Schlagwort: Zwangsidentifizierung

  • „ins Blaue hinein“: BKA-Bestandsdatenabfragen in der Kritik

    „ins Blaue hinein“: BKA-Bestandsdatenabfragen in der Kritik

    Das Bundeskriminalamt (BKA) trägt im Dienste ausländischer Behörden Informationen über Bürger zusammen, die nicht einmal im Verdacht einer Straftat stehen. Dies kritisierte die damalige Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff in einem internen Bericht, den der Bürgerrechtler und Europaabgeordnete Patrick Breyer (Piratenpartei) erhalten hat.

    Die Bundesdatenschutzbeauftragte weist in ihrem Bericht insbesondere auf Folgendes hin:

    • Das BKA habe teilweise auf unsubstantiierte Anfragen ausländischer Behörden Daten abgefragt.
    • Teilweise würden allgemein Netzwerke beteiligter Personen zu einer Szene abgefragt, ohne dass ein Tatverdacht vorliege. So wurden Daten über „Anarchisten“ mit der Unterstellung erhoben, es handele sich um linke Gewalttäter. Auch bei „extremistischen Vereinigungen“ sei teils nicht ersichtlich, welche Straftat oder ob überhaupt ein Strafverfahren vorliegt.
    • Es genüge schon ein Kontakt zu einem Beschuldigten, um abgefragt zu werden.
    • Ausländische Abfragen könnten auch einer „allgemeinen geheimdienstlichen Lageeinschätzung“ dienen, zu denen Bestandsdatenabfragen nicht zugelassen sind. Teilweise seien bei Anfragen aus dem Ausland Geheimdienste direkt beteiligt. Es gebe in diesen Fällen keine strikte Trennung zwischen Polizei und Geheimdienst.
    • Wegen einer verdächtigen Person seien in einem Fall auch alle anderen Bewohner ihres Hauses abgefragt worden.
    • Teilweise seien Informationen über Personen erhoben worden, die nur Zeugen oder Kontaktpersonen waren.
    • In einem Fall seien Bestandsdaten (Telekommunikationsdaten) zu einem „weiten Umkreis“ der Zielperson abgefragt worden.
    • Die lange Aufbewahrungsdauer von 10 Jahren beim BKA sei „sehr fragwürdig“. Die Dokumentation was, warum, wie lange gespeichert wird sei mangelhaft.

    Breyer kommentiert:

    „Seit Jahren attackiere ich die Bestandsdatenauskunft und den Identifizierungszwang für Nutzer von Prepaid-Karten. Jetzt erfahre ich, dass der Missbrauch bereits Realität ist: Wie ein Geheimdienst kundschaftet das BKA mithilfe der Bestandsdatenauskunft Personen aus, die einer Straftat nicht einmal ansatzweise verdächtig sind, und liefert diese an ausländische Behörden aus – mit ungewissen Konsequenzen. Hier bestätigt sich wieder: Nur die Anonymität schützt vor falschem Verdacht. Ich hoffe, dass der Europäische Menschenrechtsgerichtshof auf meine Beschwerde reagiert und anonyme SIM-Karten wieder erlauben wird.“

    Hintergrund der Datenzugriffe ist das „Terrorismusbekämpfungsgesetz“, das dem BKA Datenabfragen – besonders Bestandsdatenauskünfte – auch ohne Verdacht einer Straftat gestattet. Eine von der Piratenpartei organisierte Sammelverfassungsbeschwerde von mehreren tausend Bürgern gegen das Gesetz zur Bestandsdatenauskunft ist anhängig.

  • Prepaidkarten: Menschenrechtsgerichtshof entscheidet über Recht auf anonyme Kommunikation

    Im Zuge des geplanten Anti-Terror-Pakets will die Bundesregierung Nutzer von Prepaid-Handykarten zur Vorlage eines Ausweises verpflichten. Doch gegen das schon länger bestehende Verbot anonymer Prepaidkarten hat Patrick Breyer von der Piratenpartei Beschwerde eingereicht. Und nun hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (PDF) nach Prüfung der Zulässigkeit entschieden, die Bundesregierung zu einer Stellungnahme aufzufordern.

    Patrick Breyer: »Die von SPD und Grünen 2004 eingeführte Zwangsidentifizierung aller Nutzer von Prepaidkarten muss ebenso gestoppt werden wie die jetzt neu geplante Ausweispflicht. Sie gefährdet die freie und unbefangene Kommunikation und Internetnutzung, die in unserer Gesellschaft unverzichtbar sind. Viele EU-Mitgliedsstaaten verfolgen Straftaten erfolgreich auch ohne ein Generalverbot anonymer Handykarten. Eine Zwangsidentifizierung bringt Strafverfolgern nichts, weil ausländische Prepaidkarten weiterhin registrierungsfrei genutzt oder von anderen Personen (Strohmännern) registrierte Karten weitergegeben werden können.

    Dagegen ist Anonymität essenziell für Presseinformanten, für die anonyme Äußerung unliebsamer Meinungen im Internet und für die vertrauliche Koordinierung politischer Proteste. Ihr Fehlen kann Menschenleben kosten, z. B. wenn sich Straftäter aus Furcht vor Verfolgung nicht mehr anonym an die Telefonseelsorge wenden können. Ich empfehle allen Nutzern von Prepaidkarten, sich gegen diese vorsorgliche Überwachung zu wehren und Prepaidkarten mit Fantasieangaben zu registrieren.«