Schlagwort: Zensur

  • „Hate Speech“: Einschränkung der Meinungsfreiheit unter neuem Etikett

    „Hate Speech“: Einschränkung der Meinungsfreiheit unter neuem Etikett

    Seit längerer Zeit geistert der Begriff „Hate Speech“ – zu Deutsch „Hassrede“ – durch Politik, Medien und Gesellschaft. Oft wird er ganz selbstverständlich verwendet, dabei existiert keine eindeutige und verbindliche Definition des Begriffs. In Verbindung damit wird auch gerne analog der Begriff Hasskriminalität verwendet, der allerdings einen im juristischen Sinne sehr speziellen Bereich von u.a. rassistisch motivierten Gewalttaten umfasst. So wirkt es sehr seltsam, dass sich Parteien und Gruppierungen explizit dem Kampf gegen „Hate Speech“ widmen. Es drängt sich unweigerlich die Frage auf, gegen wen oder was dabei eigentlich genau gekämpft werden soll. Beim genauen Blick auf die einzelnen Akteure und deren Aussagen zu „Hate Speech“ fällt schnell auf, dass ganz unterschiedliche Dinge im Fokus stehen, gegen die vorgegangen werden soll. Überwiegend lässt sich das in drei Bereiche einteilen:

    1. Im Strafgesetzbuch definierte Straftaten, die an vielen Stellen im Internet, besonders sozialen Netzwerken, aktuell nur langsam oder unzureichend verfolgt werden.
    Hier wird der Begriff „Hate Speech“ nur als Zusammenfassung für die zahlreichen Straftatbestände genutzt, wie beispielsweise Volksverhetzung (§130 StGB), Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen (§166 StGB), Beleidigung (§185 StGB), Üble Nachrede (§186 StGB) und Verleumdung (§187 StGB).

    An dieser Stelle wäre es hilfreicher, diese Straftaten konkret zu benennen, statt dafür den vagen Begriff „Hate Speech“ zu benutzen. Für schnellere und effizientere Ermittlungen und zeitnahe Verfahren müssen die Ermittlungsbehörden und Gerichte personell und technisch besser ausgestattet werden.

    2. In den letzten Jahren scheinbar zunehmende persönliche Anfeindungen und Angriffe, vor allem in sozialen Netzwerken.
    Subjektiv ist in den letzten Jahren die Menge an Konflikten zwischen einzelnen Personen und Gruppen stark angestiegen. Anscheinend immer öfter werden Menschen in unwürdiger Weise diffamiert und mit Ausdrucksweisen „unter der Gürtellinie“ massiv beleidigt. Gerne werden zweifelhafte Informationen genutzt, um den eigenen Standpunkt zu untermauern. Das alles findet zudem in einem sehr rauen Ton statt, weshalb, wenn es sich im Rahmen des rechtlich Erlaubten abspielt, in diesem Fall die Verrohung des Diskurses und des Umgangs miteinander gemeint ist.

    Hier helfen keine Gesetze, denn dies ist alles durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Als Lösung braucht es Wege, um eskalierte Diskussionen von der persönlichen wieder auf die sachliche Ebene zu lenken, ohne die Meinungsfreiheit zu beschneiden. Außerdem sollten Fehlinformationen kenntlich gemacht werden können, vielleicht sogar in Verbindung mit der Möglichkeit einer Richtigstellung. Dabei wird es vor allem auf das zivile Engagement der Diskussionsteilnehmer ankommen, aber auch auf die Netzwerke, die Möglichkeiten zur Richtigstellung anbieten müssen. Gleichzeitig sollte in der Bildung stärker auf die Entwicklung einer gesunden Diskussionskultur und einer verbesserten Medienkompetenz hingearbeitet werden. Diese sind im heutigen Informations- und Diskussionszeitalter notwendige Kernkompetenzen.

    3. Weltanschauungen, die der eigenen Ansicht widersprechen.
    Bei dieser letzten Definition muss leider von „Hate Speech“ als Kampfbegriff gesprochen werden. Der Begriff wird dazu verwendet, um Menschen mit einer anderen Weltanschauung als der eigenen abzuwerten und schlichtweg mundtot zu machen. Es geht nicht mehr darum, ein Thema zu diskutieren, sondern darum, Recht zu haben und allein die Deutungshoheit zu besitzen. Dazu wird die Gegenseite zum Feind erklärt, den es zu bekämpfen gilt. An dieser Stelle wird die Meinungsfreiheit eingeschränkt und eine offene Diskussion im Keim erstickt. Frei nach dem Motto: „Wer nicht meiner Meinung ist, der hat gefälligst keine Meinung zu haben.“

    Dies ist unter keinen Umständen zu tolerieren. Das Grundrecht der freien Meinungsäußerung gilt für jeden, ob er nun meiner Meinung ist oder nicht. Das gilt es immer wieder zu betonen und schlicht zu akzeptieren.

    Wie soll also am besten mit dem Begriff „Hate Speech“ umgegangen werden? Weil verschiedene Definitionen in einen Topf geworfen werden und diese zusätzlich noch sehr schwammig sind, sind bei der Diskussion um den Bekämpfung von „Hate Speech“ Missverständnisse vorprogrammiert. Wir benötigen eine klare Sprache, um wirkliche Straftaten von unangenehmen Äußerungen abzugrenzen. Sonst führt der Kampf gegen den Hass im Netz schrittweise zu einem Angriff auf unsere Meinungsfreiheit. Den Begriff „Hasskriminalität“ als Begründung für das NetzDG von Justizminister Heiko Maas zu nutzen zeigt dies klar auf.

    Die Piratenpartei lehnt die Verwendung den Begriffes „Hate Speech“ strikt ab. Für bereits klar abgegrenzte Sachverhalte braucht es keinen neuen Namen.

    Zum Weiterhören:
    Vortrag im Rahmen des „Dicken Engel“ zum NetzDG vom 15.01.2018

  • Barbara, Satire und Zensur

    Barbara, Satire und Zensur

    Dieser Beitrag zur aktuellen Löschpraxis in sozialen Medien wurde von „Barbara“, einer Künstlerin, auf Facebook veröffentlicht. Da der Text sehr gut darstellt, was momentan bei dem Versuch, die sozialen Medien zu regulieren, schief läuft, veröffentlichen wir ihn hier.

    Hi Leute, ich bin wieder zurück im Netz, die kleine Auszeit hat gut getan.
    Leider gibt es ein „Aber“:
    In den letzten Wochen haben Facebook und Instagram zahlreiche Beiträge von mir gelöscht, weil sie angeblich gegen die Gemeinschaftsstandards verstoßen. Dabei wurde mir gedroht, dass mein Account gelöscht wird, wenn das nochmal passiert.
    Es waren (aus meiner Sicht) völlig harmlose Beiträge, die sich gegen rechtsradikale Schmierereien und diskriminierende Schilderbotschaften gerichtet haben, ihr kennt meine Arbeit.
    Leider kann ich die betreffenden Fotos hier nicht zeigen, sonst löschen die tatsächlich meinen Account.
    (Es geht zum Beispiel um das Foto „Mein kleiner, grüner Kaktus“, das Foto mit dem Aufruf, einen Tanz-Flashmob vor einem beleidigenden Schild zu machen, den Brief von Bernd H. mit dem AfD-Kugelschreiber, ein Foto von einem Verkehrsschild, dem ich einen Bikini hinzugefügt habe. Und weitere Beiträge, die meines Erachtens gegen kein Gesetz der Welt verstoßen.)
    Über das Löschen von Beiträgen entscheiden irgendwelche Angestellte von privaten Firmen im Auftrag von Facebook und Instagram, die im Schnellverfahren entscheiden und nicht einmal irgendwelche Gründe für das Löschen nennen.
    Ich sehe die Freiheit im Internet dadurch mehr als nur bedroht, sie wird aus meiner Sicht dadurch ruiniert.
    Wie soll Satire im Internet funktionieren, wenn die Satiriker dem Urteil von privaten Firmen ausgesetzt sind, die sich als Richter aufspielen?
    Um das klar zu sagen: Ich bin auch der Meinung, dass etwas unternommen werden musste, um Hass und Gewaltandrohungen im Internet einzudämmen. Wenn zum Beispiel etwas strafrechtlich relevant ist, dann gibt es dafür das Strafrecht.
    Aber Satire kann in den sozialen Netzwerken unter den gegebenen Umständen nur noch zensiert stattfinden.
    Es beginnt schon mit der Zensur im Kopf. Ich muss mir jetzt gut überlegen, ob ich einen Beitrag poste oder nicht, denn die Gefahr, dass meine Seite komplett gelöscht wird, ist allgegenwärtig.
    Das war auch vorher schon so, bezog sich aber meistens auf die Darstellung von Nacktheit, dem prüden amerikanischen Verständnis davon, dass ein weiblicher Nippel etwas Schreckliches ist, nicht einmal eine stillende Mutter durfte gezeigt werden. Auch der weltberühmte David von Michelangelo durfte nicht gezeigt werden, weil man seinen Pipimann sehen konnte. (Stand sogar in den FB-Gemeinschaftsstandards.)
    Damit musste und konnte ich irgendwie leben, aber willkürliche Zensur meiner Arbeit durch Privatfirmen, die offensichtlich nicht die geringste Ahnung von Satire haben, empfinde ich als unwürdig und es erstickt meinen Schaffenswillen im Hinblick auf die sozialen Netzwerke.
    Ich kann und werde auf der Straße weiterhin meine kleinen Zettelbotschaften kleben, aber ich werde mir genau überlegen, wie ich mit dem Veröffentlichen von Fotos auf Facebook und Instagram umgehe. Beuge ich mich der Zensur und poste nur noch völlig unverfängliche Love-Messages, die keinen möglicherweise verfänglichen Interpretationsspielraum offen lassen und sende damit ein verfälschtes Gesamtbild meiner Arbeit in die Welt oder lasse ich es ganz und konzentriere mich auf die Straße, wo ich wirklich frei bin?
    Ich werde die Entwicklungen beobachten, bewerten und irgendwann eine Entscheidung dazu fällen.
    Ich habe ständig versucht, dem Hass im Internet mit meinen Botschaften etwas entgegenzusetzen, habe dafür super viel positives Feedback bekommen, nicht zuletzt sogar den Grimme Online Award. Dass ich jetzt von den Plattformen Facebook und Instagram dafür abgestraft werde, fühlt sich schrecklich und unwürdig an. Ich liebe die Freiheit und kann auf Dauer nur dort agieren, wo ich sie leben kann.
    Facebook war mal so ein Ort und ich werde genau hinschauen, in welche Richtung sich das alles entwickelt.
    In Liebe und der Hoffnung, dass sich die Sache zum Guten wendet,
    Eure Barbara.
    PS: Sorry für den langen Text.
    Falls irgendjemand von der Presse daran interessiert sein sollte, um welche gelöschten Fotos es hier geht, dann schreibt mir eine Nachricht, ich schicke sie Euch.

    Update 15.01.2018: Wir wir inzwischen erfahren haben, wurden die Beiträge von Barbara laut einer Sprecherin von Facebook „versehentlich“ entfernt und inzwischen wieder hergestellt. Das mag unter anderem auch der medialen Berichterstattung zu verdanken sein.

  • Zur deutschen Fassung von „Wolfenstein II: The New Colossus“: Beendet die Banalisierung der Videospielkunst

    Zur deutschen Fassung von „Wolfenstein II: The New Colossus“: Beendet die Banalisierung der Videospielkunst

    Das Videospiel „Wolfenstein II: The New Colossus“ hat in den USA große Wellen geschlagen. In dem Spiel schließt man sich als jüdischer Widerstandskämpfer mit einer Reihe weiterer Figuren zusammen, die alle soziale Randgruppen wie Behinderte und Schwarze darstellen, und versucht, sich dem „Regime“ – wie es in der deutschen Fassung genannt wird – mit allerlei Mitteln entgegen zu stellen. Gerade unter Anhängern der „Alt-Right“-Bewegung hat das Spiel in den USA zu massiven Protesten geführt. Im Gegenzug dazu urteilte die Seite Motherboard, dass in Zeiten, in denen ein Donald Trump sich weigere, Nazigewalt zu verurteilen, „Wolfenstein II“ das Spiel sei, was wir aktuell brauchen. Auch in Bezug auf die aufgeheizte Situation in Deutschland besteche das Spiel mit seiner klaren Haltung und eindeutigen Aussage.

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    Die ursprüngliche Story des Spiels verliert sich dabei in keinem banalen Schwarz-Weiß-Denken, sondern stellt – frei nach Hannah Arendt – die ganze Banalität des Bösen dar. Im Spiel versuchen viele Charaktere, eben nicht die klassischen Helden zu sein, sondern das Regime zu akzeptieren und weiter zu leben, während diejenigen, die nicht ins Bild passen, verschwinden und in Lager gesteckt werden. Diese inhaltliche Tiefe wurde in der deutschen Fassung allerdings entschärft und damit auch die gewollte Aktualität des Spiels geopfert. So ist die jüdische Herkunft des Helden ebenso verschwunden, wie ein direkter Bezug auf Nazis; aus den nationalsozialistischen Vernichtungslagern wurden „gewöhnliche“ Straflager. Verschwunden ist damit auch die als Parabel gedachte Handlung, die anhand einer scheinbaren Dystopie versucht aufzuzeigen, was passiert, wenn man allzu lange zu autoritären und totalitären Entwicklungen schweigt.

    Die Ursache für dieses Verschwinden liegt in der deutschen Rechtsprechung. Gemäß dieser sind Hakenkreuz-Darstellungen in Computerspielen – anders als etwa in Filmen – nicht zulässig, da Videospiele gemeinhin nicht als Kunst gelten. Ausgelöst hatte dieses Urteil ausgerechnet 1994 das Spiel Wolfenstein 3D, der Vor-Vor-Vor-Vorgänger von Wolfenstein II. Seither erscheinen Videospiele mit historischem Bezug in Deutschland stets in einer entschärften Version. Dies betrifft nicht nur Shooter, sondern auch Strategiespiele wie die „Hearts of Iron“-Serie des schwedischen Entwicklers Paradox Interactive. Während niemand auf die Idee käme, ranghohe Nazis aus Filmen wie „Schindlers Liste“ oder „Inglourious Basterds“ zu entfernen, wird auf Darstellungen historischer Persönlichkeiten wie etwa Adolf Hitler in Videospielen hierzulande konsequent verzichtet. Eine ähnliche Zensur gibt es beispielsweise bei „Hearts of Iron“ nur in der Volksrepublik China, da das Spiel die chinesische Geschichte nicht im Sinne der dortigen Parteiführung darstellt und der Titel deswegen zensiert wurde. Die deutsche Rechtssprechung begibt sich also in fragwürdige Gesellschaft. Sie mag damit sonst nur lächerlich wirken; im Falle von „Wolfenstein II“ ist sie sogar gefährlich, weil durch die Entschärfung das nationalsozialistische Unrechtsregime zur kontextlosen Beliebigkeit verkommt und das Spiel seine historische wie aktuelle Aussagekraft verliert.

    In Deutschland, so mag man argumentieren, brauche es kein Computerspiel mehr, um über die Gefahren von Diktaturen aufzuklären; dazu genüge ja ein Blick in den dunklen Abgrund unserer Geschichte. Doch wenn man Studien zum Bildungsstand der Jugend bezüglich der Zeit des Nationalsozialismus betrachtet, so scheint diese Mahnung mehr und mehr zu verblassen. Wenn 40% der Schüler nicht mehr wissen, wofür Auschwitz steht, muss das uns alle alarmieren. Es zeigt, dass man mit klassischen Wegen viele Jugendliche nicht mehr ausreichend für das Thema sensibilisieren kann. Die neue Generation handelt und denkt digital und Videospiele sind Teil ihres Alltags. Wer die Zensierung des Spiels als Maßnahme des Jugendschutzes rechtfertigt, hat dabei die Intention eines Spiels wie „Wolfenstein II“ nicht verstanden. Es sensibilisiert auf subtile Weise für das Schweigen beim Aufstieg des Nationalsozialismus, das schleichende Ende der Freiheit und all die Schrecken totalitärer Herrschaft. Dieses Spiel bezieht eine klar antifaschistische Position ohne durch allzu Plakatives abzuschrecken. Es spricht die Jugend an und zwingt gerade durch die Aktualität dazu, auch außerhalb des Bildschirms Position zu beziehen. Die zum Teil massiven Reaktionen der „Alt-Right“-Bewegung in den USA sind der beste Beleg dafür.

    Wer glaubt, man müsse die zum Teil sehr klare Sprache und Symbolik des Spiels abschwächen, um so junge Menschen vor Fehlinterpretationen zu schützen, vergibt die einmalige Chance, die dieses Spiel bietet und erweist der Erinnerungskultur ebenso wie der Vermittlung demokratischer Wertvorstellungen einen Bärendienst. Es ist nicht erkennbar, weshalb Computerspiele einen geringeren Beitrag zur historisch-politisch-sozialen Bildung leisten sollen als beispielsweise Kinofilme, Comics oder Theateraufführungen. Als Piraten stehen wir konsequent für die Anerkennung von Videospielen als Kunstform, um eine historisch-kritische Auseinandersetzung mit unserer Geschichte auch auf heimischen Konsolen oder PCs zu ermöglichen.

  • Piratenparteien weltweit unterstützen die katalanischen PIRATEN gegen Internetzensur

    Piratenparteien weltweit unterstützen die katalanischen PIRATEN gegen Internetzensur

    Die internationalen Piratenparteien, sowie die NGOs der Piratenbewegung weltweit, solidarisieren sich mit den katalanischen PIRATEN, deren Webseite über das katalanische Referendum gesperrt wurde. Der freie Zugang zur Webseite des Anonymisierungs-Netzwerks TOR wurde ebenfalls von der spanischen Regierung blockiert.

    Wir verurteilen jede Art von Zensur. Diese politisch motivierte Zensur der spanischen Regierung ist eine nicht tolerierbare Verletzung der Menschenrechte und aller politischen Freiheiten, ungeachtet der Rechtmäßigkeit des katalanischen Referendums oder der Erkenntnisse, die das Referendum erbrachte.

    Wir rufen das Europäische Parlament, die parlamentarische Versammlung des Europarates und alle anderen demokratischen Institutionen weltweit dazu auf, tätig zu werden und die Stimme Kataloniens im Namen der Demokratie zu hören. Menschenrechtsverletzungen, wie die klare Beschneidung der freien Meinungsäußerung, sind niemals nur Landesinterna, sondern immer Angelegenheit aller Menschen.

    Unterzeichnet

    Screenshot: Sperranzeige auf einer zensierten Website
  • Indymedia – eine politische Nachlese

    Indymedia – eine politische Nachlese

    Die Debatte, wie weit man sich politisch engagieren soll, ist sicher heutzutage eine zentrale Frage. Gerade in Zeiten, in denen die AfD und ihre Parolen auch durch das Verhalten und die Aussagen des US Präsidenten Trump an Zustimmung gewinnen, lässt einen fragen, ob die längst überwundenen „dunklen Zeiten“ wieder dabei sind, die Oberhand zu gewinnen.

    Die Bundesregierung hat den „Verein“, welcher die Internetseite „LINKSUNTEN.INDYMEDIA.ORG“ betreibt, verboten. In einigen Kreisen führte das zu Kopfschütteln und bei manchen sogar zu einem Aufschrei. Die WELT, die man nicht gerade verdächtigen kann, mit Linksradikalen zu sympathisieren, beschreibt in einem Kommentar den Fall treffend:

    „linksunten.indymedia.org“ hat die Autonomen und ihren Aktionismus vorbildlich dokumentiert: Den Stolz darauf, hier ein Auto angezündet zu haben oder ein portugiesisches Restaurant in der Schanze besetzt zu haben, dort gegen die Gentrifizierung agiert zu haben. Auch nach den G-20-Ausschreitungen fanden auf dieser nun verbotenen Homepage die Diskussionen um den revolutionären Charakter dieser Aktionen statt. Erfreulich: in den Kommentarspalten mussten sich die Aktivisten mitunter böse Prügel von Kommunisten, Trotzkisten und Anarchisten abholen für die Schlichtheit ihrer Überlegungen und die geradezu grotesken Pointen ihrer Aktionen. Für Interessierte und Ethnologen der radikalen Linken war diese Seite ein Geschenk. Für alle zugänglich: Nirgendwo wurde die radikale Linke so entzaubert und demystifiziert wie hier.“

    Kontextanalyse

    Die radikale und extremistische Linke sieht sich als (vermeintliche) Avantgarde und lebt doch in einer Parallelwelt, die mit der Realität und dem, wie die meisten Deutschen Politik verstehen und begreifen, nichts zu tun hat. Gerade die Ablehnung des Mehrheitskonsens und die Betrachtung der Demokratie allein als Mittel zum Zweck spricht dafür. Gleichzeitig beanspruchen die radikalen Linken für sich, im Besitz der einzig gültigen Wahrheit zu sein. Darin ähneln sie den Rechtsextremen, die ebenfalls von sich behaupten „die Mehrheit des Volks zu vertreten“.

    Dennoch sind viele der Akteure, die bei Linksunten.Indymedia.org agieren, eher „Salon-Revoluzzer“, die aus der Leere ihrer bürgerlichen Existenz meinen, mit linken Träumereien ihrem Leben einen Sinn geben zu müssen. In ihren Methoden sind sie dabei nicht zimperlich – wenn andere durch ihre Aktionen zu Schaden kommen, nehmen sie das billigend in Kauf.
    Sie bewegen sich in einem Milieu, welches sich vor allem in der Linkspartei wiederfindet und das diese Taten gutheißt.

    Die alten Mythen, dass das vermeintlich Linke und Revolutionäre einfache Antworten auf komplexe Fragen liefert, sind für viele Millenials attraktiv; insbesondere für all diejenigen, die mit den anderen, noch einfacheren Antworten der Rechten nichts anfangen können bzw. sie aus „ganzem Herzen“ verabscheuen. Dies ist u.a. den Bildungsreformen an deutschen Schulen und Universitäten geschuldet. Schüler und Studenten lernen heute vorwiegend auswendig, ohne das Gelernte kritisch zu reflektieren. Es geht oft nur darum, das „Wissen“ zur Klausur wieder „auszukotzen“. Faktenwissen gilt als wachstumsfördernd, Wissen um die Zusammenhänge oder gar die eigene Interpretation von Entscheidungen oder das Hinterfragen der Auswirkungen dieser Entscheidungen für andere sind hingegen eher schädlich für die Ökonomie. Was liegt dann näher als der Wunsch nach einfachen Lösungen für komplizierte Fragen?

    Wenn sich nun auch manche PIRATEN im Reflex, sich an die „Flügelkämpfe“ von vor drei Jahren erinnernd, nunmehr fragen, wieso der Bundesvorstand der PIRATEN sich zu Linksunten.Indymedia geäußert hat, nicht aber zu seinem rechtsextremen Pendant, dann ist diese Verwunderung nur ein Indiz der falschen Einordnung historischer und politischer Traditionen in diesem Land. Zudem wird übersehen, wie sehr in den letzten Monaten und Wochen immer mehr Gesetze und Maßnahmen durchgesetzt wurden, die zusammengenommen ein sehr beunruhigendes Bild ergeben. Daher war es sehr wichtig, sich zu dieser Frage zu äußern!

    Natürlich hat der Staat das Recht und die Pflicht, Artikel oder im schlimmsten Fall auch eine ganze Online-Plattform, die gegen Gesetze verstößt zu verbieten. Dennoch gehört es zum Selbstverändnis der PIRATEN zu schauen, ob dabei tatsächlich nach Recht und Gesetz gehandelt oder nur ein Vorwand für weitere Grundrechtseinschränkungen gesucht wurde. Aktuelle Erkenntnisse, die erste Informationen des BMI widerlegen, lassen starke Zweifel an der Rechtmäßigkeit an der gesamten Maßnahme aufkommen.
    Die gleiche Vorsicht und die Notwendigkeit, Dinge infrage zu stellen, sollte man auch bei Verboten von konservativ bis rechten Plattformen zeigen. Denn offenbar waren diese bereits die Blaupause für das Vorgehen bei Linksunten: Bei den rechten Plattformen reichte der Vorwurf des Extremismus aus, um diese weitgehend widerspruchsfrei sperren zu lassen.
    Der gleiche Vorwurf wurde dann auch hier ins Feld geführt.
    Die generelle politische Erfahrung zeigt, dass sich ein solches Verhalten und eine solche Praxis schnell ausweiten und vieles in Visier nehmen können, nachdem sie erst einmal salonfähig geworden sind. Beispiele für Netzsperren und Verbote, die aus dem Ruder laufen, zuerst aber nur zur „Terrorbekämpfung“ genutzt werden sollten, kann man unter anderem in Großbritannien sehen.

    Eine geschichtliche Einordnung

    Wieso reagiert man auf Verbote von Seiten linker oder liberaler Plattformen schneller, als auf Verbote rechter und konservativer Plattformen?

    Es ist schnell gesagt, dass man auf die „Verfolgung“ der Linken stets schneller und schriller reagiert, als dann, wenn rechte Seiten im Fokus stehen. Dies hat verschiedene Gründe, welche sowohl in unserer Geschichte als auch in den politischen Tradition unseres Landes verankert sind. Die Wurzeln reichen bis ins Kaiserreich und die Zeiten des Nationalsozialismus zurück. Was damals geschah, beeinfllusst unser Denken und Handeln auch noch im 21. Jahrhundert.

    Bis 1945 und auch in den 1950iger Jahren wurde der „Hauptgegner“ immer bei der Linken verortet. Erst war die SPD der Feind, dann die KPD und andere linke Gruppen, obgleich diese aus heutiger Sicht teilweise durchaus akzeptable und wichtige Forderungen vertraten. Dennoch sah der konservative Staat das Wirken dieser Gruppen immer als Angriff auf Ordnung und Sicherheit an. Dabei gab es schon in der Weimarer Republik Allianzen zwischen Militär und konservativen Kreisen, welche durch den einseitigen Kampf gegen Links und die damit verbundene Blindheit gegenüber dem rechten Terror erst die Basis für die NS-Zeit und Hitlers „Machtergreifung“ bildeten; mit allen bekannten Folgen für Deutschland und die Welt. Die Verweigerung der Konservativen in der Nachkriegszeit, sich mit den Verbrechen der NS Zeit auseinander zu setzen und die allgemein, heute auch historisch belegte Kontinuität der bundesdeutschen Sicherheitsbehörden, ihr Personal auch unter aktiven Nazis zu rekrutieren, änderte nichts an der prinzipiellen Sichtweise, dass der Feind eher links zu suchen ist.

    Die westdeutschen Linken und die 1968iger ließen mit ihrer Verklärung der DDR und anderer linker Diktaturen aber auf der anderen Seite auch keine Streiter für Freiheit und Demokratie entstehen.
    Es war de facto wie in Weimar, wo Links und Rechts ihrem Wesen nach gleichermaßen die Freiheit und den Pluralismus der Demokratie ablehnten. Und doch hatten die Konservativen die Schalthebel des demokratischen Staates fest im Griff. Auch dank der Allierten sowie der Gerichte und der Presse, war man in der Lage, einen „Rückfall in die Barbarei“ zu verhindern. So wurde damals Willy Brandt (SPD) im Wahlkampf von Seiten der CDU seine Tätigkeit als Widerstandskämpfer gegen die NS-Diktatur als „Vaterlandsverrat“ vorgeworfen. Ein Fanal für den Versuch, in der Bundesrepublik erneut autoritäre Strukturen aufzubauen, war die Spiegel-Affäre, welche am Ende mit dem Rücktritt des verantwortlichen Verteidigungsministers Franz-Josef Strauss (CSU) endete.

    Im Laufe der Zeit sollten die Konservativen sich mit der Demokratie „versöhnen“. Doch zeigte sich schon unter der Kanzlerschaft von Helmut Kohl, wie die CDU ein neues Feindbild aufbaute. In der Asyl-Debatte  der 1990iger Jahre war dies die Angst vor dem Fremden.
    Erst Angela Merkel hat mit ihrer Haltung in der Flüchtlingskrise mit dem damaligen Verhalten der CDU gebrochen. Gerade dies lässt Teile der UNION mit der AfD liebäugeln. Diese Gruppen in der UNION suchen nach alten einfachen Weltbildern.

    Vor allem dieses Verhalten der Konservativen zeigt, dass man lieber einen starken Staat und Kontrolle will. Natürlich würde die radikale Linke ähnlich handeln, doch sie ist de facto gesellschaftlich viel stärker isoliert als rechte und konservative Kräfte.

    Die Gegenwart

    Die Debatte um die G20-Ausschreitungen wurde von Seiten der Sicherheitsbehörden vor allem um die Randale der linken Extremisten geführt. So berichtete die BILD, wie wohl erhofft, von den Krawallen der Linken. Da die Sicherheitsbehörden jedoch geradezu wie in einem „Exzess“ agierten und sich viele Geschehnisse vor den Augen und Kameras der ganzen Welt abspielten, kam dieses einseitige Bild schnell ins Wanken. Selbst konservative Medien in Deutschland kritisierten das Verhalten der Sicherheitsbehörden und der verantwortlichen Politiker. So berichtete sogar der konservative FOCUS von Ungereimtheiten beim Polizeiverhalten während des G20-Gipfels.

    Das Vorgehen gehen linksunten.indymedia.org wird von den PIRATEN daher auch und gerade im Kontext der allgemeinen Debatte um immer mehr Sicherheitsmaßnahmen gesehen, die zu immer mehr Überwachung und Einschränkung in unseren Grundrechten führen. Dabei geht es längst nicht mehr um effektive und sinnvolle Maßnahmen im Rahmen der Verfolgung von tatsächlichen Straftaten.

    Fazit

    Der Hamburger Landesvorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), Jan Reinecke, kritisierte das Verbot der Internetplattform. Dies sei „mehr Wahlkampf-Symbolik als sinnvoller Kampf gegen Linksradikale“, zitierte ihn das Hamburger Abendblatt.

    Gerade wenn durch Symbolpolitik unsinnige und uneffektive Maßnahmen durchgesetzt werden, müssen PIRATEN ihre Stimme erheben. Wenn aus Aktionismus und Wahlkampf-Getöse übereilt schlechte Entscheidungen fallen, die von vielen Experten kritisiert werden, können PIRATEN nicht schweigen.

    Zuletzt sollte nicht unerwähnt bleiben, dass das Mittel, eine Online-Plattform aus dem Netz zu nehmen, indem man sie sperrt, untauglich ist. Es ist eine Sache von wenigen Minuten, bei einem anderem Hoster die selben Seiten neu einzurichten oder zu spiegeln. Dies wissen gerade wir Piraten sehr gut. Dass heutzutage noch immer Politiker unterwegs sind, die auf dieses unsinnige Mittel setzen, erstaunt uns.
    Wenn auf einem Forum oder einem Board tatsächlich kriminelle Aktionen geplant oder Texte und Daten entgegen den Gesetzen veröffentlicht wurden, dann gilt auch hier: Löschen statt sperren.

    Hat Herr de Maizière denn nichts gelernt in den letzten Jahren? Wird auch er als nächstes STOPP-Schilder vorschlagen?

     

  • Das Gesetz zur Privatisierung von Zensur muss weg!

    Das Gesetz zur Privatisierung von Zensur muss weg!

    Der Deutsche Bundestag hat am heutigen Freitag trotz massiver Kritik das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) von Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) positiv abgestimmt. Die Piratenpartei Deutschland lehnt den eingebrachten Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Verbesserung der Rechtsdurchsetzung in sozialen Netzwerken entschieden ab. Das Gesetzesvorhaben wurde bereits ausführlich von uns kommentiert.

    Das NetzDG sieht vor, dass kommerzielle soziale Netzwerke mit mehr als zwei Millionen Nutzern einen Ansprechpartner in Deutschland zu benennen haben. Sie sollen darüber hinaus einen vierteljährlichen Bericht über den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte veröffentlichen und offensichtlich rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden sperren oder löschen. Andere rechtswidrige Inhalte sollen innerhalb von 7 Tagen gelöscht und deren Inhalte zu Beweiszwecken gesichert werden.

    „Die Herangehensweise von Heiko Maas und der Bundesregierung ist falsch. Es gibt bereits Gesetze gegen Hass im Netz, die aber aufgrund mangelnder Sachkenntnisse der Justiz zu Fragen des Medienrechts und der IT nicht umgesetzt werden können. Die Piraten fordern deshalb mehr und kompetenter geschultes Personal, das anhand transparenter, demokratisch legitimierter Regeln darüber entscheidet, welche Aussagen durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt und welche strafbar sind. Der einzige gangbare Weg ist der Richtervorbehalt!“Patrick Schiffer, Bundesvorsitzender und Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen für die Bundestagswahl

    Maas setze in dieser Frage allein auf die Mitwirkung international tätiger Unternehmen wie Facebook. Schiffer: „Diese kann schon deshalb nicht funktionieren, weil diese Unternehmen nicht dem deutschen Recht unterliegen. Außerdem übersieht Herr Mass ganz offensichtlich, dass seine Vorstellungen völlig inkompatibel zu den wirtschaftlichen Interessen dieser Unternehmen sind. Das Problem muss global betrachtet und gemeinsam diskutiert werden. Es gibt viele Möglichkeiten, dem Hass im Internet zu begegnen. Über die Privatwirtschaft organisierte Zensur ist keine davon. Dieser Gesetzesentwurf ist reine Symptombekämpfung und überflüssig wie ein Kropf.“

    Anja Hirschel, Spitzenkandidatin der Piratenpartei Deutschland und Sprecherin für Digitalisierung, ergänzt:

    „Dieses Gesetz ist ein Schlag ins Gesicht all derjenigen, die gegen Zensur und für Meinungsfreiheit kämpfen und gekämpft haben. Es widerspricht dem Gedanken des Rechtsstaats, gerichtliche Überprüfungen durch private Zensur zu ersetzen. Verletzungen von Persönlichkeitsrechten müssen stets mit der durch Artikel 5 Grundgesetz geschützten Meinungs- und Informationsfreiheit abgewogen werden. Dies darf nicht den Diensteanbietern überlassen werden, sondern ist im Streitfall Sache der Gerichte.“

    Konkrete Forderungen der Piratenpartei Deutschland

    Aus dem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2017

    Wir PIRATEN setzen uns für die Erweiterung des Artikels 5 Abs. 1 GG um die zwei Worte „digitale Netzwerke“ ein. Demnach hieße der neue Artikel 5 (1): „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk, Film und digitale Netzwerke werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

    Quellen:

    Politik für Neuland kostet Geld. Bitte unterstütze uns mit deiner Spende!

  • Presseausweise auch für Blogger und nebenberufliche Journalisten ausstellen!

    Presseausweise auch für Blogger und nebenberufliche Journalisten ausstellen!

    Die Innenminister und der Presserat haben vereinbart, dass künftig ein bundeseinheitlicher Presseausweis eingeführt und ausschließlich an volljährige, hauptberufliche Journalisten ausgegeben werden soll, „die eine verantwortliche, im öffentlichen Interesse liegende journalistische Tätigkeit ausüben“. Der Presseausweis soll Journalisten die einfache Einholung von Behördenauskünften und den unkomplizierten Zutritt zu abgesperrten Bereichen ermöglichen. [1]

    Patrick Breyer, MdL der Piratenfraktion Schleswig-Holstein und Themenbeauftragter für Datenschutz der Piratenpartei, fordert:

    »Um die Presse- und Meinungsfreiheit in einer offenen Informationsgesellschaft zu garantieren, müssen auch Blogger, freie und nebenberuflich tätige Journalisten Presseausweise erhalten können. Gerade wirtschaftlich unabhängige Berichterstatter wie Internet-Blogger können einen besonders wertvollen Beitrag zur Meinungsvielfalt leisten. Der Regelausschluss minderjähriger Journalisten (Jugendpresse) ist ebenfalls nicht zu rechtfertigen. Aber auch volljährige Journalisten müssen ihrem Beruf immer häufiger nebenher nachgehen, sie deswegen komplett vom bundeseinheitlichen Presseausweis auszuschließen, ist inakzeptabel!«

    Patrick Schiffer, Vorsitzender der Piratenpartei Deutschland, ergänzt:

    »Dass die ausstellenden Verbände prüfen sollen, ob Journalisten ‚verantwortlich‘ und ‚im öffentlichen Interesse‘ berichten, ist ein unglaubliches Einfallstor für Konkurrenzschutz, Bevorzugung bestimmter Medienformen und letztendlich auch Zensur. Der bundeseinheitliche Presseausweis verstößt in dieser Form gegen die im Grundgesetz garantierte Pressefreiheit und ist einer freiheitlichen Demokratie unwürdig. Was Innenminister und Presserat unter einer freien Presse verstehen, ist im letzten Jahrtausend stehen geblieben und muss dringend an die moderne Lebenswirklichkeit angepasst werden.«

    Als verfassungskonforme Lösung für die Platzvergabe bei Kapazitätsengpässen wird vorgeschlagen, verschiedene Kategorien journalistischer Tätigkeiten auf den Presseausweisen zu kennzeichnen.[2] Im Jahr 2006 bezeichnete es die Innenministerkonferenz selbst noch für sachgerecht, „auch Journalisten den Ausweis zu geben, die nicht hauptberuflich, aber quantitativ und qualitativ vergleichbar regelmäßig und dauerhaft journalistisch tätig sind.“[3]

    Quellen:
    [1] Vereinbarung zwischen dem Vorsitz der Ständigen Konferenz der Innenminister und – senatoren der Länder und dem Trägerverein des Deutschen Presserats e.V. (Vertragsparteien) über die Wiedereinführung eines bundeseinheitlichen Presseausweises: http://www.patrick-breyer.de/wp-content/uploads/2016/12/presseausweis-vereinbarung.pdf

    [2] Verfassungskonforme Presseakkreditierung: Die Zukunft des Presseausweises: http://www.ruw.de/suche/kur/Verfassungskonf-Presseakkreditie-Die-Zuku-des-Pres-f396765b665211e34e63557937f08d36

    [3] Sammlung der zur Veröffentlichung freigegebenen Beschlüsse der 180. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder am 5. Mai 2006 in Garmisch-Partenkirchen: http://www.innenministerkonferenz.de/IMK/DE/termine/to-beschluesse/06-05-05/06-05-05-2-beschluesse.pdf?__blob=publicationFile&v=2

  • Bitte unterstützt das Projekt einer EU Charta. Bringt Euch ein!

    Bitte unterstützt das Projekt einer EU Charta. Bringt Euch ein!

    Mit Monatsbeginn hat eine „Gruppe von „27 BürgerInnen und Bürgern“ ein Dokument vorgestellt, das sie als „Charta der Digitalen Grundrechte der Europäischen Union“ betitelt haben. 14 Monate haben sie darüber gebrütet und 23 Artikel erarbeitet, die eine Grundlage darstellen sollen, um daraus ein Dokument zu erarbeiten, das den Menschen die Freiheit und Gerechtigkeit nicht nur im Netz sondern im Kontext der Digitalisierung überhaupt garantiert. Also eine Charta, die auch für die Gegenwart und die nächsten 20 Jahre Gültigkeit haben kann, weil sie nicht in der digitalen Urzeit entstanden ist. Es ist nicht das erste Dokument, das dieses Ziel hat, aber es ist das erste der EU, das explizit den Menschen im Umfeld der Digitalisierung betrachtet und von Bürgern initiiert wurde.

    Ich finde es großartig, dass es diese Initiative gibt, und dass sie es schafft, die Aufmerksamkeit darauf zu lenken, wie wichtig es ist, die Rechte und Freiheiten der Menschen zum Diskussionsmittelpunkt werden zu lassen, um sie anschließend auch gesetzlich greifbar zu machen. Die Intention der Initiatoren finde ich überaus lobenswert und in jedem Fall unterstützenswert. Da aber gleichzeitig auch angekündigt wurde, nur wenige Tage später ebenjenes Dokument dem EU-Parlament vorzulegen, bekam das Werk natürlich umgehend ein Geschmäckle, da es den vermeintlichen Sinn und Zweck einer allgemeinen Diskussion zuwiderlaufen schien. Glücklicherweise gibt es mittlerweile eine Klarstellung dazu.

    Denn in der Tat gibt es in meinen Augen noch einiges nachzuarbeiten. Auch wenn ich mich hinter einen Großteil der Artikel guten Gewissens stellen kann. Folgende Artikel sind für mich aber absolute No-Gos, die man nicht unterzeichnen darf! (Allerdings hoffe ich, dass dies vielleicht nur im Zuge einer eiligen Veröffentlichung missverständlich formuliert wurde – jeder, der an einem ähnlichen Prozess teilgenommen hat, weiss, wie schnell so etwas passieren kann.)

    Für mich sind dies die folgenden Artikel:

    Artikel 5

    „(2) Digitale Hetze, Mobbing sowie Aktivitäten, die geeignet sind, den Ruf oder die Unversehrtheit einer Person ernsthaft zu gefährden, sind zu verhindern.“
    „(4) Staatliche Stellen und die Betreiber von Informations- und Kommunikationsdiensten sind verpflichtet, für die Einhaltung von Abs. 1, 2 und 3 zu sorgen.“

    Man kann jetzt darüber streiten, ob man privaten Unternehmen, hier IuK-Dienstleistern, erlaubt, zu zensieren. Was absurd wäre, denn Zensur geht gar nicht! Wie sollte beispielsweise die Arbeit von den wichtigen aufklärenden Medien, wie z.B. netzpolitik.org weitergeführt werden, oder es zu einer Offenbarung von manipulierten Lebensläufen oder falschen Habilitationen etc kommen, wenn die Absätze 2, 3, und 4 dieses Artikels jemals in Rechtsform gegossen wären? Wenn wir darin übereinstimmen, dass Journalismus und damit die vierte Säule der Demokratie zukünftig im wesentlichen digital arbeitet und von den Bürgern genutzt wird, dann schließt das ja beispielsweise jede Art von Kontrolle durch unsere Volksvertreter aus! Dies läuft damit also nicht nur meinen persönlichen liberalen Grundbedürfnissen entgegen, sondern auch der Form, in der unsere Demokratie organisiert ist.

    Ich lehne jede Formulierung ab, die eine Möglichkeit zur Zensur bietet.

    Artikel 4(2),

    der den Zugriff auf von privaten Unternehmen oder Privatpersonen erhobene Daten durch staatliche Stellen versucht zu regeln.

    „Sicherheitsbehörden dürfen nicht auf durch Private erhobene Daten zugreifen. Ausnahmen sind nur auf gesetzlicher Grundlage zum Schutz besonders wichtiger Rechtsgüter zulässig.“

    Hier wünsche ich mir, dass dies enger gefasst wird, und nicht lediglich auf die (nationalen?) Gesetze Bezug genommen wird. Denn in diesen finden sich im Zweifelsfall die in der Charta definierten Freiheitsrechte nicht wieder.

    Artikel 21

    „(1) Arbeit bleibt eine wichtige Grundlage des Lebensunterhalts und der Selbstverwirklichung.“

    Ja, es ist eine wichtige Grundlage zur Selbstverwirklichung. Aber als wichtige Grundlage des Lebensunterhalts sehe ich das nicht, vor dem Hintergrund des Wegfalls vieler Berufe im Informationszeitalter, und daher bin ich dagegen, das so zu fassen. Immerhin ist es kein „Würde hat, wer Arbeit hat“, aber bei dem Artikel bin ich deutlich vorsichtiger.

    Artikel 20

    „Rechteinhabern steht ein fairer Anteil an den Erträgen zu, die aus der digitalen Nutzung ihrer Immaterialgüter erwirtschaftet werden.“

    Es wird beim Lesen offensichtlich, und Julia Reda hat das bereits ausführlicher dargestellt. Es gibt einen Unterschied zwischen denen, die ein Gut geschaffen haben, und den Rechteinhabern. Nicht beide sind in meinen Augen gleichermaßen schützenswert. Aber vor allem: Wie weitreichend ist der Anspruch auf Erträge aus digitaler Nutzung? Wesentlicher Bestandteil von Informationen oder Daten – und darum geht es hier ja im wesentlichen – sind ohne Kosten teilbar. Und vor allem gibt es viele Dienstanbieter, die eben genau diese Daten weiterverarbeiten, und das wiederum kostenpflichtig anbieten. Sie nannte Musikdienstanbieter wie Songkick, aber genauso beispielsweise für Verkehr oder Nachrichten. In welcher Tiefe sollten denn Rechteinhaber (anstatt der Urheber) daran partizipieren? Und was soll es überhaupt für einen Modus geben, das jemals finanziell handhabbar zu machen? So, wie der Artikel jetzt steht, öffnet er Tür und Tor für Missbrauch, der letzten Endes dazu führen kann, unsere digitalen Wertschöpfungsketten zu zerstören.

    Darüber hinaus gibt es mehrere „kleinere“ Passagen, die ich unklar finde, aber bei denen ich den weiteren Verlauf beobachten werde, bzw. versuche, mich so gut es geht selber einzubringen, um das zu adressieren.

    Viel Gutes

    Aber es ist genauso auch festzuhalten, dass Themen, die für mich als Pirat schon immer wichtig waren, hier ihren Niederschlag gefunden haben. Ich könnte den Großteil der verbleibenden Artikel jetzt zitieren, aber ich will nur einige herausgreifen:

    • Es freut mich, dass Artikel 9 zur Transparenz den Weg in die Charta gefunden hat. In meinen Augen ist das nicht selbstverständlich, wenn es vorrangig um die Würde, Freiheit und Gleichheit geht. Hier zeigt sich die Erfahrung und Weitsicht, wie eng diese Werte mit der Transparenz der gesammelten Informationen in staatlichen Stellen zusammenhängt beziehungsweise zusammenhängen wird.
    • Artikel 10 ist Balsam für die Seele jedes Liberalen, der sich damals von der FDP verraten fühlte. Kein Wunder, dass Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die Charta unterstützt, mich würde nicht wundern, wenn sie das alleine deswegen tut.
    • Artikel 11, 12 und 18. Auch hier fühlt man sich ja gleich zu Hause. Es kommt einem vor, als würde man im Grundsatzprogramm der Piraten sitzen.
    • Artikel 20. Wer mehr als nur die Gegenwart gestalten will, muss ein Konzept für Bildungspolitik haben. Und hierzu gehört unumgänglich das Thema Digitale Bildung. Hervorragend, dass auch dies Eingang in die Charta gefunden hat. Politiker egal welcher Couleur müssen über Bildungskonzepte für das 21. Jahrhundert sprechen. Das sind wir der Gesellschaft schuldig. Das ist unsere Verantwortung für die Zukunft!

    Beteiligung der Bürger bei der Gestaltung der Gesellschaft, insbesondere der Freiheitsrechte, ist für mich seit Jahren eines der wichtigsten Themen. Darum bitte ich jeden, sich hier in die Diskussion und Gestaltung mit einzubringen und mitzuhelfen, an dieser Charta zu arbeiten, damit sie unsere Wünsche und Bedürfnisse widergibt und ein Fundament sein kann, mit dem wir endlich die Grundpfeiler bauen, um auch in den Institutionen im 21. Jahrhundert anzukommen.

    Bewusst wurde darauf verzichtet, dass Parteien diese Charta erarbeiten, damit dies von den Bürgern getragen wird und nicht von parteipolitischen oder lobbyistischen Bestrebungen. Daher ist es in meinen Augen umso wichtiger, dass jeder, der dieses Projekt sinnvoll unterstützen kann, seine Hilfe anbietet.

    Vielen Dank.

    Euer Kristos

    (Dieser Blogpost wurde zeitgleich auch auf www.kristos.de publiziert)