentlichen Plätzen. Durch Nutzung von sogenannter ‚Künstlicher Intelligenz‘ ist es den Behörden so möglich, Personen eindeutig zu identifizieren und ihren Aufenthaltsort genau nachzuverfolgen. Die erfassten Körpermerkmale werden gleichzeitig mit Einträgen in weltweiten Datenbanken verglichen, um so etwa nach bekannten Straftäter*innen zu suchen. Ein Versuch der Bundespolizei am Berliner Bahnhof Südkreuz hat gezeigt, dass wegen der unzuverlässigen Technik 99 von 100 der als „Treffer“ gemeldeten Personen unschuldig waren, und zu Unrecht einer Straftat verdächtigt würden.

    Menschenrechtsorganisationen warnen vor dem Einsatz biometrischer Überwachungstechnologien außerdem aufgrund der Diskriminierungsgefahr, die von ihnen ausgeht. Denn die Algorithmen der Gesichtserkennungstechnologien weisen besonders hohe Fehlerquoten bei der Erkennung nicht-weißer Personen auf. In den USA gab es bereits erste Festnahmen unschuldiger Bürger*innen auf Basis des Einsatzes biometrischer Überwachungstechnologien. Zahlreiche Bundesstaaten haben daher Gesetze zum Verbot von Gesichtserkennungstechnologien verabschiedet. In der Europäischen Union gibt es bisher keinen gesetzlichen Rahmen zur Regulierung solcher Überwachungsmethoden. Die EU-Kommission hat jedoch angekündigt, im April ein Gesetzespaket zum Umgang mit sogenannter Künstlicher Intelligenz vorzulegen. Breyer appelliert:

    „Die Europäische Union muss dringend die Gefahren erkennen, die der Einsatz biometrischer Massenüberwachung mit sich bringt. Mit den geplanten Gesetzen zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz hat die Kommission die Chance, den zahlreichen Warnungen der Zivilgesellschaft und Menschenrechtsorganisationen Gehör zu verleihen, und den Einsatz dieser extrem fehleranfälligen Technologien zu verbieten.“

    Die Europäische Bürgeriniaitive „Reclaim Your Face“ fordert die Europäische Kommission auf, einen Gesetzesvorschlag zum Verbot Biometrischer Massenüberwachungstechnologien vorzulegen. Die Unterschriftensammlung läuft ab heute für ein Jahr und ist auf der „Reclaim Your Face“ Website www.reclaimyourface.eu erreichbar.

    Breyers Fraktion Grüne/EFA wirbt im Europaparlament unter anderem mit einer Veranstaltungsreihe und Studienaufträgen für die politische Umsetzung eines solchen Verbots.

  • PIRATEN kritisieren Heiko Maas: Ich weiß bald, wer Du bist…

    PIRATEN kritisieren Heiko Maas: Ich weiß bald, wer Du bist…

    Wenn es nach dem neuen Gesetzesentwurf von Justiziminister Heiko Maas geht, werden in Deutschland schon bald „verfassungsfeindliche Verunglimpfungen“ oder „landesverräterische Fälschungen“ innerhalb von 24 Stunden gelöscht. Das geht aus dem Referentenentwurf des „Netzwerkdurchsetzungsgesetz“ hervor, der zur Notifizierung an die EU geschickt wurde und den die PIRATEN bereits in seiner alten Fassung kommentierten.  Auch Heise.de und Netzpolitik.org äußerten sich in Beiträgen dazu.  Die PIRATEN warnen davor, dass durch das neue Gesetz die nach dem Grundgesetz für alle Menschen verbriefte freie Meinungsäußerung ausgehebelt werden könnte.

    „Anonymität ist ein wichtiger Schutz und keine Waffe. Dies betrifft Journalisten genauso wie Menschenrechtsaktivisten. Wer sich gegen Unrecht engagiert und seine Identität nicht mehr wirksam schützen kann, ist somit Racheaktionen unmittelbar ausgeliefert. Eine freie Meinungsäußerung wird faktisch unmöglich. Wir bleiben wachsam und werden die weiteren Entwicklungen genau beobachten“,

    so Patrick Schiffer, NRW-Spitzenkandidat und Bundesvorsitzender der Piratenpartei Deutschland.

    „Uns PIRATEN kommt die Diskussion um erweiterte Kontrollmaßnahmen im Netz sehr bekannt vor“,

    betont Schiffer. Im Frühjahr 2009 gab es bereits die Initiative, in das Angebot und die Bereitstellung von Inhalten im Internet einzugreifen. Durch das Zugangserschwerungsgesetz sollten Internetseiten gesperrt und dabei geheime Sperrlisten unter Verwaltung des BKA und ohne richterliche Kontrolle verwendet werden. Die jetzige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen verdiente sich durch ihre Initiative damit den seitdem weithin bekannten Spitznamen „Zensursula“.

    Fotokollage von @xwolf aus dem MemBild Zensursula (2009) und Heiko Maas von Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0

    Sebastian Alscher, Spitzenkandidat der Piratenpartei Deutschland für die Bundestagswahl, fordert: „Unsere Gesellschaft benötigt einen Raum, in dem ein offener Diskurs stattfinden kann. Mit dem Gesetz überträgt der Staat hoheitliche Aufaben auf privatrechtliche Unternehmen und schafft ein zunehmend engmaschigeres Netz an Überwachungsmaßnahmen. In der Hoffnung, dass in der Fülle der Gesetzesanträge zum Ende der Legislaturperiode der Bürger müde ist und nicht jeden Antrag geeignet kommentieren und kritisieren kann, werden hier die Bürgerrechte gezielt weiter ausgehöhlt.“

    „Jetzt geht es wieder um den selben Inhalt und mit derselben Zielsetzung, die Mittel sind jedoch andere. Anstelle des Staates sollen nun privatwirtschaftliche Unternehmen als Kontrollinstanz herhalten. Das Problem, das uns PIRATEN im Kern daran stört, ist der Aufbau einer Infrastruktur, die unzweifelhaft zum Zweck der Zensur eingesetzt wird. Wenn diese zusätzlich durch eine Klarnamenspflicht bei den zu regulierenden Netzwerken ergänzt wird, sind nicht nur dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, sondern es wird willkürliche Inhaltskontrolle und Überwachung nicht nur legitimiert, sondern sogar zum Normalzustand erhoben, so Schiffer.

    Ute Elisabeth Gabelmann, Stadträtin für die Piraten in Leipzig und Direktkandidatin zur Bundestagswahl 2017, die schon bei der großen von den PIRATEN angestoßenen Protestwelle im Jahr 2009 dabei war, kritisiert: „Es ist nicht hinnehmbar, dass die Bundesregierung alle paar Jahre mit wechselnden Begründungen und fadenscheinigen Vorwänden versucht, eine Zensur-Infrastruktur im freien Internet zu etablieren. Bereits 2009 haben Zehntausende diesem Vorhaben eine klare Absage erteilt, und wir werden dies auch in diesem Jahr mit Nachdruck und aller Konsequenz tun.“

    Zum Hintergrund:

    Was neu ist im Gesetzesentwurf: Ein zivilrechtlicher Auskunftsanspruch ist Teil des aktuellen Entwurfs. Interessant dabei: Bisher ist im §14(2) TMG die Auskunft nur „Auf Anordnung der zuständigen Stellen“ zu erteilen.  Zwar wird im Entwurf festgelegt, dass „durch die Benennung eines Ansprechpartners daher keine zusätzlichen Auskunftspflichten begründet werden.“ Doch genau dies soll nun geändert werden. So heißt es im Entwurf im Abschnitt zur Änderung des Telemediengesetzes: „Aus Sicht der Bundesregierung bestehen grundsätzlich keine Einwände dagegen, die Auskunftserteilung auf weitere Fälle zu erweitern. Denkbar wäre dabei eine Erweiterung nicht nur im Hinblick auf die Verletzung von Persönlichkeitsrechten, sondern auf alle sonstigen absoluten Rechte.“ Zusätzlich wird ausgeführt, dass durch die Anpassung an die Datenschutzgrundverordnung dafür gesorgt würde, dass „…bereits mit Inkrafttreten dieses Gesetzes ein durchsetzbarer Auskunftsanspruch des Opfers gegenüber sozialen Netzwerken bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen und Verletzungen anderer absolut geschützter Rechte.“ bestehe. Es ist also bereits jetzt klar erkennbar, wo die Reise hin gehen soll.